Strafrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis nach Amphetaminkonsum

Aktenzeichen  11 CS 21.2414

Datum:
15.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41401
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 11 Abs. 7, § 46 Abs. 1 S. 1, Anl. 4 Nr. 9.1

 

Leitsatz

Nach Ablauf der sog. verfahrensrechtlichen Einjahresfrist darf nicht mehr ohne Überprüfung davon ausgegangen werden, dass die sich aus Anl. 4 Nr. 9.1 FeV ergebende Nichteignung des Betroffenen iSv § 11 Abs. 7 FeV weiter feststeht. Diese Frist beginnt grundsätzlich mit dem Tag, den dieser als den Beginn der Betäubungsmittelabstinenz angegeben hat, oder von dem an, unabhängig von einem solchen Vorbringen, Anhaltspunkte für eine derartige Entwicklung vorliegen (vgl. VGH München BeckRS 2015, 48548 Rn. 19). (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 7 S 21.1637 2021-08-30 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A und B samt eingeschlossener Klassen.
Durch eine Mitteilung der Polizei vom 10. Februar 2020 erhielt die Antragsgegnerin Kenntnis davon, dass bei dem Antragsteller am 14. Juli 2019 in dessen Wohnung 0,04 g Amphetamin und zwei Druckverschlusstüten mit Marihuana-Anhaftungen aufgefunden wurden. Am 19. Februar 2020 teilte die Zentrale Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt mit, dass gegen den Antragsteller am 17. Januar 2020 ein rechtskräftiger Bußgeldbescheid erlassen worden war, weil er am 29. Oktober 2019 ein Kraftfahrzeug unter der Wirkung von Cannabis geführt habe; in der Blutprobe seien 4,40 ng/ml THC festgestellt worden. Aus einer weiteren Mitteilung der Polizei vom 16. Juli 2020 ergibt sich, dass am 30. Juni 2020 ein angerauchter Marihuanajoint beim Antragsteller aufgefunden wurde.
Nach Anordnung durch die Antragsgegnerin legte der Antragsteller ein ärztliches Gutachten der … SÜD L. Service GmbH vom 19. April 2021 vor. Dieses kommt zu dem Ergebnis, der Antragsteller habe Cannabis und Amphetamin eingenommen. Weiter heißt es, der Antragsteller habe angegeben, in der Zeit von Sommer 2020 bis August oder September 2020 insgesamt etwa viermal Cannabis und ein- oder zweimal Speed konsumiert zu haben. Bei der verkehrsmedizinischen Befragung habe er widersprüchliche bzw. nicht nachvollziehbare Angaben zu seinem früheren Drogenkonsum gemacht. Insbesondere seien die angegebenen Konsummengen und die Konsumzeit nicht mit den festgestellten Werten und der Aktenlage in Einklang zu bringen. Eine weitergehende Einschätzung des Konsumverhaltens sei daher nicht möglich.
Im Rahmen der Anhörung zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis legte der Bevollmächtigte eine Vollmacht vor, in der als Sache, für diese erteilt wird, ein näher bezeichnetes Bußgeldverfahren genannt wird. Auf die Bitte, eine Vollmacht für die Fahreignungsüberprüfung zu übersenden, erfolgte keine Reaktion.
Mit Bescheid vom 22. Juni 2021 entzog die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Fahrerlaubnis und forderte ihn unter Androhung eines Zwangsgelds auf, seinen Führerschein unverzüglich abzugeben. Ferner ordnete sie die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an. Nach dem Ergebnis des genannten Gutachtens sei Antragsteller wegen des Konsums von Amphetamin ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Zugestellt wurde der Bescheid ausschließlich dem Antragsteller persönlich.
Am 16. Juli 2021 legte der Bevollmächtigte für den Antragsteller Widerspruch ein, über den nach Aktenlage noch nicht entschieden ist.
Am 3. August 2021 ließ der Antragsteller einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen, den das Verwaltungsgericht Augsburg mit Beschluss vom 30. August 2021 ablehnte. Der Bescheid vom 22. Juni 2021 und die damit verbundene Androhung des Zwangsgelds seien dem Antragsteller ordnungsgemäß zugestellt worden. Die Zustellung sei nicht zwingend an den Bevollmächtigten zu richten gewesen, da die vorgelegte schriftliche Vollmacht allein für ein Bußgeldverfahren erteilt worden sei. Die Begründung des Sofortvollzugs sei formell rechtmäßig. Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung führe zum Überwiegen des öffentlichen Interesses am sofortigen Vollzug des Bescheids, denn der Widerspruch bleibe voraussichtlich ohne Erfolg. Durch das ärztliche Gutachten sei belegt, dass der Antragsteller Amphetamin konsumiert habe. Damit habe er nach Nr. 9.1 und Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung verloren. Es spreche auch nichts für die Wiedergewinnung der Fahreignung; zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sei bereits keine einjährige Abstinenz festzustellen. Im Übrigen falle auch eine von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs unabhängige Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus; dessen berufliche und sonstigen privaten Interessen müssten hinter dem öffentlichen Interesse an einer Vermeidung der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer zurückstehen.
Zur Begründung der hiergegen eingereichten Beschwerde, der die Antragsgegnerin entgegentritt, lässt der Antragsteller ausführen, der angegriffene Bescheid sei bereits formell rechtswidrig. Er hätte zwingend dem Bevollmächtigten zugestellt werden müssen. Soweit auf der vorgelegten Vollmacht ein anderes Verfahren genannt worden sei, handle es sich um eine unschädliche Falschbezeichnung. Bei einer Abwägung überwiege das Interesse des Antragstellers, einstweilen weiter am Straßenverkehr teilnehmen zu können. Der eingeräumte Konsum habe bereits sieben Monate zurückgelegen, für vier davon habe der Antragsteller mittels einer Haaranalyse vom 15. März 2021 Abstinenz nachgewiesen. Nach dem Ergebnis einer weiteren Haarprobe vom 10. August 2021 sei von einer weiteren Abstinenz in der Zwischenzeit auszugehen; insgesamt ergebe sich damit zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde eine Abstinenz von einem Jahr. Zudem sei der Antragsteller als Fahrer eines Transportunternehmens zur Sicherung des Lebensunterhalts auf seine Fahrerlaubnis angewiesen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen bzw. anzuordnen wäre. Die Erfolgsaussichten des Widerspruchs sind zwar offen, die Interessenabwägung geht aber zu Lasten des Antragstellers aus.
1. Soweit die Beteiligten über die Ordnungsgemäßheit der Zustellung an den Antragsteller persönlich streiten, ist festzustellen, dass der Bescheid dem Bevollmächtigten nachträglich tatsächlich zugegangen ist. Damit stellen sich die Fragen, ob der angegriffene Bescheid wegen fehlerhafter „gewillkürter“ Zustellung (vgl. dazu Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, 9. Aufl. 2018, § 41 VwVfG Rn. 47; NdsOVG, B.v. 13.3.2009 – 11 PA 157/09 – NJW 2009, 1834 = juris Rn. 2) und die Zwangsgeldandrohung, deren Zustellung in Art. 36 Abs. 7 Satz 1 VwZVG bestimmt ist, unwirksam sind, nicht mehr. Denn ein etwaiger Zustellungsmangel wäre jedenfalls geheilt, da der Bevollmächtigte zuverlässig Kenntnis vom Inhalt des angegriffenen Bescheids erhalten hat (vgl. Ronellenfitsch in Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, Stand 1.10.2019, Art. 8 VwZG Rn. 12 ff.; BVerwG, U.v. 15.1.1988 – 8 C 8.86 – NJW 1988, 1612 = juris Rn. 10 f.). Ob die Zustellung daher zwingend an den Bevollmächtigten zu richten war (Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VwZVG), obwohl die vorgelegte Vollmacht der äußeren Erklärung nach für ein näher bezeichnetes Bußgeldverfahren erteilt worden war und auf die Bitte der Antragsgegnerin, eine Vollmacht für das Fahrerlaubnisentziehungsverfahren zu übersenden, keine Reaktion erfolgte, bedarf damit keiner Erörterung.
2. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung genügt den Vorgaben des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Diese Bestimmung normiert lediglich eine formelle und keine materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung, so dass es auf die inhaltliche Richtigkeit oder Tragfähigkeit der Begründung des Sofortvollzugs nicht ankommt (vgl. BayVGH, B.v. 26.2.2021 – 11 CS 20.2979 – juris Rn. 23; B.v. 16.10.2019 – 11 CS 19.1434 – juris Rn. 20). Insoweit ist das Verwaltungsgericht der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung gefolgt, wonach an den Inhalt der schriftlichen Begründung der Vollzugsanordnung keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind und bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch ist. Bei dieser häufig wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltung, der eine typische Interessenlage zugrunde liegt, reicht es aus, diese Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass sie nach Auffassung der Fahrerlaubnisbehörde auch im konkreten Fall vorliegt (vgl. BayVGH, B.v. 8.6.2021 – 11 CS 20.2342 – juris Rn. 17; B.v. 16.10.2019 – 11 CS 19.1434 – juris Rn. 20; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 46, 55). Dem hat die Antragsgegnerin genügt, indem sie – ausgehend von der Annahme der fehlenden Fahreignung des Antragstellers – seinen sofortigen Ausschluss vom Straßenverkehr im Interesse der Verkehrssicherheit und des Schutzes anderer Verkehrsteilnehmer für erforderlich erklärt hat.
3. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass bei einer eigenständigen gerichtlichen Interessenabwägung das öffentliche Interesse am Sofortvollzug das Interesse des Antragstellers an einer aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs überwiegt.
a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. April 2021 (BGBl I S. 822), in Kraft getreten zum 1. August 2021, und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. April 2021 (BGBl I S. 822), in Kraft getreten zum 2. August 2021, hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV).
Steht die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest, unterbleibt gemäß § 11 Abs. 7 FeV die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens. Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV entfällt bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis), hier Amphetamin (vgl. § 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. Anlage III), die Fahreignung. Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 5.2.2018 – 11 ZB 17.2069 – Blutalkohol 55, 264 = juris Rn. 10 m.w.N.; B.v. 4.6.2019 – 11 CS 19.669 – juris Rn. 11 f.). Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig harte Drogen im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sind oder wenn der Fahrerlaubnisinhaber die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt hat (vgl. BayVGH, B.v. 13.3.2020 – 11 ZB 20.1 – juris Rn. 11 ff.; B.v. 26.3.2019 – 11 CS 18.2333 – juris Rn. 11 m.w.N.; B.v. 19.4.2021 – 11 CS 21.390 – juris Rn. 16 ff.).
b) Daran gemessen sind die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsteller aufgrund des für den Sommer 2020 eingeräumten Konsums von Amphetamin seine Fahreignung verloren hat. Ob der Antragsteller auch darüber hinaus Amphetamin konsumiert hat (vgl. dazu auch den Strafbefehl des Amtsgerichts Augsburg vom 27.4.2020), kann dahinstehen.
Dieser Konsum kann auch in zeitlicher Hinsicht berücksichtigt werden. Zwar darf nicht jeder beliebig weit in der Vergangenheit liegende Drogenkonsum als Grundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis herangezogen werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 9.6.2005 – 3 C 25.04 – NJW 2005, 3081 = juris Rn. 22 ff.) und des Senats (BayVGH, B.v. 3.4.2018 – 11 CS 18.460 – juris Rn. 14) ist insoweit – falls, wie hier, der Konsum weder zu einer Eintragung im Verkehrs- bzw. Fahreignungsregister noch zu einer Eintragung im Bundeszentralregister geführt hat – unter Einbeziehung aller relevanten Umstände, insbesondere Art und Ausmaß des früheren Drogenkonsums und der seither vergangenen Zeit, entscheidend, ob sich daraus noch ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme feststehender Fahrungeeignetheit ergeben. Das ist hier ohne Weiteres der Fall. Angesichts der Art der konsumierten Drogen, des Ausmaßes des Konsums, der schon nach eigenen Angaben nicht als einmaliger Probierkonsum angesehen werden kann und der sich in Ermangelung nachvollziehbarer Angaben nicht näher eingrenzen lässt, sowie der in Rede stehenden Zeitspanne liegt es auf der Hand, dass die Einschätzung der Gefahrensituation maßgeblich davon abhängt, ob ein stabiler Einstellungswandel stattgefunden hat. Dies kann ohne psychologische Begutachtung nicht beantwortet werden.
c) Im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung erweisen sich die Erfolgsaussichten des Widerspruchs gleichwohl als offen, da die nach der Rechtsprechung des Senats zu beachtende verfahrensrechtliche Einjahresfrist mittlerweile abgelaufen ist und dem Antragsteller – bei entsprechender Bereitschaft – im weiteren Widerspruchsverfahren Gelegenheit zu geben sein wird, den ihm obliegenden Nachweis der materiellen Voraussetzungen der Wiedererlangung der Fahreignung zu erbringen.
Nach der Rechtsprechung des Senats darf nach Ablauf der sog. verfahrensrechtlichen Einjahresfrist nicht mehr ohne Überprüfung davon ausgegangen werden, dass die sich aus Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV ergebende Nichteignung des Betroffenen im Sinne von § 11 Abs. 7 FeV weiter feststeht. Diese Frist beginnt grundsätzlich mit dem Tag, den dieser als den Beginn der Betäubungsmittelabstinenz angegeben hat, oder von dem an, unabhängig von einem solchen Vorbringen, Anhaltspunkte für eine derartige Entwicklung vorliegen. Dafür genügt die bloße Behauptung der Drogenabstinenz jedoch regelmäßig nicht, sondern es müssen Umstände hinzutreten, die diese Behauptung glaubhaft und nachvollziehbar erscheinen lassen (BayVGH, B.v. 9.5.2005 – 11 CS 04.2526 – BayVBl 2006, 18 = juris Rn. 25 ff.; B.v. 17.6.2010 – 11 CS 10.991 – juris Rn. 21 f.; B.v. 24.6.2015 – 11 CS 15.802 – juris Rn. 19). Nach dem Ergebnis der im Rahmen der ärztlichen Begutachtung durchgeführten Haarprobe vom 15. März 2021, die für den Zeitraum der vier davorliegenden Monate keinen Nachweis des Konsums von Amphetaminen erbrachte, dürfte diese Frist Mitte November 2021 abgelaufen sein.
Daher geht der Senat davon aus, dass dem Antragsteller im weiteren Widerspruchsverfahren Gelegenheit zu geben sein wird, den Nachweis der materiellen Voraussetzungen der Wiedererlangung der Fahreignung zu erbringen. Dies verlangt den lückenlosen Abstinenzbeleg hinsichtlich „harter“ Drogen für die Dauer eines Jahres (vgl. VGH BW, B.v. 7.4.2014 – Blutalkohol 51, 191 = juris Rn. 14) sowie eine hinreichend stabile Überwindung der früheren Konsumgewohnheiten, die nur im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung festgestellt werden kann. Für eine positive Verkehrsprognose ist wesentlich, dass zur positiven Veränderung der körperlichen Befunde einschließlich der Laborbefunde ein tiefgreifender und stabiler Einstellungswandel hinzutritt, der es wahrscheinlich macht, dass der oder die Betroffene die notwendige Abstinenz auch in Zukunft einhält (vgl. BayVGH, B.v. 30.8.2021 – 11 CS 21.1933 – juris Rn. 12; Nr. 3.14.1 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung vom 27.1.2014 [Verkehrsblatt S. 110] in der Fassung vom 17.2.2021 [Verkehrsblatt S. 198]). Da der Antragsteller darüber hinaus als gelegentlicher Cannabiskonsument anzusehen ist und am 19. Oktober 2019 gegen das Trennungsverbot (Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV) verstoßen hat, steht es im Ermessen der Antragsgegnerin (§ 14 Abs. 1 Satz 3 FeV), eine etwaige medizinisch-psychologische Begutachtung zugleich auf die Frage erstrecken, ob der Antragsteller auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von Cannabis oder dessen Nachwirkungen führen werde (vgl. dazu BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 25.17 – juris Rn. 17 f.; BayVGH, B.v. 26.5.2021 – 11 CS 21.730 – juris Rn. 31).
Zu einer weiteren Aufklärung in dem vorgenannten Sinn ist die Widerspruchsbehörde allerdings nur gehalten, sofern der Antragsteller, der die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Wiedererlangung der Fahreignung trägt (vgl. BayVGH, 3.4.2018 – 11 CS 18.460 – juris Rn. 18, B.v. 30.8.2021 – 11 CS 21.1933 – juris Rn. 11), sich dazu auch bereit erklärt.
d) Die demnach unabhängig von den Erfolgsaussichten des Widerspruchs vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Angesichts der Gefahren für Leben, körperliche Unversehrtheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer durch fahrungeeignete Personen können persönliche und berufliche Gründe nicht dazu führen, ihm auch nur vorübergehend bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens die Fahrerlaubnis zu belassen. Ein Beleg für die behauptete einjährige Drogenabstinenz sowie deren Stabilität liegt nicht vor. Der Antragsteller hat auch keine sonstigen Maßnahmen, wie etwa eine freiwillige Teilnahme an einem engmaschigen Abstinenzkontrollprogramm, ergriffen, die eine erhöhte Gefahr für andere Straßenverkehrsteilnehmer ausschließen könnten. Ferner hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass die Angaben des Antragstellers zu seinem Konsumverhalten im Rahmen der ärztlichen Begutachtung nicht nachvollziehbar waren. Hinzu treten die Eignungszweifel, die sich aus der Fahrt unter dem Einfluss von Cannabis ergeben. Die von der Beschwerde angesprochenen beruflichen Nachteile muss der Antragsteller folglich zur Gefahrenabwehr hinnehmen (vgl. BVerfG, B.v. 5.3.2007 – 1 BvR 305/07 – Blutalkohol 45, 73 = juris Rn. 5; B.v. 20.6.2002 – 1 BvR 2062/96 – NJW 2002, 2378 = juris Rn. 51 f.).
4. Die Beschwerde ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, 46.1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Ähnliche Artikel


Nach oben