Strafrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Cannabiskonsum und Nachweis einjähriger Abstinenz

Aktenzeichen  M 6 S 16.3333

Datum:
2.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV FeV § 14 Abs. 2 Nr. 2, § 46 Abs. 1
Fev Nr. 9.2.2 der Anlage 4

 

Leitsatz

1. Der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist zwar zuzugestehen, dass ein Fahrerlaubnisinhaber nach Ablauf der sog. „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“, die seit Beginn der behaupteten Abstinenz von Betäubungsmitteln (hier Cannabis) verstrichen sein muss, seine Fahreignung möglicherweise wiedererlangt haben kann.    (redaktioneller Leitsatz)
2. Damit er zur Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr wieder zugelassen werden kann, ist jedoch der abschließende positive Nachweis seiner Fahreignung zwingend erforderlich, nachdem das Fahrerlaubnisrecht ein Rechtsinstitut etwa einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis bis zum Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung, vergleichbar etwa § 111a StPO nicht kennt. (redaktioneller Leitsatz)
3. Es ist auch kein durchgreifendes Argument dafür ersichtlich, warum ein Fahrerlaubnisinhaber nach Ablauf der sog. „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“ bis zum Abschluss des Fahreignungsüberprüfungsverfahrens nach Nachweis seiner einjährigen Abstinenz und abgeschlossener medizinisch-psychologischer Begutachtung besser gestellt werden sollte als ein Fahrerlaubnisbewerber, dem – zB nach vorheriger Entziehung – erst dann eine Fahrerlaubnis neu erteilt werden kann, wenn er den positiven Nachweis seiner Fahreignung erbracht hat. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 5.000 festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A, A1, A2, AM, B und L.
Am 6. Februar 2014 gegen 14.30 Uhr führte der Antragsteller ein Kraftfahrzeug unter der Wirkung von Cannabis. Laut toxikologischem Gutachten vom 7. April 2014 wurde in der am 6. Februar 2014 um 15.04 Uhr entnommenen Blutprobe ein THC-Wert von 5,1 µg/l (entspricht ng/ml) und ein THC-Carbonsäure-Wert von 30 µg/l festgestellt. Der Antragsteller erhielt deswegen einen Bußgeldbescheid vom 6. Mai 2014 (rechtskräftig seit 23. Mai 2014). Hiervon erhielt die Antragsgegnerin im Juli 2014 Kenntnis.
Gegenüber der Polizei hatte der Antragsteller am 6. Februar 2014 im Formblatt „Betroffenenanhörung“ angegeben, sich nicht zur Sache äußern zu wollen. Ein vom Antragsteller unterschriebenes Protokoll vom 6. Februar 2014 enthält allerdings u.a. zur Frage einer Drogeneinnahme in den letzten 24 Stunden vor dem Vorfall folgende Angaben: „02.02.14 gegen 03:00 Uhr ca. 1 Joint“. Auch im Formblatt „Polizeilicher Bericht – Drogen im Straßenverkehr“ vom 6. Februar 2014 wird ausgeführt, dass der Antragsteller angegeben habe, am 2. Februar 2014 um 03:00 Uhr einen Joint konsumiert zu haben.
Die Antragsgegnerin teilte dem Antragssteller daraufhin mit Schreiben vom 31. Oktober 2014 mit, dass er derzeit nicht geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sei, und gab ihm Gelegenheit, binnen zwei Wochen zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis Stellung zu nehmen. Insbesondere sei nach den derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht zweifelhaft, dass der Antragsteller gelegentlich Cannabis konsumiere. Nach eigenen Angaben habe der Antragsteller zuletzt vor über 72 Stunden vor der aktenkundigen Auffälligkeit Cannabis konsumiert. Nachdem jedoch im Rahmen der toxikologischen Untersuchung vom 6. Februar 2014 THC in einer Konzentration von 5,1 ng/ml festgestellt worden sei, zwinge dies zu dem Schluss, dass es am Tattag zu einer weiteren Einnahme von Cannabis gekommen sei.
Mit Schreiben vom 18. November 2014 äußerte sich der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin dahingehend, dass er am Tattag in seiner Mittagspause zwei Freunde getroffen habe, weil es ihm damals sehr schlecht gegangen sei und er jemanden zum Reden gebraucht habe. Einer seiner Freunde habe einen Joint angezündet. „Sie wollten mich dazu einladen und ich dachte mir dieses eine Mal kann ich das schon machen. Es war schon so lange her, dass ich so etwas gemacht hatte und es wird schon nichts passieren.“ Er habe also mitgeraucht. Er habe schon gewusst, dass er noch fahren müsse, habe aber „mit einem schnellen abklingen“ gerechnet. Dann sei er in eine Verkehrskontrolle geraten. Nachdem der Urintest angeschlagen habe, sei er nach seinem letzten Konsum von Cannabis gefragt worden. Er habe gedacht, wenn er einen Konsum erwähne, der zeitlich weit weg liege, könne er sich vielleicht „aus der Affäre ziehen“. Aus Angst habe er gelogen und behauptet, Samstag nachts bzw. Sonntag morgens das letzte Mal Cannabis konsumiert zu haben. Das habe nicht gestimmt, aber damit habe er seinen Konsum in der Mittagspause vertuschen wollen.
Mit Schreiben vom 16. Dezember 2014 ordnete die Antragsgegnerin zunächst die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens innerhalb von drei Monaten an. Mit Erklärung vom 7. Januar 2015 beauftragte der Antragsteller die … … mit der Durchführung der Begutachtung.
Unter dem 8. Januar 2015 erließ die Antragsgegnerin eine neue Gutachtensanordnung und setzte für die Beibringung des Gutachtens nunmehr eine Frist von dreizehn Monaten. Nach § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV könne die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliege und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründeten. Solche Tatsachen seien hier gegeben, weil der Antragsteller am 6. Februar 2014 unter dem Einfluss von Cannabis am Straßenverkehr teilgenommen habe. Die gelegentliche Einnahme von Cannabis stehe aufgrund der eigenen Aussage des Antragstellers während der polizeilichen Maßnahme am 6. Februar 2014 fest. An dieser Aussage müsse er sich messen lassen. Er habe geltend gemacht, seit dem 7. Februar 2014 keine Betäubungsmittel mehr eingenommen zu haben. Er werde daher aufgefordert, ein medizinisch-psychologisches Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle beizbringen, das ein Drogenkontrollprogramm beinhalte. Die Anordnung sei insbesondere geeignet, erforderlich und angemessen. Zur Klärung der Fahreignung seien insbesondere folgende Fragen zu beantworten: „Kann die zu begutachtende Person trotz der früheren Betäubungsmitteleinnahme ein Kraftfahrzeug der Gruppe 1 sicher führen? Ist insbesondere nicht (mehr) zu erwarten, dass die zu begutachtende Person zukünftig Betäubungsmittel nach dem Betäubungsmittelgesetz einnimmt, so dass dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist?“ Der Antragsteller wurde darauf hingewiesen, dass die Antragsgegnerin, sollte der Antragsteller die angeordnete Begutachtung verweigern bzw. die Zwischenergebnisse oder das abschließende Gutachten nicht fristgerecht vorlegen, auf dessen Nichteignung schließen und die Fahrerlaubnis entziehen werde.
Unter dem 11. Februar 2016 übersandte die … … der Antragsgegnerin unter Beifügung der Laborbefunde eine abschließende Bescheinigung zur Betäubungsmittelabstinenz. Danach seien beim Antragsteller im Rahmen eines vom 23. Februar 2015 bis 2. Februar 2016 durchgeführten Abstinenzkontrollprogramms 6 Urinuntersuchungen (am 25. Februar 2015, 13. Mai 2015, 8 Juli 2015, 15. September 2015, 21. Dezember 2015 und 2. Februar 2016) auf Betäubungsmittel, Betäubungsmittelabbauprodukte und gängige Ersatzstoffe erfolgt. Die Proben seien am Folgetag einer für den Antragsteller zeitlich nicht vorhersehbaren telefonischen Einbestellung unter ärztlicher Sichtkontrolle abgegeben worden. Die Analyseergebnisse seien durchgehen unauffällig gewesen. Der Kreatininwert habe jeweils im Normbereich gelegen. Das Programm sei vom 8. bis 20. März 2015, vom 13. bis 17. Mai 2015 und vom 30. Mai bis 20. Juni 2015 unterbrochen worden. Ansonsten sprächen die erhobenen Befunde für eine Betäubungsmittelabstinenz im oben genannten Kontrollzeitraum.
Mit Schreiben vom 25. April 2016 gab die DEKRA die Führerscheinakte an die Antragsgegnerin zurück.
Daraufhin teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller unter dem 27. Mai 2016 mit, dass die Frist zur Vorlage des angeordneten Gutachtens abgelaufen sei. Es sei daher beabsichtigt, ihm gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV die Fahrerlaubnis zu entziehen. Der Antragsteller erhalte Gelegenheit, sich hierzu innerhalb von 2 Wochen ab Zustellung zu äußern.
Mit Schreiben vom 13. Juni 2016 zeigte der Bevollmächtigte des Antragstellers dessen Vertretung an und erhob Einwendungen gegen die beabsichtigte Entziehung der Fahrerlaubnis. Die Gutachtensanordnung sei unverhältnismäßig. Die Antragsgegnerin sei im Dezember 2014 nach Anhörung des Antragstellers zutreffend davon ausgegangen, dass ein einmaliger Konsum von Cannabis vorliege. Sie könne zwar die Aufklärung der Konsumfrequenz verlangen. Dies geschehe aber durch die Ablieferung eines ärztlichen Gutachtens. Inzwischen sei belegt, dass beim Antragsteller keine Cannabisproblematik bestehe.
Nachdem die Antragsgegnerin dem Bevollmächtigten des Antragsteller nochmals kurz das beabsichtigte Vorgehen erläutert hatte, entzog sie dem Antragsteller mit Bescheid vom 18. Juli 2016, dessen Bevollmächtigten zugestellt am 20. Juli 2016, die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen aller Klassen (Nr. 1 des Bescheids), forderte ihn unter Fristsetzung auf, seinen Führerschein der Fahrerlaubnisbehörde abzugeben (Nr. 2), und drohte ihm für den Fall der nicht fristgerechten Abgabe ein Zwangsgeld in Höhe von EUR 1.000,– an (Nr. 3). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 4). Die Nrn. 5 und 6 des Bescheides enthalten Festsetzungen zu den Kosten des Verfahrens.
Die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV begründete die Antragsgegnerin damit, dass die unmittelbare Nichteignung des Antragstellers feststehe. Es müsse als erwiesen angesehen werden, dass der Antragsteller am 2. und am 6. Februar 2014 und damit mindestens in zwei selbständigen Konsumakten Cannabis konsumiert habe. Außerdem habe am 6. Februar 2014 eine Straßenverkehrsteilnahme unter dem Einfluss von Cannabis stattgefunden. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs könne nicht mehr von der unmittelbaren Ungeeignetheit ausgegangen werden, wenn die sog. verfahrensrechtliche Einjahresfrist abgelaufen sei und Abstinenz geltend gemacht werde. Der Antragsteller habe das angeordnete Gutachten bis dato nicht vorgelegt. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller weiterhin Betäubungsmittel konsumiere. Damit sei die Regelvermutung der Nr. 9.2.2. der Anlage 4 zur FeV mit der Folge zu bejahen, dass die Fahrerlaubnis ohne weitere Begutachtung der Fahreignung zu entziehen sei. § 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 7 FeV bestimme ausdrücklich dass die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens unterbleibt, wenn die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde feststehe.
Die Anordnung des Sofortvollzugs wurde damit begründet, dass durch den belegten Cannabiskonsum bei gleichzeitig fehlendem Trennvermögen von Konsum und Führen eines Kraftfahrzeugs die konkrete Gefahr der Behinderung und Schädigung anderer Verkehrsteilnehmer bestehe.
Am 27. Juli 2016 wurde ausweislich des hierüber gefertigten polizeilichen Protokolls der Führerschein des Antragstellers sichergestellt.
Mit Schriftsatz vom 27. Juli 2016, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am selben Tag, erhob der Bevollmächtigte des Antragstellers für diesen Klage und beantragte, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 18. Juli 2016 aufzuheben und den Führerschein an den Antragsteller auszureichen (M 6 K 16.3332). Gleichzeitig beantragte er,
die aufschiebende Wirkung der Klagen gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 18. Juli 2016, durch den dem Antragsteller die Fahrerlaubnis aller Klassen entzogen und gleichzeitig die sofortige Vollziehung unter Zwangsgeldandrohung im Fall der Nichtablieferung seines Führerscheins bei dem Beklagten angeordnet worden sei, wiederherzustellen.
Zur Begründung wird ausgeführt, dass der streitgegenständliche Bescheid bereits formell rechtswidrig sei, da er von der unzuständigen Behörde erlassen worden sei. Der Antragssteller wohne seit 1. Juli 2016 in … Zudem sei dessen vorherige Anhörung faktisch unterblieben. Der Antragsgegner habe dessen Sachvortrag in keinerlei Hinsicht gewürdigt. Der Bescheid sei aber auch materiell rechtswidrig. Der Antragsteller habe nur einmal, nämlich am 6. Februar 2014, Cannabis konsumiert. Die Antragsgegnerin wäre berechtigt gewesen, das Konsumverhalten des Antragstellers mit einem ärztlichen Gutachten aufzuklären, nicht aber mit einer psychologischen Untersuchung. Mit der Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung sei die Antragsgegnerin über das Ziel hinausgeschossen. Die Gutachtensanordnung sei daher unverhältnismäßig. Die Antragsgegnerin könne auch nicht „plötzlich“, nachdem sie über ein Jahr lang von einem anderen Sachverhalt ausgegangen sei, unterstellen, dass der Antragsteller mehr als einmal Cannabis konsumiert habe. Dieser habe die Antragsgegnerin mit seinem Schreiben vom 18. November 2014 davon überzeugen können, dass in Wahrheit nur ein einmaliger Konsum vorgelegen habe. Der Sofortvollzug sei auch deshalb aufzuheben, weil nach zweieinhalb Jahren kein dringendes öffentliches Interesse mehr am sofortigen Vollzug bestehe. Außerdem habe der Antragsteller durch das Drogenkontrollprogramm belegt, dass er keine Drogen nehme.
Mit Schriftsatz vom 10. August 2016 legte die Antragsgegnerin die Akten vor und beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der streitgegenständliche Bescheid formell und materiell rechtmäßig sei. Zwar sei der Antragsteller nicht mehr im Bereich der Antragsgegnerin gemeldet. Die nunmehr zuständige Fahrerlaubnisbehörde habe aber der Fortführung des Verfahrens durch die Antragsgegnerin nachträglich zugestimmt. Die Antragsgegnerin habe dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen, weil er sich geweigert habe, das erforderliche medizinisch-psychologische Gutachten vorzulegen (§ 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV). Der Antragsteller sei auf der Grundlage des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aufgefordert worden, weil er als gelegentlicher Cannabiskonsument den Konsum und das Führen eines Kraftfahrzeugs nicht trennen könne. Entgegen der Darstellung in seinem Schreiben vom 18. November 2014 habe der Antragsteller nicht nur einmalig Cannabis konsumiert. Er müsse sich an seiner Aussage gegenüber der Polizei festhalten lassen. Die Wiedererlangung der Fahreignung setzte nach Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV den Nachweis einer einjährigen Abstinenz, die stabil und dauerhaft gefestigt sei, voraus, was regelmäßig durch Vorlage eines dies bestätigenden medizinisch-psychologischen Gutachtens zu belegen sei. Der Antragsteller habe zwar die einjährige Abstinenz nachgewiesen, aber die medizinisch-psychologische Untersuchung nicht vornehmen lassen. Die Vorlage von Drogenscreenings allein rechtfertige weder ein Belassen der Fahrerlaubnis noch einen Verzicht auf die sofortige Vollziehung des Entzugs der Fahrerlaubnis. Verweigere sich ein Betroffener gerade dem psychologischen Explorationsgespräch, nähre dies den Eindruck, dass jemand zwar zeitlich befristet durchaus in der Lage sein könne, auf den Konsum einer Droge zu verzichten, sich aber der persönlichen Einsicht oder Festlegung, ob dies auch dauerhafte Einstellung sei, verschließen wolle.
Am 16. August 2016 erteilte das Landratsamt Landsberg die von der Antragsgegnerin erbetene Zustimmung nach Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakten sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet und daher ohne Erfolg.
1. Der Antrag ist insoweit zutreffend gestellt, als der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids vom 18. Juli 2016 enthaltene Entziehung seiner Fahrerlaubnis aller Klassen und hinsichtlich der in Nr. 2 des Bescheids enthaltenen, fristmäßig konkretisierten, Verpflichtung zur Ablieferung seines Führerscheines begehrt, deren sofortige Vollziehung in Nr. 4 des Bescheids gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet wurde. Des Weiteren ist der Antrag gemäß § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich der in Nr. 3 verfügten Zwangsgeldandrohung begehrt, welche gemäß Art. 21 a des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes – VwZVG – bereits kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO).
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist allerdings hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung in Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids bereits unzulässig. Denn der Führerschein des Antragstellers wurde am 27. Juli 2016 sichergestellt. Damit ist die Verpflichtung aus Nr. 2 des Bescheids erfüllt. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Antragsgegnerin das in Nr. 3 des Bescheids angedrohte Zwangsgeld entgegen der Vorschrift des Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG gleichwohl noch beitreiben wird. Daher fehlt es dem Antragsteller für einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich der Nr. 3 des Bescheids am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis (BayVGH, B.v. 21.10.2013 – 11 CS 13.1701).
Nicht erledigt hingegen hat sich durch die Abgabe des Führerscheins die Verpflichtung in Nr. 2 des Bescheids, denn sie stellt den Rechtsgrund für das vorläufige behalten dürfen dieses Dokuments für die Fahrerlaubnisbehörde dar (BayVGH, B.v. 12.2.2014 – 11 CS 13.2281 – juris).
2. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 4 des Bescheids vom 18. Juli 2016 genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
Nach dieser Vorschrift ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dabei hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes angeordnet hat. An den Inhalt der Begründung sind dabei allerdings keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Schmidt in: Eyermann, VwGO – Verwaltungsgerichtsordnung, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 43).
Dem genügt die ersichtlich auf den vorliegenden Einzelfall abstellende Begründung auf den Seiten 7 und 8 im Bescheid vom 18. Juli 2016. Im Übrigen ergibt sich das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung im Bereich des Sicherheitsrechts regelmäßig – so auch hier – gerade aus den Gesichtspunkten, die für den Erlass des Verwaltungsakts selbst maßgebend waren.
3. Hinsichtlich der in Nr. 4 des Bescheids vom 18. Juli 2016 angeordneten sofortigen Vollziehung war die aufschiebende Wirkung der Klage vom 27. Juli 2016 bezüglich der Nrn. 1 und 2 nicht wiederherzustellen.
3.1 Gemäß § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt zum einen, wenn die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten angeordnet hat. Die aufschiebende Wirkung entfällt aber auch dann, wenn dies gesetzlich angeordnet ist (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 – 3 VwGO).
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 – 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessensabwägung.
3.2 Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall war der Antrag abzulehnen, weil die Erfolgsaussichten der Klage gegen die in Nr. 1 des Bescheids vom 18. Juli 2016 enthaltene Entziehung der Fahrerlaubnis aller Klassen des Antragstellers als offen anzusehen sind, so dass es bei einer Interessenabwägung verbleibt, die vorliegend zu Lasten des Antragstellers ausfällt.
3.2.1 Nach Auffassung der erkennenden Kammer ist der streitgegenständliche Bescheid zwar rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten, so dass die hiergegen erhobene Anfechtungsklage jedenfalls in der 1. Instanz erfolglos bleiben wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Dabei ist zunächst anzumerken, dass maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage vorliegend wegen der unmittelbaren Klageerhebung derjenige der Zustellung des streitgegenständlichen Bescheids vom 18. Juli 2016 am 20. Juli 2016 ist (BayVGH, B.v. 4.12.2012 – 11 ZB 12.2667 – juris; B.v. 18.04.2016 – 11 ZB 16.285 – juris).
Zu diesem Zeitpunkt war dem Antragsteller bereits nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG – und § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnisverordnung – FeV – die Fahrerlaubnis mangels Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zwingend zu entziehen, weil eine gelegentliche Einnahme von Cannabis bei ihm ebenso feststand wie das fehlende Trennungsvermögen zwischen Konsum und Fahren am 6. Februar 2014, Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV, § 11 Abs. 7 FeV.
Der Antragsteller hat gelegentlich im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV Cannabis konsumiert. Dies steht aufgrund des toxikologischen Gutachtens vom 7. April 2014 und seiner eigenen Aussagen gegenüber der Polizei am 6. Februar 2014 fest. Danach hat der Antragsteller am 2. Februar 2014 gegen 3.00 Uhr einen Joint geraucht. Nach den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen muss es darüber hinaus zu einer weiteren Einnahme von Cannabis zeitnäher zur Fahrt am 6. Februar 2014 gegen 14.30 Uhr gekommen sein. Sonst hätten im Blut des Antragstellers nicht noch 5,1 ng/ml THC nachgewiesen werden können.
Aufgrund seiner Teilnahme am Straßenverkehr am 6. Februar 2014 unter dem Einfluss von 5,1 ng/ml THC steht auch fest, dass der Antragsteller nicht zwischen Konsum und Fahren getrennt hat. Denn fehlendes Trennungsvermögen setzt bereits bei 1 ng/ml THC im Blutserum ein (BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3.13; BayVGH B.v. 23.5.2016 – 11 CS 16.690; BayVGH, B.v. 9.2.2015 – 11 C 14.2571; VG München, U.v. 23.6.2015 – M 6a K 14.5300). Die mit Bußgeldbescheid vom 6. Mai 2014 (rechtskräftig seit 23. Mai 2014) geahndete Tat ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung auch noch verwertbar, § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b) StVG (n.F.) i.V.m. § 65 Abs. 3 Nr. 3 StVG.
Die sog. „verfahrensrechtliche Einjahresfrist“ kommt dabei nach Auffassung der erkennenden Kammer nicht zur Anwendung. Hierzu hat die ehemalige Kammer 6b des Bayerischen Verwaltungsgerichts München in ihrem Urteil vom 9. Dezember 2015 (M 6b K 15.1592) Folgendes ausgeführt (so inzwischen auch ein Urteil vom 20. Juli 2016 [M 6 K 16.1742] und ein Urteil vom 6. Juni 2016 [M 6 K 15.4693] sowie zwei Beschlüsse vom 13. Mai 2016 [M 6 S. 16.1354 und M 6 S. 16.1438] der hier erkennenden Kammer):
„1.1.4 Unter Beachtung der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur sog. „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“ seit seinem Beschluss vom 9. Mai 2005 – 11 CS 04.2526 – würde nun Folgendes gelten:
Der Kläger hat in einem Telefonat mit der Fahrerlaubnisbehörde am 29. Januar 2013 behauptet, ca. neun Monate Abstinenzdauer belegen zu können. Damit hat er auch eine entsprechende Abstinenzbehauptung aufgestellt und hierzu außerdem zunächst den Abstinenznachweis der … GmbH vom 1. August 2012 über drei Monate Abstinenz vor dem 25. Juli 2012 vorgelegt. Von dieser Abstinenzbehauptung ist der Kläger bislang nicht abgerückt und es ist auch sonst nichts Gegenteiliges bekannt. Vielmehr hat er nachfolgend bis in die jüngste Zeit weitere Abstinenznachweise der … GmbH vorgelegt und seine Abstinenzbehauptung damit quasi erneuert und bekräftigt, indem er zuletzt über 11 Monate zusammenhängende aktuelle Abstinenz nachweisen konnte.
Daher könnte ausschließlich wegen der seit Beginn der behaupteten Abstinenz verstrichenen Zeit nicht mehr ohne weiteres von seiner Fahrungeeignetheit ausgegangen werden. Die Fahrerlaubnisbehörde wäre vielmehr gehalten, den Kläger im Hinblick auf eine etwaige Wiedererlangung der Fahreignung zunächst zu einem engmaschigen, behördlich überwachten Drogenscreening mit anschließender medizinisch-psychologischer Untersuchung auf der Grundlage des § 14 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 FeV aufzufordern, allerdings ohne jegliches Ermessen (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2015 – 11 CS 15.145 – und B.v. 24.6.2015 – 11 CS 15.802 – jeweils für Fälle sog. harter Drogen).
Ob aber § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV auf Fälle der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ohne weiteres generell anwendbar ist, wäre noch zu klären. Denn bei § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV geht es um die Klärung der Frage, ob der Betroffene noch abhängig ist oder – ohne abhängig zu sein – weiterhin die in Absatz 1 genannten Mittel oder Stoffe einnimmt. Für Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV hingegen kommt es bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis grundsätzlich auf die Trennung von Konsum und Fahren an, nicht lediglich auf die bloße Einnahme als solche.
1.1.5 Die erkennende Kammer folgt mit vorliegendem Urteil jedoch nach reiflicher Überlegung dieser Rechtsprechung nicht mehr und gibt ihre eigene ständige Rechtsprechung in dieser Hinsicht hiermit auf.
Denn die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs verlangt danach, einen Fahrerlaubnisinhaber, der sich als fahrungeeignet erwiesen hat, so lange von der aktiven Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr als Führer eines Kraftfahrzeugs auszuschließen, bis er den positiven Nachweis der Wiedererlangung seiner Fahreignung erbracht hat. Es ist demgegenüber nicht hinzunehmen, einem Fahrerlaubnisinhaber bis zum Abschluss des Nachweises seiner einjährigen Abstinenz und nachfolgend noch für die Zeitdauer zur Erstellung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens seine Fahrerlaubnis zu belassen und ihm damit eine weitere Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr zu ermöglichen, wenn er selbst seine Fahrungeeignetheit zuvor unter Beweis gestellt hat. Dies widerspricht dem Sinn und Zweck des Gesetzes, fahrungeeignete Kraftfahrzeugführer vom öffentlichen Straßenverkehr bis zum Nachweis ihrer Fahreignung auszuschließen. Es ist der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs seit dem Beschluss vom 9. Mai 2005 zwar zuzugestehen, dass ein Fahrerlaubnisinhaber nach Ablauf der sog. „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“, die seit Beginn der behaupteten Abstinenz verstrichen sein muss, seine Fahreignung möglicherweise wiedererlangt haben kann. Damit er zur Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr wieder zugelassen werden kann, ist jedoch der abschließende positive Nachweis seiner Fahreignung zwingend erforderlich, nachdem das Fahrerlaubnisrecht ein Rechtsinstitut etwa einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis bis zum Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung, vergleichbar etwa § 111a Strafprozessordnung – StPO -, nicht kennt. Es ist auch kein rechtlich durchgreifendes Argument dafür ersichtlich, warum ein Fahrerlaubnisinhaber nach Ablauf der sog. „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“ – innerhalb derer er ohnehin fahrungeeignet weiter am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen hat – bis zum Abschluss des Fahreignungsüberprüfungsverfahrens nach Nachweis seiner einjährigen Abstinenz und abgeschlossener medizinisch-psychologischer Begutachtung besser gestellt werden sollte als ein Fahrerlaubnisbewerber, dem – z.B. nach vorheriger Entziehung der Fahrerlaubnis innerhalb der sog. „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“ bei ansonsten gleicher Sachlage – erst dann eine Fahrerlaubnis neu erteilt werden kann, wenn er den positiven Nachweis seiner Fahreignung erbracht hat. Letztlich hängt es oft von Zufälligkeiten, wie insbesondere auch der Arbeitsbelastung der zuständigen Fahrerlaubnisbehörden, oder auch dem eigenen Verhalten des betreffenden Fahrerlaubnisinhabers, z.B. indem er mit Rechtsbehelfen den Eintritt der Rechtskraft ordnungswidrigkeiten- oder strafrechtlicher Entscheidungen und damit deren Mitteilung an die Fahrerlaubnisbehörden verzögert, ab, ob eine Fahrerlaubnisbehörde bzw. im Falle der Einlegung eines Widerspruchs nachfolgend noch die Widerspruchsbehörde innerhalb der sog. „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“ eine entsprechende Entscheidung zur Entziehung der Fahrerlaubnis bzw. ggf. zur Zurückweisung eines dagegen gerichteten Widerspruchs erlassen kann oder nicht. Solches kann und darf jedoch nicht zulasten der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs gehen (in diesem Sinne auch: VGH BW, B.v. 7.4.2014 – 10 S. 404.14, wonach im Rahmen eines Fahrerlaubnisentziehungsverfahrens ohne Beachtung einer „verfahrensrechtlichen“ Jahresfrist bzw. sonstiger starrer zeitlicher Vorgaben grundsätzlich vom Fortbestand einer zuvor festgestellten oder feststellbaren Fahrungeeignetheit auszugehen ist, solange der materielle Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung nicht erbracht worden ist [vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2015 – 11 CS 15.145]; vgl. auch: Künzl/Sinner, Verwaltungs- und arbeitsrechtliche Fragen des Suchtmittelkonsums von Kraftfahrern, NZA-RR 2013, Heft 11, S. 561, 563, die zudem einen überzeugenden Vergleich zur Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem Punktsystem – heute Fahreignungs-Bewertungssystem – ziehen).
1.1.6 In jüngster Zeit hat zudem der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem Urteil vom 17. November 2015 – 11 BV 14.2738 – die Rechtsauffassung vertreten, dass es innerhalb des Zeitraums, in dem eine Tat noch im Fahreignungsregister eingetragen und daher berücksichtigungsfähig ist, nicht vorgesehen sei, dass die einmal wegen Alkoholmissbrauchs verloren gegangene Fahreignung allein durch Zeitablauf zurückgewonnen werden könne. Denn wenn in der Vergangenheit fahrerlaubnisrechtlicher Alkoholmissbrauch vorgelegen habe, führe dies zum Ausschluss der Fahreignung. Durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten sei zu klären, ob – je nach individuellen Erfordernissen – eine stabile Alkoholabstinenz vorliege oder Prophylaxestrategien hinsichtlich des Trennungsvermögens entwickelt worden seien und ob der Einstellungswandel stabil und motivational gefestigt sei (Rn. 42).
Hinsichtlich der Einnahme von Betäubungsmitteln, hier ganz konkret bzgl. der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV, kann nichts anderes gelten.
1.1.7 An Fällen wie dem vorliegenden wird die Problematik der sog. „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“ deutlich, weil betreffende Fahrerlaubnisinhaber trotz feststehenden Verlustes ihrer Fahreignung weiterhin – wenn auch (so allerdings aktuell nicht beim Kläger) unter „Überwachung“ durch ein Drogenscreening – mit einem Kraftfahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen dürfen, bis letztlich erst nach erheblicher Zeit ein medizinisch-psychologisches Gutachten eine Aussage zur Fahreignung trifft, auf der die Fahrerlaubnisbehörde ihr weiteres Vorgehen aufbauen kann. Kommt dann ggf. noch die Problematik der Rüge unzureichender und damit nicht (sogleich) verwertbarer Gutachten hinzu, verschärft sich die Lage im Hinblick auf die Zeitdauer bis zur Klärung der Frage der Fahreignung nochmals, ebenso wenn es – anders als hier – um harte Drogen mit womöglich noch erheblich stärkerem Suchtpotential geht, denen ein Betreffender u.U. trotz Drogenscreenings nicht zu widerstehen vermag.
Vor diesem Hintergrund ist der Wille des Gesetzgebers absolut nachvollziehbar, solche Fahrerlaubnisinhaber von der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr gänzlich auszuschließen, bis sie die Wiedererlangung ihrer Fahreignung unter Beweis gestellt haben. Dann würden auch Verzögerungen des Verfahrens gleich welcher Art (z.B. bei der Erbringung der Abstinenznachweise wegen Nichtwahrnehmung kurzfristig angesetzter Screeningtermine aufgrund angeblicher Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit, u.U. mit bloßer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines Arztes) zu ihren Lasten gehen und in manchen Fällen wäre wohl auch eine höhere Kooperationsbereitschaft der Betreffenden zu erwarten als es in vielen Fällen, die der Kammer schon zur Entscheidung vorgelegen haben, der Fall war.
Die hier nun vertretene Rechtsauffassung würde voraussichtlich für die praktischen Rechtsanwendung durch die Fahrerlaubnisbehörden eine ebenso große Vereinfachung und Erleichterung bringen wie die kürzlich erfolgte Aufgabe der bislang ebenfalls ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass eine Nichttrennung von Konsum und Fahren im Sinne der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV erst ab einem Wert von über 2,0 ng/ml THC i.S. gegeben sei (s.o. unter Nr. 1.1.2).“
Gerade der vorliegende Fall ist erneut geeignet, die Problematik der sog. „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“ deutlich vor Augen zu führen. Denn während der gesamten Zeit zwischen dem Vorfall am 6. Februar 2014 bis zum Bescheid vom 18. Juli 2016 durfte der Antragsteller weiter quasi ungehindert als Führer eines Kraftfahrzeugs am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen, obwohl er sich wegen der Einnahme von Cannabis als fahrungeeignet erwiesen hat und bis dato nur geklärt ist, dass er sich – abgesehen von kurzen Unterbrechungen – im Zeitraum Februar 2015 bis Februar 2016 weiteren Drogenkonsums enthalten hat, nicht aber, ob er seine Einstellung zum Konsum von Drogen und einer Verkehrsteilnahme grundlegend überdacht und geändert hat. Das ist unter dem Aspekt der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs nicht akzeptabel. Bereits nach den Aussagen gegenüber der Polizei am 6. Februar 2014, jedoch spätestens ab Vorlage des Bußgeldbescheids im Ordnungswidrigkeitsverfahren im Juli 2014 hätte die Fahrerlaubnisbehörde dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entziehen können und müssen.
Das Vorbringen des Antragstellers führt zu keiner anderen Beurteilung.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist davon auszugehen, dass er nicht nur einmal, sondern gelegentlich Cannabis konsumiert (hat). Wie der Bevollmächtigte des Antragstellers zu der Auffassung gelangt, die Antragsgegnerin vom Vorliegen eines bloß einmaligen Konsums überzeugt zu haben, ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. Vielmehr hat die Antragsgegnerin nicht nur in ihrem Schreiben vom 31. Oktober 2014, sondern auch in ihrer Gutachtensanordnung vom 8. Januar 2015 und ihrem Bescheid vom 18. Juli 2016 durchgängig und zu Recht einen mindestens zweimaligen und damit gelegentlichen Cannabiskonsum angenommen. Dass der Antragsteller mindestens in zwei selbständigen Konsumakten am 2. Februar 2014 und am 6. Februar 2014 Cannabis konsumiert hat, steht für die Kammer aufgrund der toxikologischen Untersuchung vom 7. April 2014 und der eigenen Aussagen des Antragstellers gegenüber der Polizei am 6. Februar 2014 fest.
Mag der Antragsteller in dem Formblatt „Betroffenenanhörung“ am 6. Februar 2014 auch angegeben haben, sich nicht zur Sache äußern zu wollen, so unterliegen seine Angaben gegenüber der Polizei, wie sie in dem von ihm unterschriebenen „Protokoll“ vom 6. Februar 2014 dokumentiert sind, keinerlei Verwertungsverbot für das Verwaltungsverfahren der Fahrerlaubnisbehörde in Vollzug des Fahrerlaubnisrechts als speziellen präventiven Sicherheitsrechts (VG München, B.v. 1.7.2016 – M 6 S. 16.2624). Vielmehr unterliegen die Angaben gegenüber der Polizei der freien Beweiswürdigung durch das Gericht (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
An der inhaltlichen Richtigkeit der ursprünglichen Angaben bestehen zur Überzeugung der erkennenden Kammer keine Zweifel. Die Ausführungen des Antragstellers in seinem Schreiben vom 18. November 2014 sind nicht geeignet, den Beweiswert der ursprünglichen Angaben zu erschüttern. Der Vortrag, er habe deshalb gelogen und als Zeitpunkt für seinen Cannabiskonsum einen früheren Zeitpunkt – den 2. Februar 2014 – angegeben, weil er gedacht habe, er könne sich so „aus der Affäre ziehen“ und seinen Cannabiskonsum am 6. Februar 2014 vertuschen, ist nicht glaubhaft. Denn der Antragsteller musste nach dem bereits vorliegenden und ihm auch bekannten positiven Ergebnis des durchgeführten Schnelltests ohnehin davon ausgehen, dass der Cannabiskonsum am 6. Februar 2014 mittels Blutuntersuchung nachweisbar sein würde. Zu einer vergleichbaren Fallkonstellation hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 23. Mai 2016 (11 CS 16.690 – juris Rn. 14) Folgendes ausgeführt:
„Lediglich ergänzend sei allerdings angemerkt, dass die Einlassung des Antragstellers im Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 22. Februar 2016 gegenüber dem Landratsamt, es habe sich bei seiner Angabe eines weiter zurückliegenden Konsums gegenüber den Polizeibediensteten im Rahmen der Verkehrskontrolle um eine Schutzbehauptung gehandelt, um auf diese Weise einem Straf- oder Ordnungswidrigkeitsvorwurf zu entgehen, weder nachvollziehbar noch überzeugend ist. Zwar kann der Fahrlässigkeitsvorwurf bei einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 24a Abs. 2, Abs. 3 StVG (Fahrt nach Cannabiskonsum) ausnahmsweise entfallen, wenn der Betreffende die Fahrt erst nach längerem Zuwarten angetreten hat und er zu diesem Zeitpunkt auch unter Berücksichtigung atypischer Rauschverläufe und der Unberechenbarkeit des THC-Abbaus davon ausgehen konnte, dass der Wirkstoff bei Antritt der Fahrt vollständig abgebaut war („Längere-Zeit-Rechtsprechung“, kritisch hierzu KG Berlin, B.v. 14.10.2014 – 3 Ws (B) 375/14 – Blutalkohol 52, 32, und daran anknüpfend OLG Oldenburg, B.v. 4.8.2015 – 2 Ss OWi 142/15 – juris; ebenso Funke in Münchener Kommentar zum Straßenverkehrsrecht, Bd. 1, 1. Auflage 2016, § 24a StVG Rn. 61; Krumm in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 1. Auflage 2014, § 24a StVG Rn. 28). Es erscheint allerdings äußerst zweifelhaft, ob dem Antragsteller als angeblich einmaligem Cannabiskonsumenten diese Rechtsprechung überhaupt bekannt und bei der Verkehrskontrolle so präsent war, dass er sich spontan zu einer solchen taktischen Einlassung in der Lage sah. Abgesehen davon ergibt es jedenfalls keinen Sinn, einen angeblich einmaligen Konsum (zunächst) um mehrere Monate in den Sommer zurück zu verlegen, wenn dem Betreffenden, wie der Antragsteller selbst einräumt, bewusst ist, dass man aufgrund des in Wahrheit erst kurz vor Fahrtantritt konsumierten Joints THC in seinem Blut nachweisen kann. Dass bei einem einmaligen und mehrere Monate zurückliegenden Cannabiskonsum noch THC im Blutserum festgestellt werden kann, erscheint ausgeschlossen. Welche Vorteile sich der Antragsteller von einer solchen Einlassung versprochen hat, bleibt unklar. Er muss sich daher an seinen spontanen und nicht überzeugend entkräfteten Äußerungen anlässlich der Verkehrskontrolle festhalten lassen.“
Entsprechendes gilt auch für den vorliegenden Fall. Allein der Umstand, dass in der dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fallkonstellation der letzte Konsum um mehrere Monate und nicht nur – wie hier – um ca. 4 ½ Tage vorverlegt wurde, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn der Antragsteller bringt in seinem Schreiben vom 18. November 2014 selbst vor, dass er von einem raschen Abklingen der Rauschwirkung ausgegangen sei. Wenn er dann weiter ausführt, dass er angenommen habe, dass sich das positive Ergebnis des durchgeführten Schnelltests mit einem mehr als 4 Tage zurückliegenden Konsum erklären lassen würde, und daher einen früheren Zeitpunkt für den letzten Cannabiskonsum – den 2. Februar 2014 – genannt habe, erscheint dies schlicht widersprüchlich.
Darüber hinaus steht der gelegentliche Konsum auch deshalb fest, weil der Antragsteller in seinem Schreiben vom 18. November 2014 selbst einräumt, schon früher Cannabis konsumiert zu haben, mag dies auch schon eine längere Zeit zurückliegen („Es war schon so lange her, dass ich so etwas gemacht hatte…“). Für einen nicht nur einmaligen Konsum spricht zudem, dass der Antragsteller angibt, dass er gewusst habe, dass er noch Fahren müsse, aber „mit einem schnellen abklingen“ gerechnet habe. Damit lässt der Antragsteller erkennen, dass es sich jedenfalls nicht um einen erstmaligen Probierkonsum gehandelt haben kann. Dass einem erstmaligen Konsumenten von Cannabis die Wirkweise und die Abbauzeiten von Cannabis – zumindest vermeintlich – bekannt sind und er diese für seine Entscheidung über den Zeitpunkt seines Fahrtantritts heranzieht, hält die Kammer für nicht glaubhaft. Selbst wenn das Vorbringen des Antragstellers dahingehend zu verstehen sein sollte, dass er am 6. Februar 2014 zwar nicht erstmalig, aber nach einer längeren Pause aufgrund besonderer Umstände einmalig Cannabis konsumiert habe, vermag die Kammer dem keinen Glauben zu schenken. Dass der Antragsteller wegen angeblicher Beziehungsprobleme ausgerechnet in einer Mittagspause in dem Wissen, dass er wieder zur Arbeit zurückkehren und hierzu sein Auto benutzen muss, und damit unter objektiv äußerst ungünstigen Umständen einmalig rückfällig wird, erscheint dem Gericht nicht plausibel.
Entgegen der Ansicht des Antragstellers leidet der Bescheid vom 18. Juli 2016 auch nicht an formellen Mängeln. Dessen Rechtmäßigkeit scheitert nicht an der inzwischen nicht mehr bestehenden Zuständigkeit der Antragsgegnerin. Denn die Fortführung des Verfahrens durch die bisher nach § 73 Abs. 2 Satz 1 FeV, Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 a) Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG – zuständige Antragsgegnerin dient damit unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens. Dem hat die nunmehr zuständige Fahrerlaubnisbehörde auch zugestimmt (Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG).
Auch die gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG grundsätzlich erforderliche Anhörung ist erfolgt. Mit Schreiben vom 27. Mai 2016 hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller Gelegenheit zur Äußerung gegeben und hat sich sowohl in ihrem Bescheid vom 18. Juli 2016 als auch der Antragserwiderung vom 10. August 2016 mit dessen Einwendungen auseinandergesetzt. Spätestens damit wäre – eine fehlende oder nicht ausreichende Anhörung unterstellt – eine Heilung gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG eingetreten. Dass die Behörde dem Vorbringen des Betroffenen inhaltlich folgt, ist keine Voraussetzung einer wirksamen Anhörung.
3.2.2 Gleichwohl ist für das vorliegende Verfahren von offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache auszugehen, da im Lichte des in Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz – GG – verankerten Gebots der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht außer Betracht bleiben kann, dass unter Zugrundlegung der bisherigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ein gegen ein klageabweisendes Urteil ggf. eingelegter Rechtsbehelf in der nächsten Instanz Erfolg haben dürfte.
Denn anders als die erkennende Kammer geht, wie bereits dargelegt, der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bislang in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Fahrerlaubnisbehörde nach Ablauf der sog. „verfahrensrechtlichen Einjahresfrist“, d.h. nach Ablauf eines Jahres nach dem Tag, den der Fahrerlaubnisinhaber als Beginn der Betäubungsmittelabstinenz benannt hat, nicht mehr ohne weiteres nach § 11 Abs. 7 FeV vom Verlust der Fahreignung ausgehen dürfe (vgl. grundlegend BayVGH, U.v. 9.5.2005, Az. 11 CS 04.2526 – juris; B.v. 22.9.2015, Az. 11 CS 15.1447 – juris).
Darüber hinaus hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof nun auch in einer Fallkonstellation, in der die verfahrensrechtliche Einjahresfrist noch nicht abgelaufen war, die Frage als offen und in einem Hauptsacheverfahren zu klären bezeichnet, ob bereits bei einer einzelnen Fahrt unter Cannabiseinfluss von Ungeeignetheit nach § 11 Abs. 7 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ausgegangen werden könne oder ob nicht entsprechend dem Vorgehen bei fahrerlaubnisrechtlichem Alkoholmissbrauch bei der ersten Zuwiderhandlung zunächst eine medizinisch-psychologische Untersuchung im Ermessenswege (nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV) und erst bei der zweiten Zuwiderhandlung zwingend (nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV) eine medizinisch-psychologische Untersuchung angeordnet werden müsse (BayVGH, B.v. 29.08.2016, 11 CS 16.1460 – juris). Diese Umstände können in einem Fall wie dem vorliegenden bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht unberücksichtigt bleiben, so dass diese im Ergebnis als offen zu erachten sind.
Vorliegend war zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheids vom 18. Juli 2016 am 20. Juli 2016 bereits mehr als ein Jahr seit dem letzten nachgewiesenen Konsum von Cannabis am 6. Februar 2014 verstrichen. Die verfahrensrechtliche Einjahresfrist war somit abgelaufen und nach der o.g. Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs der Rückschluss auf die Ungeeignetheit des Antragstellers nicht mehr ohne weiteres zulässig, nachdem der Antragsteller zumindest implizit Abstinenz seit dem 7. Februar 2014 behauptet hatte – und inzwischen für den Zeitraum Februar 2015 bis Februar 2016 auch belegt hat. Dementsprechend hat die Antragsgegnerin zunächst auf der Grundlage von § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet, allerdings nach Nichtbeibringung des Gutachtens die Entziehung der Fahrerlaubnis in ihrem Bescheid vom 18. Juli 2016 – entgegen der Ankündigung in ihrem Anhörungsschreiben – nicht auf § 11 Abs. 8 FeV, sondern § 11 Abs. 7 FeV gestützt. § 11 Abs. 8 FeV wird als Rechtsgrundlage an keiner Stelle des Bescheids genannt und das Vorliegen von dessen Voraussetzungen auch nicht geprüft. Vielmehr kommt die Antragsgegnerin auf den Seiten 5 und 6 des Bescheids zum Ergebnis, dass mangels Vorlage des Gutachtens durch den Antragsteller davon ausgegangen werden müsse, dass dieser weiterhin Betäubungsmittel einnehme. Damit sei die Regelvermutung der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV zu bejahen und die Fahrerlaubnis ohne weitere Begutachtung zu entziehen. § 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 7 FeV bestimme ausdrücklich, dass die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens unterbleibe, wenn die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde feststehe. Es spricht also viel dafür, dass die Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis allein davon abhängt, ob die Antragsgegnerin zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entziehung gemäß § 11 Abs. 7 FeV von der Ungeeignetheit des Antragstellers ausgehen durfte. Dies ist zwar nach Auffassung der erkennenden Kammer aus den oben unter 3.2.1 genannten Gründen der Fall. Hält aber der Bayerische Verwaltungsgerichtshof an seiner bisherigen Rechtsprechung zur verfahrensrechtlichen Einjahresfrist fest, würde ein Rechtsbehelf gegen ein klageabweisendes Urteil Aussicht auf Erfolg haben. In einem derart gelagerten Fall darf das Gericht erster Instanz, auch und gerade wenn es von einer Entscheidung des zuständigen Berufungsgerichts abweicht, im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht auf die Erfolglosigkeit der Klage in erster Instanz abstellen, sondern muss von offenen Erfolgsaussichten der Hauptsache zugunsten des Antragstellers ausgehen (VG München, U.v. 20.7.2016, M 6 K 16.1742).
3.2.3 Die somit angesichts der offenen Erfolgsaussichten im Hauptsachverfahren vorzunehmende Interessenabwägung geht vorliegend zu Lasten des Antragstellers aus.
Das Risiko, dass es zu einer Teilnahme am Straßenverkehr unter dem Einfluss von Cannabis kommt und damit Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer gefährdet werden, ist zur Überzeugung der erkennenden Kammer beim Antragsteller wesentlich höher als die allgemeine Gefahr der Gefährdung durch andere im Straßenverkehr und wiegt schwerer als das Interesse des Antragstellers, vorläufig weiterhin am Straßenverkehr teilzunehmen. Im Rahmen der Interessenabwägung fällt hier insbesondere ins Gewicht, dass der Antragsteller, der angesichts des feststehenden gelegentlichen Konsums von Cannabis und des fehlenden Trennvermögens seine Fahreignung auch unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zur verfahrensrechtlichen Einjahresfrist verloren hat, zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung des streitgegenständlichen Bescheids am 20. Juli 2016 die Wiedererlangung seiner Fahreignung weder nachvollziehbar dargelegt, geschweige denn nachgewiesen hat. Sein Verhalten, insbesondere seine Weigerung, das von der Antragsgegnerin im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs angeordnete Gutachten beizubringen, lässt ungeachtet der für den Zeitraum Februar 2015 bis Februar 2016 nachgewiesenen Abstinenz nur den Schluss zu, dass er nach wie vor nicht fahrgeeignet ist.
Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt die Wiedererlangung der Fahreignung bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten zwar keine einjährige Abstinenz nach Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV voraus. Ausreichend, aber auch erforderlich ist eine motivational gefestigte Änderung des Konsumverhaltens (vgl. BayVGH; B.v. 9.5.2005 – 11 CS 04.2526; B.v. 25.1.2016 – 11 CS 15.2480). Der gelegentliche Cannabiskonsument muss also keine Abstinenz einhalten, sondern nur den Konsum von Cannabis und das Führen eines Kraftfahrzeugs ausreichend trennen. Vorliegend hat der Antragsteller durch Vorlage der Bescheinigung vom 11. Februar 2016 belegt, dass er im Zeitraum Februar 2015 bis Februar 2016 keine Betäubungsmittel eingenommen hat. Auf den ersten Blick scheint daher vom Antragsteller inzwischen keine größere Gefahr mehr für den Straßenverkehr auszugehen als von jedem anderen Verkehrsteilnehmer auch. Voraussetzung für die Wiedererlangung der Fahreignung ist jedoch, dass die vollzogene Verhaltensänderung stabil und motivational gefestigt ist. Der Antragsteller darf also nicht nur unter dem Druck des drohenden Entzugs der Fahrerlaubnis auf den Konsum von Betäubungsmitteln verzichtet haben, sondern muss seine Einstellung zu Drogen nachhaltig überdacht und geändert haben. Er muss insbesondere Strategien entwickelt haben, um entweder dauerhaft abstinent bleiben oder Konsum und Fahren künftig zumindest zuverlässig trennen zu können. Vorliegend fehlt es an jeglichem Vortrag des Antragstellers hierzu. In seinem Schreiben vom 18. November 2014 hat der Antragsteller keine Angaben zu einer Verhaltensänderung gemacht, sondern lediglich bestritten, überhaupt ein gelegentlicher Cannabiskonsument gewesen zu sein. Auch sein Verhalten nach Abschluss des Drogenkontrollprogramms wirft erhebliche Zweifel an einer stabilen und verlässlichen Verhaltensänderung auf. Nachdem es dem Antragsteller immerhin gelungen ist, über den Zeitraum von einem Jahr abstinent zu leben, hätte es nahe gelegen, sich anschließend auch der angeordneten medizinisch-psychologischen Untersuchung zu unterziehen, um belegen zu können, dass sein Trennungsvermögen stabil und verlässlich wiederhergestellt ist. Stattdessen hat sich der Antragsteller der Untersuchung entzogen und auch sonst keine Angaben dazu gemacht, wie er künftig sicherstellen will, dass er in Situationen wie derjenigen am 6. Februar 2014 nicht erneut unter Cannabiseinfluss am Straßenverkehr teilnimmt. Eine Auseinandersetzung mit seiner Einstellung gegenüber Betäubungsmitteln hätte sich umso mehr aufgedrängt, als der Antragsteller nach seinem eigenen Vorbringen bereits in der Vergangenheit Cannabis konsumiert hat und sich am 6. Februar 2014 auch von den ungünstigen äußeren Umständen nicht davon abhalten, sondern von seinen Freunden hat überreden lassen, erneut Cannabis einzunehmen. Es liegen auch keinerlei Erkenntnisse darüber vor, ob der Antragsteller nach Abschluss des Drogenkontrollprogramms weiterhin abstinent lebt. Für den Zeitraum ab Februar 2016 wurden keine entsprechenden Laborbefunde vorgelegt.
Der Antragsteller kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass aus der Weigerung, das angeordnete Gutachten beizubringen, nicht auf seine Nichteignung geschlossen werden dürfe, weil die Gutachtensanordnung nicht rechtmäßig, insbesondere unverhältnismäßig gewesen sei, weil nur eine ärztliche, nicht aber eine psychologische Untersuchung habe gefordert werden dürfen. Denn die Frage, ob die Verhaltensänderung beim Antragsteller stabil und motivational gefestigt ist, lässt sich nur mittels einer medizinisch-psychologischen Untersuchung aufklären. Dies stellt auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner grundlegenden Entscheidung zur verfahrensrechtlichen Einjahresfrist nicht in Frage, wenn er dahinstehen lässt, ob die abschließende Begutachtung dann, wenn bereits ärztliche Laboruntersuchungen in ausreichender, den Einjahreszeitraum abdeckender Zahl vorliegen, tatsächlich noch kombiniert medizinisch-psychologischer Natur sein muss oder ob unter dieser Prämisse nicht auch eine bloße psychologische Begutachtung des Betroffenen ausreicht (BayVGH, B.v. 9.5.2005, a.a.O. – juris Rn 36). Bezweifelt wird lediglich, ob eine (weitere) medizinische, Untersuchung geboten ist. Die Notwendigkeit der psychologischen Untersuchung wird hingegen nicht in Frage gestellt. Ob die Gutachtensanordnung dabei vorliegend – unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs – zu Recht auf § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV gestützt worden ist oder ob insoweit § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV einschlägig gewesen wäre, braucht nicht entschieden zu werden. Denn die strengeren Anforderungen des § 14 Abs. 1 Satz 3 – die Ausübung von Ermessen – sind hier eingehalten worden.
3.3 Da somit die sofortige Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis der summarischen gerichtlichen Überprüfung standhält, verbleibt es auch bei der in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltenen Verpflichtung, den Führerschein abzuliefern. Diese – im Bescheid hinsichtlich der Frist konkretisierte – Verpflichtung ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FeV.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
5. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG – i.V.m. den Empfehlungen in den Nrn. 1.5 Satz 1 sowie 46.1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, Anh. § 164 Rn. 14).


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