Strafrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen einer Fahrt unter dem Einfluss von   Amphetamin

Aktenzeichen  11 CS 20.2355

Datum:
29.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 38196
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
StVG § 3 Abs. 1
FeV § 11 Abs. 7, § 46 Abs. 1
FeV Anl. 4 Nr. 9.1, 9.5

 

Leitsatz

1. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig harte Drogen im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sind oder wenn der Fahrerlaubnisinhaber die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt hat (vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2020 – 11 CS 20.1292, BeckRS 2020, 24670; B.v. 26.3.2019 – 11 CS 18.2333, BeckRS 2019, 6040). Ein Ermessen steht der Behörde insoweit nicht zu (BayVGH, B.v. 24.4.2017 – 11 CS 17.601, BeckRS 2017, 110441). (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wer sich auf eine ausnahmsweise unbewusste Aufnahme eines Betäubungsmittels beruft, muss einen detaillierten, in sich schlüssigen und auch im Übrigen glaubhaften Sachverhalt vortragen, der einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lässt und der damit auch zumindest teilweise der Nachprüfung zugänglich ist (stRspr, vgl. BayVGH B.v. 14.9.2020 – 11 CS 20.1292, BeckRS 2020, 24670; B.v. 17.5.2019 – 11 CS 19.308 BeckRS 2019, 13677; B.v. 13.2.2019 – 11 ZB 18.2577, BeckRS 2019, 2264) (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der für die Wiedererlangung der Fahreignung im Sinne von Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV erforderliche Nachweis, dass kein Betäubungsmittelkonsum mehr besteht, ist regelmäßig erst dann geführt, wenn eine Abstinenz von einem Jahr und ein motivational gefestigter Fahreignung nachgewiesen ist (stRspr vgl. BayVGH B.v. 16.7.2020 – 11 C 20.670, BeckRS 2020, 20538; B.v. 13.2.2019 – 11 ZB 18.2577, BeckRS 2019, 2264 ). (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 10 S 20.1425 2020-09-17 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.750,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A1, AM, B und L.
Anlässlich einer Verkehrskontrolle am 1. Februar 2020 stellte die Polizei bei ihm äusserste Nervosität, Händezittern und ein Unvermögen fest, seinen Körper stillzuhalten. Ein Drogenschnelltest verlief positiv auf Amphetamin. Nach Belehrung gab der Antragsteller auf Frage an, der Amphetamintest könne positiv auf seine „Fitness Booster“-Tabletten reagieren. Zu ihrem Inhalt und ihrer Herkunft wollte er nach dem polizeilichen Bericht vom 9. Februar 2020 nichts sagen. Zunächst gab er an, lediglich eine Tablette genommen und keine weitere mehr zu Hause zu haben, nach Hinweis auf eine mögliche Hausdurchsuchung räumte er ein, dass er doch noch eine weitere Tablette in seinem Zimmer in der elterlichen Wohnung habe. Nach deren Übergabe an die Polizei verlief ein Drogentest an dieser Tablette ebenfalls positiv auf Amphetamin. Nach einem chemisch-toxikologischen Gutachten vom 12. Februar 2020 enthielt die Blutprobe 15 µg/l Amphetamin.
Die Staatsanwaltschaft sah von der Strafverfolgung wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln mit Verfügung vom 31. März 2020 gemäß § 45 Abs. 2 i.V.m. § 109 Abs. 2 JGG ab.
Im Rahmen der Anhörung zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtigte vortragen, das Strafverfahren sei eingestellt worden. Es liege keine „Einnahme“ eines Betäubungsmittels vor, die von der unbewussten Aufnahme abzugrenzen sei. Der Antragsteller habe zwei Tabletten eines Fitness Boosters von einem Freund bekommen, um dadurch seine Ausdauer beim Joggen zu verbessern. Er habe lediglich einmal eine Tablette in der Vorstellung eingenommen, es handele sich dabei um ein harmloses Nahrungsergänzungsmittel zur Steigerung seiner Ausdauer.
Am 13. Juli 2020 teilte die Polizeiinspektion H. dem Landratsamt A. telefonisch mit, der Antragsteller habe den Namen des Freundes, von dem er die Tabletten erhalten habe, nicht angegeben. Die Tabletten seien lose, unverpackt und etwa dreimal so groß wie handelsübliche Kapseln zum Einnehmen gewesen.
Mit Bescheid vom 13. Juli 2020 entzog das Landratsamt dem Antragsteller gestützt auf § 11 Abs. 7 FeV, Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV die Fahrerlaubnis und forderte ihn unter Androhung eines Zwangsgelds auf, seinen Führerschein unverzüglich, spätestens innerhalb von einer Woche ab Zustellung des Bescheids beim Landratsamt abzugeben. Ferner ordnete es die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an. Die Einnahme von Betäubungsmitteln sei durch die chemisch-toxikologische Untersuchung der Blutprobe vom 1. Februar 2020 nachgewiesen. Das Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenverfahren sei eingestellt worden, weil der zur Erfüllung des Tatbestands des § 24a Abs. 2 StVG erforderliche Grenzwert (bei Amphetamin 25,0 ng/ml) nicht erreicht worden sei. Der nur pauschal und wenig substantiiert vorgebrachte Einwand, der in dieser Blutprobe festgestellte Amphetaminwert sei auf den unbewussten Konsum eines vermeintlichen Fitness Boosters zurückzuführen, sei weder geeignet noch ausreichend, um von einer unbewussten Drogenaufnahme ausgehen und die Regelannahme der fehlenden Fahreignung infrage stellen zu können.
Am 23. Juli 2020 ließ der Antragsteller gegen die Ziffern I. und V. des Bescheids Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach erheben, über die noch nicht entschieden ist, und die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Ziffern I., III. und V. des Bescheids beantragen.
Mit Beschluss vom 17. September 2020 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ab. Die Begründung des Sofortvollzugs genüge den formellen Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV und Nr. 3.14.1 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahrereignung sei derjenige nicht in der Lage, den gestellten Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen gerecht zu werden, der Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) konsumiere. Darunter falle das vom Antragsteller konsumierte Amphetamin, unter dessen Einfluss er gefahren sei. Dem stehe die Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nicht entgegen. Es sei lediglich wegen geringer Schuld und gerade nicht wegen fehlenden Tatverdachts oder fehlender subjektiver Vorwerfbarkeit nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Die Behauptung, er sei von der Einnahme harmloser Nahrungsergänzungsmittel zur Steigerung der Ausdauer ausgegangen, sei als Schutzbehauptung anzusehen und nicht glaubhaft. Solche Behauptungen seien allenfalls dann beachtlich, wenn der Betroffene überzeugend aufzeigen könne, dass der Dritte einen Beweggrund gehabt habe, ihm ohne sein Wissen Betäubungsmittel zuzuführen, und er selbst die Aufnahme des Betäubungsmittels und deren Wirkung tatsächlich nicht bemerkt habe. Hieran fehle es. Der Vortrag des Antragstellers sei nicht detailliert genug. Es bleibe unklar, wer der Freund gewesen sei, der ihm die Fitness-Tabletten gegeben haben solle. Auch zu einem mutmaßlichen Motiv gebe es keinen substantiierten Vortrag. Demgegenüber liege es auf der Hand, dass Betäubungsmittel, die immerhin für nicht ganz unwesentliche Geldbeträge gehandelt würden, nicht ohne weiteres verschenkt würden, auch nicht, wenn es sich um geringe Konzentrationen handle. Hinzu komme, dass der Antragsteller bei der Konfrontation mit dem Ergebnis des positiven Drogenschnelltests nicht – wie zu erwarten – überrascht reagiert und einen Drogenkonsum ausdrücklich verneint habe, sondern selbst sofort Rückschlüsse auf den eingenommenen Fitness-Booster gezogen habe. Diese Antwort weise darauf hin, dass ihm die Betäubungsmittel nicht untergeschoben worden seien, sondern er vielmehr von den Inhaltsstoffen der Tabletten Kenntnis gehabt habe. An dieser Bewertung ändere auch die (nachträglich) unterzeichnete „eidesstattliche Versicherung“ nichts. Die Tabletten seien lose, unverpackt und etwa dreimal so groß wie handelsübliche Kapseln zum Einnehmen gewesen, sodass bereits aufgrund der äußeren Umstände zumindest Zweifel hinsichtlich der Inhaltsstoffe hätten aufkommen müssen. Soweit sich der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen die Kostenentscheidung in Ziffer V. des Bescheids wende, sei er bereits unzulässig, jedenfalls auch unbegründet.
Mit seiner Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt, macht der Antragsteller geltend, das Landratsamt habe die Anordnung des Sofortvollzugs mit einer Gefährdung der Verkehrssicherheit begründet, was hier gerade nicht der Fall sei. Der Antragsteller habe unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln kein Fahrzeug geführt und weder vor noch seit dem Vorfall Amphetamine oder andere Betäubungsmittel eingenommen. Es fehle an einer willentlichen Einnahme. Die Tatsache, dass er den Namen des Freundes nicht nenne, könne nicht zu seinem Nachteil gewertet werden. Zu dem Motiv des Freundes bzw. Bekannten könne er nichts vortragen, weil ihm dieses unbekannt sei. Er könne lediglich vermuten, dass dieser gehofft habe, der Antragsteller werde von der Wirkung des Fitness Boosters derart begeistert sein, dass er diesen öfter bei ihm kaufe. Es sei nicht unüblich, dass Amphetamine zunächst verschenkt würden, um einen entsprechenden weiteren Dauerkonsum zu fördern. Auch der Umstand, dass der Antragsteller den positiven Drogentest auf den Fitness Booster zurückgeführt habe, zeige nicht, dass er bewusst Amphetamine eingenommen habe. Der einzige Unterschied in seiner sonstigen Nahrungs- oder Getränkeaufnahme seien die Fitness Booster gewesen, sodass deren Einnahme die einzige Erklärung für das Testergebnis gewesen sei. Wenn er gewusst hätte, dass er Amphetamine eingenommen hätte, hätte er wohl kaum einem Schnelltest zugestimmt. Auch aus der Größe der Kapseln sei nichts abzuleiten. Es gebe kleinste Tabletten (z.B. Aspirin 100 oder die „Pille“) bis hin zu sehr großen Tabletten wie beispielsweise Omega-3-Fettsäuren- oder Kurkuma-Tabletten. Auf die Bitte, ihm zu helfen, beim Joggen fitter zu werden, habe der Bekannte dem Antragsteller gesagt, dass diese Tabletten ihm dabei helfen würden. Es handele sich keineswegs um eine unglaubwürdige nachgeschobene Behauptung. Insbesondere sei zu beachten, dass bereits der dritte Abstinenznachweis erbracht worden sei, sodass nachweisbar aktuell keine Gefahr für den Straßenverkehr vom Antragsteller ausgehe.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet.
Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern oder aufzuheben wäre.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. Juni 2020 (BGBl I S. 1528), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Dezember 2019 (BGBl I S. 2008), zum Teil in Kraft getreten zum 1. Juni 2020, hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Steht die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest, unterbleibt gemäß § 11 Abs. 7 FeV die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens. Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV entfällt bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis), hier Amphetamin (vgl. § 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. Anlage III), die Fahreignung. Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 5.2.2018 – 11 ZB 17.2069 – juris Rn 10 m.w.N.). Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits dann gerechtfertigt, wenn – wie hier – einmalig harte Drogen im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sind oder wenn der Fahrerlaubnisinhaber die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt hat (vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2020 – 11 CS 20.1292 – juris Rn. 11; B.v. 26.3.2019 – 11 CS 18.2333 – juris Rn. 11 m.w.N.). Ein Ermessen steht der Behörde insoweit nicht zu (BayVGH, B.v. 24.4.2017 – 11 CS 17.601 – juris Rn. 13).
Die eignungsausschließende Einnahme von Betäubungsmitteln setzt zwar nach der obergerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich einen willentlichen Konsum voraus. Die vom Antragsteller geltend gemachte unbewusste Einnahme von Betäubungsmitteln stellt jedoch nach allgemeiner Lebenserfahrung eine seltene Ausnahme dar. Daher muss, wer sich auf eine ausnahmsweise unbewusste Aufnahme eines Betäubungsmittels beruft, einen detaillierten, in sich schlüssigen und auch im Übrigen glaubhaften Sachverhalt vortragen, der einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lässt und der damit auch zumindest teilweise der Nachprüfung zugänglich ist (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2020 – 11 CS 20.1292 – juris Rn. 14; B.v. 17.5.2019 – 11 CS 19.308 – juris Rn. 15; B.v. 13.2.2019 – 11 ZB 18.2577 – juris Rn. 18 jeweils m.w.N.). Auch hat der Senat derartige Behauptungen nur dann für beachtlich gehalten, wenn überzeugend aufgezeigt werden konnte, dass dem Auffinden von Betäubungsmitteln im Körper eines Fahrerlaubnisinhabers Kontakt mit Personen vorausgegangen ist, die zumindest möglicherweise einen Beweggrund hatten, dem Betroffenen ein drogenhaltiges Nahrungsmittel bzw. hier Nahrungsergänzungsmittel zugänglich zu machen; ferner, dass dieser selbst die Aufnahme des Betäubungsmittels und deren Wirkung tatsächlich nicht bemerkt hat (vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2020 a.a.O.).
Dies ist hier nicht der Fall. Der Antragsteller hat sich in seinem Beschwerdevortrag zwar zum Teil mit der Würdigung seiner Angaben durch das Verwaltungsgericht auseinandergesetzt, allerdings ohne detaillierte, nachprüfbare Angaben zu machen, insbesondere, ohne die Personalien des „Freundes“ bzw. „Bekannten“ zu nennen, von dem er die beiden Tabletten bezogen hat. Die Vermutung zu dessen Beweggrund und der Vortrag zu den Gepflogenheiten der Szene (Schenkung von Amphetaminen) ist ohne weitere Substantiierung nicht schlüssig bzw. glaubhaft. Im Übrigen fehlt es auch an einem Vortrag dazu, wann er joggen gehen wollte oder gegangen ist, wann (Uhrzeit) er die Tablette eingenommen hat und dass er die Wirkung des Betäubungsmittels, welche für die Polizei noch nach Mitternacht stark wahrzunehmen war, nicht bemerkt habe. Auf die insgesamt überzeugende Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichts auf Seite 9 f. des Beschlusses wird im Übrigen Bezug genommen.
Die fehlende Fahreignung vermögen die im Klageverfahren beigebrachten negativen Urintests nicht zu widerlegen. Abgesehen davon, dass es insoweit auf den Zeitpunkt des Bescheiderlasses ankommt, hat der Antragsgegner zu Recht darauf hingewiesen, dass Urintests, die nicht den CTU-Kriterien nach Nr. 8.1 der Beurteilungskriterien (Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung, Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie/Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin, 3. Aufl. 2013, S. 244 f.; mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 27.1.2014 [VkBl 2014, 132] als aktueller Stand der Wissenschaft eingeführt) entsprechen, hierzu von vornherein nicht geeignet sind. Außerdem ist der für die Wiedererlangung der Fahreignung im Sinne von Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV erforderliche Nachweis, dass kein Betäubungsmittelkonsum mehr besteht, regelmäßig erst dann geführt, wenn eine Abstinenz von einem Jahr und ein motivational gefestigter Verhaltens- und Einstellungswandel nachgewiesen ist (stRspr vgl. BayVGH, B.v. 16.7.2020 – 11 C 20.670 – juris Rn. 19; B.v. 13.2.2019 – 11 ZB 18.2577 – juris Rn. 21 m.w.N.). Letzteres hat durch eine medizinisch-psychologische Untersuchung zu geschehen (vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV; Pause-Münch in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Stand 25.6.2019 § 14 FeV Rn. 95 ff.).
Schließlich ist das Verwaltungsgericht auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung ausreichend begründet ist. An den Inhalt der schriftlichen Begründung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Das Landratsamt ist der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung gefolgt, wonach bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.10.2019 – 11 CS 19.1434 – juris Rn. 20 m.w.N.; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 55, 46). Bei dieser häufig wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltung, der eine typische Interessenlage zugrunde liegt, reicht es aus, diese Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass sie nach Auffassung der Fahrerlaubnisbehörde auch im konkreten Fall vorliegt (stRspr, vgl. BayVGH, a.a.O.). Dem hat das Landratsamt genügt, indem es – ausgehend von einer infolge des Konsums einer harten Droge nach § 11 Abs. 7 FeV anzunehmenden fehlenden Fahreignung – den sofortigen Ausschluss des Antragstellers vom Straßenverkehr im Interesse der Verkehrssicherheit und des Schutzes anderer Verkehrsteilnehmer für erforderlich erklärt hat. Auf die inhaltliche Richtigkeit oder Tragfähigkeit der Begründung kommt es nicht an, da § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO eine formelle und keine materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung normiert (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2020, § 80 Rn. 246; Hoppe, a.a.O. Rn. 54 f.; Bostedt in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 80 Rn. 81). Die behördliche Annahme, dass einem nicht fahrgeeigneten Kraftfahrer im Hinblick auf die damit für die Allgemeinheit verbundenen erheblichen Gefahren die Fahrerlaubnis ungeachtet des Gewichts seines persönlichen Interesses an der Teilnahme am individuellen Straßenverkehr nicht bis zum Eintritt der Bestandskraft des Entziehungsbescheids belassen werden kann, begegnet keinen Bedenken (stRspr des Senats, vgl. BayVGH, a.a.O. m.w.N.). Dabei spielt es keine Rolle, ob der Antragsteller bis zum Erlass des Entziehungsbescheids und ggf. noch danach unbeanstandet am Straßenverkehr teilgenommen hat. Maßgeblich ist, dass die Gefahren für die Allgemeinheit unvermindert bestehen, solange die Fahreignung fehlt.
Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5, 46.2 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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