Strafrecht

Feststellung der Rechtswidrigkeit polizeilicher Maßnahmen (Platzverweis, Sicherstellung)

Aktenzeichen  W 9 K 17.703

Datum:
25.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 5855
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 43 Abs. 1, § 113 Abs. 1 S. 4
PAG Art. 2 Abs. 1, Abs. 2, Art. 16 S. 1, Art. 17 Abs. 1 Nr. 3, Art. 25 Nr. 1, Art. 26 Abs. 1 S. 1, Art. 28 Abs. 1 S. 1, Art. 54 Abs. 1, Abs. 2, Art. 59
StGB § 123 Abs. 1 Alt. 2

 

Leitsatz

1. Ein schutzwürdiges Rehabilitationsinteresse ist anzuerkennen, wenn die begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit einer polizeilichen Maßnahme als „Genugtuung“ und/oder zur Rehabilitierung erforderlich ist, weil die Maßnahme diskriminierenden Charakter hatte und sich aus ihr eine objektive Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen ergeben hat, die durch ihre Außenwirkung geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder in seinem sozialen Umfeld herabzusetzen, und in der Gegenwart noch fortbesteht (vgl. BayVGH BeckRS 2015, 46454 Rn. 13 mwN).  (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Androhung der Ingewahrsamnahme zur Durchsetzung eines Platzverweises handelt es sich nicht um eine Einzelfallregelung im Sinne der Androhung eines Zwangsmittels oder der Androhung unmittelbaren Zwangs, sondern um einen allgemeinen Hinweis oder allenfalls um eine Anhörung zu einer eigenständigen polizeilichen Standardmaßnahme (vgl. BayVGH BeckRS 2014, 54489 Rn. 29).       (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Mieter bleibt trotz Kündigung des Mietvertrages oder Verurteilung zur Räumung bis zum Verlust des unmittelbaren Besitzes an den gemieteten Räumen Inhaber des Hausrechts und begeht mit einem Verbleib nach Ablauf der Mietzeit keinen Hausfriedensbruch, der grundsätzlich einen Platzverweis rechtfertigen würde. (Rn. 28 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
4. Wenn Polizeibeamte vor Ort bei der juristischen Bewertung der ihnen bekannten Tatsachen irren, liegt weder eine Gefahr noch eine Anscheinsgefahr vor, die ein Einschreiten der Polizei rechtfertigen kann; letztere ist dann gegeben, wenn bei objektiver Betrachtung zur Zeit der polizeilichen Maßnahme Tatsachen auf eine drohende Gefahr hindeuten, sie aber in Wirklichkeit nicht vorliegt (vgl. BayVGH BeckRS 2010, 469974 Nr. 2.3 und 2.4). (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
5. Sobald die Voraussetzungen für eine Sicherstellung weggefallen sind, besteht ein Herausgabeanspruch, der Ausdruck des allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruchs ist und unabhängig davon eingreift, ob die Voraussetzungen einer Sicherstellung bei deren Erlass vorgelegen haben oder nicht (vgl BayVGH BeckRS 2009, 31450 Nr. 3.b). (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.
II. Es wird festgestellt, dass die von der Polizei am 1. Juli 2017 gegenüber dem Kläger ausgesprochenen Platzverweise aus der K … Straße … I …, G …, sowie die angeordneten Sicherstellungen und Verwahrungen der zwei zu dieser Gewerbeeinheit gehörenden Schlüsselbunde rechtswidrig waren.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 2/5 und der Beklagte zu 3/5.
IV. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Soweit die Klage zurückgenommen wurde, ist das Verfahren einzustellen, § 92 Abs. 3 VwGO.
Soweit die Klage aufrechterhalten wurde, ist sie teilweise zulässig und im tenorierten Umfang begründet.
1. Die Klage ist insoweit zulässig, als der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Platzverweise, die Sicherstellungen sowie Verwahrungen der Schüssel rechtwidrig gewesen sind.
1.1 Statthafte Klageart für die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Platzverweise und Sicherstellungen ist die Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO. Bei diesen polizeilichen Maßnahmen handelt es sich um Verwaltungsakte nach Art. 35 Satz 1 BayVwVfG. Die Platzverweise haben sich durch ihren Vollzug und die Sicherstellungen spätestens mit der Herausgabe der Schlüssel am 5. Juli 2017 im Sinne des Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG vor Klageerhebung erledigt.
Hinsichtlich der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verwahrung ist die allgemeine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Bei der Verwahrung handelt es sich um einen Realakt (BayVGH, U.v. 26.1. 2009 – 10 BV 08.1422 – juris Rn. 30), der sich spätestens mit der Herausgabe der Schlüssel am 5. Juli 2017 im Sinne des Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG vor Klageerhebung erledigt hat.
Das für die Zulässigkeit erforderliche besondere Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist unter dem Gesichtspunkt des Rehabilitationsinteresses des Klägers zu bejahen. Ein Rehabilitationsinteresse begründet ein besonderes Feststellungsinteresse dann, wenn es bei vernünftiger Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalls als schutzwürdig anzuerkennen ist. Dies ist der Fall, wenn die begehrte Feststellung, dass die angegriffene polizeiliche Maßnahme rechtswidrig war, als „Genugtuung“ und/oder zur Rehabilitierung erforderlich ist, weil die polizeiliche Maßnahme diskriminierenden Charakter hatte und sich aus ihr eine objektive Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen ergeben hat (vgl. BVerwG, B.v. 4.10.2006 – 6 B 64.06 – juris Rn. 10). Die objektive Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts muss dabei geeignet sein, das Ansehen des Klägers in der Öffentlichkeit oder in seinem sozialen Umfeld herabzusetzen – also Außenwirkung erlangt haben -, und in der Gegenwart noch fortbestehen (BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 8 C 14.12 – juris Rn. 25; BayVGH, B.v. 12.5.2015 – 10 ZB 13.629 – juris Rn. 13 m.w.N.; OVG Nds, U.v. 26.4. 2018 – 11 LC 288/16 – juris Rn. 28). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Polizeibeamten haben den Kläger dahingehend belehrt, dass er der Straftat des Hausfriedensbruches beschuldigt werde. Der darin enthaltene, auf den Kläger bezogene Vorwurf eines strafbaren Verhaltens stellt ein Unwerturteil dar, das geeignet ist, dessen soziales Ansehen herabzusetzen. Diese objektive Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers hat Außenwirkung erlangt und dauert noch an, da private Dritte, nämlich der Sohn der Vermieterin bzw. die Umzugshelfer und Ehefrau des Klägers, zugegen waren.
1.2 Im Übrigen ist die Klage unzulässig.
Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Androhung der Ingewahrsamnahme rechtswidrig war, fehlt das erforderliche Interesse an der baldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, § 43 Abs. 1 VwGO. Entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten handelt es sich bei der Androhung der Ingewahrsamnahme nicht um die Androhung eines Zwangsmittels im Sinne der Art. 54 Abs. 1, Abs. 2, Art. 59 des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG) in der bis 24. Mai 2018 geltenden Fassung (Art. 71 Abs. 1, Abs. 2, Art. 76 PAG n.F.) oder um die Androhung unmittelbaren Zwangs nach Art. 54 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, Art. 58 Abs. 1 Satz 2, Art. 64 PAG a.F. (Art. 71 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, Art. 75 Abs. 1 Satz 2, Art. 81 PAG n.F.). Der Gewahrsam zur Durchsetzung eines Platzverweises nach Art. 17 Abs. 1 Nr. 3 PAG in der bis 31. Juli 2017 geltenden Fassung (Art. 17 Abs. 1 Nr. 4 PAG n.F.) ist kein Zwangsmittel, sondern eine eigenständige polizeiliche Standardmaßnahme (BayVGH, B.v. 2.7.2014 – 10 C 12.2728 – juris Rn. 29). Dies zeigt sich bereits an der Stellung des Art. 17 PAG a.F. im Abschnitt „Befugnisse der Polizei“ (Art. 11 bis 29 PAG a.F.) und nicht im Abschnitt „Zwang“ (Art. 53 bis 69 PAG a.F.). Eine entsprechende vom Kläger als Androhung einer solchen Maßnahme verstandene Äußerung dient nicht der Einzelfallregelung im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG. Es handelt sich um einen allgemeinen Hinweis der Beamten oder allenfalls um eine Anhörung zu einer Standardmaßnahme nach Art. 17 PAG a.F., die sich sofort erledigt hat. Da die Anhörung lediglich ein unselbstständiger Teil des Verwaltungsverfahrens ist, ist ein als schutzwürdig anzuerkennendes Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art an der alsbaldigen Feststellung der „Rechtswidrigkeit“ der Anhörung zu einem nicht erlassenen Verwaltungsakt nicht erkennbar.
Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Androhung „polizeilichen Zwangs“ rechtswidrig war, ist der Antrag nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Nach dem sog. zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff wird der Streitgegenstand im Allgemeinen als der prozessuale Anspruch durch die erstrebte, im Klageantrag umschriebene Rechtsfolge und den Klagegrund, d.h. den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll, gekennzeichnet (st. Rspr. des BVerwG, siehe z.B. BVerwG, B.v. 20.9. 2012 – 7 B 5/12 – juris Rn. 6). Dem Vorbringen des Klägerbevollmächtigten lässt sich weder ein konkreter Antrag, noch ein konkreter diesem Antrag zugrundeliegender Lebenssachverhalt entnehmen. Der Klägerbevollmächtigte trägt nicht vor, welches Zwangsmittel dem Kläger angedroht wurde. Es ist bereits fraglich, ob der vom Klägerbevollmächtigten verwendete Begriff des „polizeilichen Zwangs“ Zwangsmittel nach Art. 54 PAG a.F. (Art. 71 PAG n.F) oder unmittelbaren Zwang nach Art. 54 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, Art. 58 Abs. 1 Satz 2, Art. 60 ff. PAG a.F. (Art. 71 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, Art. 75 Abs. 1 Satz 2, Art. 77 ff. PAG n.F.) bedeuten soll. Auch wenn die Kammer den Klageantrag dahingehend auslegt, dass die Feststellung begehrt wird, die Polizei habe dem Kläger das Zwangsmittel des unmittelbaren Zwangs angedroht, ist der Antrag zu unbestimmt. Nach § 88 VwGO darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Der dem Antrag zugrundeliegende Lebenssachverhalt wird nicht hinreichend konkret geschildert. Der Klägerbevollmächtigte hat in tatsächlicher Hinsicht nicht vorgetragen, dass die Polizeibeamten dem Kläger unmittelbaren Zwang oder ein etwaiges anderes Zwangsmittel angedroht hätten. In seinen Schriftsätzen vom 10. Juli 2017 und vom 5. September 2017 beantragte der Klägerbevollmächtigte zwar die Feststellung, dass die Androhung „polizeilichen Zwangs“ rechtswidrig war, trug jedoch nichts Tatsächliches in dieser Hinsicht vor. Vielmehr führte er aus, dem Kläger sei angedroht worden, er werde in Gewahrsam genommen, wenn er dem Platzverweis nicht Folge leiste. In der mündlichen Verhandlung vom 28. September 2018 gab der Kläger auf Frage des Gerichts an, ihm sei von den Beamten angedroht worden, in Gewahrsam genommen zu werden, wenn er sich weiter in den Praxisräumen befinde. Wie soeben ausgeführt handelt es sich bei dem Gewahrsam jedoch nicht um ein Zwangsmittel. Dass der Kläger noch eine weitere Feststellung begehrt als die, dass die Androhung des Gewahrsams rechtswidrig war, ergibt sich aus dem Klageantrag selbst. Danach begehrt er kumulativ die Feststellung, dass die Androhung der Ingewahrsamnahme und „polizeilichen Zwangs“ rechtswidrig waren. Aus dem Vorbringen des Klägerbevollmächtigten ergibt sich indes nicht, welchen konkreten Inhalt diese weitere Feststellung haben soll bzw. welcher Lebenssachverhalt dieser zugrunde liegen soll. In diesem Zusammenhang ist auch nicht hinreichend konkret vorgebracht, zur Durchsetzung welches Verwaltungsakts dem Kläger ein Zwangsmittel angedroht wurde. Das Vorbringen des Klägerbevollmächtigten ist insoweit widersprüchlich. Während er in den Schriftsätzen vom 10. Juli 2017 und vom 5. September 2017 andeutet, dass die Beamten angedroht hätten, den Platzverweis mit Zwangsmitteln durchzusetzen, stellte er in der mündlichen Verhandlung Beweisanträge zum Beweis der Tatsache, dass dem Kläger angedroht worden sei, die Ingewahrsamnahme mit Zwang durchzusetzen.
2. Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet.
Die Platzverweise, die angeordneten Sicherstellungen und Verwahrungen der zwei Schlüsselbunde waren rechtswidrig und haben den Kläger in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1, Satz 4 VwGO.
2.1 Die Platzverweise waren rechtwidrig. Die Beamten der Polizei hatten weder die Aufgabe noch die Befugnis, Platzverweise gegenüber dem Kläger auszusprechen.
Sowohl gegen 1:35 Uhr als auch gegen 12:40 Uhr am 1. Juli 2017 haben die Polizeibeamten gegenüber dem Kläger einen Platzverweis ausgesprochen. Gegen 1:35 Uhr wurde der Kläger von Herrn PHM S … aus den Praxisräumen verwiesen. Gegen 12:40 Uhr untersagte Herr PHK S … dem Kläger das Betreten der Praxis. Aus Art. 16 Satz 1 Alt. 2 PAG a.F. ergibt sich, dass auch ein sogenanntes Betretungsverbot einen Platzverweis darstellt.
Nach Art. 2 Abs. 2 PAG a.F. obliegt der Polizei der Schutz privater Rechte nach dem PAG nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Dies war vorliegend nicht der Fall. Die Vermieterin hätte einen Räumungstitel gegen den Kläger erwirken können. In einem Rechtsstaat ist der Bürger in der Lage, seine Rechte mit Hilfe der Gerichte durchzusetzen. In dringenden Fällen bieten Arrest und einstweilige Verfügungen nach den §§ 916, 935 ff. ZPO schnellen und effektiven Rechtsschutz. Die Polizei ist nicht dazu berufen, strittige Rechtsverhältnisse zu klären. Art. 2 Abs. 2 PAG a.F. entspricht dem rechtsstaatlichen Gebot aus Art. 20 Abs. 3 GG, die Einheit der Rechtsordnung zu gewährleisten, indem Wertungsunterschiede vermieden werden. Es war vorliegend auch nichts dafür ersichtlich, dass die Verwirklichung der Rechte der Vermieterin wesentlich vereitelt oder erschwert werden würde. Eine Aufgabeneröffnung ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nach Art. 2 Abs. 1 PAG a.F. Grundsätzlich würde die Einschränkung in Art. 2 Abs. 2 PAG a.F. nicht greifen, wenn die Gefahr für private Rechte zugleich eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellen würde (vgl. Nr. 2.3 VollzBek. PAG).
Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, als Voraussetzung für die Eröffnung des polizeilichen Aufgabenbereichs nach Art. 2 Abs. 1 PAG a.F. und der Befugnisnorm des Art. 16 Satz 1 PAG a.F., lag indes nicht vor.
Nach Art. 16 Satz 1 PAG a.F. kann die Polizei zur Abwehr einer Gefahr eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Orts verbieten. Die öffentliche Sicherheit als Schutzgut des Gefahrenabwehrrechts umfasst die Unversehrtheit der Rechtsordnung. Eine Straftat nach § 123 StGB rechtfertigt grundsätzlich einen Platzverweis.
Auf der Grundlage der den handelnden Polizeibeamten im Zeitpunkt des polizeilichen Einschreitens zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten, die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der erforderlichen Gefahrenprognose maßgeblich sind, durften sie jedoch nicht allein deshalb von der Verwirklichung einer Straftat gemäß § 123 StGB durch den Kläger ausgehen, weil dieser nach Ablauf der Kündigungsfrist noch in der Praxis verweilte.
Den Straftatbestand des Hausfriedensbruchs nach § 123 StGB hat der Kläger nicht verwirklicht. Nach § 123 Abs. 1 Alt. 2 StGB macht sich des Hausfriedensbruchs strafbar, wer, wenn er ohne Befugnis in den abgeschlossenen Räumen eines anderen verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt.
Das Verweilen des Klägers in den Praxisräumen über den 30. Juni 2017 24:00 Uhr hinaus war nicht unbefugt, weil der Mietvertrag – trotz Ablauf der Kündigungsfrist – hierfür die Grundlage war. Der Kläger war immer noch Inhaber des Hausrechts. Auch wenn die Vermieterin bereits durch Ablauf der Kündigungsfrist Inhaberin des Hausrechts geworden wäre, wäre der Straftatbestand des Hausfriedensbruchs nicht verwirklicht gewesen.
An die rechtliche Bewertung der Staatsanwaltschaft, wie sie in der Einstellungsverfügung vom 28. November 2017 (Az.: …) dargelegt wurde, ist das Verwaltungsgericht nicht gebunden.
Wäre die Vermieterin am 1. Juli 2017 Inhaberin des Hausrechts gewesen, wäre das Verweilen des Klägers in der Praxis deshalb nicht unbefugt gewesen, weil sie dem Kläger eine Erlaubnis zum Verweilen in der Praxis erteilt hat. Die Erlaubnis stellt ein tatbestandsausschließendes Einverständnis dar. Ausweislich des Datenblattes der Polizeiinspektion Würzburg-Land vom 22. August 2017 (Bl. 2 der elektronischen Kriminalakte) haben die Parteien vereinbart, dass die Schlüsselübergabe am Montag, 3. Juli 2017, 16:00 Uhr stattfinden solle. Da die Schlüssel die unmittelbare Verfügungsmacht über Räume begründen, impliziert die Erlaubnis, diese bis zu einem Zeitpunkt zu behalten, auch die Erlaubnis, in diesen Räumen bis zu besagtem Zeitpunkt zu verweilen.
Ob der Anwalt der Vermieterin gegenüber einer Bürokraft des Klägerbevollmächtigten am 30. Juni 2017 gegen 11:45 Uhr ein telefonisches Hausverbot gegen den Kläger ausgesprochen hat, kann offen bleiben. Denn unbeschadet der obigen Ausführungen war ohnehin der Kläger Inhaber des Hausrechts. Ein Hausfriedensbruch setzt das Bestehen eines fremden Hausrechts voraus. Der Inhaber des Hausrechts muss zum Tatzeitpunkt ein stärkeres Recht als der Störer haben. Bei privaten Räumen ist Inhaber des Hausrechts stets der unmittelbare Besitzer der Räumlichkeiten, solange er die Sachherrschaft rechtmäßig begründet hat. Das Hausrecht eines vertraglichen Nutzers endet nicht schon mit der Kündigung oder der Verurteilung zur Räumung, sondern erst, wenn der Eigentümer aufgrund eines Räumungstitels wieder den unmittelbaren Besitz an dem Besitztum erlangt hat. Bereits das Reichsgericht hat mit Urteil vom 16. Juni 1903 (RGSt 36, 322-324 – juris) entschieden, dass der Mieter gegenüber dem Vermieter Inhaber des Hausrechts auch dann ist, wenn er nicht mit Ablauf der Mietzeit räumt und sich nicht des Hausfriedensbruchs strafbar macht. Solange sich der Mieter im unmittelbaren Besitz der Räume befindet, ist er Subjekt und Träger des Hausrechts.
Grundsätzlich muss der Vermieter im Wege eines Zivilprozesses sein Recht verfolgen. Dies findet seine Rechtfertigung darin, dass die Frage der Beendigung eines Mietverhältnisses Gegenstand richterlicher Entscheidung sein kann und auch nach Erlangung eines rechtskräftigen Räumungstitels die Gewährung von Vollstreckungsschutz für den Mieter in Betracht kommen kann. So wird verhindert, dass zivilrechtliche Streitigkeiten auf die Ebene des Strafrechts und der Strafgerichte verlagert werden (Leipziger Kommentar zum StGB, § 123 Rn. 28 ff.).
Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Miete von Wohnungen, sondern aller privaten Räume (vgl. z.B. für Aufsichtsgebäude der S-Bahn: KG Berlin, B.v. 3.8.2015, (2) 161 Ss 160/15 (44/15) – juris; für Grundstücke, zum Aufstellen von Wohnwagen nach Ablauf des Nutzungsvertrages: OLG Hamburg, B.v. 2.3.2006 – III 3/06 1 Ss 2/06 – juris; für Gewerberäume: LG Wuppertal, U.v. 20.5.2015, 17 O 108/15 – juris Rn. 17). Dies folgt daraus, dass Schutzgut von § 123 StGB nicht die Wohnung im Sinne des Art. 13 GG, sondern das Hausrecht ist.
Den Polizeibeamten vor Ort waren alle erforderlichen Tatsachen bekannt, um zu erkennen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 123 Abs. 1 Alt. 2 StGB nicht vorliegen. Sie sind aufgrund der ihnen bekannten Tatsachen irrig davon ausgegangen, dass der Straftatbestand des Hausfriedensbruches erfüllt sei. Der Polizeibeamte PHM S …, der den Platzverweis um 1:35 Uhr ausgesprochen hat, hatte ausweislich des Datenblattes der Polizeiinspektion Würzburg-Land vom 22. August 2017 (Bl. 2 der elektronischen Kriminalakte) von der Vereinbarung zwischen den Mietparteien Kenntnis, dass die Schlüsselübergabe am Montag, 3. Juli 2017, 16:00 Uhr erfolgen solle. Er kannte also die Tatsachen, die ein tatbestandsausschließendes Einverständnis begründeten. Ob auch der Zeuge PHK S …, der den Platzverweis am Mittag ausgesprochen hat, positive Kenntnis von dieser Vereinbarung hatte, kann dahin stehen. Jedenfalls kannten sowohl Herr PHM S … als auch Herr PHK S … die erforderlichen Tatsachen um zu erkennen, dass der Kläger noch Inhaber des Hausrechts war. Ihnen war bekannt, dass die Kündigungsfrist am 30. Juni 2017 abgelaufen war. Dies ergibt sich aus Bl. 2 der elektronischen Kriminalakte und der Aussage des Zeugen Herrn PHK S … in der mündlichen Verhandlung. Als der erste Platzverweis ausgesprochen wurde, war die Kündigungsfrist seit circa eineinhalb Stunden abgelaufen und als der zweite ausgesprochen wurde, seit circa zwölfeinhalb Stunden. Unter diesen Umständen mussten die Beamten davon ausgehen, dass der Kläger seinen rechtmäßig begründeten unmittelbaren Besitz an den Räumlichkeiten ersichtlich und erkennbar noch auf den abgelaufenen Mietvertrag stützt. Ein rechtskräftiger Räumungstitel nach § 885 Abs. 1 Satz 1 ZPO lag nicht vor. Auch wenn ein solcher vorgelegen hätte, ist zweifelhaft, ob ein Platzverweis nach Art. 16 PAG a.F. rechtmäßig gewesen wäre. Vielmehr wäre dann die originäre Aufgabe der Polizei nach Art. 2 Abs. 4 PAG a.F. in Verbindung mit § 758 Abs. 3 ZPO in Betracht gekommen, den Gerichtsvollzieher bei der Anwendung von Gewalt zu unterstützen, wenn der Vollstreckungsschuldner Widerstand leistet.
Wenn die Polizeibeamten vor Ort bei der juristischen Bewertung der ihnen bekannten Tatsachen irren, liegt weder eine Gefahr noch eine Anscheinsgefahr vor, die ein Einschreiten der Polizei rechtfertigen kann. Eine Anscheinsgefahr ist immer dann gegeben, wenn bei objektiver Betrachtung zur Zeit der polizeilichen Maßnahme Tatsachen auf eine drohende Gefahr hindeuten, sie aber in Wirklichkeit nicht vorliegt. Beispiel hierfür ist der Fall, in dem jemand mit einer Spielzeugpistole bewaffnet ist, die Polizei diese aber für eine echte Pistole halten muss. Im vorliegenden Fall waren dagegen die Tatsachen in vollem Umfang geklärt. Auch wenn es im Zeitpunkt der Entscheidung der Beamten schwierig zu beurteilen sein kann, ob tatsächlich eine Straftat verwirklicht war, kann dies nicht zur Rechtmäßigkeit der Maßnahme führen. Nur solche rechtswidrigen Taten, die einen Straftatbestand verwirklichen, stellen Verletzungen der Unversehrtheit der Rechtsordnung und mithin Gefahren für die öffentliche Sicherheit dar. Ist im Einzelfall nicht hinreichend geklärt, ob die zu verhütende Handlung die Tatbestandsmerkmale einer Straftat erfüllt, bleiben der Polizei zwei Möglichkeiten: Entweder sie ergreift Maßnahmen zur Verhütung dieser Handlung mit der Folge, dass sich bei fehlerhafter Subsumtion die Maßnahme als rechtswidrig erweist, oder sie nimmt von Maßnahmen Abstand. Diese Entscheidung zu treffen, mag im Einzelfall schwierig sein, rechtfertigt aber nicht das Ergreifen von Maßnahmen gegen Handlungen, bei denen zweifelhaft erscheint, ob es sich um Straftaten handelt und die sich tatsächlich nicht als Straftaten erweisen. Ansonsten würde man der Polizei die Befugnis zusprechen, alle möglichen Handlungen verhüten oder unterbinden zu können und dies damit zu rechtfertigen, man habe nicht genau gewusst, ob es sich tatsächlich um Straftaten handelt (zum Ganzen: BayVGH, U.v. 8.3.2010 – 10 B 09.1102 – juris Rn. 42 f.).
2.2 Mangels Gefahr war auch die Sicherstellung der Schlüssel nach Art. 25 Nr. 1 PAG a.F. rechtswidrig. Eine andere Befugnis für diese Maßnahme ist nicht ersichtlich.
2.3 Die Verwahrung der Schlüssel war rechtswidrig. Zwar ermächtigt Art. 26 Abs. 1 Satz 1 PAG a.F. die Polizei, sichergestellte Sachen in Verwahrung zu nehmen. Im vorliegenden Fall beruht die Verwahrung jedoch auf einer rechtswidrigen Sicherstellungsanordnung, so dass nach dem in der Lehre teilweise vertretenen Konnexitätsprinzip die Verwahrung schon deswegen rechtswidrig gewesen ist (vgl. BayVGH, U.v. 26.1. 2009 – 10 BV 08.1422 – juris Rn. 32 unter Verweis auf Knemeyer, Polizei- und Sicherheitsrecht, 10. Aufl. 2004, Rn. 358). Anerkennt man dieses Konnexitätsprinzip nicht (Schmidbauer/Steiner, Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, 4. Aufl. 2014, Art. 53 Rn. 6 m.w.N.) und geht man davon aus, dass angesichts der sofortigen Vollziehbarkeit der Sicherstellungsanordnung ein Verwahrungsverhältnis rechtmäßig begründet worden ist, erweist sich die Verwahrung im vorliegenden Fall gleichwohl als rechtswidrig, denn der Kläger hatte bereits vor der polizeilichen Maßnahme einen Anspruch auf sofortige Herausgabe der Schlüssel. Nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 PAG a.F. besteht ein Herausgabeanspruch, sobald die Voraussetzungen für eine Sicherstellung weggefallen sind. Dieser Anspruch ist Ausdruck des allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruchs und greift unabhängig davon ein, ob die Voraussetzungen einer Sicherstellung bei deren Erlass vorgelegen haben oder nicht. Da im vorliegenden Fall die Voraussetzungen einer Sicherstellungsanordnung nie vorgelegen haben, hat der Kläger einen Anspruch auf sofortige Herausgabe der Schlüssel gehabt (vgl. zum Ganzen: BayVGH, U.v. 26.1. 2009 – 10 BV 08.1422 – juris Rn. 32 m.w.N.).
2.4 Wenn entgegen der unter 1.2 dargelegten Ausführungen von der Zulässigkeit der übrigen Klage auszugehen wäre, wäre diese jedenfalls nicht begründet.
Nach freier gerichtlicher Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 VwGO) steht zur vollen Überzeugung der Kammer fest, dass die Polizeibeamten gegenüber dem Kläger weder eine Ingewahrsamnahme in den Raum gestellt noch Zwangsmittel angedroht haben. Dies folgt aus dem Inhalt der Behördenakte sowie der glaubhaften Aussagen der glaubwürdigen Zeugen. Das Gericht hat sich in der mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck von den Zeugen verschafft und sieht keinen ernsthaften Grund, an deren Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Insbesondere haben die Zeugen, die dem Kläger persönlich nahe stehen, das Vorbringen des Klägers insoweit nicht bestätigt.
In der Behördenakte gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger eine Ingewahrsamnahme oder Zwangsmittel durch die Polizeibeamten angedroht worden sind. Der Zeuge PHK S … gab in der mündlichen Verhandlung detailreich, nachvollziehbar und ohne sich in Widersprüche zu verstricken an, dass er dem Kläger im sachlichen Ton und ohne Bedrohung erklärt habe, dieser dürfe die Praxis nicht mehr betreten. Er sei an einer schnellen und gütlichen Einigung interessiert gewesen. Zu diesem Zweck habe er die Vermieterin angerufen. Sie habe sich geweigert zu kommen. Er habe keine andere Lösung gesehen, als sich die Schlüssel aushändigen zu lassen. Er habe den Kläger und dessen Ehefrau ohne Androhungen oder Zwangsmittel gebeten, die Schlüssel herauszugeben. Der Zeuge PHK S … erklärte nachvollziehbar und überzeugend, dass ihm daran gelegen sei, die Beteiligten nicht bloß zu stellen. Er widerspreche energisch dem Vorwurf, er habe den Kläger wie einen Schwerverbrecher behandelt. Das ganze Gespräch sei in einem ruhigen und sachlichen Ton erfolgt. Er habe vor Ort keinerlei Zwangsmaßnahmen angedroht. Er habe dem Rechtsanwalt die Maßnahmen Sicherstellung und Platzverweis erläutert und habe gesagt, dass als schlimmste Maßnahme eine Ingewahrsamnahme in Betracht komme.
Dies wurde von der Zeugin Frau H …, der Ehefrau des Klägers, bestätigt. Nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten und der Zeugen PHK S … sowie Frau H … war sie bei dem Gespräch zwischen dem Kläger und Herrn PHK S … anwesend. Sie erklärte nachvollziehbar, dass sie von dem Gespräch mitbekommen habe, dass sie die Praxis nicht mehr betreten dürften. Sie und der Kläger hätten ihre Schlüssel abgegeben. Der Polizeibeamte habe ihr gegenüber nichts gesagt. Sie könne sich nicht erinnern, dass der Polizeibeamte gesagt habe, was passiere, wenn sie die Praxis trotz Platzverweises betreten würden. Die Person, die gesagt habe, sie würden in Gewahrsam genommen, sei der Klägerbevollmächtigte gewesen.
Aus den Aussagen der Zeugen Frau D … und Herr H … ergibt sich nichts anderes. Beide erklärten, aufgrund der räumlichen Distanz nichts von dem Gespräch zwischen dem Kläger und Herrn PHK S … mitbekommen zu haben. Dass eine räumliche Distanz bestand, deckt sich mit den Angaben der Beteiligten sowie der Zeugen Frau H … und Herr PHK S … Für das Gericht bestand kein Anlass, dem in der mündlichen Verhandlung vom 25. Januar 2019 bedingt gestellten Beweisantrag, gerichtet auf die Zeugeneinvernahme des Herrn L … S …, nachzugehen.
Während sich die Voraussetzungen für die Ablehnung eines in der mündlichen Verhandlung unbedingt gestellten Beweisantrags aus § 86 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 VwGO ergeben, wird mit einem nur hilfsweise gestellten Beweisantrag lediglich die weitere Erforschung des Sachverhalts nach § 86 Abs. 1 VwGO angeregt (BVerwG, B.v. 30.5.2014 – 10 B 34/14 – juris Rn. 7). Ein weiterer Aufklärungsbedarf hat sich der Kammer nicht aufgedrängt.
Der Beweisantrag ist bereits unzulässig, da er nicht hinreichend substantiiert ist. Beweisanträge, die so unbestimmt sind, dass im Grunde erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken kann, müssen regelmäßig dem Gericht eine weitere Sachaufklärung nicht nahelegen und können als unsubstantiiert abgelehnt werden (BVerwG, B.v. 30.5.2014 – 10 B 34/14 – juris Rn. 9). Dem Beweisantrag lässt sich nicht die Behauptung einer bestimmten Tatsache entnehmen. Aus ihm ergibt sich nicht, wer wem gegenüber was in welchem Wortlaut angedroht haben soll.
Der Beweisantrag ist auch deshalb unzulässig, weil es sich bei dem bedingt gestellten Beweisantrag des Klägerbevollmächtigten um einen Ausforschungsbeweis handelt. Ein Ausforschungs- oder Beweisermittlungsantrag liegt in Bezug auf solche Tatsachenbehauptungen vor, für deren Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, die mit anderen Worten ohne greifbaren Anhaltspunkt willkürlich “ins Blaue hinein” aufgestellt werden, für die tatsächliche Grundlagen jedoch fehlen (BayVGH, B.v. 22.8.2014 – 5 C 14.1664 – juris Rn. 8). So liegt der Fall hier. Der Zeugenbeweis ist nicht geeignet, die Behauptung substantiiert zu belegen, dem Kläger sei die Ingewahrsamnahme oder Zwangsmittel angedroht worden. In der mündlichen Verhandlung vom 25. Januar 2019 gab der Klägerbevollmächtigte an, er könne nicht wissen, was ein Zeuge sagen werde. Deshalb regte der Klägerbevollmächtigte an, bei dem Zeugen „vorab schriftlich anzufragen, ob dieser wahrnehmungsfähig und -bereit gewesen sei“. In dieser Situation hätte es der Klägerseite oblegen, herauszufinden, zu welchen Tatsachen ein Zeuge das taugliche Beweismittel ist. Fehlt es jedoch bereits an einem substantiierten Sachvortrag, stellt sich ein Beweisantrag mit dem Ziel, einen Zeugen zu vernehmen, als unzulässiger Ausforschungsbeweisantrag dar, da die Beweisaufnahme erst die zur Klagebegründung dienenden Tatsachen ergeben soll.
Dessen unbeschadet, besteht auch aus rechtlichen Gründen kein weiterer Aufklärungsbedarf.
Wie unter 1.2 dargestellt, ist die „Androhung“ der Ingewahrsamnahme die Anhörung zu einer Standardmaßnahme und findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG, der mangels spezieller Vorschriften im PAG Anwendung findet. Es sind keine Gründe ersichtlich, warum die Beamten diese unselbständige Verfahrenshandlung nicht hätten vornehmen dürfen.
Die Kammer weist den Zeugenbeweis nach § 87b Abs. 3 VwGO zurück, soweit die Einvernahme von Herrn L … S … zum Beweis der Tatsache erfolgen soll, dass dem Kläger „polizeilicher Zwang“ angedroht worden sei. Die Voraussetzungen für die Zurückweisung liegen vor. Mit Schreiben vom 30. Juli 2018 wurde dem Kläger aufgegeben, bis zum 21. September 2018, sämtliche der Klagebegründung dienenden Erklärungen und Beweismittel sowie einen etwaigen weiteren Tatsachenvortrag und Beweismittel anzugeben bzw. vorzulegen. Der Kläger wurde über Folgen einer Fristversäumung nach § 87b Abs. 3 VwGO belehrt. Das Schreiben wurde dem Klägerbevollmächtigten laut Empfangsbekenntnis am 2. August 2018 zugestellt. Der Beweisantrag wurde erst in der mündlichen Verhandlung am 25. Januar 2019 gestellt. Die Zulassung des Beweisantrags würde den Rechtsstreit verzögern, weil eine Vertagung zur Zeugeneinvernahme erforderlich wäre. Die Verspätung hat der Klägerbevollmächtigte nicht genügend entschuldigt. Es sind keinerlei Gründe ersichtlich, warum er dieses Beweismittel nicht bereits früher benannt hat. Schriftsätzlich hat der Klägerbevollmächtigte nie vorgetragen, dass dem Kläger ein Zwangsmittel angedroht worden sei. Den Zeugen Herrn L … S … hat der Klägerbevollmächtigte schriftsätzlich nur zu dem Beweis der Tatsachen angeboten, dass Herr PHK S … den Kläger vor den Umzugshelfern wegen der Straftat des Hausfriedensbruchs belehrt habe und angekündigt habe, er werde ihn in Gewahrsam nehmen, wenn dieser nicht sofort die Räumlichkeiten verlassen würde (Bl. 5 der Gerichtsakte). Der Klägerbevollmächtigte hat vor Ablauf der Frist nie vorgetragen, dass der Zeuge als Beweismittel für die Tatsache, dem Kläger sei ein Zwangsmittel durch die Polizeibeamten angedroht worden, in Betracht kommt.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Im Hinblick auf das Maß des wechselseitigen Unterliegens und Obsiegens der Beteiligten ist die Kostentragung in dem Verhältnis von 2/5 durch den Kläger und 3/5 durch den Beklagten angemessen. Der Streitwert beträgt insgesamt 20.000 EUR. Der Kläger obsiegt mit 12.500 EUR (10.000 EUR für die Feststellung der Rechtswidrigkeit der zwei Platzverweise und 2.500 EUR für die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sicherstellung und Verwahrung) und mithin mit ca. 6/10 bzw. 3/5. Der Beklagte obsiegt mit 7.500 EUR (2.500 EUR für die teilweise Klagerücknahme und 5.000 EUR für die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Androhung der Ingewahrsamnahme) und mithin mit ca. 4/10 bzw. 2/5.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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