Strafrecht

Haftgrund der Fluchtgefahr bei zu erwartender mehrjähriger Einheitsjugendstrafe wegen Verbreitung kinderpornographischer Schriften

Aktenzeichen  J Qs 46/21 jug

Datum:
5.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 18820
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StGB § 184b
JGG § 109
StPO § 112 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

Hat der der Verbreitung und des Besitzes kinderpornographischer Schriften dringend verdächtige Angeklagte eine mehrjährigen Einheitsjugendstrafe zu erwarten, die so zu bemessen sein wird, dass im Vollzug eine sexualtherapeutisch ausgerichtete Sozialtherapie die bisher erfolglosen therapeutischen und sozialpädagogischen Bemühungen doch noch zu einem Erfolg führen kann, geht von dieser Straferwartung ein äußerst starker Anreiz aus, sich dem Verfahren und anstehenden Jugendstrafvollzug durch Untertauchen und Flucht zu entziehen. (Rn. 5 – 6) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Haftbefehl des Amtsgerichts Augsburg vom 13.1.2021 wird kostenpflichtig verworfen.

Gründe

Die Kammer tritt der ausführlichen und überzeugenden Begründung des angefochtenen Haftbefehls in vollem Umfang bei und macht sich diese zu Eigen.
Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus den polizeilichen Ermittlungen, insbesondere auch, soweit gegenüber dem ursprünglichen Haftbefehl des Amtsgerichts Augsburg vom 10.2.2020 Weiterungen vorliegen.
Es besteht weiterhin Fluchtgefahr, die sich gegenüber dem mit Beschluss des Amtsgerichts Augsburg vom 11.2.2020 – aus welchen Gründen auch immer – außer Vollzug gesetzten Haftbefehl des Amtsgerichts Augsburg vom 10.2.2020 noch wesentlich erhöht hat.
Bereits zur Zeit des Erlasses des Haftbefehls vom 10.2.2020 war zu sehen, dass der Angeklagte wegen einschlägiger Delikte hinsichtlich einer Jugendstrafe von 2 Jahren aus dem Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 11.10.2017 unter Bewährung stand. Es lagen 2 weitere einschlägige Vorahndungen vor, wobei mit Urteil des Amtsgerichts Kempten vom 16.8.2016 auch bereits vergeblich versucht worden war, durch Arrest und eine richterliche Weisung auf den Angeklagten einzuwirken. Auch seit 2012 durchgängig betriebene sexualtherapeutische Bemühungen blieben erfolglos. Die vorhandenen stabilisierenden Faktoren wie Ausbildung/Arbeitsplatz und Integration im Elternhaus waren ebenso wenig wie die polizeilichen Durchsuchungen vom 3.1.2019 und 20.5.2019 geeignet, den Angeklagten zur Einhaltung seiner Bewährungsauflagen zu motivieren. Der angefochtene neue Haftbefehl vom 13.1.2021 beruht nicht nur auf der Auswertung der am 20.5.2019 sichergestellten Speichermedien, sondern auch auf bei einer weiteren Durchsuchung vom 11.2.2020 festgestellten neuen Straftaten.
Der Angeklagte hat nunmehr eine mehrjährigen Einheitsjugendstrafe zu erwarten, die so zu bemessen sein wird, dass im Vollzug eine sexualtherapeutisch ausgerichtete Sozialtherapie die bisher erfolglosen therapeutischen und sozialpädagogischen Bemühungen doch noch zu einem Erfolg führen kann.
Von dieser Straferwartung geht ein äußerst starker Anreiz aus, sich dem Verfahren und anstehenden Jugendstrafvollzug durch Untertauchen und Flucht zu entziehen. Vorhandene soziale Bindungen, die bisher auf das Verhalten des Angeklagten auch keinen Einfluss erkennen ließen, sind nicht geeignet, diesen Fluchtanreiz zu kompensieren.
Die Ankündigung der Staatsanwaltschaft, dass aufgrund weiterer einschlägiger Vorfälle vom 19.4.2020 und 14.7.2020 eine Ergänzungsanklage beabsichtigt sei, hat bei der Überzeugungsbildung der Kammer keine Rolle gespielt.
Die Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft stet außer Zweifel. Für eine erneute Außervollzugsetzung des Haftbefehls fehlt jegliche Vertrauensgrundlage.
Auch der Grundsatz er besonderen Beschleunigung in Haftsachen ist gewahrt. Über die Eröffnung des Hauptverfahrens ist bereits entschieden und es ist Hauptverhandlung auf den 15.4.2021 anberaumt.
Kosten: § 473 I StPO


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