Strafrecht

Keine Unerlässlichkeit einer kurzen Freiheitsstrafe beim Erschleichen von Leistungen

Aktenzeichen  8 Ns 291 Js 27624/19

Datum:
13.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 16390
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Traunstein
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StPO § 267 Abs. 4, § 473
StGB § 47, § 265a

 

Leitsatz

Die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe (§ 47 Abs. 1 StGB) erweist sich auch bei einem bereits viermal wegen Erschleichens von Leistungen einschlägig Vorverurteilten, der zudem mit einer außergewöhnlichen Rückfallgeschwindigkeit erneut straffällig geworden ist, nicht als unerlässlich, wenn die Verhängung der kurzen Freiheitsstrafe, die nicht zur Bewährung ausgesetzt werden könnte, dazu führen würde, dass der an sich sozial und persönlich gefestigte Angeklagte aus seinem beruflichen und privaten Leben gerissen wird. Dies ist angesichts der Tatqualität und des Straftatbestands des Erschleichens von Leistungen und vor dem Hintergrund, dass auch der Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung droht, nicht verhältnismäßig.  (Rn. 28 – 48) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

1 Ds 291 Js 27624/19 2019-10-28 Urt AGALTOETTING AG Altötting

Tenor

1. Auf die Berufung des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Altötting vom 28.10.2019 im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätze zu je 30,00 € verurteilt wird.
2. Die Kosten der Berufung des Angeklagten trägt die Staatskasse.
Angewandte Vorschriften: §§ 47; 265 a I, II; 53 StGB; § 473 StPO

Gründe

(abgekürzt gem. § 267 Abs. 4 StPO)
I.
Mit Anklage vom 15.08.2019 hat die Staatsanwaltschaft Traunstein gegen den Angeklagten den Tatvorwurf des Erschleichens von Leistungen erhoben. Die Anklage wurde mit Beschluss vom 17.09.2019 zugelassen und das Verfahren vor dem Amtsgericht Altötting – Strafrichter eröffnet.
Mit Urteil des Amtsgerichts Altötting vom 28.10.2019 wurde der Angeklagte wegen Erschleichens von Leistungen in vier tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt.
Gegen dieses Urteil hat ausschließlich die Verteidigung form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Die Berufung wurde im Hauptverhandlungstermin beim Landgericht Traunstein am 13.02.2020 wirksam auf das Strafmaß beschränkt. Ziel war eine Bewährungsstrafe.
Die Berufung der Verteidigung war im Ergebnis erfolgreich.
II.
Der am 03.07.1993 in M. geborene Angeklagte ist deutscher Staatsangehöriger. Er hat den Hauptschulabschluss absolviert und nach der Schule eine Lehre begonnen. Diese hat er nach dem Tod des Vaters abgebrochen. Der Angeklagte hat einen größeren Bruder.
Der Angeklagte ist ledig und lebt am Wochenende und zeitweise unter der Woche noch zuhause bei seiner Mutter und bei seinem Stiefvater in G. an der A. Ab und zu darf er bei einem Freund/Kollegen in M. nächtigen, um sich die Kosten der Anfahrt zur Arbeit zu sparen.
Der Angeklagte hat weder eine Freundin, noch Kinder. Der Angeklagte pflegt ein sehr gutes Verhältnis zu seinen Eltern. Drogen waren in seinem Leben nie ein Problem. Im Januar 2019 wurde er wegen Sachbeschädigung im Juni 2018 unter Alkoholeinfluss verurteilt. Seitdem trinkt er keinen Alkohol mehr.
In der Zeit von Januar 2019 bis Juni 2019 arbeitete der Angeklagte in einem Umzugsunternehmen im Landkreis M. und verdiente dort ca. 1.400,00 € netto monatlich. Im Juni wurde der Angeklagte von seinem Arbeitgeber gekündigt.
Seit August 2019 arbeitet der Angeklagte über eine Zeitarbeitsfirma als Lagerist in M. Während der Woche kann er weiterhin unentgeltlich bei einem Freund in M. wohnen. An den Wochenenden fährt er nachhause nach Garching. An seine Mutter und Stiefvater bezahlt er monatlich 450,00 € für Kost und Logis.
Der Angeklagte arbeitet aktuell weiterhin bei einer Umzugsfirma. Sein neuer Chef will ihm den Führerschein bezahlen, damit er in Zukunft bessere Arbeiten verrichten kann, zudem hat er eine Wohnung in der Nähe von M. Aussicht, wonach er ohne öffentliche Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle gelangt. Aktuell wird ihm 800,00 Euro monatlich ausbezahlt.
Der Angeklagte lebt in engen finanziellen Verhältnissen, er hat aus dem Verfahren unter BZR Nr. 5 und Nr. 4 Geldauflagen zu leisten, die er in Raten abzahlt.
Krankheiten hat der Angeklagte nicht, er ist vollumfänglich gesund.
Das Bundeszentralregister weist folgende Einträge auf:
1. 18.03.2015 AG Altötting (D2901) – 6 Cs 360 Js 42721/14 – Rechtskräftig seit 08.04.2015
Tatbezeichnung: Erschleichen von Leistungen in neun tatmehrheitlichen Fällen Datum der (letzten) Tat: 18.08.2014
Angewendete Vorschriften: StGB § 265 a Abs. 1, § 53, JGG § 1, § 105 30 Tagessätze zu je 35,00 EUR Geldstrafe.
2. 23.02.2016 AG Altötting (D2901) – 9 Cs 220 Js 44515/15 – Rechtskräftig seit 12.03.2016
Tatbezeichnung: Erschleichen von Leistungen Datum der (letzten) Tat: 03.05.2015
Angewendete Vorschriften: StGB § 265 a Abs. 1, § 265 a Abs. 3, § 248 a 50 Tagessätze zu je 35,00 EUR Geldstrafe.
3. 26.04.2017 AG Altötting (D2901) – 9 Cs 280 Js 13960/17 – Rechtskräftig seit 13.05.2017
Tatbezeichnung: Erschleichen von Leistungen in vier tatmehrheitlichen Fällen Datum der (letzten) Tat: 16.12.2016
Angewendete Vorschriften: StGB § 265 a Abs. 1, § 248 a, § 53 90 Tagessätze zu je 35,00 EUR Geldstrafe.
4. 07.08.2018 AG Altötting (D2901) – 9 Ds 230 Js 22232/18 – Rechtskräftig seit 07.08.2018
Tatbezeichnung: Erschleichen von Leistungen Datum der (letzten) Tat: 26.09.2017
Angewendete Vorschriften: StGB § 265 a Abs. 1, § 265 a Abs. 3, § 248 a, § 56 3. Monat(e) Freiheitsstrafe.
Bewährungszeit 3 Jahr(e).
5. 21.01.2019 AG München (D2601) – 823 Ds 254 Js 203976/18 – Rechtskräftig seit 21.01.2019
Tatbezeichnung: Sachbeschädigung Datum der (letzten) Tat: 06.07.2018
Angewendete Vorschriften: StGB § 303 Abs. 1, § 303 c, § 55, § 56 5. Monat(e) Freiheitsstrafe.
Bewährungszeit 3 Jahr(e).
Einbezogen wurde die Entscheidung vom 07.08.2018+9 Ds 230 Js 22232/18+D2901+AG Altötting.
III.
Aufgrund wirksamer Berufungsbeschränkung steht folgender Sachverhalt rechtskräftig fest:
Zu den nachbezeichneten Zeitpunkten fuhr der Angeklagte mit öffentlichen Verkehrsmitteln der Deutschen Bahn AG, ohne jeweils im Besitz eines gültigen Fahrausweises zu sein.
Der Angeklagte hatte in allen Fällen bei Fahrtantritt vor, den Fahrpreis nicht zu entrichten. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Fahrten:
Nr.
Datum
Uhrzeit
Verkehrsmittel
Linie
Fahrtrichtung
Kontrollort
Fahrpreis
1
21.01.19
23.55
Zug
RB 27075
Von München Ost n. Mühldorf
Markt Schwaben
17,50 €
2
04.03.19
06.36
S-Bahn
S6
München Hbf n. Tutzing
München Hirschgarten
8,70 €
3
11.03.19
19.00
Zug
RE 27059
v. Markt Schwaben n. Mühldorf
Dorfen
13,60 €
4
08.04.19
6.06
Zug
RE 27000
v. Mühldorf n. Dorfen
Schwindegg
7,30 €
Es entstand ein Gesamtschaden in Höhe von 47,10 €. Die DB Vertrieb GmbH hat jeweils form- und fristgerecht Strafantrag gegen den Angeklagten gestellt. Im Übrigen hat die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht.
Das Berufungsgericht hat darüber hinaus festgestellt, dass der Angeklagte zu den Tatzeiten aus finanziellen Gründen nicht in der Lage war, den Fahrpreis von den Fahrten, die von seiner Wohnung in Garching zur Arbeitsstelle bzw von der Arbeit nach Hause waren, zu begleichen.
IV.
Der Angeklagte war aufgrund wirksamer Berufungsbeschränkung rechtskräftig wegen Erschleichens von Leistungen in vier tatmehrheitlichen Fällen durch Urteil des Amtsgerichts Altötting vom 28.10.2019 schuldig gesprochen worden.
V.
Innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Strafrahmens von jeweils Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr war zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass er weiterhin vollumfänglich zum einen durch die Berufungsbeschränkung aber auch in der Sache inhaltlich geständig war.
Der Angeklagte räumte den Sachverhalt auch in der Berufungsinstanz ein.
Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, dass dem Angeklagten die Taten sehr leicht nachzuweisen gewesen wären.
Er räumte zudem ein, dass er am 21.01.2019, an dem Tag, an dem er vom Amtsgericht München zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde, vorsätzlich erneut ohne Ticket gefahren ist. Er erklärte hierzu, er habe an diesem Tag Stress mit seinem Freund bekommen, der ihm normalerweise die Wohnung in M. zur Verfügung stellt. Dieser habe ihn kurz vor Mitternacht vor die Tür gesetzt. Er habe keine andere Wahl gesehen, als ohne Bezahlung den Zug nach Hause zu nehmen, er habe nicht die Möglichkeit gehabt im Freien zu übernachten, es war Januar und zu kalt. Er musste nach Hause kommen und hatte kein Geld. Sein Arbeitgeber hat ihm zu diesen Zeitpunkt nur schleppend bezahlt, da die finanziellen Verhältnisse der Firma schlecht waren. Er sah sich keines anderen Auswegs als es zu versuchen.
Positiv war auch zu berücksichtigen, dass die Schäden an sich nicht exorbitant hoch waren.
Negativ war jedoch zu sehen die Vielzahl der Vorstrafen, insbesondere, dass der Angeklagte durch die Verurteilung beim Amtsgericht München am 21.01.2019 offensichtlich nicht beeindruckt war. Die Rückfallgeschwindigkeit ist derart enorm, dass sie kaum zu überbieten ist. Der Angeklagte für am Tag der Verurteilung durch das Amtsgericht München erneut ohne Fahrkarte mit dem Zug, obwohl ihm diese Verurteilung eigentlich eine Warnung hätte sein sollen.
Darüber hinaus hat der Angeklagte ja nicht nur diese Tat begangen, sondern auch die Folgetaten am 04.03.2019, 11.03.2019 und 08.04.2019. Es handelt sich insgesamt um vier vorsätzlich unbezahlte Fahrten, die der Angeklagte durchgeführt hat.
Unter Berücksichtigung der zu Gunsten und zu Lasten sprechenden Umstände waren folgende Einzelstrafen tat- und schuldangemessen:
Jeweils zwei Monate Freiheitsstrafe
Gemäß § 47 I StGB ist eine Freiheitsstrafe unter 6 Monaten nur dann angezeigt, wenn besondere Umstände wie in der Tat oder in der Persönlichkeit des Täters liegen die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Die Voraussetzungen des § 47 StGB sind bei Tatmehrheit für jede Tat zu prüfen (vgl. BGH 24, 164). Die Voraussetzungen des § 47 I StGB liegen vor, weshalb die Geldstrafe auf je 60 Tagessätze festzusetzen war:
Es ist festzustellen, dass eine gebotene Freiheitsstrafe nicht ausreicht, auch nicht eine sinnvolle und präventiv erfolgversprechende, sondern diese ist als unerlässlich festzustellen.
Hierbei ist neben der Zielrichtung zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung festzustellen, ob auf die Freiheitsstrafe als Ausnahmecharakter nicht verzichtet werden kann. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe muß bei Gesamtwürdigung der die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände unverzichtbar sein (BGH StV 1994, 370).
Dass der Angeklagte bereits Vorstrafen aufweist und in engen finanziellen Verhältnissen lebt ist für sich genommen kein Argument die Verhängung einer Geldstrafe abzulehnen und der Freiheitsstrafe den Vorzug zu geben (MüKo 3. Aufl 2016, § 47, Rnr 32), die Gesamtbetrachtung der Umstände ist im Lichte der Prüfung der Unerlässlichkeit mit besonderer Sorgfalt vorzunehmen.
Festgestellt wurde, dass es sich um eine angeklagte Person im Alter von 26 Jahren handelt, die aktuell keinerlei Auffälligkeiten im Bereich Alkoholmißbrauch oder jemals hinsichtlich Drogenkonsum aufweist und in Vollzeitarbeit steht. Der Angeklagte ist bemüht, den Anforderungen der Arbeitswelt gerecht zu werden, war aber teilweise in großem finanziellen Engpass, weil der damalige Arbeitgeber schleppend zahlte und er durch Schulden belastet war.
Der Angeklagte machte dem Gericht einen etwas in seiner Reife verzögerten Eindruck, was die Motivation zur Tatbegehung anbelangt. Er wirkte in seiner Schilderung der Situation zur Tat naiv, gedanken- und sorglos, sowie sich seiner Situation nicht bewußt gewesen zu sein.
Eine rechtsfeindliche Gesinnung oder eine vollkommene gleichgültige Haltung konnte nicht erkannt werden, der Angeklagte machte eher einen unreifen und unvernünftigen Eindruck, so als ob er ohne zu Überlegen in den Tag hineinlebt und sich nicht zu helfen wußte.
Der Angeklagte erklärte, dass ihm am 21.1.19 keine andere Wahl blieb, er wäre sonst erfroren. Sein Freund habe ihn nach einem Streit am 21.1.2019 kurz vor Mitternacht auf die Straße gesetzt. Er sei dann Heim gefahren. Er habe nicht über das Urteil nachgedacht.
Dem Gericht war aber auch klar, dass die Eltern gegen 24 Uhr evtl. nicht bereit gewesen wären ihn zu holen oder ihm in dieser Lage nicht sofort Geld zu leihen hätten können.
Er ist hinsichtlich der weiteren Fahrten aus finanzieller Not dem Gericht jedoch eine Erklärung schuldig geblieben, weshalb er sich das Geld nicht geliehen hat.
Das Gericht sieht auch, dass der Angeklagte bereits seit 2014 mehrfach wegen Erschleichens von Leistungen, sowohl zu Geldstrafen, als auch zu Freiheitsstrafen verurteilt wurde. Es handelte sich jeweils nicht um eine Tat mit Ausnahmecharakter (BayOLG 29.10.1991, StV 1992, 322).
Bei der Abwägung der Umstände zur Frage der Unerlässlichkeit ist aber auch die Qualität des jeweiligen Deliktes von Bedeutung. Es handelt sich hier um Straftaten, ohne besonders hohe krimineller Qualität. Die in der Volksmeinung herrschende Debatte zur Einordnung der Taten nach § 265 a StGB zu Ordnungswidrigkeiten mag dahingestellt sein, denn das geltende Gesetz sieht grundsätzlich die Möglichkeit derartige Taten mit einer, wenn auch im unteren Rahmen begrenzten, Freiheitsstrafe zu ahnden.
Neben der Tatqualität hat das Gericht aber auch berücksichtigt, dass die Strecken von München nach Garching an der Alz keine besonders hohen Schäden verursacht haben und dass es sich um keine Vergnügungsfahrten, sondern jeweils um Fahrten zur Ableistung von seiner Arbeitstätigkeit gehandelt hat.
Das Gericht ist jedoch der Meinung, dass sowohl in der Einzel – als auch der Gesamtbetrachtung der Taten, jeweils eine spürbare Geldstrafe unter Berücksichtigung der finanziellen und persönlichen Verhältnisse des Angeklagten durchaus ein geeignetes Mittel ist, um ihn vom Unrechtsgehalt seiner Taten zu überzeugen.
Der Angeklagte scheint nämlich auch in der Berufungsinstanz geläutert zu sein und zwar durch die Verurteilung durch die erste Instanz, dem Amtsgerichts Altötting, wonach er zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Ihm wurde erst durch die erstinstanzliche Verurteilung des Amtsgerichts Altötting klar – und auch seitens des Berufungsgerichts unter Bezugnahme auf die einzelnen Einträge im Bundeszentralregister klar erläutert, dass eine erneute Bewährungsstrafe nicht erfolgen wird.
Darüber hinaus war zu sehen, dass auch das Übermaßverbot beachtet werden muss (NStZ-RR 02, 75, NStZ-07, 37, BGH 52, 84).
Hier war festzustellen, dass der Angeklagte bei Erlass einer Freiheitsstrafe, welche eine günstige Sozialprognose in Hinblick auf die Rückfallgeschwindigkeit nicht mehr erklären lässt, auch mit dem Widerruf der Freiheitsstrafe aus BZR Nr. 5 (5 Monate Freiheitsstrafe) zu rechnen hat. Somit wäre eine Freiheitsstrafe von ca. 10 Monaten zu erwarten.
Der Angeklagte, der ohne Suchtmittelproblematik seine Arbeit leistet, ist mit einer Freiheitsstrafe in dieser Größenordnung in besonders hohem Maß aus der an sich sozial und persönlich gefestigten Situation aus der Bahn geworfen, zumal er labil und unselbständig wirkt.
Unter Berücksichtigung der Tatqualität bzw. des Straftatbestands des Erschleichens von Leistungen erscheint es zudem nicht verhältnismäßig eine Freiheitsstrafe auszusprechen, die letztlich zu einer langen Haftdauer führt und den Angeklagten aus seinen beruflichen und privaten Leben werfen wird.
Mit Verhängung einer spürbaren Geldstrafe wird die Wirkungskraft der Strafe nicht geschmälert.
Somit sah das Gericht neben der nicht gegebenen Unerlässlichkeit der Verhängung einer Freiheitsstrafe auch aus Verhältnismäßigkeit die Verhängung einer Geldstrafe als vertretbar an.
Unter nochmaliger Berücksichtigung der Zugunsten und zulasten sprechenden Umstände war eine Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen tat – und schuld angemessen.
Die Tagessatzhöhe war auf 30 Euro festzusetzen, der Angeklagte hat geschätzt aktuell 900 € bereinigtes Nettoeinkommen zur Verfügung.
Er erhält derzeit von seinem Arbeitgeber aktuell 800 Euro Netto monatlich, welcher ihm kostenfrei vorerst den Führerschein zahlt.
Die Kosten werden ihm später, nach erfolgreichem Führerschein mit höherem Einkommen, vom Lohn abgezogen.
Der Angeklagte wohnt zudem bei seinen Eltern und zahlt monatlich 450 Euro an diese, erspart sich insoweit jedoch weitere Aufwendungen für Kost und Logis, so dass von einem geschätzten Nettoeinkommen von 900 Euro auszugehen ist.
Die Gerichtsschulden sind nicht abzugsfähig.
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 I StPO.


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