Strafrecht

Strafantrag mittels Tonträgerabschrift

Aktenzeichen  6 Cs 320 Js 37922/19

Datum:
27.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 2301
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Landau
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StPO § 158 Abs. 2

 

Leitsatz

Der von der Polizei schriftlich niedergelegte, zuvor vor demselben Polizeibeamten vom Antragsteller selbst auf Tonträger gesprochene Strafantrag genügt dem Schriftformerfordernis des § 158 Abs. 2 StPO (Bestätigung von BayObLG BeckRS 1997, 4321). (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Angeklagte L.F. ist schuldig des in Mittäterschaft begangenen Hausfriedensbruchs.
2. Sie wird deshalb zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu 60,00 EUR verurteilt.
3. Sie trägt die Kosten des Verfahrens.
Angew. Vorschriften:
§§ 123 Abs. 1, 2, 25 Abs. 2 StGB

Gründe

I. Persönliche Verhältnisse
I. 1. …
I. 2. Gegen die Angeklagte liegen bereits folgende Straferkenntnisse vor:
40 Tagessätze zu je 20,00 EUR Geldstrafe.
II. Festgestellter Sachverhalt
Am 14.05.2019 gegen 07.35 Uhr hielt sich die Angeklagte in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit den anderweitig Verfolgten R.S. und J.H. auf dem Schulgelände der -Berufsschule – am Platz vor der Haupteingangstür auf und verließ dieses nicht, obwohl sie hierzu mehrfach durch den Berechtigten, den stellvertretenden Schulleiter H.D., aufgefordert wurde. Erst als der Zeuge D. die Polizei verständigte und diese eintraf, entfernte sich die Angeklagte vom Vorplatz der Schule. Der Platz vor der Eingangstür ist optisch und durch gestaltende Bauelemente als Teil des Schulgeländes für jedermann erkennbar. Strafantrag wurde form- und fristgerecht am 22.5.19 durch den stellvertretenden Schulleiter H.D. gestellt.
III. Beweiswürdigung
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten unter I.1. beruhen auf ihrer Aussage, sie sei -. Andere Angaben zu den persönlichen Verhältnissen machte sie nicht. Weiteres wurde durch die Verlesung des Urteils des Amtsgerichts – festgestellt. Hinsichtlich der Vorstrafen wurde der Auszug aus dem Bundeszentralregister verlesen.
Die Angeklagte hat den unter II. festgestellten Sachverhalt eingeräumt. Sie gab ihren Standort am Schulgelände an. Ihre Einlassung war von politischer Meinungsäußerung geprägt und zielte darauf ab, nicht unrechtmäßig auf dem Schuldgelände gewesen zu sein.
Dass die Angeklagte aber auf dem Gelände vor der Schule war bestätigte auch der Zeuge H.D.. Der Zeuge war vormals stellvertretender Schulleiter der – Berufsschule in -. Der Schulleiter war an diesem Tag abwesend. Der Zeuge bekundete, dass er zum Vorfallzeitpunkt berechtigt war, die Personen, die auf dem Schulgelände politische Flugblätter verteilten, vom Schulgelände zu verweisen, was er auch unmissverständlich tat. Der Zeuge gab auch an, dass er die Polizei rufen musste und sich die Angeklagte mit den anderen Beteiligten erst nach dem Eintreffen der Polizei vom Schulgelände entfernte. Ein Teil der Gruppe sei vormittags in der Pause wieder zurückgekehrt und habe dann sogar das Gebäude betreten und wieder Flugblätter verteilt und politische Äußerungen getätigt. Der Zeuge ist glaubhaft und glaubwürdig. Gegenteiliges wurde auch von der Verteidigung nicht vorgebracht.
Der Standort der Zeugen auf dem Schulgelände konnte auch durch die von der Verteidigung übergebenen und in Augenschein genommenen Lichtbilder festgestellt werden. Auf den Lichtbildern konnte auch die Abgrenzung des Schulgeländes deutlich wahrgenommen werden.
Der am 22.5.2019 gestellte Strafantrag Bl. 16 d.A. wurde verlesen. Der Zeuge bekundete, dass ihm von der Schulleitung die Befugnis zur Strafantragsstellung übertragen war. Das unterschriebene Tonträgeraufnahmeprotokoll, Bl. 12 f d.A., wurde in Augenschein genommen.
IV. Rechtliche Würdigung
Die Angeklagte hat sich des Hausfriedensbruchs, begangen in Mittäterschaft gem. § 123 Abs. 1, 2, 25 Abs. 2 StGB schuldig gemacht.
1. Der Zeuge D war als stellvertretender Behördenleiter im Auftrag des Behördenleiters berechtigt, den Strafantrag zu stellen (vgl. Fischer, StGB, 65. A., § 77 RN 3). Die Antragsfrist wurde gewahrt, § 77b StGB. Dem Schriftlichkeitserfordernis des § 158 Abs. 2 StPO ist genügt, da der von der Polizei schriftlich niedergelegte, zuvor vor demselben Polizeibeamten vom Antragssteller selbst auf Tonträger wortgleich gesprochene Strafantrag dem Schriftlichkeitserfordernis entspricht (BayObLG, Beschluss vom 09.04.1997, Az.: 5 St RR 18/97).
2. Der Standort der Angeklagten lag auch auf dem befriedeten Besitztum der Schule. Da sich die Angeklagte dort nach Aufforderung nicht entfernte, liegt Hausfriedensbruch vor. Grundstücke können auch ohne besondere Einfriedung befriedetes Besitztum sein (Münchener Kommentar, StGB, 3.A., § 123 RN 15). Der Wille, andere fernzuhalten, verdient auch ohne äußere Einfriedung jedenfalls dann strafrechtlichen Schutz, wenn das betreffende Grundstück wegen seines engen räumlichen und funktionalen Zusammenhangs für jedermann erkennbar zu einer der sonst in § 123 genannten Örtlichkeiten gehört (Münchener Kommentar, aaO, m.w.N. fü). Aus den in Augenschein genommenen Lichtbildern ergibt sich zwanglos, dass der Bereich vor dem Schuleingang für jedermann erkennbar zur Schule gehört. Dies zeigt sich an der Pflasterung und den Einrichtungen, die sich vor der Schule bis zur Straße hin deutlich von der Umgebung abgrenzen. Die Luftbildaufnahmen lassen daran keinen Zweifel. Dass dieser Eingangsbereich nach seiner Zweckrichtung einem unbestimmten Personenkreis offen steht, ändert nichts daran, dass diese Fläche dem Schutz des § 123 StGB unterfällt und das Schulgelände zum befriedeten Besitztum gehört (vgl. auch K. Volk, JR 1981, 167ff Leipziger Kommentar, StGB, 12.A., § 123 RN 24). Andernfalls müsste die Schule zusätzliche, evtl. ohnehin leicht zu überwindende Schranken und Absperrungen schaffen, was aber für den Schutzbereich des § 123 StGB nicht gefordert wird (Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schittenhelm, StGB, § 123, RN 6).
3. Das Gericht hat auch keine Zweifel, dass der Angeklagten bekannt war, dass sie dort nicht hätte verweilen dürfen. Zum Einen wurde ihr dies ausdrücklich vom stellvertretenden Schulleiter gesagt. Zum Anderen ist die Angeklagte umfangreich politisch tätig, woraus sich ergibt, dass sie wusste, dass sie auf Schulgeländen nicht verweilen darf, wenn ihr dies untersagt würde. Auch der breiten Bevölkerung ist bekannt, dass sich nicht jeder auf Schulgeländen aufhalten darf, wenn er dort kein im Zusammenhang mit dem Schulbetrieb stehendes Anliegen verfolgt. Es ist zudem allgemein bekannt, dass kommerzielle und politische Werbung an Schulen verboten ist, § 84 BayEUG. Bei der Veranstaltung, an der die Angeklagte teilnahm und wo Flugblätter für eine gezielte politische Meinungsbeeinflussung verteilt wurden, lag eine unzulässige politische Werbung vor (VGH München, NVwZ 1994, 922).
V. Strafzumessung
Bei der Bemessung der Strafe war vom Strafrahmen des § 123 StGB auszugehen, der Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr vorsieht.
Bei der Strafzumessung konnten für die Angeklagte gesehen werden, dass sie den objektiven Sachverhalt einräumt. Das Geständnis war aber im Rahmen der Strafzumessung differenziert zu betrachten, da Reue- und Unrechtseinsicht fehlten. Für die Angeklagte sprach, dass sie aufgrund ihrer politischen Betätigung durch die Tat aufklärende und gemeinschaftsfördernde Ziele im Auge hatte. Gegen die Angeklagte musste jedoch ihre Vorstrafe gewertet werden. Dieser Tat lag ebenfalls die politische Betätigung der Angeklagten ohne Befolgung der durch Gesetze bestimmten Grenzen zu Grunde. Gegen die Angeklagte sprach auch, dass sie sich über längere Zeit – bis zum Eintreffen der Polizei – nicht vom Schulgelände entfernte.
Unter Abwägung dieser Umstände erachtete das Gericht eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen als tat- und schuldangemessen. Da Angaben zu den Einkommensverhältnissen nicht gemacht wurden, war eine Schätzung gem. § 40 Abs. 3 StGB vorzunehmen. Als Schätzgrundlage diente dem Gericht, dass die Angeklagte ein abgeschlossenes Studium vorzuweisen hat und tatsächlich auch als – arbeitet. Den Umfang der Arbeitstätigkeit wollte die Angeklagte nicht offenbaren. Das Gericht geht davon aus, dass die Angeklagte mit ihrer Qualifikation ein monatliches Nettoeinkommen von 1.800,- Euro erzielen kann und wohl auch erzielen wird. Daher war der Tagessatz auf 60,- Euro zu bemessen.
VI. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 464, 465 StPO.


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