Strafrecht

Strafverfahren: Anforderungen an die Darstellung der Ergebnisse einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung in den Urteilsgründen

Aktenzeichen  4 StR 262/21

Datum:
9.11.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:091121B4STR262.21.0
Normen:
§ 260 StPO
§ 261 StPO
Spruchkörper:
4. Strafsenat

Verfahrensgang

vorgehend LG Frankenthal , 8. April 2021, Az: 1 Ks 5320 Js 26180/20

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 8. April 2021 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit er wegen Totschlags verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung ‒ auch über die Kosten des Rechtsmittels ‒ an eine andere als Schwurgericht tätige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags und unerlaubten Anbaus von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf die allgemeine Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision führt zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen Totschlags sowie zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Der Schuldspruch wegen Totschlags kann nicht bestehen bleiben, weil die Darstellung der Ergebnisse der gutachterlichen Auswertung der am Tatort gesicherten DNA-Spuren den von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die Darstellung der Ergebnisse einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung nicht genügt.
3
a) Stützt das Tatgericht seine Überzeugung auf indizielle Beweisergebnisse, müssen die dafür maßgeblichen tatsächlichen Anknüpfungspunkte in den Urteilsgründen so mitgeteilt werden, dass eine revisionsgerichtliche Überprüfung möglich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 3. November 2020 – 4 StR 408/20, StV 2021, 797). Für die Darstellung der Ergebnisse einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung gilt nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass es aus sachlich-rechtlichen Gründen in Fällen, in denen sich die Untersuchung auf eindeutige Einzelspuren ohne Besonderheiten in der forensischen Fragestellung bezieht, regelmäßig genügt, wenn das Gutachtenergebnis in Form der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage in numerischer Form mitgeteilt wird (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2021 – 4 StR 46/21 Rn. 9; Beschluss vom 20. November 2019 ‒ 4 StR 318/19, NJW 2020, 350; Urteil vom 6. Februar 2019 – 1 StR 499/18, NStZ 2019, 427, 428; Beschluss vom 28. August 2018 – 5 StR 50/17, BGHSt 63, 187, 189). Gleiches gilt für Misch-Spuren mit eindeutiger Hauptkomponente (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2021 ‒ 4 StR 46/21 Rn. 10; Beschlüsse vom 29. Juli 2020 – 6 StR 211/20 Rn. 4 und 6 StR 183/20 Rn. 2). Eine Mitteilung des erzielten Ergebnisses in verbalisierter Form genügt jedoch nicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. August 2018 – 5 StR 50/17, BGHSt 63, 187, 191; vom 29. November 2018 ‒ 5 StR 362/18, StV 2019, 331; vom 8. Oktober 2019 ‒ 2 StR 341/19; vom 12. August 2021 – 2 StR 325/20 Rn. 6).
4
b) Gemessen hieran halten die tatgerichtlichen Beweiserwägungen rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten unter anderem auf DNA-Spuren an einer im Badezimmer der (Tatort-) Wohnung aufgefundenen Sporthose mit Blutantragungen sowie auf „blutangetragene Socken“ gestützt und ausgeführt, dass am inneren Hosenbund und an den Taschen der Sporthose DNA-Spuren gesichert wurden, die „zweifelsfrei dem Angeklagten“ zuzuordnen seien; gleiches gelte für die Socken, an deren Innenbereich „DNA des Angeklagten“ festgestellt worden seien. Diese Wiedergabe des Ergebnisses des DNA-Vergleichsgutachtens genügt den – geringen – sachlich-rechtlichen Darlegungsanforderungen nicht. Zwar entnimmt der Senat dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe noch, dass es sich um Einzelspuren handelt. Es fehlt jedoch an der erforderlichen Wiedergabe des Ergebnisses des DNA-Vergleichsgutachtens in Form einer biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage in numerischer Form.
5
c) Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts kann der Senat ein Beruhen des Urteils auf diesem Rechtsfehler nicht ausschließen (§ 337 Abs. 1 StPO). Zwar hat das Landgericht seine Überzeugung von der Täterschaft des die Tatbegehung bestreitenden Angeklagten auf eine Reihe weiterer Indizien gestützt. Der Spurenlage an Hose und Socken, an deren Außenseite sich Blutantragungen des Tatopfers befanden, hat das Landgericht jedoch bei seiner Überzeugungsbildung maßgebliches Gewicht („stärkste Beweiswirkung“) beigemessen. Unter diesen Vorzeichen kann ein Beruhen des Urteils auf dem Darlegungsmangel nicht ausgeschlossen werden.
6
2. Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung.
Sost-Scheible     
        
     Quentin     
        
Bartel
        
RiBGH Rommel ist im Urlaubund daher gehindert zuunterschreiben.
        
        
        
        
Sost-Scheible
        
Maatsch     
        


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