Strafrecht

Strafzumessung bei einem Tötungsdelikt: Wertung des Versuchs der Beseitigung von Tatspuren

Aktenzeichen  6 StR 313/21

Datum:
27.7.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:270721B6STR313.21.0
Normen:
§ 46 StGB
Spruchkörper:
6. Strafsenat

Verfahrensgang

vorgehend LG Hannover, 2. Februar 2021, Az: 39 Ks 16/20

Tenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 2. Februar 2021 mit den zugehörigen Feststellungen im jeweiligen Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe

1
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf die Revisionen der Angeklagten hat zum Schuldspruch sowie zu dem gegen den Angeklagten A.      gerichteten Maßregelausspruch keinen die Beschwerdeführer benachteiligenden Rechtsfehler ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Jedoch können die Strafaussprüche keinen Bestand haben (§ 349 Abs. 4 StPO).
2
1. Die Schwurgerichtskammer hat bei beiden Angeklagten strafschärfend gewichtet, dass diese umfangreiche Maßnahmen zur Spurenbeseitigung unternommen haben (unter anderem Verbringen der Leiche auf einen Friedhof und deren Verscharren, „Entsorgung“ von Beweismitteln an unbekannten Stellen). Hiergegen bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken. Denn nach ständiger Rechtsprechung darf der Versuch, sich durch Beseitigung von Tatspuren der Strafverfolgung zu entziehen – ausgenommen bei besonderen, hier nicht vorliegenden Umständen (vgl. LK-StGB/Schneider, 13. Aufl., § 46 Rn. 184 f. mwN) – nicht straferschwerend gewertet werden (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – 2 StR 493/10, NStZ 2011, 512; Beschlüsse vom 10. Februar 1994 – 1 StR 850/93, StV 1995, 131; vom 15. März 2018 – 4 StR 469/17, NStZ 2019, 215, 216; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 670 mwN).
3
2. Darüber hinaus hat die Schwurgerichtskammer dem Angeklagten A.     die in über 100 Schwertstichen, -schnitten und -hieben mit einem scharfen Kurzschwert zum Ausdruck kommende besondere Brutalität sowie den Umstand besonders angelastet, dass er „seiner Aggressivität ungehindert freien Lauf gelassen“ und auf sein handlungsunfähig am Boden liegendes Opfer noch eingestochen hat, was besonders verwerflich sei. Die Ausführungen lassen dabei nicht das Bewusstsein des Landgerichts erkennen, dass die besondere Brutalität – wie namentlich auch aus den Erwägungen zur Gefährlichkeit im Rahmen des § 63 Satz 1 StGB deutlich wird – gerade Ausdruck der wegen der Erkrankung des Angeklagten verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) gewesen ist. Dann darf sie aber nur nach dem Maß der geminderten Schuld berücksichtigt werden (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 17. November 1961 – 4 StR 373/61, BGHSt 16, 360, 363 f.; Schäfer/Sander/van Gemmeren, aaO, Rn. 636 mwN).
4
3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne die vorgenannten Wertungsfehler zu geringeren Strafen gelangt wäre (§ 337 Abs. 1 StPO). Die Sache bedarf danach zu den Strafaussprüchen neuer Verhandlung und Entscheidung.
5
Das nunmehr verhandelnde Tatgericht wird zu bedenken haben, dass hinsichtlich der Angeklagten W.    nicht Strafzumessungstatsachen maßgebend herangezogen werden dürfen, die gerade deren Mittäterschaft begründet haben. Die diesbezüglichen Erwägungen im angefochtenen Urteil (UA S. 76) erscheinen unter diesem Blickwinkel nicht unbedenklich.
Sander     
      
Schneider     
      
König 
      
Fritsche     
      
von Schmettau     
      


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