Strafrecht

Tatvollendung und Tatbeendigung bei Eingehungsbetrug

Aktenzeichen  8 Ss 18/16

Datum:
17.3.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2016, 07602
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 320 I 1
StGB StGB §§ 22, 23, 24 I 1, 55 I 2, 56b II 1, 56f III 2, 58 II 2, 263
StPO StPO §§ 331 I, 349 II, 353, 354 II

 

Leitsatz

1. Eine Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ist nur wirksam, wenn die Schuldfeststellungen eine hinreichende Grundlage für die Entscheidung des Berufungsgerichts sein können. Dies ist nicht der Fall, wenn nach den Feststellungen des Tatrichters unklar bleibt, ob sich der Angeklagte überhaupt strafbar gemacht hat (u. a. Anschluss an BGH, Urt. v. 06.08.2014 – 2 StR 60/14 = StraFo 2014, 471 = NStZ 2014, 635 = BGHR StPO § 318 Kompensationsentscheidung 1; BGH, Urt. v. 19.03.2013 – 1 StR 318/12 = wistra 2013, 463 = BGHR AO § 370 Abs. 1 Nr. 1 Vollendung 3 = NZWiSt 2014, 73; BGH, Urt. v. 26.07.2012 = wistra 2012, 477 sowie BGH, Urt. v. 02.12.2015 – 2 StR 258/15 [bei juris]). (amtlicher Leitsatz)
2. Der bloße Abschluss eines Kaufvertrags erfüllt noch nicht die Voraussetzungen eines Eingehungsbetrugs, da aufgrund der Zug-um-Zug-Einrede (§ 320 I 1 Halbs. 1 BGB) dem Verkäufer noch kein Vermögensschaden entstanden ist (u. a. Anschluss an BGH, Beschl. v. 09.02.2005 – 4 StR 539/04 = NStZ-RR 2005, 180 = StraFo 2005 255 = wistra 2005, 222). Etwas anderes gilt, wenn der Verkäufer vertraglich zur Vorleistung verpflichtet ist (§ 320 I 1 Halbs. 2 BGB). (amtlicher Leitsatz)
3. Maßgeblicher Zeitpunkt der Begehung einer Tat i. S. d. § 55 StGB ist nicht derjenige der Tatvollendung, sondern der der Tatbeendigung. Im Falle eines Betruges ist das der Zeitpunkt der Erlangung des letzten vom Tatplan umfassten Vermögensvorteils (u. a. Anschluss an BGH, Beschl. v. 18.11.2015 – 4 StR 76/15 = NStZ-RR 2016, 42 = wistra 2016, 109). (amtlicher Leitsatz)

Gründe

Oberlandesgericht Bamberg
3 OLG 8 Ss 18/16
Beschluss
vom 17. 3. 2016
Zum Sachverhalt:
Das AG verurteilte den Angekl. wegen Betrugs in 10 Fällen und versuchten Betruges „unter Einbeziehung der mit Urteil des Amtsgerichts Z. vom 14.02.2013, rechtskräftig seit dem selben Tag […] festgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe unter Auflösung in deren Einzelstrafen“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten. Soweit es den Angekl. wegen versuchten Betruges verurteilt hat, hat es festgestellt, dass dieser am 26.01.2013 unter Vortäuschung seiner Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit bei der Firma V-GmbH & Co KG einen Pkw Renault Twingo im Wert von 9.990 € und einen Pkw Renault Mégane im Wert von 13.000 € bestellte, wobei er bereits zum Zeitpunkt der Bestellung wusste, dass er aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage sein würde, den Kaufpreis zu bezahlen. Letztlich wurden die Fahrzeuge nicht an den Angekl. ausgeliefert. Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angekl. hat das LG als unbegründet verworfen. Hiergegen wendet sich die mit der (unausgeführten) Rüge der Verletzung sachlichen Rechts begründete Revision des Angekl. Das Rechtsmittel erwies sich im Wesentlichen insoweit als (teilweise) begründet, als der Angeklagte wegen versuchten Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt wurde.
Aus den Gründen:
I. Die Revision hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 II StPO.
1. Soweit der Angekl. im Fall 11 der Urteilsgründe wegen versuchten Betrugs verurteilt worden ist, hält das angefochtene Urteil rechtlicher Überprüfung schon deshalb nicht stand, weil das LG zu Unrecht von einer wirksamen Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen ist. Die Prüfung dieser Frage obliegt dem Revisionsgericht von Amts wegen.
a) Die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ist nur dann wirksam, wenn die Schuldfeststellungen eine hinreichende Grundlage für die Strafzumessung ergeben, was nicht der Fall ist, wenn die getroffenen Feststellungen den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht erkennen lassen und somit keine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Berufungsgerichts sein können (BGH, Urt. v. 05.11.1984 – AnwSt [R] 11/84 = BGHSt 33, 59 = NJW 1985, 1089 = MDR 1985, 426; BayObLG, Beschl. v. 13.06.1994 – 4St RR 76/94 = BayObLGSt 1994, 98/100 = wistra 1994, 322 = OLGSt StPO § 318 Nr. 9 sowie st.Rspr. des Senats, vgl. u. a. OLG Bamberg, Urt. v. 11.03.2015 – 3 OLG 8 Ss 16/15 = VerkMitt 2015, Nr. 21 = DAR 2015, 273 = BA 52 [2015], 217 = OLGSt StPO § 318 Nr. 24; OLG Bamberg, Urt. v. 25.06.2013 – 3 Ss 36/13 = DAR 2013, 585 = OLGSt StVG § 21 Nr. 10 = StRR 2014, 226 = VRR 2013, 429 und OLG Bamberg, Beschl. v. 20.12.2012 – 3 Ss 136/12 = BA 50 [2013], 88 = VerkMitt 2013, Nr. 36 = OLGSt StPO § 318 Nr. 20 = ZfS 2013, 589; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt StPO 58. Aufl. § 318 Rn. 17 f. m. w. N.). Dies ist auch dann der Fall, wenn die Feststellungen eine Überprüfung des Schuldspruchs nicht ermöglichen; denn es bleibt in diesem Falle unklar, ob sich der Angekl. überhaupt strafbar gemacht hat. Derart lückenhafte Feststellungen können nicht Grundlage eines Strafausspruchs sein (st.Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 06.08.2014 – 2 StR 60/14 = StraFo 2014, 471 = NStZ 2014, 635 = BGHR StPO § 318 Kompensationsentscheidung 1; BGH, Urt. v. 19.03.2013 – 1 StR 318/12 = wistra 2013, 463 = BGHR AO § 370 I Nr. 1 Vollendung 3 = NZWiSt 2014, 73; BGH, Urt. vom 26.07.2012 = wistra 2012, 477 sowie zuletzt Urt. v. 02.12.2015 – 2 StR 258/15 [bei juris]).
b) Die Feststellungen des AG zum Fall 11 lassen bereits nicht erkennen, ob sich der Angekl. überhaupt strafbar gemacht hat. Aus ihnen geht schon nicht hervor, ob nach der Vorstellung des Angekl. seinem Lieferanten überhaupt ein Schaden drohte. Insbesondere hat das AG keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob der Autohändler abweichend vom gesetzlichen Regelfall des § 320 I 1 Hs. 1 BGB zur Vorleistung verpflichtet war (vgl. § 320 I 1 Hs. 2 BGB). Denn grundsätzlich sind die Vertragspartner eines gegenseitigen Vertrags berechtigt, die ihnen obliegenden Leistungen bis zur Bewirkung der Gegenleistung zu verweigern. Wegen der Zug-um-Zug-Einrede entsteht durch den Vertragsschluss noch kein Schaden (Fischer StGB 63. Aufl. § 263 Rn. 176a m. w. N.). Sollte der Autohändler jedoch zur Vorleistung verpflichtet gewesen sein, hätte sich der Angekl. allerdings sogar eines vollendeten (Eingehungs-)Betrugs schuldig gemacht. Die Urteilsgründe verhalten sich indes weder dazu, ob der Vertragspartner des Angekl. ggf. zur Vorleistung verpflichtet war, noch dazu, ob und aufgrund welcher Überlegungen der Angekl. im Falle fehlender Vorleistungspflicht seines Vertragspartners davon ausgegangen ist, er werde die bestellten Wagen auch ohne Bezahlung ausgehändigt erhalten (vgl. BGH, Beschl. v. 09.02.2005 – 4 StR 539/04 = NStZ-RR 2005, 180 = StraFo 2005 255 = wistra 2005, 222). Hätte der Angekl. eine dahin gehende Vorstellung gehabt, hätte er allerdings nur dann wegen versuchten Betrugs bestraft werden können, wenn er – wozu ebenfalls Ausführungen fehlen – nicht freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgegeben oder deren Vollendung verhindert hätte (§ 24 I 1 StGB).
2. Zu entfallen hat einer der beiden Strafaussprüche von je 2 Monaten im Fall 8 der Urteilsgründe. Nachdem das LG – wie schon das AG – aus nicht nachvollziehbaren Gründen 2 Einzelstrafen ausgesprochen hat, obwohl der Angekl. insoweit nur wegen eines Falls des Betrugs schuldig gesprochen wurde, war eine der verhängten Einzelstrafen aufzuheben. Dagegen kann die weitere Einzelstrafe bestehen bleiben. Der Senat schließt aus, dass das LG eine noch niedrigere Einzelstrafe verhängt hätte, nachdem sich die Strafe am unteren Ende des Strafrahmens orientiert.
3. Schon die Aufhebung der Verurteilung im Fall 11 und die Aufhebung eine der beiden Einzelstrafen im Fall 8 der Urteilsgründe bedingen die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs.
4. Darüber hinaus ist die Gesamtstrafenbildung auch aus einem anderen Grund rechtsfehlerhaft. Denn die für den Fall 6 der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe von 2 Monaten hätte nicht in eine aus den Einzelstrafen des Urteils vom 14.02.2013 zu bildende neue Gesamtstrafe einbezogen werden dürfen. Für die in den Fällen 1, 2 und 9 der Urteilsgründe verhängten Strafen kann dies aufgrund der unzulänglichen tatrichterlichen Feststellungen nicht ausgeschlossen werden.
a) Maßgeblich für eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung nach § 55 I 2 StGB ist das Datum der letzten tatrichterlichen Entscheidung. Dies war nach den Feststellungen der Strafkammer der 14.02.2013, nachdem das Urteil des AG vom gleichen Tag sogleich rechtskräftig wurde. Nur Einzelstrafen für Taten, die bis zu diesem Zeitpunkt begangen waren, unterliegen der nachträglichen Gesamtstrafenbildung. Maßgeblicher Zeitpunkt, wann eine Tat begangen wurde, ist nicht etwa die Tatvollendung, sondern ihre Beendigung (vgl. BGH, Beschl. v. 16.09.2014 – 3 StR 423/14, 16.02.2016 – 4 StR 476/15 und 08.12.2015 – 3 StR 430/15 [jeweils bei juris]; Fischer § 55 Rn. 7 m. w. N.). Im Falle eines Betrugs ist dies der Zeitpunkt der Erlangung des letzten vom Tatplan umfassten Vermögensvorteils (BGH, Beschl. v. 18.11.2015 – 4 StR 76/15 = NStZ-RR 2016, 42 = wistra 2016, 109 m. w. N.).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen war der im Fall 6 der Urteilsgründe abgeurteilte Betrug erst nach dem 14.02.2013 beendet, da der Sachverständige das vom Angekl. beauftragte Gutachten erst nach dem Ortstermin vom 20.02.2013 erstellt hatte und frühestens damit die Bereicherung des Angekl. eingetreten war.
c) In den Fällen 1, 2 und 9 der Urteilsgründe bleibt offen, wann die dort beschriebenen Leistungen der Vertragspartner des Angekl. (vollständig) erbracht waren. Der Senat kann den insoweit lückenhaften Urteilsfeststellungen nicht entnehmen, dass dies schon vor dem 14.02.2013 der Fall gewesen wäre und die Strafen für die nachträgliche Gesamtstrafenbildung deshalb hätten herangezogen werden durften. Aufgrund der Zäsurwirkung des amtsgerichtlichen Urteils hätte ggf. eine weitere Gesamtstrafe gebildet werden müssen.
d) Zwar ist der Angekl. regelmäßig nicht beschwert, wenn anstatt mehrerer (Gesamt-) Strafen nur eine Gesamtstrafe verhängt wird. Im vorliegenden Fall besteht jedoch die Besonderheit, dass die Strafkammer aus jeweils für sich genommen aussetzungsfähigen Einzelfreiheitsstrafen eine Gesamtfreiheitsstrafe in einer Höhe gebildet hat, welche eine Strafaussetzung zur Bewährung von vornherein nicht mehr erlaubt. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das LG bei der Verhängung von 2 im bewährungsfähigen Bereich liegende Gesamtfreiheitsstrafen deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt hätte, auch wenn dies angesichts der Vorstrafen des Angekl. nicht naheliegen mag.
II. Aus den vorgenannten Gründen ist das angefochtene Urt. in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Strafkammer des LG zurückzuverweisen (§§ 353, 354 II StPO).
III. Für die neue Hauptverhandlung wird auf Folgendes hingewiesen:
1. Die Höhe der Gesamtstrafe erscheint im Hinblick auf den im angefochtenen Urteil richtigerweise hervorgehobenen teilweise engen Zusammenhang der Taten, aufgrund dessen die Erhöhung der Einsatzstrafe in der Regel niedriger auszufallen hat als dies sonst der Fall wäre (st.Rspr., vgl. nur BGH wistra 2010, 264 m. w. N.; vgl. zuletzt auch OLG Bamberg, Beschl. v. 16.02.2016 – 3 OLG 6 Ss 16/16 [bei juris]), bedenklich und hätte jedenfalls näherer Begründung bedurft.
2. Im Falle einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung ist nicht – wie es das AG getan hat, was vom LG durch die Verwerfung der Berufung übernommen wurde – die Gesamtstrafe, sondern es sind die Einzelstrafen in die neu zu bildende frühere Gesamtstrafe einzubeziehen. Da dieser Umstand im Rahmen der Tenorierung durch das AG nicht beachtet wurde, hätte ihn das LG bei der Abfassung des Urteilstenors zum Ausdruck bringen müssen.
3. Das angefochtene Urteil verhält sich nicht zur Vorschrift des § 58 II 2 StGB. Sollte in der neuen Hauptverhandlung wiederum eine nicht zur Bewährung ausgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe unter Einbeziehung der im Urteil vom 14.02.2013 verhängten Einzelstrafen verhängt werden, wäre durch das LG zu prüfen, ob der Angekl. Leistungen auf Bewährungsauflagen nach § 56b II 1 Nrn. 2-4 StGB erbracht hat, die gemäß § 58 II 2 StGB i. V. m. § 56f III 2 StGB auf die erkannte Gesamtfreiheitsstrafe in der Regel zwingend angerechnet werden müssen (Fischer § 58 Rn. 6 m. w. N.).
4. Für den Fall, dass die Strafkammer im Fall 11 der Urteilsgründe zu einer Vollendung der Tat gelangen sollte, weil der Autohändler zur Vorleistung verpflichtet gewesen wäre, stünde § 331 I StPO einer Abänderung des Schuldspruchs zum Nachteil des Angekl. nicht entgegen (Meyer-Goßner/Schmitt StPO 58. Aufl. § 331 Rn. 8 m. w. N.).
5. Sollte die Zäsurwirkung des Urteils vom 14.02.2013 die Bildung mehrerer Gesamtstrafen erforderlich machen, wäre unbeschadet § 331 I StPO ein sich daraus möglicherweise für den Angekl. ergebender Nachteil auszugleichen. Den Urteilsgründen muss in diesem Fall zu entnehmen sein, dass die Berufungskammer das Gesamtmaß der Strafen für schuldangemessen gehalten hat (BGH, Beschl. v. 17.04.2008 – 4 StR 118/08 = NStZ-RR 2008, 234; Fischer § 55 Rn. 16, jeweils m. w. N.).


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