Strafrecht

Transport einer Schreckschusswaffe

Aktenzeichen  2 Ns 14 Js 2850/18

Datum:
29.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 31356
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Weiden
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 2 Abs. 2, § 10 Abs. 4 S. 4, § 12 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 3 Nr. 2 a

 

Leitsatz

1. Ob eine unverpackt im Fahrgastraum eines PKW befindliche Schusswaffe zugriffsbereit i.S.v. § 12 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Anl. 1 Abschnitt 2 Nr. 13 WaffG ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Eine Zugriffsbereitschaft scheidet aus, wenn die Waffe unter dem Beifahrersitz verwahrt wird und wegen der Bauart des Fahrzeuges – Mittelkonsole; Sitzaufbau – nicht unter 9 Sekunden in Anschlag gebracht werden kann. (Rn. 13 – 16)
2. Beim Transport von Schreckschusswaffen, deren Erwerb und Besitz erlaubnisfrei ist, erfolgt dieser zu einem von seinem Bedürfnis umfassten Zweck oder im Zusammenhang damit i.S.v. § 12 Abs. 3 Nr. 2 WaffG, wenn der Transport Ausgangs- und Zielorte miteinander verbindet, an denen ein rechtmäßiger Umgang mit der Waffe ausgeübt wird. (Rn. 18)

Verfahrensgang

1 Ds 14 Js 2850/18 2018-06-20 Urt AGTIRSCHENREUTH AG Tirschenreuth

Tenor

1. Auf die Berufung des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Tirschenreuth vom 20.06.2018 aufgehoben.
2. Der Angeklagte wird freigesprochen.
3. Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

I.
(Verfahrensgang)
Das Amtsgericht Tirschenreuth – Strafrichter hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 20.6.2018 wie folgt für Recht erkannt:
1. Der Angeklagte ist schuldig des vorsätzlichen Führens einer verbotenen Waffe.
2. Er wird deswegen zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt.
Gegen dieses in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 22.6.2018, am selben Tag beim Amtsgericht eingegangen, Berufung eingelegt.
II.
(Handlung)
Der Angeklagte erwarb am 23.2.2018 auf dem Asia-Markt in C., Tschechische Republik, eine mit dem PTB-Zeichen im Kreis versehene Schreckschusspistole, Typ „Colt Double Eagle“, Seriennummer 0…C, Kaliber 9 mm ohne Munition. Er legte sie ohne Verpackung ungeladen im Fahrgastraum unter den Beifahrersitz seines Pkw, Marke um sie so an seinen Wohnort zu verbringen.
Das Fahrzeug ist mit einer breiten und erhöhten Mittelkonsole ausgestattet. Unter dem Beifahrersitz befinden sich mehrere lose Kabel, die u.a. der elektrischen Sitzverstellung dienen. Am unteren Ende des Sitzes befindet sich ein mehrere Zentimeter breites Plastikteil, sodass der Abstand zwischen Unterkante der Sitzfläche und diesem Plastikteil nur etwa eine Handbreit beträgt. In angegurtetem Zustand ist es vom Fahrersitz aus nicht möglich, unter den Beifahrersitz zu greifen. Eine nicht angegurtete Person auf dem Fahrersitz braucht mindestens 9 Sekunden, um mit der Hand unter den Beifahrersitz greifen zu können, eine dort befindliche Waffe heraus zu holen und in Anschlag zu bringen.
Nach Ablage der Schreckschusspistole reiste der Angeklagte mit seinem Pkw über den vormaligen Grenzübergang W. ins Bundesgebiet ein. Er führte den Pkw dabei in angegurtetem Zustand. Am 23.2.2018 gegen 19:40 Uhr wurde der Angeklagte wenige Minuten nach dem Grenzübertritt in W. einer Verkehrskontrolle unterzogen und die Schreckschusspistole in seinem Fahrzeug aufgefunden.
Der Angeklagte ist nicht im Besitz eines kleinen Waffenscheins im Sinn von § 10 Abs. 4 S. 4 WaffG.
III.
(Rechtliche Würdigung)
Aufgrund des festgestellten Sachverhalts war der Angeklagte aus Rechtsgründen freizusprechen. Das Verhalten des Angeklagten erfüllt objektiv nicht den Tatbestand des alleine als Strafvorschrift in Betracht kommenden § 52 Abs. 3 Nr. 2 lit. a WaffG.
Nach § 52 Abs. 3 Nr. 2 lit. a WaffG macht sich strafbar, wer ohne Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 i.V.m. Anl. 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 S. 1 WaffG eine Schusswaffe erwirbt, besitzt oder führt.
1. Die beim Angeklagten aufgefundene Schreckschusspistole ist nach Anl. 1 Unterabschnitt 1 Nr. 2.6 WaffG eine Schusswaffe im Sinn des § 2 Abs. 2 WaffG, deren Erwerb und der Besitz nach Anl. 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 Nr. 1.3 WaffG erlaubnisfrei ist. Grundsätzlich erlaubnispflichtig ist dagegen nach § 2 Abs. 2 i.V.m. Anl. 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 S. 1 WaffG das Führen der Schreckschusspistole.
2. Für die Verbringung der Schreckschusswaffe vom Erwerbsort in C. an seinem Wohnort und damit dem Führen dieser Waffe (Anl. 1 Nr. 3 WaffG) greift jedoch der Ausnahmetatbestand des §§ 12 Abs. 3 Nr. 2 WaffG ein, sodass der Angeklagte im Ergebnis die Waffe erlaubnisfrei transportieren durfte.
Nach § 12 Abs. 3 Nr. 2 WaffG bedarf keiner Erlaubnis zum Führen einer Waffe, wer diese nicht schussbereit und nicht zugriffsbereit von einem Ort zu einem anderen Ort befördert, sofern der Transport der Waffe zu einem von seinem Bedürfnis umfassten Zweck oder im Zusammenhang damit erfolgt.
2.1. Die Waffe war nicht schussbereit, da sie nicht geladen war. Es wurde auch keine Munition mitgeführt.
2.2. Die Waffe war auch nicht zugriffsbereit.
Nach Anl. 1 Abschnitt 2 Nr. 13 WaffG ist eine Schusswaffe zugriffsbereit, wenn sie unmittelbar in Anschlag gebracht werden kann; sie ist nicht zugriffsbereit, wenn sie in einem verschlossenen Behältnis mitgeführt wird.
Ein unmittelbares In-Anschlag-Bringen und damit eine Zugriffsbereitschaft der Waffe ist nach dem Willen des Gesetzgebers dann gegeben, wenn die Waffe mit weniger als drei Handgriffen in unter 3 Sekunden in Anschlag gebracht werden kann. Dies soll beispielsweise der Fall sein, wenn die Waffe im Pkw in unmittelbarer, leicht zugängliche Reichweite des Fahrers ohne weitere Umhüllung in der Türablage oder im nur geschlossenen, aber nicht verschlossenen Handschuhfach mitgeführt wird (BT-Drucks. 16/7717, S. 25).
Gemessen an diesem Maßstab war die Waffe nicht zugriffsbereit. Es kann dabei dahinstehen, ob bei der Bewertung der Zugriffsbereitschaft auf einen angegurteten Fahrer des Fahrzeuges abzustellen ist und damit das Lösen des Sicherheitsgurts bereits den ersten Handgriff zum Einsatz der Waffe darstellt. Im konkreten Fall war es jedenfalls so, dass eine Person auf dem Fahrersitz des Fahrzeuges auch nach Lösen des Sicherheitsgurtes einen Zeitraum von mindestens 9 Sekunden brauchte, um die Waffe in Anschlag zu bringen.
2.3. Der Transport der Waffe ist auch zu einem von seinem Bedürfnis umfassten Zweck oder im Zusammenhang damit erfolgt.
Bei der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals ist bei Schreckschusswaffen zu beachten, dass die zum Führen dieser Waffen grundsätzlich erforderliche Erlaubnis (kleiner Waffenschein) nach Anl. 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 3 Nr. 2 und 2.1 WaffG ohne Bedürfnisprüfung erteilt wird. Die WaffVwV spricht das Bedürfnis hinsichtlich Schusswaffen, die keiner Erwerbs- und Besitzerlaubnis bedürfen, in Ziffer 12.3.1, Spiegelstrich 4 unter Verweis auf Anl. 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nummer 1.1 an. Die dortigen Bedürfnisse sind sehr weit gefasst. Daraus kann nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift aber nicht geschlossen werden, dass jedes Führen einer solchen Waffe, soweit sie nicht schussbereit und nicht zugriffsbereit transportiert wird, erlaubnisfrei ist. Nach der historischen Entwicklung der Vorschrift (vgl. Gade, Erlaubnisfreier Schusswaffentransport, NJW 2015, 3542, 3547) und deren Zweck können nur solche Transporte erlaubnisfrei gestellt sein, die Ausgangs- und Zielorte miteinander verbinden, an denen ein rechtmäßiger Umgang mit der Waffe ausgeübt wird (Gade, aaO, NJW 2015, 3542, 3546 ff; Gade/Gade, 2. Aufl. 2018, WaffG § 12 Rn. 73; weitergehend: Steindorf/N. Heinrich, 10. Aufl. 2015, WaffG § 12 Rn. 23).
Die Transportfahrt, bei der der Angeklagte festgestellt wurde, hat einen Ausgangspunkt und Zielort miteinander verbunden, an denen der Umgang mit der Waffe rechtmäßig war. Dies gilt für den Erwerb der Waffe in Tschechien und dem Besitz in seiner Wohnung. Aus der Einfuhr der Waffe ins Bundesgebiet ergeben sich keine besonderen rechtlichen Anforderungen.
IV.
(Kostenausspruch)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO.


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