Strafrecht

Unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln: Voraussetzungen der Vorsatzfeststellung beim Anstifter

Aktenzeichen  1 StR 350/20

Datum:
27.10.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2020:271020B1STR350.20.0
Normen:
§ 30 Abs 1 Nr 4 BtMG
§ 26 StGB
§ 261 StPO
§ 267 StPO
Spruchkörper:
1. Strafsenat

Verfahrensgang

vorgehend LG Traunstein, 26. Mai 2020, Az: 140 Js 13448/18 – 6 KLs

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 26. Mai 2020, soweit es ihn betrifft,
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall III.7. der Urteilsgründe wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt ist; die tateinheitliche Verurteilung wegen Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln entfällt;
b) im Ausspruch über die in den Fällen III.3. und III.7. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen sowie über die Gesamtstrafe aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen, unmittelbarer Verbrauchsüberlassung von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren in zwei Fällen, unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit versuchtem unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Außerdem hat das Landgericht eine Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis für die Dauer von zwei Jahren angeordnet. Den Mitangeklagten       M.      hat es freigesprochen.
2
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge einer Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg und ist im Übrigen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I.
3
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen bestellte der Angeklagte (unter anderem) zu einem nicht mehr exakt feststellbaren Zeitpunkt vor dem 5. Februar 2018 – vermutlich über das Darknet – 146,9 Gramm Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 12,8 % (Wirkstoffmenge 18,8 Gramm Amphetaminbase), um dieses gewinnbringend weiterzuverkaufen. Die Briefsendung wurde mangels ausreichender Frankierung nicht an der Wohnadresse des Angeklagten ausgeliefert, sondern an die auf der Sendung angegebene Anschrift eines „fingierten“ Absenders zurückgesandt und dort sichergestellt (Fall III.3. der Urteilsgründe, Ziffer II.1.d des Tenors).
4
Weiter bestellte der Angeklagte – wiederum vermutlich über das Darknet – in den Niederlanden 150 Ecstasy-Tabletten „Donkey Kong“ (insgesamt 70,93 Gramm) mit einem Wirkstoffgehalt von 23,5 %, also einer Gesamtwirkstoffmenge von 16,66 Gramm MDMA-Base, um diese gewinnbringend zu verkaufen. Die Sendung wurde aufgrund eines Postbeschlagnahmebeschlusses angehalten, die Betäubungsmittel wurden sichergestellt (Fall III.7. der Urteilsgründe, Ziffer II.1.e des Tenors).
II.
5
1. Die auf die Sachrüge veranlasste sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils führt zur Änderung des Schuldspruchs im Fall III.7. der Urteilsgründe (Ziffer II.1.e des Tenors), weil dieser hinsichtlich der als tateinheitlich begangen ausgeurteilten Anstiftung zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln nicht von rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen getragen ist. Das kognitive Element des Vorsatzes des Angeklagten ist weder festgestellt noch belegt.
6
a) Als Anstifter strafbar macht sich gemäß § 26 StGB derjenige, der einen anderen vorsätzlich zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat. Vorsatz des Anstifters setzt dabei voraus, dass der Anstifter die vorsätzliche Begehung der Haupttat durch den Haupttäter und das Hervorrufen des Tatentschlusses des Haupttäters durch ihn selbst (sog. doppelter Anstiftervorsatz; st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2017 – 2 StR 362/16 mwN; Fischer, StGB, 67. Aufl., § 26 Rn. 7) zumindest für möglich hält (kognitives Element) und billigend in Kauf nimmt (voluntatives Element; st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 11. Februar 2020 – 1 StR 119/19 Rn. 9; Fischer, aaO, § 15 Rn. 3, 11 ff. mwN).
7
Die vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen zwar die Annahme, dass die Betäubungsmittel im Fall III.7. der Urteilsgründe vom Angeklagten bestellt und daher auf seine Veranlassung aus den Niederlanden ins Bundesgebiet versandt wurden; sowohl die Haupttat der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln als auch die diesbezügliche Anstiftungshandlung des Angeklagten sind damit ohne Rechtsfehler festgestellt. Dagegen fehlen tragfähig belegte Feststellungen dazu, dass der Angeklagte durch seine Bestellung wissentlich beim Haupttäter den Tatentschluss zur Einfuhr der bestellten Betäubungsmittel ins Bundesgebiet hervorgerufen hat. Denn es bleibt offen, ob der Angeklagte für möglich hielt oder sogar erkannt hat, dass er durch seine Bestellung einen Versand oder eine Verbringung der Betäubungsmittel aus dem Ausland in das Bundesgebiet veranlassen würde. Insbesondere ist nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte aufgrund der Umstände des nicht näher aufgeklärten Bestellvorgangs davon ausging, dass es sich beim Verkäufer und Versender der Betäubungsmittel um eine Person handelt, die bereits im Inland über die bestellten Betäubungsmittel verfügt; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte im vorliegenden Fall für möglich hielt, dass die bestellten Betäubungsmittel aus dem Ausland in das Bundesgebiet verbracht werden würden, ergeben sich aus den getroffenen Feststellungen nicht. Mit Blick auf das Fehlen von tragfähigen Feststellungen zum Vorliegen des kognitiven Elements des erforderlichen Anstiftervorsatzes kommt es auf die vom Landgericht bejahte Frage, ob das voluntative Element des Vorsatzes im Sinne eines zumindest billigenden Inkaufnehmens der Einfuhr der bestellten Betäubungsmittel aus dem Ausland beim Angeklagten vorlag, nicht mehr an.
8
b) Der Senat kann ausschließen, dass hinsichtlich des konkreten Bestellvorgangs und des sich daraus ergebenden Vorstellungsbildes des Angeklagten weitere Feststellungen getroffen werden können, und ändert daher den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst ab.
9
2. a) Die Änderung des Schuldspruchs im Fall III.7. der Urteilsgründe (Ziffer II.1.e des Tenors) zieht die Aufhebung der hierfür verhängten Einzelstrafe nach sich.
10
b) Der Strafausspruch hat auch hinsichtlich der im Fall III.3. der Urteilsgründe (Ziffer II.1.d des Tenors) verhängten Einzelstrafe keinen Bestand. Denn das Landgericht hat das Vorliegen eines minder schweren Falles (§ 29a Abs. 2 BtMG) nicht rechtsfehlerfrei verneint und auch bei der konkreten Strafzumessung nicht alle maßgeblichen Strafzumessungskriterien in die erforderliche Gesamtabwägung eingestellt. Soweit es angenommen hat, dass die Menge der im Fall III.3. bestellten Betäubungsmittel den Grenzwert der nicht geringen Menge um das 1,88-fache überstiegen habe, ist dies von den getroffenen Feststellungen schon deshalb nicht getragen, weil sich ausgehend von einer Wirkstoffmenge von 18,8 Gramm Amphetaminbase und einem Grenzwert der nicht geringen Menge von 10 Gramm ergibt, dass die Menge der bestellten Betäubungsmittel das 1,88-fache der nicht geringen Menge betrug, sie diesen Grenzwert aber nicht um das 1,88-fache überstieg. Abgesehen davon erweist sich die Strafzumessung aber auch deshalb als fehlerhaft, weil das Landgericht den Umstand, dass der Grenzwert der nicht geringen Menge nur geringfügig überschritten wurde, weder für die Frage, ob ein minder schwerer Fall vorliegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. September 2019 – 2 StR 68/19 Rn. 5 und vom 16. Januar 2019 – 2 StR 488/18 Rn. 5; Urteile vom 20. August 2019 – 1 StR 209/19 Rn. 14 und vom 15. März 2017 – 2 StR 294/16, BGHSt 62, 90 Rn. 13), noch bei der konkreten Bemessung der Einzelstrafe berücksichtigt hat.
11
c) Auch der Ausspruch über die Gesamtstrafe hat keinen Bestand, nachdem der Ausspruch über die Einsatzstrafe (Fall III.3. der Urteilsgründe), daneben aber auch die Einzelstrafe für Fall III.7. der Urteilsgründe als zweithöchste der verhängten Einzelstrafen der Aufhebung unterliegt.
12
d) Die zugehörigen Feststellungen bleiben bestehen, weil es sich bei den zur Aufhebung führenden Rechtsfehlern um bloße Wertungsfehler handelt (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die mit den bisherigen nicht in Widerspruch stehen dürfen.
13
3. Im Übrigen weist das Urteil keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Insbesondere ist die Annahme, beim Angeklagten habe kein Hang im Sinne des § 64 StGB vorgelegen, von den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen getragen.
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