Strafrecht

Verfahrenshindernis unwirksamer Anklageerhebung: Übernahme einer Strafrichteranklage ohne wesentliches Ermittlungsergebnis durch das Landgericht

Aktenzeichen  5 StR 36/20

Datum:
3.3.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2020:030320B5STR36.20.0
Normen:
§ 200 Abs 2 S 1 StPO
§ 200 Abs 2 S 2 StPO
§ 209 Abs 2 StPO
Spruchkörper:
5. Strafsenat

Verfahrensgang

vorgehend LG Braunschweig, 19. Oktober 2017, Az: 8 KLs 6/14

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 19. Oktober 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in zwölf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und angeordnet, dass drei Monate aufgrund überlanger Verfahrensdauer als vollstreckt gelten. Die Revision des Angeklagten führt mit einer Verfahrensrüge zur Aufhebung des Urteils.
2
1. Das Verfahrenshindernis unwirksamer Anklageerhebung besteht nicht. Wird zunächst Anklage zum Strafrichter erhoben und kommt es anschließend zur Vorlage des Verfahrens beim Landgericht (§ 209 Abs. 2 StPO) sowie zur anschließenden Übernahme des Verfahrens, ist § 200 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht verletzt, wenn die Anklage kein wesentliches Ergebnis der Ermittlungen enthält, denn das Vorgehen der Staatsanwaltschaft entspricht in derartigen Fällen § 200 Abs. 2 Satz 2 StPO (vgl. KK-StPO/Schneider, 8. Aufl., § 200 Rn. 36 mwN auch zur abweichenden Ansicht).
3
2. Zu Recht und in zulässiger Weise beanstandet die Revision eine Verletzung von § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO. Über vor der Hauptverhandlung geführte Gespräche, deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung war, wurde in der Hauptverhandlung nur unzureichend informiert. Finden solche Gespräche statt, ist in der Hauptverhandlung deren wesentlichen Inhalt mitzuteilen, mithin, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen wurde, welche Standpunkte von einzelnen Gesprächsteilnehmern dabei vertreten wurden und ob sie bei anderen auf Zustimmung oder Ablehnung gestoßen sind (st. Rspr., vgl. zuletzt nur BGH, Beschluss vom 26. November 2019 – 3 StR 336/19, NStZ-RR 2020, 87; BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2020 – 2 BvR 900/19, je mwN).
4
Die Mitteilung der im Vorfeld der Hauptverhandlung geführten Gespräche, in denen es um die Einstellung bestimmter Vorwürfe gegen ein Geständnis des Angeklagten und die Verhängung einer noch bewährungsfähigen Strafe ging, erfolgte, wie aus dem Protokoll bewiesen wird, nur rudimentär („Es wurde festgestellt, dass Erörterungen nach den §§ 202a, 212 StPO, deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gemäß § 257c StPO gewesen ist, stattgefunden haben. Dabei wurde seitens der Staatsanwaltschaft und der Kammer bei Einstellung mehrerer Anklagepunkte aus der Anklage 16.06.2014 die Verhängung einer bewährungsfähigen Gesamtstrafe in Aussicht gestellt“).
5
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht (vgl. zum Prüfungsmaßstab BVerfG, aaO Rn. 36 ff.). Die Sache bedarf deshalb neuer Verhandlung und Entscheidung, wobei gegebenenfalls auch die weitere rechtsstaatswidrige Verzögerung des Revisionsverfahrens zu berücksichtigen sein wird.
Mutzbauer     
        
Berger     
        
Mosbacher
        
Köhler     
        
Resch     
        


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