Verkehrsrecht

1 OWi 2 SsBs 101/21

Aktenzeichen  1 OWi 2 SsBs 101/21

Datum:
24.5.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
OLG Zweibrücken 1. Senat für Bußgeldsachen
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:POLGZWE:2022:0524.1OWI2SSBS101.21.00
Spruchkörper:
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Verfahrensgang

vorgehend AG Landstuhl, 29. Juli 2021, 2 OWi 4211 Js 475/21

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Landstuhl vom 29.07.2021 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens – an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.

Gründe

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen vorsätzlicher Inbetriebnahme eines LKWs trotz erloschener Betriebserlaubnis [aufgrund einer Veränderung der lichttechnischen Einrichtungen am Fahrzeug] zu einer Geldbuße von 360,– EUR verurteilt. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Rechtsbeschwerde.
Der Einzelrichter hat die Sache am 23.05.2022 gem. § 80a Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 1 OWiG an den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
Das in verfahrensrechtlicher Sicht unbedenkliche Rechtsmittel dringt bereits mit der Sachrüge durch; auf die daneben erhobene Verfahrensbeanstandung kommt es daher nicht an.
I.
Das Amtsgericht hat folgende tatsächlichen Feststellungen und Wertungen getroffen:
„Der Betroffene [hat] am 17.09.2020 um 20:21 Uhr eine Sattelzugmaschine … auf der BAB … Fahrtrichtung … geführt. Er nahm den LKW in Betrieb, obwohl die Betriebserlaubnis erloschen war. Die Verkehrssicherheit war dadurch wesentlich beeinträchtigt, dass am LKW mehr als 110 zusätzliche LED Leuchteinheiten ohne Zulässigkeitsnachweis verbaut waren und diese bei der Fahrt auch in Betrieb waren.“
Seine Feststellungen zum Erscheinungsbild des LKWs hat das Amtsgericht – neben der Inaugenscheinnahme von Lichtbildern – im wesentlichen auf die Angaben des Polizeibeamten … gestützt, der den LKW kontrolliert hatte. „Dieser berichtete, dass ihm der LKW im Gegenverkehr aufgrund der massiven Beleuchtung aufgefallen sei, hell wie ein Weihnachtsbaum´. Eine solche Beleuchtung ziehe die Blicke anderer Verkehrsteilnehmer an.“ (UA S. 2)
II.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Antragsschrift vom 21.11.2021 u.a. folgendes ausgeführt:
„Das Urteil unterliegt auf die erhobene Sachrüge hin der Aufhebung, da es nicht frei von Rechtsfehlern zu Lasten des Betroffenen ist.
Soweit das Gericht ein Erlöschen der Betriebserlaubnis gemäß § 19 Abs. 2 StVZO angenommen hat, tragen die getroffenen Feststellungen das Urteil nicht.
Gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 2 StVZO erlischt die Betriebserlaubnis eines Fahrzeugs, wenn daran Änderungen vorgenommen werden, durch die eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmen zu erwarten ist. Diesbezüglich hat das Gericht festgestellt, dass an dem vom Betroffenen geführten LKW insgesamt 110 LEDs ohne Zulässigkeitsnachweis verbaut wurden, wodurch die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs wesentlich beeinträchtigt wurde. Die Leuchten waren dabei an einen von der übrigen Beleuchtung des Fahrzeugs getrennten Stromkreis angeschlossen und konnten mittels eines eigenen Schalters bedient werden.
Zwar dürfte es sich nach der seit 1993 geltenden Fassung der Vorschrift auch bei dem Einbau zusätzlicher Leuchten, welche wie im vorliegenden Fall nicht gemeinsam mit der den übrigen lichttechnischen Anlagen geschaltet werden, um eine Änderung im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 2 StVZO handeln (vergleiche abweichend zur alten Gesetzesfassung: Senat, Beschluss vom 19.11.1990, 1 Ss 224/90, zitiert nach juris). Jedoch ist nach den Urteilsgründen eine von der zusätzlich verbauten Beleuchtung ausgehende Gefährdung von Verkehrsteilnehmern im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 2 StVZO nicht hinreichend festgestellt.
Diese Norm setzt zwar nicht die Feststellung einer konkreten Gefährdung voraus. Erforderlich ist nach dem Gesetzeswortlaut jedoch, dass das Gericht im konkreten Einzelfall ermittelt, ob die am Fahrzeug vorgenommene Änderung eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern nicht nur möglich erscheinen, sondern jedenfalls erwarten lässt (Dauer in Hentschel, König, Dauer; Straßenverkehrsrecht, 44. Auflage, § 19 StVZO Rn. 8 m.w.N.) Diesbezüglich ist der Rechtsbeschwerde zuzugeben, dass dem Urteil nicht zu entnehmen ist, auf welche konkreten Umständen das Gericht seine Erwartung einer Gefährdung von Verkehrsteilnehmern im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 2 StVZO gestützt hat. Allein der Verweis auf die hohe Anzahl von 110 zusätzlich verbauten LED-Leuchten vermag auch unter Berücksichtigung der in das Urteil einbezogenen Lichtbilder nach hiesiger Auffassung die Erwartung einer Gefährdung noch nicht zu begründen. Denn allein die besondere Auffälligkeit des Fahrzeugs bei eingeschalteter Beleuchtung dürfte für sich genommen nicht die – vom Gericht augenscheinlich zu Grunde gelegte – Erwartung begründen, dass andere Verkehrsteilnehmer bei dessen Anblick in gefährdender Weise vom Verkehrsgeschehen abgelenkt werden. Demnach wären nach diesseitiger Auffassung weitere Feststellungen, etwa zur Leuchtkraft und der Farbgebung der LEDs – welche sich aus den lediglich in schwarz-weiß bei der Akte befindlichen Lichtbildern nicht ergibt – notwendig gewesen, um eine Beurteilung zu ermöglichen, ob die Beleuchtung, gegebenenfalls bei bestimmten Witterungsverhältnissen, etwa eine Blendung anderer Verkehrsteilnehmern oder eine Verfälschung des Signalbilds des Fahrzeugs bewirken kann, welche Ihrerseits eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern erwarten lassen könnten.
Bedenken begegnet daneben auch, dass das Gericht in seiner Urteilsbegründung ausführt, dass eine Veränderung der lichttechnischen Anlagen stets zum Erlöschen der Betriebserlaubnis führe, was man schon daran sehe, dass dies auch für den Fall getönter Rückleuchten, fehlender Reflektoren oder anderer Eingriffe gelte. Der Vergleich des Gerichts geht zum einen fehl, da im vorliegenden Fall keine Veränderung an den notwendigen lichttechnischen Anlagen des Fahrzeugs vorgenommen wurde. Denn bei der Beleuchtungsanlage eines Fahrzeugs als Inbegriff aller in ihm vorhandenen lichttechnischen Einrichtungen handelt es sich nicht um ein einheitliches Fahrzeugteil (Senat a.a.O., BGH 4 StR 39/83, BGHSt 32,16). Da die zusätzliche Beleuchtung vorliegend unabhängig von der sonstigen Beleuchtung schaltbar war, liegt demnach kein Eingriff in die vorhandenen Teile vor. Zum anderen dürfte das Gericht seiner Beurteilung einen unzutreffenden Maßstab zu Grunde gelegt haben, da – wie sich auch aus den obigen Ausführungen ergibt – eine Vielzahl von Sachverhalten denkbar sind, bei welchen vom Anbringen zusätzlicher Leuchten keine Gefährdung im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 2 StVZO zu erwarten ist. Dem entspricht auch, dass das Anbringen von nicht vorgeschriebenen oder unzulässigen lichttechnischen Einrichtungen am Fahrzeug gemäß §§ 69a Abs. 3 Nr. 18 i.V.m. 49a StVZO auch ungeachtet einer möglichen Gefährdung bußgeldbewehrt ist.
Im Übrigen bestehen auch Bedenken gegen die vom Gericht getroffene Feststellung eines vorsätzlichen Verhaltens. Denn die vom Gericht bejahte Frage, ob der Betroffene die zusätzliche Beleuchtung zum Tatzeitpunkt bewusst angeschaltet hatte, gibt für dessen Vorsatz im Hinblick auf die fehlende Betriebserlaubnis des Fahrzeugs nichts her, zumal der Betroffene nach den Ausführungen des Urteils unwidersprochen angegeben hat, dass das Fahrzeug in diesem Zustand Zulassung, HU und SP erhalten habe und lediglich die Auflage eines zweiten Stromkreises für die Beleuchtung ergangen sei. Diesbezüglich wären zur Annahme eines vorsätzlichen Verhaltens weitere Feststellungen jedenfalls zum Ergebnis der technischen Prüfungen und den konkret ergangenen Auflagen sowie zum Vorstellungsbild des Betroffenen erforderlich gewesen.“
Dem tritt der Senat bei.


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