Verkehrsrecht

Anerkennung einer ausländischen Fahrerlaubnis, Erteilung während angeordneter Sperrfrist

Aktenzeichen  M 26a K 18.4090

Datum:
4.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41333
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FeV § 28 Abs. 1
FeV § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet

Gründe

1. Über die Klage konnte nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 VwGO – Verwaltungsgerichtsordnung). Auf ein Einverständnis der Beteiligten kommt es nicht an (Eyermann, VwGO, 15. Aufl., § 84 Rn. 10).
2. Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig aber unbegründet, denn der Kläger ist aufgrund seines slowakischen Führerscheins vom 19. Januar 2005 nicht zum Führen von Fahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt.
2.1 Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er aufgrund seines am 19. Januar 2005 ausgestellten slowakischen Führerscheins berechtigt ist, am motorisierten Straßenverkehr in der Bundesrepublik Deutschland teilzunehmen (§ 28 Abs. 1 Satz 1 FeV). Denn nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV gilt die Berechtigung nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die während einer noch laufenden Sperrfrist erteilt wurde (BVerwG, Urt. v. 25. 8. 2011 – 3 C 28/10, NJOZ 2012, 872).
Zwar regelt Art. 2 Abs. 1 der RL 2006/126/EG, dass die von den Mitgliedsstaaten ausgestellten Führerscheine gegenseitig anerkannt werden. Der Begriff des Führerscheins bezieht sich dabei auf das Dokument, das zum Nachweis des Vorliegens einer Fahrerlaubnis ausgestellt wird (EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2017 – C-195/16 -, juris Rn. 48). Art. 11 Abs. 4 Unetrabs. 2 RL 2006/126 EG gestattet es dem Mitgliedsstaat, in dessen Hoheitsgebiet ein Führerschein eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen wurde, die Anerkennung der Gültigkeit eines gleichwohl erteilten Führerscheins abzulehnen. Maßgeblicher zeitlicher Bezugspunkt für diese Befugnis ist die Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis (Kennter, Reichweite und Grenzen des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von EU-Führerscheinen, NJW 2020, 1556).
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zu Art. 8 Abs. 4 der RL 91/439 besteht die Befugnis der zuständigen Behörden und Gerichte eines Mitgliedsstaates, die Anerkennung der Gültigkeit einer Fahrerlaubnis abzulehnen, die in einem anderen Mitgliedsstaat von einer Person erworben wurde, der im ersten Mitgliedsstaat die Fahrerlaubnis entzogen und für die dort eine Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis angeordnet wurde, auch wenn die Person erst nach Ablauf dieser Sperrfrist Gebrauch gemacht haben sollte (EuGH, B.v. 3.07.2008 – C225/07 -, juris Rn. 41).
Auch die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 2 Abs. 1 und 11 Abs. 4 Unterabs. 2 der RL 2006/126 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein geht weiter davon aus, dass innerhalb einer Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis keine Anerkennungspflicht besteht (EuGH, U.v. 26. April 2012 – C-419/10 – juris Rn. 91). Einen Mitgliedstaat zur Anerkennung der Gültigkeit eines von einem anderen Mitgliedstaat einer Person ausgestellten Führerscheins zu verpflichten, obwohl er gegen diese Person wegen einer vor dieser Erteilung der Fahrerlaubnis durch den zweiten Staat liegenden Tat eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis angeordnet hatte, führte dazu, Tätern von Zuwiderhandlungen im Gebiet eines Mitgliedstaats, die mit einer solchen Maßnahme bestraft werden können, einen Anreiz zu schaffen, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, um eine neue Fahrerlaubnis zu erhalten und so den verwaltungs- oder strafrechtlichen Folgen dieser Zuwiderhandlungen zu entgehen, und zerstörte letztendlich das Vertrauen, auf dem das System der gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine beruht (EuGH, U. v. 21.5.2015 – C-339/14, NZV 2016, 38, Rn. 30)
2.2 Auch, wenn der Kläger nur die Feststellung zur Berechtigung hinsichtlich der Führerscheinnummer * … beantragt hat, wird ergänzend darauf hingewiesen, dass der Kläger sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen kann, dass er aufgrund des am 22. Juli 2009 von den slowakischen Behörden ausgestellten Führerscheins berechtigt ist, am motorisierten Straßenverkehr in Deutschland teilzunehmen. Denn der am 22. Juli 2009 ausgestellte Führerschein (Nr. …*) dokumentiert nicht etwa eine zu diesem Datum erteilte Fahrerlaubnis. Es handelt sich vielmehr lediglich um ein ersatzweise ausgestelltes Führerscheindokument, welches dem Kläger keine Berechtigung verschaffen kann, die über den Umfang der Befugnisse hinausgeht, die mit dem am 19. Januar 2005 ausgestellten Führerschein (Nr. …*) beurkundet wurden (s. BayVGH, B.v. 18.1.2010 – 11 CS 09.2079 – juris, Rn. 21). Von der am 18. Januar 2005 erteilten slowakischen Fahrerlaubnis durfte der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland jedoch, wie oben unter 1. dargelegt, keinen Gebrauch machen.
Zwar ist § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV nur auf Fälle anwendbar, in denen eine EU- oder EWR-Fahrerlaubnis während einer noch laufenden Sperrfrist erteilt wurde (vgl. BVerwG, U.v. 13.2.2014 – 3 C 1/13 – juris Rn 22 m.w.N.), der insoweit zum Tragen kommende Anerkennungsgrundsatz bezieht sich jedoch nur auf eine tatsächlich neu erteilte Fahrerlaubnis, wenn also bei der späteren Ausstellung des Führerscheins zuvor die Mindestanforderungen an die körperliche und geistige Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geprüft und hierdurch die mit der Entziehung der Fahrerlaubnis in einem Mitgliedsstaat geahndete Nichteignung behoben wurde. Hat jedoch eine solche Überprüfung nach Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Behörden des anderen Mitgliedstaats nicht stattgefunden, ist der Beweis, dass der Betroffene zum Führen von Kraftfahrzeugen und zur Teilnahme am Straßenverkehr (wieder) geeignet ist, nicht erbracht. In solchen Fällen besteht daher keine Anerkennungspflicht (s. BayVGH, B.v. 5.11.2012 – 11 CS 12.1998 – juris Rn. 27 i.V.m.Rn. 17 ff.).
Eine Eignungsüberprüfung findet nicht statt, wenn lediglich das Dokument über eine (früher) bestehende Fahrerlaubnis erneuert wird (vgl. BVerwG, U. v. 29.01.2009 – 3 C 31/07 – NJW 2009, 1687). Von letzterem ist im vorliegenden Fall auszugehen, da das auf der Rückseite des Führerscheins unter Ziffer 10 enthaltene Datum der ersten Fahrerlaubniserteilung (s. Anhang I der RL 2006/126/EG [Bestimmungen zum EG-Muster-Führerschein]) demjenigen entspricht, welches bereits in dem ursprünglichen slowakischen Führerschein des Antragstellers vom 19. Januar 2015 als Erteilungsdatum unter Ziffer 10 angegeben war. Wäre dem Antragsteller am 22. Juli 2009 eine Fahrerlaubnis tatsächlich aufgrund einer aktuellen Beurteilung seiner Fahreignung neu erteilt worden, hätte für eine Aufnahme des Erteilungsdatums 18. Januar 2005 Unter Ziffer 10 keine Veranlassung bestanden (VG München, B.v. 11. Juni 2015 – M 6b E 15.1000 -, juris, Rn. 25).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.


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