Verkehrsrecht

Anforderungen an den Nachweis von Drogenkonsum nach Ablauf der verfahrensrechtlichen Einjahresfrist

Aktenzeichen  11 CS 21.2179

Datum:
17.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41398
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 11 Abs. 7, Abs. 8, § 14 Abs. 2 Nr. 2, § 46 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, Anl. 4 Nr. 9.1, Nr. 9.5

 

Leitsatz

1. Steht die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest, unterbleibt gemäß § 11 Abs. 7 FeV die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig harte Drogen im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sind oder wenn der Fahrerlaubnisinhaber die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt hat (vgl. VGH München BeckRS 2020, 4543; BeckRS 2019, 6040). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Nach Anl. 4 Nr. 9.5 FeV kann die wegen Betäubungsmittelkonsums verlorene Fahreignung in der Regel frühestens nach einjähriger, nachgewiesener Abstinenz wiedererlangt werden. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die bloße Behauptung der Drogenabstinenz genügt jedoch regelmäßig nicht, sondern es müssen Umstände hinzutreten, die diese Behauptung glaubhaft und nachvollziehbar erscheinen lassen (VGH München BeckRS 2005, 26983; BeckRS 2010, 31454; BeckRS 2015, 48548). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 8 S 21.834 2021-07-21 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung ihrer Fahrerlaubnis der Klassen AM, B und L.
Im April 2020 erhielt das Landratsamt Kelheim Kenntnis von Ermittlungen der Polizeiinspektion Kelheim gegen die Antragstellerin wegen eines Vergehens nach dem Betäubungsmittelgesetz. Darin heißt es, aus dem Chatverlauf der Antragstellerin mit ihrem damaligen Freund ergebe sich, dass sie im Zeitraum Oktober bis Dezember 2018 mehrmals Amphetamin und mindestens eine Ecstasy-Pille konsumiert habe. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO ein.
Nach Anordnung durch das Landratsamt legte die Antragstellerin ein ärztliches Gutachten der TÜV SÜD Life Service GmbH vom 5. Oktober 2020 vor. Dieses kommt zu dem Ergebnis, die Antragstellerin nehme aktuell keine Betäubungsmittel ein, die die Fahreignung in Frage stellten. Der aktenkundige Kontakt zu Betäubungsmitteln (Amphetamin) sei allenfalls als abgeschlossener Probierkonsum zu sehen, der nicht erkennbar fortgesetzt worden sei. Der aktenkundige frühere Cannabiskonsum sei als gelegentlicher Konsum einzustufen. Unter den Untersuchungsbefunden heißt es, die Antragstellerin habe angegeben, 2018 nur einmal Ecstasy probiert zu haben.
Mit Schreiben vom 1. Dezember 2020 forderte das Landratsamt die Antragstellerin auf, spätestens bis zum 31. Dezember 2020 einen Vertrag über die Teilnahme an einem Drogenkontrollprogramm vorzulegen, Termine zum Einreichen von Abstinenzbelegen würden dann mit gesondertem Schreiben mitgeteilt. Zugleich ordnete es gestützt auf § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bis spätestens zum 31. Januar 2022 an. U.a. sei zu klären, ob nicht mehr zu erwarten sei, dass die Antragstellerin in Zukunft Betäubungsmittel zu sich nehme. Zur Begründung heißt es, die Antragstellerin habe den Konsum von Ecstasy, das in der Regel die „harte“ Droge MDMA enthalte, im Jahr 2018 eingeräumt. Bereits aufgrund dieses einmaligen Konsums sei die Fahreignung entfallen. Mit Blick auf die behauptete Abstinenz von einem Jahr könne die Antragstellerin die Fahreignung mittlerweile jedoch wiedergewonnen haben. Deswegen werde ihr Gelegenheit gegeben, die Abstinenz zu belegen und eine gefestigte Verhaltensänderung durch Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nachzuweisen.
Auf die Einwendung des Bevollmächtigten der Antragstellerin hin, von der Wiedererlangung der Eignung sei auch ohne Abstinenzprogramm und weitere Begutachtung auszugehen, teilte das Landratsamt mit, die Frist zur Vorlage des Gutachtens sei so gewählt, dass die Antragstellerin erst ein vorgeschaltetes Kontrollprogramm absolvieren und so die Abstinenz belegen könne. Wenn daran kein Interesse bestehe, werde die Frist so abgeändert, dass die Antragstellerin das Gutachten unmittelbar beizubringen habe.
Nachdem die Antragstellerin erklären ließ, zur Teilnahme an einem Drogenkontrollprogramm nicht bereit zu sein, forderte das Landratsamt sie mit Schreiben vom 1. Februar 2021 auf, das angeforderte Gutachten bis zum 31. März 2021 beizubringen.
Nachdem kein Gutachten vorgelegt wurde, entzog das Landratsamt der Antragstellerin nach Anhörung mit Bescheid vom 23. April 2021 die Fahrerlaubnis und forderte sie unter Androhung eines Zwangsgelds auf, ihren Führerschein innerhalb von sieben Tagen nach Zustellung des Bescheids abzugeben. Ferner ordnete sie die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an. Aus der Nichtbeibringung des Gutachtens sei auf die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen zu schließen. Am 30. April 2021 gab die Antragstellerin ihren Führerschein ab.
Am 3. Mai 2021 erhob die Antragstellerin Klage (RN 8 K 21.835) und stellte zugleich einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, den das Verwaltungsgericht Regensburg als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis sowie die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins und auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung auslegte und mit Beschluss vom 21. Juli 2021 ablehnte. Soweit sich der Antrag auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung richte, sei er unzulässig, da sich diese mit der Abgabe des Führerscheins erledigt habe. Im Übrigen sei der Antrag zulässig, aber unbegründet. Die Klage bleibe voraussichtlich ohne Erfolg. Das Landratsamt habe nach § 11 Abs. 8 FeV auf die mangelnde Eignung der Antragstellerin zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen müssen, da diese das rechtmäßig geforderte Gutachten nicht vorgelegt habe.
Zur Begründung der hiergegen eingereichten Beschwerde lässt die Antragstellerin ausführen, das ärztliche Gutachten erwähne fehlerhaft einen Cannabiskonsum im November oder Dezember 2019, was auch das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegt habe. Tatsächlich sei sie seit der Trennung von ihrem damaligen Freund im Februar 2019 nicht mehr in Kontakt mit Drogen gekommen. Das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass die Antragstellerin etwas zu verbergen habe; dieser fehlten allein die Mittel für eine weitere Begutachtung. Die Antragstellerin sei zum Zeitpunkt des eingeräumten Konsums sehr jung gewesen und habe unter dem Einfluss ihres damaligen Freundes gehandelt, seither habe sich ihre Lebensstruktur geändert und bestehe kein Kontakt mehr zum alten Freundeskreis.
Der Antragsgegner hält die Beschwerde mit Blick darauf, dass innerhalb der Frist zur Beschwerdebegründung kein ausdrücklicher Antrag gestellt wurde, bereits für unzulässig, tritt ihr jedoch auch in der Sache entgegen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Es kann dahinstehen, ob sich aus dem fristgerecht Vorgetragenem noch mit hinreichender Bestimmtheit ermitteln lässt, in welchem Umfang und mit welchem Ziel die Entscheidung des Verwaltungsgerichts angefochten werden soll (vgl. dazu Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 21), und ob sie dem Darlegungserfordernis gerecht wird. Selbst wenn man von der Erfüllung der Voraussetzungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO und damit einer zulässigen Beschwerde ausgeht, ist diese nicht begründet. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen bzw. anzuordnen wäre.
1. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. Dezember 2020 (BGBl I S. 2667), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung vom 16. November 2020 (BGBl I S. 2704), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV).
Steht die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest, unterbleibt gemäß § 11 Abs. 7 FeV die Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens. Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV entfällt bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) die Fahreignung. Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, von der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, von einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 5.2.2018 – 11 ZB 17.2069 – Blutalkohol 55, 264 = juris Rn. 10 m.w.N.; B.v. 4.6.2019 – 11 CS 19.669 – juris Rn. 11 f.). Dementsprechend ist die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits dann gerechtfertigt, wenn einmalig harte Drogen im Körper des Fahrerlaubnisinhabers und damit deren Einnahme nachgewiesen worden sind oder wenn der Fahrerlaubnisinhaber die Einnahme solcher Substanzen eingeräumt hat (vgl. BayVGH, B.v. 13.3.2020 – 11 ZB 20.1 – juris Rn. 11 ff.; B.v. 26.3.2019 – 11 CS 18.2333 – juris Rn. 11 m.w.N.; B.v. 19.4.2021 – 11 CS 21.390 – juris Rn. 16 ff.).
Hat der Betroffene die Fahreignung im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung allerdings wiedererlangt, scheidet die Entziehung der Fahrerlaubnis aus. Nach Nr. 9.5 der Anlage 4 zur FeV kann die wegen Betäubungsmittelkonsums verlorene Fahreignung in der Regel frühestens nach einjähriger, nachgewiesener Abstinenz wiedererlangt werden. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV ist bei Eignungszweifeln im Hinblick auf Betäubungsmittel die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn zu klären ist, ob der Betroffene – ohne abhängig zu sein – weiter Betäubungsmittel einnimmt. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf diese bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen (§ 11 Abs. 8 Satz 1 FeV). Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – BVerwGE 156, 293 Rn. 19 m.w.N.).
2. Daran gemessen sind das Landratsamt und das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Antragstellerin aufgrund des für das Jahr 2018 eingeräumten Konsums von Ecstasy ihre Fahreignung verloren hat. Es ist davon auszugehen, dass das konsumierte Ecstasy Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes, wohl MDMA (§ 1 Abs. 1 BtmG i.V.m. Anlage I) enthielt (vgl. Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtmG, 9. Aufl. 2019, „Stoffe“ Rn. 312; BayVGH, B.v. 7.9.2020 – 11 CS 20.1418 – juris Rn. 19 m.w.N.).
Dieser Konsum konnte auch in zeitlicher Hinsicht berücksichtigt werden. Zwar darf nicht jeder beliebig weit in der Vergangenheit liegende Drogenkonsum als Grundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis herangezogen werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 9.6.2005 – 3 C 25.04 – NJW 2005, 3081 = juris Rn. 22 ff.) und des Senats (BayVGH, B.v. 3.4.2018 – 11 CS 18.460 – juris Rn. 14) ist insoweit – falls, wie hier, der Konsum weder zu einer Eintragung im Verkehrs- bzw. Fahreignungsregister noch zu einer Eintragung im Bundeszentralregister geführt hat – unter Einbeziehung aller relevanten Umstände, insbesondere Art und Ausmaß des früheren Drogenkonsums und der seither vergangenen Zeit, entscheidend, ob sich daraus noch ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme feststehender Fahrungeeignetheit ergeben. Das ist hier ohne Weiteres der Fall. Angesichts der Art der konsumierten Drogen, des Ausmaßes des Konsums, der sich in Ermangelung nachvollziehbarer Angaben zu dem von der Polizei ausgewerteten Chatverlauf nicht näher eingrenzen lässt, sowie der in Rede stehenden Zeitspanne liegt es auf der Hand, dass die Einschätzung der Gefahrensituation maßgeblich davon abhängt, ob ein stabiler Einstellungswandel stattgefunden hat. Dies kann ohne psychologische Begutachtung nicht beantwortet werden.
Die von der Beschwerde angesprochene Frage, ob und für welchen Zeitraum zugleich von einem Cannabiskonsum der Antragstellerin auszugehen ist, ist insoweit unerheblich.
3. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass das Landratsamt aufgrund der Abstinenzbehauptung der Antragstellerin gehalten war, einer Wiedergewinnung der Fahreignung nachzugehen, dem aber Genüge getan hat, indem es der Antragstellerin ausreichend Gelegenheit gab, den ihr insoweit obliegenden Nachweis zu erbringen.
Nach der Rechtsprechung des Senats darf nach Ablauf der sog. verfahrensrechtlichen Einjahresfrist nicht mehr ohne Überprüfung davon ausgegangen werden, dass die sich aus Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV ergebende Nichteignung des Betroffenen im Sinne von § 11 Abs. 7 FeV weiter feststeht. Diese Frist beginnt grundsätzlich mit dem Tag, den dieser als den Beginn der Betäubungsmittelabstinenz angegeben hat, oder von dem an, unabhängig von einem solchen Vorbringen, Anhaltspunkte für eine derartige Entwicklung vorliegen. Dafür genügt die bloße Behauptung der Drogenabstinenz jedoch regelmäßig nicht, sondern es müssen Umstände hinzutreten, die diese Behauptung glaubhaft und nachvollziehbar erscheinen lassen (BayVGH, B.v. 9.5.2005 – 11 CS 04.2526 – BayVBl 2006, 18 = juris Rn. 25 ff.; B.v. 17.6.2010 – 11 CS 10.991 – juris Rn. 21 f.; B.v. 24.6.2015 – 11 CS 15.802 – juris Rn. 19). Nach dem Ergebnis der ärztlichen Begutachtung hat das Landratsamt in nicht zu beanstandender Weise und im Sinne der Antragstellerin angenommen, dass diese Frist abgelaufen war.
Daher war der Antragstellerin nach der Rechtsprechung des Senats Gelegenheit zu geben, den Nachweis der materiellen Voraussetzungen der Wiedererlangung der Fahreignung zu erbringen. Materiellrechtlich verlangt dieser den lückenlosen Abstinenzbeleg hinsichtlich „harter“ Drogen für die Dauer eines Jahres (vgl. VGH BW, B.v. 7.4.2014 – Blutalkohol 51, 191 = juris Rn. 14) sowie eine hinreichend stabile Überwindung der früheren Konsumgewohnheiten, die nur im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung festgestellt werden kann. Für eine positive Verkehrsprognose ist wesentlich, dass zur positiven Veränderung der körperlichen Befunde einschließlich der Laborbefunde ein tiefgreifender und stabiler Einstellungswandel hinzutritt, der es wahrscheinlich macht, dass der oder die Betroffene die notwendige Abstinenz auch in Zukunft einhält (vgl. BayVGH, B.v. 30.8.2021 – 11 CS 21.1933 – juris Rn. 12; Nr. 3.14.1 der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung vom 27.1.2014 [Verkehrsblatt S. 110] in der Fassung vom 17.2.2021 [Verkehrsblatt S. 198]). Verfahrensrechtlich war das Landratsamt mit Blick darauf gehalten, die Antragstellerin zunächst zu einem engmaschigen, behördlich überwachten Drogenscreening für ein Jahr mit anschließender medizinisch-psychologischer Untersuchung aufzufordern. Die Frist für die Vorlage des Gutachtens musste dabei aufgrund der abgelaufenen verfahrensrechtlichen Einjahresfrist so bemessen sein, dass die Antragstellerin den Abstinenznachweis führen kann, also einem Abstinenzzeitraum von einem Jahr im Drogenkontrollprogramm Rechnung tragen (vgl. BayVGH, B.v. 9.5.2005 – 11 CS 04.2526 – BayVBl 2006, 18 = juris Rn. 34; B.v. 4.2.2009 – 11 CS 08.2591 – juris Rn. 18).
Diesen Anforderungen ist das Landratsamt mit seinem Schreiben vom 1. Dezember 2020 gerecht geworden. Nachdem die Antragstellerin erklären ließ, zu einer Teilnahme an einem Abstinenzkontrollprogramm nicht bereit zu sein, durfte es die Frist zur Beibringung des Gutachtens jedoch abändern und ohne Rücksicht auf den vorgenannten Abstinenzzeitraum festsetzen. Denn zu einer weiteren Aufklärung ist die Behörde nur verpflichtet, sofern der Betroffene, der die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Wiedererlangung der Fahreignung trägt (vgl. BayVGH, 3.4.2018 – 11 CS 18.460 – juris Rn. 18, B.v. 30.8.2021 – 11 CS 21.1933 – juris Rn. 11), sich dazu auch bereit erklärt.
4. Damit durfte das Landratsamt die Antragstellerin nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV auffordern, bis zum 31. März 2021 ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen. Die auf § 11 Abs. 8 FeV gestützte Entziehung der Fahrerlaubnis begegnet wegen der nicht fristgemäßen Vorlage keinen Bedenken.
Soweit die Antragstellerin in den Raum stellt, sie könne die Kosten für die Begutachtung nicht aufbringen, kann auch dies ihrer Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Fehlende finanzielle Mittel stellen keinen Grund dar, von notwendigen Aufklärungsmaßnahmen abzusehen. Von einem zur Vorlage eines Eignungsgutachtens verpflichteten Verkehrsteilnehmer ist zu fordern, dass er alle ernsthaft in Betracht kommenden Möglichkeiten ausschöpft, um die einer Begutachtung entgegenstehenden finanziellen Hemmnisse auszuräumen. Allenfalls dann, wenn der Betreffende entsprechende, noch nicht abgeschlossene Bemühungen wie z.B. die Abklärung einer etwaigen Ratenzahlung mit dem Gutachter oder einer anderweitigen Finanzierungsmöglichkeit geltend und glaubhaft macht, kann die Fahrerlaubnisbehörde gehalten sein, ihre abschließende Entscheidung vorübergehend zurückzustellen, soweit die dadurch eintretende Verzögerung auch unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit vertretbar erscheint (vgl. BayVGH, B.v. 12.3.2019 – 11 CS 18.2278 – DAR 2019, 345 = juris Rn. 16 m.w.N.; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 11 FeV Rn. 53). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Es bleibt der Antragstellerin unbenommen, im Rahmen eines Wiederteilungsverfahrens den Nachweis für ihre behauptete Drogenabstinenz zu erbringen.
5. Die Beschwerde ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
6. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Ähnliche Artikel


Nach oben