Verkehrsrecht

Ausstellung eines EU-Führerscheins

Aktenzeichen  11 C 20.2024

Datum:
2.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 36117
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 84 Abs. 1 S. 3, § 121, § 166 Abs. 1 S. 1
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
FeV § 4 Abs. 2 S. 1, § 30 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1, § 30a Abs. 1, Abs. 2 S. 1
StGB § 69 Abs. 3 S. 1

 

Leitsatz

1. Soweit ein britischer Führerschein zu Unrecht ausgestellt worden ist und der Kläger ihn nicht vorlegen kann (§ 30a Abs. 2 Satz 1 FeV), kommt auch ein Rücktausch gemäß § 30a Abs. 1 FeV nicht in Betracht. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wenn ein Kläger schon seit mehr als 25 Jahren keine Fahrerlaubnis mehr besitzt, bestehen Zweifel an seiner Fahrbefähigung (vgl. BayVGH, B.v. 18.8.2015 – 11 CE 15.1217, BeckRS 2015, 52037). Auf eine ohne Fahrerlaubnis gewonnene Fahrpraxis kommt es nicht an. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 1 K 19.540 2020-07-23 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
Gegenstand der Beschwerde ist die Ablehnung eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine auf Ausstellung eines EU-Führerscheins im Scheckkartenformat gerichtete Klage.
Seit dem Kläger die ihm am 8. Dezember 1970 erteilte Fahrerlaubnis der Klassen 1 und 3 mit Strafbefehl des Amtsgerichts Kronach vom 2. September 1993 entzogen worden war, ist ihm im Inland keine neue Fahrerlaubnis erteilt worden. Zuletzt lehnte die Stadt C. einen Antrag auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse B aufgrund eines negativen Fahreignungsgutachtens mit Bescheid vom 24. Juni 2004 ab.
Mit rechtskräftigem Gerichtsbescheid vom 10. November 2014 (1 B K 13.701) wies das Verwaltungsgericht Bayreuth eine Klage des Klägers auf Ausstellung eines EU-Führerscheins als unzulässig ab, da der Kläger weder innerhalb der ihm nach § 82 Abs. 2 Satz 2 VwGO gesetzten Ausschlussfrist noch danach sein Klageziel so konkretisiert habe, dass ein hinreichend klarer Streitgegenstand im Sinne von § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorliege. Unabhängig davon bleibe die Klage auch unter Annahme ihrer Zulässigkeit jedenfalls in der Sache ohne Erfolg, da der Kläger weder die Umschreibung seines am 15. September 1999 ausgestellten britischen Führerscheins noch in sonstiger Weise die prüfungsfreie Erteilung einer deutschen Fahrerlaubnis auf der Basis der (früheren) britischen Fahrerlaubnis beanspruchen könne. Einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen hiergegen gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 3. Februar 2015 (11 ZB 14.2560) ab.
Mit Schreiben vom 7. Juni 2019 erhob der Kläger erneut Klage zum Verwaltungsgericht Bayreuth mit dem Antrag, ihm einen neuen Führerschein in Form einer Plastikkarte auszustellen. Gleichzeitig beantragte er die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Er ist der Meinung, dass seine deutsche Fahrerlaubnis am 15. September 1999 in eine britische umgeschrieben worden sei. Am 29. September 2018 habe er beim Beklagten die Ausstellung eines EU-Führerscheins in Form einer Plastikkarte beantragt. Diesen Antrag habe der Beklagte nicht ordnungsgemäß bearbeitet, weil er nicht begreife, dass er keinen Antrag auf Erteilung einer Fahrerlaubnis gestellt habe.
Mit Beschluss vom 23. Juli 2020 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussichten ab. Die Klage sei wegen entgegenstehender Rechtskraft unzulässig, weil mit Gerichtsbescheid vom 10. November 2014 (1 B K 13.701) über den gleichen Streitgegenstand entschieden worden sei. Auch in dem zu entscheidenden Verfahren habe der Kläger unter Verweis auf den am 15. September 1999 ausgestellten britischen Führerschein geltend gemacht, nach dem Entzug seiner deutschen Fahrerlaubnis diese wiedererlangt zu haben, sodass ihm zum Nachweis seiner Fahrerlaubnis ein Führerschein auszustellen sei. Umstände, die nicht schon im Verfahren aus dem Jahr 2014 gewürdigt worden seien, seien nicht vorgetragen worden oder sonst erkennbar. Mit dem Gerichtsbescheid vom 10. November 2014 sei die Klage nicht nur als unzulässig, sondern auch als unbegründet abgewiesen worden, sodass über das vorliegende Klagebegehren zwischen den Beteiligten rechtskräftig entschieden sei. Der Beklagte habe als Rechtsnachfolger gemäß § 121 Nr. 1 VwGO die Rechte und Pflichten der Fahrerlaubnisbehörde für das Gebiet der Stadt C. und des Landkreises C. übernommen. Unabhängig davon habe die Klage aber auch aus den im Gerichtsbescheid vom 10. November 2014 dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde, mit der der Kläger seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Ausstellung eines EU-Führerscheins weiterverfolgt, ist unbegründet.
Die angefochtene Entscheidung ist ordnungsgemäß zustande gekommen. Die Richter, die einen Befangenheitsantrag des Klägers vom 22. Juni 2020 gegen die Vorsitzende Richterin abgelehnt haben, waren als Mitglieder der Kammer zur Entscheidung berufen, solange sie nicht selbst mit Erfolg als befangen abgelehnt worden oder Zweifel darüber entstanden waren, ob sie kraft Gesetzes ausgeschlossen waren (vgl. § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 48 ZPO). Dies war hier nicht der Fall. Der Kläger hatte nach Ablehnung seines Befangenheitsantrags mit Gerichtsbeschluss vom 16. Juli 2020 und vor Erlass des streitgegenständlichen Prozesskostenhilfebeschlusses am 23. Juli 2020 noch keinen derartigen Antrag gegen die beiden Richter gestellt. Einen nachfolgend gestellten Befangenheitsantrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 26. August 2020 abgelehnt, so dass die Richter nicht als befangen anzusehen sind. Allein die Rechtsauffassung eines Richters begründet selbst dann nicht die Besorgnis der Befangenheit, wenn sie unzutreffend sein sollte. Anhaltspunkte dafür, dass die von den Richtern hier vertretene Rechtsauffassung auf einer unsachlichen Einstellung oder auf Willkür beruhte oder offensichtlich unhaltbar war (vgl. Kluckert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 54 Rn. 69), sind nicht ersichtlich.
Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Ergebnis zu Recht abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 2 ZPO). Auf die wirtschaftliche Bedürftigkeit des Klägers kommt es daher nicht an.
Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe genügt es regelmäßig, dass die Erfolgsaussichten offen sind oder es entscheidungserheblich auf schwierige Rechtsfragen ankommt, die höchstrichterlich noch nicht geklärt sind (BVerfG, B.v. 13.3.1990 – 2 BvR 94/88 – BVerfGE 81, 347 = juris 2. Ls.). Hinreichende Erfolgsaussichten liegen allerdings dann nicht vor, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen ist, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist oder konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.2.2002 – 1 BvR 1450/00 – NJW-RR 2002, 1069 = juris Rn. 12; B.v. 29.9.2004 – 1 BvR 1281/04 – NJW-RR 2005, 140 = juris Rn. 14). Hieran gemessen sind die Erfolgsaussichten – was hier allein in Betracht kommt – nicht offen.
Zwar steht der Klage nicht die Rechtskraft des Gerichtsbescheids vom 10. November 2014 (1 B K 13.701) entgegen, weil das Verwaltungsgericht die Klage mit dem Aktenzeichen 1 B K 13.701 als unzulässig abgewiesen hat und deshalb nur die Entscheidung in Rechtskraft erwächst, dass dem prozessualen Anspruch das für die Klageabweisung maßgebliche prozessuale Hindernis entgegensteht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 121 Rn. 19). Die gerichtlichen Ausführungen zur Begründetheit stellen sich lediglich als nicht entscheidungstragende ergänzende Hinweise an die Beteiligten dar, die nicht geeignet sind, an der Rechtskraft des Gerichtsbescheids (§ 84 Abs. 1 Satz 3, § 121 VwGO) teilzunehmen. Eine einer Prozessabweisung beigegebene Sachbeurteilung ist bei der Bestimmung des maßgeblichen Urteilsinhalts grundsätzlich als nicht geschrieben zu behandeln (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2000 – 7 C 3.00 – BVerwGE 111, 306 = juris Rn. 17; B.v. 9.10.2006 – 6 BN 1.06 – juris Rn. 6; B.v. 24.10. 2006 – 6 B 47.06 – juris Rn. 18; Clausing in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2020, § 121 Rn. 52, 91; Lindner in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1.1.2020, § 121 Rn. 37).
Jedoch hat das Verwaltungsgericht auch in der Sache einen Anspruch des Klägers auf Ausstellung eines EU-Führerscheins zutreffend verneint. Da ein Führerschein gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) vom 13. Dezember 2010 (BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 5. Dezember 2019 (BGBl I S. 2008), zum Teil in Kraft getreten zum 1. Juni 2020, allein dem Nachweis einer Fahrerlaubnis dient, setzt die Ausstellung dieser amtlichen Bescheinigung das Bestehen einer Fahrerlaubnis voraus. Eine deutsche Fahrerlaubnis besitzt der Kläger nicht, da seine im Dezember 1970 erteilte Fahrerlaubnis der Klassen 1 und 3 am 2. September 1993 strafgerichtlich entzogen worden und somit nach § 69 Abs. 3 Satz 1 StGB mit der Rechtskraft des entziehenden Strafurteils bzw. Strafbefehls (§ 410 Abs. 3 StPO) endgültig erloschen ist. Eine neue Fahrerlaubnis ist ihm seither nicht erteilt worden. Auch eine ausländische Fahrerlaubnis, die gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 FeV prüfungsfrei bzw. ohne Erfüllung der in § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 FeV genannten sonstigen Voraussetzungen in eine deutsche Fahrerlaubnis umgeschrieben werden könnte, sofern sie vorgelegt wird (§ 30 Abs. 3 Satz 1 FeV), besitzt der Kläger nicht. Der britische Führerschein ist am 15. September 1999 zu Unrecht auf der Grundlage einer nur vermeintlich bestehenden deutschen Fahrerlaubnis ausgestellt und am 22. Januar 2007 strafgerichtlich eingezogen worden. Außerdem wäre er auch am 15. September 2009 abgelaufen. Da der britische Führerschein zu Unrecht ausgestellt worden ist und der Kläger ihn nicht vorlegen kann (§ 30a Abs. 2 Satz 1 FeV), kommt auch ein Rücktausch gemäß § 30a Abs. 1 FeV nicht in Betracht. Dies wird im Einzelnen in den Gründen des Gerichtsbescheids vom 10. November 2014 (1 B K 13.701), die das Verwaltungsgericht in den angefochtenen Beschluss übernommen hat, richtig dargelegt. Im Übrigen würde die Ausstellung eines Führerscheins auch voraussetzen, dass keine Zweifel an der Fahrbefähigung des Klägers bestünden, welche den Beklagten verpflichten würden, eine etwa bestehende Fahrerlaubnis umgehend zu entziehen (§ 46 Abs. 4 Satz 1 FeV). Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden, nachdem der Kläger schon seit mehr als 25 Jahren keine Fahrerlaubnis mehr besitzt (vgl. BayVGH, B.v. 18.8.2015 – 11 CE 15.1217 – juris Rn. 10 f.; U.v. 17.4.2012 – 11 B 11.1873 – juris Rn. 33; SächsOVG, B.v. 15.2.2016 – 3 D 89/15 – juris Rn. 6; B.v. 30.9.2014 – 3 D 35/14 – juris Rn. 8; OVG NRW, B.v. 4.1.2012 – 16 A 1500/10 – juris Rn. 9). Wie schon das Verwaltungsgericht in dem Gerichtsbescheid vom 10. November 2014 festgestellt hat, kommt es hierfür auf eine ohne Fahrerlaubnis gewonnene Fahrpraxis nicht an (vgl. VG Stuttgart, U.v. 11.4.2018 – 1 K 8555/17 – juris Rn. 33; VG Meiningen, U.v. 19.8.2014 – 2 K 106/14 Me – Blutalkohol 51, 369 = juris Rn. 24; VG Bremen, GB.v. 30.1.2012 – 5 K 1036/11 – juris Rn. 16).
Damit war die Beschwerde mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
Im Beschwerdeverfahren gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe fallen – anders als im Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz – Gerichtskosten an, wobei eine Kostenerstattung nicht stattfindet (§ 166 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO). Eine Streitwertfestsetzung ist im Hinblick auf die nach § 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum GKG anfallende Festgebühr von 60,- EUR jedoch entbehrlich.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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