Aktenzeichen 41 O 1994/15
Leitsatz
1 Nach einem Verkehrsunfall im Ausland kann der in Deutschland wohnhafte Geschädigte seinen Direktanspruch gegen den aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat stammenden Haftpflichtversicherer des Unfallgegners nach § 11 Abs. 1 lit. b EuGVVO vor deutschen Gerichten geltend machen (Anschluss EuGH BeckRS 2007, 71050); dies gilt auch dann, wenn nach dem anwendbaren ausländischen Sachrecht der Schädiger mitzuverklagen wäre, für ihn aber keine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte besteht. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei vor deutschen Gerichten geführten Prozessen richtet sich das Prozessrecht auch dann nach deutschem Recht (ZPO), wenn internationalprivatrechtlich ausländisches (Sach-) Recht anzuwenden ist. Insbesondere finden auch in diesem Fall die deutschen Regeln zum Beweisrecht Anwendung. Dazu gehören die Grundsätze zur Beweislastverteilung beim Nachweis eines gestellten Verkehrsunfalles. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3 Steht ein Zusammenstoß zweier Fahrzeuge fest, trifft den in Anspruch genommenen Haftpflichtversicherer die Beweislast dafür, dass der Geschädigte in die Beschädigung seines Fahrzeugs eingewilligt hat, also ein gestellter Unfall vorliegt (BGH BeckRS 1978, 30381253). Hierzu muss der Haftpflichtversicherer derart gewichtige Indizien vorbringen und ggf. beweisen, die bei einer Gesamtschau den triftigen Schluss auf eine Unfallmanipulation zulassen. (Rn. 30 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
4 Typische Anzeichen für einen gestellten Unfall sind die Beteiligung relativ alter, mit einem erheblichen Wertunterschied versehener, typischerweise auch erst kurz vor dem Unfall angeschaffter und danach schnell weiterverkaufter Fahrzeuge, eine Bekanntschaft zwischen den Unfallbeteiligten schon vor dem Unfall sowie eine leicht zu steuernde Unfallkonstellation mit geringen Geschwindigkeiten und ohne relevante Verletzungsrisiken. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.824,71 € nebst Zinsen in Höhe von 2,5 %-Punkten über dem EZB-Zinssatz seit dem 24.12.2014, sowie außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 958,19 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 32 %, die Beklagte 68 %.
III.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 18.860,12 € festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Die Kammer ist nach der Durchführung des Verfahrens nicht mit der erforderlichen Sicherheit überzeugt, dass die streitgegenständliche Kollision vom Sohn des Klägers und dem Versicherungsnehmer der Beklagte gewollt herbeigeführt worden ist.
I.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das LG Ingolstadt international, sowie auch sachlich (§§ 23, Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG) und örtlich zuständig, da der Klägerin Ingolstadt seinen Wohnsitz hat, auch wenn sich der Unfall selbst in Italien zugetragen hat.
Gemäß Art. 4 I ROM-II VO ist materiell-rechtlich italienisches Recht anwendbar, weil sich der Unfall in Italien ereignet hat. Die vorliegende Klage richtet sich nur gegen die Beklagte.
Gemäß Art. 144 III Codice delle Assicurazioni Private müsste der Schädiger grundsätzlich mitverklagt werden, da gemäß Art. 6 Nr. 1 EuGVVO keine Annexzuständigkeit des Gerichts für die Klage gegen ihn besteht. Dieser müsste demnach am Unfallort, also in Italien, verklagt werden. Dennoch ergibt sich die internationale Zuständigkeit des deutschen Gerichts aus Art. 11 Abs. 1 lit. b, VO EuGVVO. Danach kann der Geschädigte bei Streitigkeiten mit Kfz-Versicherern, sofern die Versicherung aus einem EU-Mitgliedstaaten stammt, am Gericht seines Wohnsitzes klagen. Bei der Auslegung des Art. 11 Abs. 2 EuGVVO ist der Art. 18 der RL 2009/103/EG zu beachten, welcher besagt, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass die Geschädigten einen Direktanspruch gegen das Versicherungsunternehmen haben. Laut EuGH (Urt. v. 13.12.2007, Az. C-463/06 = NJW 2008, 819) dient diese Norm dazu, eine Direktklage des Geschädigten gegen die Versicherung bei dessen Heimatgericht zu ermöglichen, auch wenn (wie hier) der Schädiger eigentlich mitverklagt werden müsste und für diesen keine Annexzuständigkeit besteht.
Das Prozessrecht richtet sich allerdings nach deutschen Recht (ZPO), so dass insbesondere auch die Regeln zum Beweisrecht Anwendung finden. Insoweit hat das Gericht daher die nach der höchstrichterlichen deutschen Rechtsprechung geltenden Grundsätze für die Beweislastverteilung des Nachweises eines gestellten Verkehrsunfalles zur Anwendung gebracht.
II.
Die Klage ist dem Grunde nach vollständig, der Höhe nach jedoch nur teilweise begründet.
1. Das Gericht sieht die Eigentümerstellung des Klägers am 06.11.2014 im Ergebnis als ausreichend nachgewiesen an. Nach hier anwendbarem italienischen Recht besteht gem. Art. 1350 Codice Civile kein Schriftformerfordernis für den Kauf von Kfz. Somit reicht als Beweis der Eigentümerstellung die Eintragung im Kfz-Brief. Außerdem hat die Zeugeneinvernahme ergeben, dass das Fahrzeug in Italien gekauft wurde, da dies vom Zeugen … bestätigt wurde, der angab, das Fahrzeug selbst im Internet gefunden, und dann mit einem Freund im Wege des Barkaufs in Italien für seinen Vater erworben zu haben. Für einen Wagen, den man bloß auf Fotos im Internet gesehen hat, in Italien ungesehen Geld zu zahlen, den Kauf lediglich per Handschlag zu besiegeln und das Fahrzeug erst danach an einem anderen Ort abzuholen, mag zwar unvernünftig oder ungewöhnlich sein, vermag aber nicht den Beweis der Fahrzeugbescheinigung Teil II zu erschüttern, zumal die Beklagte keinen Gegenbeweis führen konnte, der widerlegt hätte, dass sich das Fahrzeug zum damaligen Zeitpunkt im Eigentum und Besitz des Klägers befand. Der bloße Hinweis, dass kein schriftlicher Vertrag vorliege und der Kauf selbst ungewöhnlich leichtsinnige Vertrauensseligkeit belege, da offenbar eine Vorauszahlung des Geldbetrages erfolgt und die Abholung des Fahrzeugs an einem anderen Ort stattgefunden hatte, kann hier nicht genügen. Insbesondere ist es auch nach deutschen Recht und infolge der Verbreitung des Internets inzwischen auch in weiten Teilen Europas, offensichtlich auch in Italien, wo der hier streitige Kauf stattfand, durchaus üblich, dass Fahrzeugkäufe via Internet angebahnt, und dann mündlich gegen Barzahlung, teilweise auch gegen vorherige, nicht unerhebliche Anzahlungen erfolgen. Kaufverträge über gebrauchte Autos zwischen Privatpersonen oder Gebrauchtwagenhändlern werden mittlerweile häufig über Internet abgewickelt, auch wenn hier immer wieder auch betrügerische Verkäufer unterwegs sind. Der Umstand eines Kaufs eines Gebrauchtwagens per Handschlag gegen Barzahlung ist somit kein hinreichender Nachweis dafür, dass der Kauf und ein Eigentumswechsel nicht stattgefunden hätte, zumal auch sonst keine Hinweise vorliegen, dass mit dem Kauf etwas nicht gestimmt hätte, etwa eine Diebstahlsanzeige eines früheren Besitzers, eine Fahndungsmeldung für das Fahrzeug oder ähnliches.
Das Gericht ist aufgrund der Zeugenaussagen, des Unfallprotokolls und der Sachverständigengutachten auch zur Überzeugung gelangt, dass sich der Unfall wie vom Kläger geschildert zugetragen hat, und daher ein Schadensersatzanspruch gem. Art. 2054 Codice Civile besteht. Der Ansicht der Beklagten, es handle sich um einen vorgetäuschten Unfall, kann nicht gefolgt werden.
Steht wie hier ein Zusammenstoß mit beteiligten Fahrzeugen fest, weil offenkundige Unfallschäden vorliegen, trifft nach ständiger Rechtsprechung den in Anspruch genommenenen Haftpflichtversicherer die Beweislast dafür, dass der Geschädigte in die Beschädigung seines Fahrzeugs eingewilligt hat, also ein über seinen Sohn und den Versicherungsnehmer der Beklagten gestellter Unfall vorliegt (BGH, VersR 1979, 281; VersR 1979, 514).
Dazu muss der Pflichtversicherer allerdings dearart gewichtige Indizien vorbringen und gegebenenfalls beweisen, die bei einer Gesamtschau den triftigen Schluss auf eine Unfallmanipulation zulassen, wobei allerdings keine lückenlose Gewissheit notwendig ist. Erforderlich ist aber der Nachweis einer erheblichen Wahrscheinlichkeit für ein unredliches Verhalten, wobei die Rechtsprechung die Grundsätze des Anscheinsbeweises für die Frage eines abgesprochenen Unfallgeschehens entsprechend anwendet (vgl. OLG Naumburg, Urt. v. 21.5.2015, Az. 4 U 29/14 mit weiteren Nachweisen zur Rspr. Und Literatur).
Auch wenn somit einige Umstände bei isolierter Betrachtung in das Muster eines gestellten Unfalls passen könnten, genügt dies für sich genommen nicht, wenn die Auffälligkeiten nicht in einer Gesamtschau aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles den Schluss rechtfertigen, dass ein manipulierter Unfall vorliegt.
Typische Anzeichen sind z.B. relativ alte und mit einem erheblichen Wertunterschied versehene beteiligte und typischerweise auch erst kurz vor dem Unfall angeschaffte, sowie danach schnell weiterverkaufte Fahrzeuge, der Umstand, dass sich die Unfallbeteiligten schon vor dem Unfall kannten, eine leicht zu steuernde Unfallkonstellation mit geringen Geschwindigkeiten und ohne relevante Verletzungsrisiken, bei dem Schäden an vorab festlegbaren Stellen leicht herbeigeführt werden können und ähnliches.
Der Beklagten ist insoweit zuzugeben, dass es sich bei dem klägerischen Fahrzeug um ein hochpreisiges, wenn auch auch gebrauchtes älteres Fahrzeug (Porsche Carrera 911 Cabrio mit EZ 16.04.2004) handelte, das erst am 15.05.2014 auf den Kläger zugelassen wurde, somit allerdings schon knapp ein halbes Jahr vor dem streitgegenständlichen Unfall, also nicht mehr im eigentlichen Sinn kurz oder unmittelbar vor dem Unfall. Bei dem mitbeteiligten Fahrzeug soll es sich um ein laut Beklagte weitgehend wertloses Fahrzeug, einen alten BMW, gehandelt haben, wobei die Beklagte allerdings keine näheren Nachweise zu dem wohl zwischenzeitlich weiterverkauften oder jedenfalls anderweitig versicherten Fahrzeug beibrachte und auch den bei ihr versicherten Unfallbeteiligten nicht als Zeugen benannte.
Das Unfallgeschehen ist allerdings vorliegend eindeutig keine derartige, leicht zu manipulierende Unfallsituation, wie es bei den typischen Parkplatzunfällen mit niedrigen Geschwindigkeiten der Fall ist: Die Aussagen der im Termin angehörten Zeugen und der Unfallbogen stimmen überein, insbesondere zur klägerischen Behauptung, dass der Unfall alleinverursacht wurde durch den Fahrer des haftpflichtversicherten Fahrzeugs. Zwar kann auch gerade diese Eindeutigkeit in Einzelfällen für ein kollusives Zusammenwirken von Geschädigtem und Versicherungsnehmer sprechen.
Hier erinnerten die Zeugen aber nicht mehr sämtliche Details, z.B. die Strecke, die zwischen Anstoß und Stehenbleiben noch zurückgelegt wurde oder das Aussehen des anderen Unfallfahrzeugs, was für ihre Glaubwürdigkeit spricht. Außerdem ist fraglich, welchen Nutzen die Zeugin … als ehemalige Verlobte, die zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Tags bereits vom Sohn des Klägers getrennt war, von einer Falschaussage hätte. Ihre Aussage war weder in sich, noch zu den Angaben des Zeugen … widersprüchlich oder unschlüssig. Das Gericht hat die beiden Zeugen als glaubwürdig eingestuft, Gegenzeugen wurden beklagtenseits nicht benannt.
Die Glaubwürdigkeit der Angaben der Zeugen zu dem Unfall und dessen Hergang wird darüber hinaus auch gestützt durch das vom Gericht erholte unfallanalytische Gutachten des Sachverständigen Dipl-Ing. …, vom 21.11.2016 (Bl. 60/00 d.A.) in Verbindung mit dem Ergänzungsgutachten vom 27.03.2017 (Bl. 116/124 d.A.), das auch zur Kompatibilität des behaupteten Unfallgeschehens und der festgestellten Schäden am Fahrzeug Ausführungen beiinhaltet.
Insoweit hat das Gutachten nämlich ergeben, dass es plausibel sei, dass der geschilderte Unfall bei den angegebenen 80–90 km/h passiert ist. Sowohl das Fahrreaktionsverhalten des Zeugen …, als auch die entstandenen Schäden am Fahrzeug passen danach zum behaupteten Unfallhergang und zu den behaupteten Geschwindigkeiten.
Das Gericht hat keine Zweifel an der fachlichen Richtigkeit der technischen Ausführungen des dem Gericht als erfahren und zuverlässig bekannten Sachverständigen der D. I., zumal auch die Parteien keine relevanten Einwände gegen die fachliche Richtigkeit der Ausführungen erhoben haben.
Es kann nach Meinung des Gerichts außerdem auch nicht ohne ganz erhebliche gegenteilige Anzeichen davon ausgegangen werden, dass der Kläger Leib und Leben seines Sohnes und dessen Ex-Verlobter absichtlich gefährdet hat, bloß um Geld von der Versicherung zu erlangen, oder dass es eine entsprechende Absprache seitens des Klägers mit dem Sohn und der Zeugin … gab, durch einen derartig waghalsig gestalteten, absichtlich herbeigeführten Unfall bei hohen Geschwindigkeiten auf einer mehrspurigen Schnellstraße im Ausland an Geldbeträge der Versicherung zu gelangen, die dann zwischen den Beteiligten aufgeteilt werden würden.
Auch führt der Umstand, dass der Sohn des Klägers die Polizei nicht verständigt hat, vorliegend nicht zu einem gewichtigen Indiz für einen versuchten Versicherungsbetrug, wie die Beklagten meinen. Denn es bestand objektiv keine Veranlassung für den Sohn des Klägers, die Polizei zu informieren, nachdem er vom Schädiger das Unfallprotokoll erhalten hatte. Trotz der Verständigungsschwierigkeiten ist aufgrund der Zeichnung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht worden, dass der bei der Beklagten Versicherte den Unfall alleine verschuldet hat. Insoweit ist durchaus nachvollziehbar, dass ein deutscher Staatsangehöriger, der mit einem rumänischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz und Zulassung des Fahrzeugs in Italien einen Verkehrsunfall mit seinem deutschen Fahrzeug hat, keinen gesteigerten Wert darauf legt, dass troztzdem noch die italienische Polizei beigezogen wird, zumal keine italienischen Sprachkenntnisse bestanden und nicht klar war, welche Folgen dies, etwa für etwaige Ordnungswidrigkeitenverfahren u.ä. haben könnte.
Die Verständigungsschwierigkeiten sind ein weiterer Punkt, welcher gegen einen vorgetäuschten Unfall spricht. Denn es ist höchst unwahrscheinlich, dass ein in Deutschland lebender Türke und ein in Italien lebender Rumäne, welche sich kaum verständigen können, auf die Distanz einen Unfall verabreden, um einen Versicherungsbetrug zu begehen. Ein Nachweis dahingehend, dass die Unfallbeteiligten oder der Kläger mit dem Unfallverursacher bereits vor dem Unfall in irgendeinem Kontakt gestanden hätten, ist der Beklagten nicht gelungen, die sich auf bloße Spekulationen beschränkte.
Außerdem passen die Unfallschäden größtenteils zum geschilderten Unfallgeschehen, oder sind mit diesem jedenfalls soweit erklärlich, dass sie sich nicht widerlegen lassen. Soweit hier im vorgerichtlich erholten Privatgutachten des von der Deutschen Sachverständigen Gesellschaft (DESAG) zertifizierten Sachverständigen R. weitere Schäden bestätigt wurden, die nach den Feststellungen des Sachverständigen … entweder keine Beschädigung darstellt, sondern eine bauseitig gewollte Verformung darstellt (Einstiegsschweller auf Höhe der Mitte der Türen, Gutachten S. 72 d.Akte), oder Schäden an der Auspuffanlage nicht erkennbar waren, geht das Gericht von einem Fehler des Sachverständigen R. aus, der nicht der Klagepartei zur Last gelegt werden kann. Insoweit fehlt es an jedem Anhaltspunkt dafür, dass es auch noch ein kollusives Zusammenwirken des Klägers mit dem Privatgutachter gegeben hätte, oder der Kläger überhaupt die Fehlbeurteilungen seines vorgerichtlich beauftragten Sachverständigen erkannt hätte. Wenn sich der Geschädigte nämlich vorgerichtlich zur Klärung des Umfangs seiner Ansprüche aus einem Unfallgeschehen eines berufsmäßig tätigen Kfz-Gutachters bedient, besteht keine Verpflichtung des Geschädigten, dessen Feststellungen zum Schadensumfang anzweifeln und nachprüfen zu müssen, zumal ihm dazu in der Regel auch die erforderliche Sachkunde fehlen dürfte.
Das Gericht hat diese von der Beklagten immer wieder betonte unberechtigte Geltendmachung tatsächlich nicht vorhandener Schäden am klägerischen Fahrzeug daher auch nicht als Indiz für ein manipuliertes Unfallgeschehen gewertet.
Soweit die Beklagten noch ins Feld geführt haben, dass auch die Schadensabrechnung typischerweise fiktiv auf Gutachtensbasis gefordert wurde, und das Fahrzeug tatsächlich inzwischen deutlich kostengünstiger instand gesetzt wurde, handelt es sich allenfalls um ein sehr schwaches Indiz, da es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eben zulässig und in der Praxis auch weitverbreitet ist, dass ein Schaden fiktiv auf Nettobasis abgerechnet werden kann und das Fahrzeug dann anderweitig kostengünstiger repariert oder auch gänzlich unrepariert weiter verkauft werden kann. Dieser Umstand könnte allenfalls als abrundendes Indiz bei ansonsten schon überzeugenden Indizien für einen manipulierten Unfall sprechen, keinesfalls aber selbst insoweit als entscheidendes Indiz gewertet werden.
Als nicht relevant erachtet das Gericht auch den Umstand, dass an dem klägerischen Fahrzeug offensichtlich am Tacho manipuliert wurde, weil anhand einer beklagtenseits vorgelegten früheren Reparaturrechnung des klägerischen Fahrzeugs nachvollzogen werden kann, dass dieses Fahrzeug bereits im Jahr 2012 eine signifikant höhere Laufleistung (157.861 km) aufwies, als mehr als 2 Jahre später am Tag der Begutachtung durch den Sachverständigen Rituarante (116.843 km). Da das Fahrzeug allerdings bereits mehrere Vorbesitzer, und jedenfalls zwischen 2012 und dem Kauf durch den Kläger mindestens einen Vorbesitzer aufwies, ist nicht auszuschließen, dass die Tachomanipuliation bereits vor dem Erwerb des Fahrzeugs durch den Kläger im Jahr 2014 erfolgt ist und dieser – wie er unwiderlegt behauptet hat – das Fahrzeug bereits mit diesem (veränderten) Tachostand erworben hat, ohne zu wissen, dass eine Manipulation stattgefunden hat. Diese Kenntnis des Klägers von der Tachomanipulation, die Voraussetzung wäre für die Annahme eines Indizes für einen gestellten Unfall, konnte die Beklagte nicht beweisen.
Ein vorgetäuschter Unfall scheint daher weder nach den einzelnen Indizien, noch bei einer Gesamtbetrachtung überwiegend wahrscheinlich. Die Beklagte wäre hier beweisbelastet gewesen, hat aber nur Ausführungen allgemeiner Natur gemacht und es versäumt, konkrete Anhaltspunkte für einen vorgetäuschten Unfall im vorliegenden Fall darzulegen. Auch wurden ihre Behauptungen, dass sich das Unfallgeschehen technisch nicht wie behauptet abgespielt haben könnte, und die behaupteten Schäden durch das vorgetragene Unfallgeschehen nicht eingetreten sein könnten, durch das erholte gerichtliche Sachverständigengutachten gerade nicht gestützt.
Der Gutachter kommt vielmehr ausdrücklich zum Ergebnis, dass die behaupteten vor dem Unfall gefahrenen und die behauptete Kollisionsgeschwindigkeit technisch nicht rekonstruierbar, damit aber auch nicht widerlegbar sind. Die klägerseits behauptete Ausweichreaktion des Zeugen B. nach rechts zur Leitplanke hin sei aus technischer Sicht sogar eine nachvollziebare Reaktion „von der Gefahr weg“ und somit auch nicht unplausibel. Das Gericht hat somit keinen Anlass, den von den beiden einvernommenen Zeugen geschilderten Unfallhergang zu bezweifeln.
2. Die klägerische Forderung erweist sich allerdings der Höhe nach als teilweise unbegründet:
Der Kläger hatte mit Schriftsatz vom 11.12.2015 € 18.860,12 Schadensersatz gefordert. Aufgelistet waren unter anderem Reparaturkosten für den Einstiegschweller und für die Blende des rechten Schalldämpfers. Der Einstiegsschweller ist jedoch laut Sachverständigengutachten nicht eingedrückt, sondern serienmäßig geschwungen gebaut. Die Blende des rechten Schalldämpfers ist nicht defekt, sondern verdreht. Es müsste lediglich die Verschraubung gelöst und die Blende richtig ausgerichtet werden. Die in Fahrzeugrichtung laufenden Kratzspuren an der Blende wurden dem neuen Eigentümer des Wagens, Herrn … zugeordnet. Sie stammen wohl vom Einfahren in dessen Garage. Des Weiteren ist es bereits denklogisch unmöglich, dass bei dem seitlichen Anfahren an ein Auto von links auf Höhe von Fahrertür und linkem Kotflügel, wobei dessen Fahrer nach rechts steuert und dabei mit der Leitplanke kollidiert, Schäden am Heck des Fahrzeugs entstehen.
Somit können diese Schadenspositionen im Rahmen des Schadensersatzes nicht berücksichtigt werden.
Die Reparaturkosten belaufen sich laut dem vom Gericht erholten Gutachten daher der Höhe nach nur auf netto € 12.824,71. Dieser Betrag war dem Kläger zuzusprechen.
Es ist zwar richtig, dass einige Fahrzeugteile laut dem vorliegenden gerichtlichen Gutachten nicht erneuert, sondern lediglich instandgesetzt wurden, was sich aus der Dicke des Lacks ergeben hat. In Italien ist es aber üblich, Schäden aufgrund von Kostenvoranschlägen oder Gutachten abzurechnen, sodass die tatsächlichen Reparaturkosten nicht ausschlaggebend sind. Auch nach deutschen Recht wäre eine fiktive Abrechnung auf Gutachtensbasis nach den Nettokosten zulässig, so dass es nicht darauf ankommt, ob das Fahrzeug überhaupt repariert oder unrepariert weiter verkauft wurde.
Angesetzt wurde außerdem ein Nutzungsausfall i.H.v. € 79,00 pro Tag für 12 Tage. Nach italienischem Recht setzt die Nutzungsentschädigung für die Dauer einer Kfz-Reparatur aber voraus, dass der Geschädigte die Notwendigkeit der Nutzung seines Fahrzeugs, deren effektiven Verlust und den durch den Verlust verursachten Schaden in Form entgangenen Gewinns oder des für die notwendige Benutzung anderer Transportmittel entstandenen Aufwands im Einzelnen nachweist (Corte di Cassazione Rom, Urteil vom 14.10.2015 – 20620 –, juris). Derartige Nachweise wurden nicht erbracht, insbesondere wurde keine Rechnung für ein etwaiges angemietetes Ersatzfahrzeug während der Reparaturdauer vorgelegt, so dass davon auszugehen ist, dass dem Kläger auch keine nachweisbaren Aufwände entstanden sind, sondern dieser auch insoweit nur nach rein fiktivem Aufwand gemäß Gutachten pauschal abrechnen wollte. Der Anspruch war daher abzuweisen.
Die Gutachterkosten sind nach italienischem Recht nur dann ersatzfähig, wenn das Gutachten durch das Gericht in Auftrag gegeben wurde. Das ist bei dem Gutachten R. nicht der Fall, so dass auch insoweit die Kosten der Klagepartei nicht zugesprochen werden konnten.
Eine Kostenpauschale wird nach italienischem Recht gleichfalls nicht gewährt, vgl. AG Köln, Urt. v. 29.04.2014, Az. 268 C 89/11.
Der auszugleichende Schadensersatz beläuft sich somit insgesamt nur auf € 12.824,71.
3. Diese sind von der Beklagten zu 100 % zu tragen.
Nach italienischem Recht wird gem. Art. 2054 Abs. 2 Codice Civile vermutet, dass beide Fahrer den Unfall zu gleichen Teilen verschuldet haben, wenn nicht das Gegenteil bewiesen wird.
Vorliegend haben sowohl die Zeugeneinvernahme, als auch das Unfallprotokoll ergeben, dass der bei der Beklagten Versicherte den Unfall alleine verschuldet hat.
Außerdem ist es laut Gutachten wahrscheinlich, dass der Überholvorgang zunächst normal ablief, sodass eine Sekunde vor Erstkontakt für den Sohn des Klägers nicht ersichtlich war, dass es zu einem verfrühten Einscheren mit Unfallfolge kommen würde. Die einzige kausale Ursache für den Unfall lag daher im Fahrverhalten des anderen Fahrers, also des bei der Beklagten Versicherten.
Dass der Fahrzeugführer des angefahrenen Kfz eine Ausweichbewegung von der Gefahr weg macht, ist eine typische Reaktion nach dem Anfahren von der Seite und hat auch nicht zum Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge geführt, sondern erfolgte erst danach und ist damit für die Entstehung des Unfalls nicht zu berücksichtigen. Laut Gutachten lagen zwischen dem Anfahren und der Kollision mit der Leitplanke lediglich 1,3 Sekunden, was für eine Reflexbewegung des Sohns des Klägers spricht.
Es liegt also ein grob verkehrswidriges Verhalten des Unfallverursachers vor, sodass der Unfall für den Kläger nicht abwendbar war.
III.
Nach italienischem Recht stehen dem Kläger pauschal lediglich 2,5 % Zinsen über dem EZB-Zinssatz zu. Die klägerische Forderung nach 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz orientiert sich hingegen offenkundig an der Pauschale nach deutschem Recht und ist demnach in der über 2, 5 % liegenden Höhe, da nicht näher dargelegt und nachgewiesen, unschlüssig.
IV.
Die Rechtsanwaltsgebühr für die vorgerichtliche Tätigkeit beläuft sich bei dem zu erstattenden Betrag von € 12.824,71 auf netto € 785,20, zuzüglich € 20 Unkostenpauschale, zuzüglich € 152,99 Umsatzsteuer, gesamt € 958,19.
V.
Die Kostenteilung erfolgt nach dem Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen, § 92 Abs. 1 S. 1 Var. 2 ZPO.
VI.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung ergibt sich aus § 709 S. 1 u. S. 2 ZPO.