Verkehrsrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis nach Nichtvorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bei Verdacht des Alkoholmissbrauchs

Aktenzeichen  Au 7 S 19.1015

Datum:
13.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 30312
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FeV § 11 Abs. 6, Abs. 8, § 13 S. 1 Nr. 2 lit. e, § 46 Abs. 3
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
StVG aF § 29 Abs. 5 S. 1, Abs. 8 S. 2

 

Leitsatz

1. Die für die Beibringung des medizinisch-psychologischen Gutachtens zu bestimmende Frist ist ausschließlich nach der Zeitspanne zu bemessen, die eine amtlich anerkannte Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Erstattung des Gutachtens voraussichtlich brauchen wird. Keinesfalls hat sich die Dauer der Frist danach zu richten, wie lange der Betroffene zur Sicherstellung einer positiven Begutachtung benötigt (vgl. VGH Mannheim, BeckRS 2012, 47143).(Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
2. Voraussetzung für die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e FeV ist, dass bei dem Betroffenen Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit früher einmal festgestellt worden ist (vgl. VGH München BeckRS 2019, 7172 Rn. 16). (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der 1961 geborene Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A1, A18, A, B, BE, L, M und S.
1. Dem Antragsteller wurde wegen seiner Trunkenheitsfahrt vom 15. März 2006 (Blutalkoholkonzentration/BAK: 1,9 Promille) mit Strafbefehl des Amtsgerichts … vom 26. Mai 2006 (rechtskräftig seit 29.6.2006) die Fahrerlaubnis unter Anordnung einer Sperrfrist von neun Monaten entzogen. Nach einer negativen Begutachtung im Februar 2008, legte der Antragsteller in einem weiteren Verfahren zur Neuerteilung der Fahrerlaubnis dem Landratsamt … (nachfolgend: Landratsamt) das Fahreignungsgutachten der … vom 7. April 2009 vor. In diesem Gutachten wurde unter anderem festgestellt, dass sich beim Antragsteller langfristig gesundheitsschädliche Trinkgewohnheiten (Exzessiver Alkoholkonsum) ausgebildet hätten, die tief in der allgemeinen Lebensführung verwurzelt seien und eine nachhaltige Veränderung des Umgangs mit Alkohol sowie eine umfassende Aufarbeitung der zugrundeliegenden ursächlichen Bedingungen erforderten. Die vom Antragsteller angeführten Veränderungen beruhten nicht auf der erforderlichen umfassenden Aufarbeitung der zugrundeliegenden Ursachen des früheren Alkoholmissbrauchs. Die gegenwärtige Abstinenz sei demzufolge nur unzureichend motivational fundiert und könne noch nicht als ausreichend tragfähig angesehen werden. Die behördliche Frage wurde dahingehend beantwortet, dass der Antragsteller auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde. Es wurde jedoch angemerkt, dass die Verhaltensprognose durch die Teilnahme an einem anerkannten Kurs zur Wiederherstellung der Kraftfahreignung günstig beeinflusst werden könne. Aus gutachterlicher Sicht sei deshalb die Neuerteilung der Fahrerlaubnis unter der Voraussetzung zu empfehlen, dass die Teilnahme an diesem Kurs belegt werde.
Nachdem der Antragsteller an einem entsprechenden Kurs für alkoholauffällige Kraftfahrer teilgenommen hatte, wurde ihm am 22. Mai 2009 die Fahrerlaubnis für die Klassen A1, A18, A, B, BE, L, M und S neu erteilt.
Am 6. Juli 2017 wurde dem Landratsamt bekannt („Mitteilung wegen Alkoholauffälligkeit“ der Polizeiinspektion … vom 30.6.2017), dass der Antragsteller wiederholt mit alkoholauffälligem Verhalten in Erscheinung getreten ist. Die Polizeiinspektion … nannte sechs polizeiliche Einsätze im Zeitraum zwischen November 2014 und Mai 2017. Aus den am 14. August 2017 angeforderten polizeilichen Berichten (Eingang beim Landratsamt am 16.5.2018) und den am 16. Mai 2018 angeforderten Akten der Staatsanwaltschaft … ergaben sich im Wesentlichen folgende Sachverhalte:
– Am 3. November 2014, 20:34 Uhr, wurde die Polizei von Familienangehörigen des Antragstellers verständigt, da dieser unter Alkoholeinfluss randaliere. Der Antragsteller wurde in Sicherheitsgewahrsam genommen.
– Am 22. Februar 2015, 23:30 Uhr, wurde die Polizei von Nachbarn und einem Familienangehörigen verständigt, dass der Antragsteller gegenüber seiner Ehefrau handgreiflich werde. Bei Eintreffen der Streife waren die Ehefrau und der Sohn auf dem Antragsteller gelegen, um diesen zu bändigen. Nach Sachverhaltsschilderung beider Parteien sei der Antragsteller aufgrund seiner Alkoholsucht aggressiv geworden. Der Antragsteller wurde in Sicherheitsgewahrsam genommen. Einen Atemalkoholtest lehnte er ab. Die Staatsanwaltschaft … stellte das Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung mit Verfügung vom 18. März 2015 gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein (Az. …).
– Am 16. Mai 2015, 22:54 Uhr, wurde die Polizei vom Sohn des Antragstellers verständigt, dass dieser unter Alkoholeinfluss randaliere, u.a. den Bruder bedrohe. Die Ehefrau und der Bruder hätten sich zu Nachbarn geflüchtet. Vor Ort gaben die Familienangehörigen an, dass der Antragsteller Medikamente gegen Depressionen abgesetzt und massiv Alkohol getrunken habe. Der Antragsteller verhielt sich sehr aggressiv und beleidigte einen Polizeibeamten. Nachdem der Antragsteller mit Suizid gedroht hatte, wurde er von der Polizei ins Bezirkskrankenhaus … eingewiesen. Dort ergab ein freiwilliger Bluttest einen Alkoholwert von 1,46 Promille. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts … vom 16. Juli 2015 (Az., rechtskräftig seit 9.7.2015) wurde gegen den Antragsteller wegen Beleidigung eine Geldstrafe in Höhe von 25 Tagessätzen verhängt.
– Am 4. März 2017, 17:50 Uhr, wurde die Polizei wegen einer Körperverletzung zur Wohnung des Antragstellers gerufen. Dieser habe seinen Sohn „in den Schwitzkasten“ genommen. Ein freiwilliger Atemalkoholtest beim Antragsteller um 17:50 Uhr ergab einen Wert von 0,82 mg/l. Zur Unterbindung weiterer Straftaten und aufgrund der Alkoholisierung wurde der Antragsteller in Gewahrsam genommen. Die Staatsanwaltschaft … stellte das Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung mit Verfügung vom 9. Juni 2017 gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein (Az. …).
– Am 16. Mai 2017, 22:05 Uhr, wurde die Polizei wegen einer in einer Garage randalierenden Person zu einer Garage in der … in … gerufen. Beim Eintreffen der Streifenbesatzung konnte die Person nicht mehr angetroffen werden. Aufgrund einer Zeugenaussage wurde die Wohnadresse des Antragstellers aufgesucht. Dort lag der Antragsteller stark alkoholisiert und laut schreiend vor der Eingangstüre. Er blutete stark am Ellenbogen, so dass ein Sanka hinzugezogen wurde. Als die Ehefrau und der Sohn hinunterkamen, wurden sie vom Antragsteller beleidigt. Da der Antragsteller immer aggressiver wurde und um sich trat, wurde er zeitweise gefesselt. Der Antragsteller wurde in Gewahrsam genommen. Ein freiwilliger Atemalkoholtest ergab einen Wert von 1,16 mg/l. Die Staatsanwaltschaft … stellte das Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung mangels Strafantrag mit Verfügung vom 2. August 2017 gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein (Az. …).
– Am 22. Juli 2017, 00:09 Uhr, wurde die Polizei wegen Ruhestörung (zu laute Musik) verständigt. Nachdem die Wohnung des Antragstellers mit Schlüssel seiner Ehefrau betreten wurde, wurde festgestellt, dass der Antragsteller aufgrund seiner Alkoholisierung eingeschlafen war und die Musikanlage nicht abgeschaltet hatte.
Mit der polizeilichen „Mitteilung wegen Alkoholauffälligkeit“ vom 14. Juni 2018 wurde dem Landratsamt bekannt, dass der Antragsteller am 3. Juni 2018 seinen Nachbarn beleidigt und bedroht habe. Ein Atemalkoholtest habe 1,8 Promille ergeben. Der Antragsteller sei in Gewahrsam genommen worden. Zu diesem Vorfall nahm der Antragsteller mit Schreiben vom 5. Juni 2018 Stellung und teilte der Polizeiinspektion … u.a. mit, er nehme seit langem schwere Anti-Depressiva sowie aufgrund eines Lungenvolumens von nur 45% mehrmals täglich zwei Sprays; dadurch werde ein Atemalkoholwert angezeigt, der nicht relevant sei. Laut dem beigefügten Medikationsplan erhielt der Antragsteller Metformin – CT 1000 mg, Mirtazapin – 1 A Pharma 45 mg, Atarax 25 mg, Quetiapin – 1 A Pharma 300 mg, Venlafaxin – 1 A Pharma 75 mg, Foster 100/6 Dosieraerosol, Spiriva Respimat (Lösung zur Inhalation) und Predni Tablinen 20 mg.
Mit Schreiben des Landratsamtes vom 13. Juli 2018 wurde der Antragsteller zur Vorlage eines aktuellen ausführlichen ärztlichen Attests zu seinem Gesundheitszustand mit Medikamentenplan aufgefordert. Nach Vorlage ärztlicher Unterlagen wurde der Antragsteller mit Schreiben des Landratsamtes vom 3. August 2018 aufgefordert, zu den Erkrankungen Diabetes und Bluthochdruck ausführliche ärztliche Atteste vorzulegen. Mit weiterem Schreiben vom 3. August 2018 wurde der Antragsteller aufgefordert, ein Gutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie mit verkehrsmedizinischer Qualifikation beizubringen, das u.a zu der Frage Stellung nehmen solle, ob beim Antragsteller weiterhin eine Erkrankung (Depression) vorliege, die nach Nr. 7 der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung in Frage stellt und wenn ja, ob der Antragsteller weiterhin in der Lage sei, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klasse 1 gerecht zu werden.
Im fachärztlichen Gutachten des Psychiaters Dr. med. … vom 13. September 2019 wurde festgestellt, dass beim Antragsteller die Diagnose „Zustand nach depressiver Störung (F32.8) möglicherweise organisch bedingt (F60.2)“ zu stellen und der Antragsteller zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 in der Lage sei. Mit Schreiben vom 25. September 2018 bemängelte das Landratsamt das Gutachten als nicht schlüssig und nicht nachvollziehbar und verlangte eine Nachbesserung, da insbesondere die gegenüber dem Gutachter gemachten Angaben des Antragstellers zu seinem Trinkverhalten mit den bekannt gewordenen Alkoholauffälligkeiten im Widerspruch stünden. Nach einem erneuten Untersuchungstermin am 11. Oktober 2018 kam der Gutachter im Gutachten vom 7. November 2018 zum selben Ergebnis wie im vorangegangenen Gutachten.
2. Mit Schreiben vom 21. Januar 2019, das dem Antragsteller laut Postzustellungsurkunde am 24. Januar 2019 zugestellt wurde, forderte das Landratsamt den Antragsteller auf, bis zum 14. März 2019 ein medizinisch-psychologisches Gutachten einer Begutachtungsstelle für Fahreignung beizubringen. Als Gründe für die Eignungszweifel benannte das Landratsamt im Wesentlichen die gerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis aufgrund der Trunkenheitsfahrt vom 25. März 2006 (Blutalkoholkonzentration/BAK: 1,9 Promille), das Fahreignungsgutachten der … vom 7. April 2009 mit der Nachschulungsempfehlung, das zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis am 22. Mai 2009 führte, sowie die Polizeieinsätze wegen alkoholauffälligen Verhaltens des Antragstellers im Zeitraum zwischen November 2014 bis zuletzt 3. Juni 2018. Durch das Verhalten des Antragstellers stehe fest, dass er wieder Alkoholmissbrauch betrieben habe. Alkoholmissbrauch sei der Konsum von Alkohol, bei dem Blutalkoholkonzentrationen von über 1,0 Promille erreicht würden. Nach den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung würden nur Werte bis 1,1 Promille durch die in unserer Gesellschaft üblichen Trinkgewohnheiten gestützt. Bei Werten über 1,3 Promille sei von einer hohen Trinkfestigkeit auszugehen, die auf einen über das gesellschaftliche Trinkverhalten hinausgehenden Konsum von Alkohol hinwiesen. Der Antragsteller habe bereits früher Alkoholmissbrauch betrieben. Die jetzt bekannt gewordenen Vorfälle belegten einen Rückfall in alte Gewohnheitsmuster und ließen erneut auf Alkoholmissbrauch schließen. Das Trinkverhalten des Antragstellers weiche deutlich vom normal gesellschaftlichen Trinkverhalten ab.
Das Gutachten müsse zu folgenden Fragen Stellung nehmen:
– Liegen beim Antragsteller körperliche und/oder geistige Beeinträchtigungen vor, die mit einem missbräuchlichen Alkoholkonsum in Zusammenhang gebracht werden können?
– Ist insbesondere nicht zu erwarten, dass vom Antragsteller das Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1/ Klassen A, A1, A18, B, BE, L, M und S und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden könne?
Als Rechtsgrundlagen für diese Maßnahme wurden § 46 Abs. 3 und § 13 Nr. 2 Buchst. e FeV genannt. Das Landratsamt wies darauf hin, dass der Antragsteller bei nicht rechtzeitiger Beibringung des Gutachtens mit der kostenpflichtigen Entziehung der Fahrerlaubnis rechnen müsse.
Nachdem der Antragsteller die Begutachtungsstelle benannt hatte, übersandte das Landratsamt mit Schreiben vom 5. Februar 2019 den Verwaltungsvorgang der … in …. Nach Fristverlängerung teilte der Antragsteller mit E-Mail vom 17. April 2019 mit, dass er von der Begutachtungsstelle die Auskunft erhalten habe, dass das Gutachten am heutigen Tag versandt werde. Mit Schreiben vom 17. April 2019 reichte die Begutachtungsstelle dem Landratsamt die behördlichen Unterlagen zurück. Nachdem der Antragsteller das Fahreignungsgutachten in der Folgezeit nicht vorlegte, wurde er mit Schreiben vom 30. April 2019 zur beabsichtigten Entziehung seiner Fahrerlaubnis angehört.
Mit Schriftsatz vom 2. Mai 2019 zeigten die Bevollmächtigten des Antragstellers dessen Vertretung an und führten im Wesentlichen aus, dass die Trunkenheitsfahrt vom 25. März 2006 dreizehn Jahre zurückliege und sich die vom Landratsamt aufgeführten Vorfälle, die zwar zum Teil mit erheblicher Alkoholisierung einhergingen, ausschließlich im häuslichen Umfeld stattgefunden hätten. Eine Beeinträchtigung des Trennvermögens, wie sie unter Ziffer 8.1 der Anlage 4 zur FeV gefordert werde, sei aus diesen Vorfällen nicht zu entnehmen. Die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens sei gerechtfertigt, wenn begründete Eignungszweifel dahingehend bestünden, dass der Proband nicht mehr in der Lage sei, den Konsum von Alkohol und die Teilnahme am Straßenverkehr zu trennen oder aber eine Alkoholabhängigkeit im Sinne einer körperlichen Suchterkrankung vorliege. Für beides gebe es im Falle des Antragstellers keine hinreichenden Anhaltspunkte bzw. seien diese durch das Gutachten des Herrn Prof. Dr. … ausgeräumt. Um den Bedenken der Behörde Rechnung zu tragen, sei der Antragsteller bereit, sich einem einjährigen Alkoholabstinenzprogramm zu unterziehen, die Ergebnisse der Behörde zu übermitteln und sich nach Beendigung des Alkoholabstinenzkontrollprogramms einer medizinisch-psychologischen Untersuchung zu unterziehen. Hierzu wurde die Anmeldung des Antragstellers vom 26. April 2019 zu einem Alkoholabstinenzkontrollprogramm beigefügt. Das Landratsamt lehnte mit Schreiben vom 8. Mai 2019 die vorgeschlagene Vorgehensweise ab. Die Bevollmächtigten des Antragstellers wiesen mit Fax-Schreiben vom 10. Mai 2019 darauf hin, dass das Landratsamt übersehe, dass ein die Fahreignung ausschließender Alkoholmissbrauch im Sinne der Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV nur vorliege, wenn das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden könnten, ohne dass der Betroffene bereits alkoholabhängig sei. Eine Alkoholabhängigkeit des Antragstellers sei aber zu keinem Zeitpunkt festgestellt worden, sondern im Gegenteil durch den Psychiater Dr. … verneint worden.
3. Mit Bescheid vom 14. Juni 2019, der den Bevollmächtigten des Antragstellers laut Empfangsbestätigung am 18. Juni 2019 zugestellt wurde, entzog das Landratsamt dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen A1, A18, A, B, BE, L, M und S (Nr. 1). Er wurde verpflichtet, seinen am 22. Mai 2019 ausgestellten Führerschein mit der Nummer … innerhalb einer Woche nach Zustellung des Entzugsbescheids beim Landratsamt abzuliefern (Nr. 2). Für den Fall der Nichtbeachtung der Nummer 2 des Bescheides wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 EUR angedroht (Nr. 3). Die sofortige Vollziehung der Nummer 1 und 2 des Bescheides wurde angeordnet (Nr. 4).
Am 19. Juni 2019 ging der Führerschein des Antragstellers beim Landratsamt ein.
4. Am 9. Juli 2019 legten die Bevollmächtigten des Antragstellers unter Berufung auf ihr bisheriges Vorbringen Widerspruch gegen den Bescheid vom 14. Juni 2019 ein.
5. Am 10. Juli 2019 ließ der Antragsteller durch seine Prozessbevollmächtigten einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen und beantragen,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 14. Juni 2019 anzuordnen.
Der Antragsgegner habe zwar in formeller Hinsicht ordnungsgemäß, jedoch in materieller Hinsicht zu Unrecht ein medizinisch-psychologisches Gutachten angeordnet.
Die vom Antragsgegner zitierten Vorfälle im Zeitraum 3. November 2014 bis 3. Juni 2018 seien nicht geeignet, ein Trennvermögen in Frage zu stellen. Ursache für diese Vorfälle sei eine organisch bedingte depressive Erkrankung gewesen. Nach Absetzen dieser Medikamente sei keinerlei depressive Symptomatik mehr feststellbar gewesen (s. Gutachten Dr. …). Zudem hätten sich sämtliche Vorfälle im häuslichen Umfeld ereignet und wiesen keinerlei Bezug zum Straßenverkehr auf. Alkoholmissbrauch im führerscheinrechtlichen Sinne liege jedoch nur vor, wenn Anhaltspunkte gerade dafür vorlägen, dass ein Trennvermögen zwischen dem Führen eines Kraftfahrzeuges und dem Konsum von Alkohol nicht mehr vorliege. Durch das medizinisch-psychologische Gutachten vom 23. März 2009 zusammen mit dem durchgeführten Kurs zur Wiederherstellung der Kraftfahreignung sei zum damaligen Zeitpunkt festgestellt worden, dass ein vorbestehender Alkoholmissbrauch (welcher zu einer Trunkenheitsfahrt geführt hatte) nicht mehr bestehe. Aufgrund dieser im Jahr 2009 festgestellten Tatsachen wäre zum damaligen Zeitpunkt weder von Alkoholmissbrauch noch von Alkoholabhängigkeit des Antragstellers auszugehen gewesen. Die Regelung des § 13 Abs. 1 (gemeint wohl: Satz 1) Nr. 2e FeV setze aber voraus, dass abzuklären sei, ob Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit nicht mehr bestehe. Eine solche Aufklärung sei aber bereits durch das seinerzeit erstellte Gutachten erfolgt. Die beim Antragsteller bei den genannten Vorfällen festgestellten hohen Alkoholwerte seien allein nicht ausreichend, um von Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit im Sinne des § 13 Abs. 1 (gemeint wohl: Satz 1) Nr. 2e FeV auszugehen. Die Entziehungsmaßnahme verstoße auch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Trotz der zum Ausdruck gebrachten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme habe der Antragsteller, der zwischenzeitlich alkoholabstinent lebe, angeboten, sich einem Alkoholabstinenzprogramm für die Dauer eines Jahres zu unterziehen und danach ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen. Der Antragsteller führe auch aktuell ein solches Abstinenzprogramm durch.
Der Antragsgegner beantragte mit Schreiben vom 1. August 2019, 29 den Antrag abzulehnen.
Das aktenkundige Gutachten vom 7. April 2009 habe die Eignung des Antragstellers nur unter Stabilisierung und Einhaltung der Alkoholabstinenz erkannt. Nach den hinzugetretenen polizeilichen Erkenntnissen, die den Verdacht schüren, der Antragsteller könne in alte Alkoholkonsummuster zurückgefallen sein, sei deshalb die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung zur Klärung der künftigen Trennfähigkeit notwendig gewesen.
6. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 14. Juni 2019 anzuordnen, ist nach § 122 Abs. 1, § 88 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sachgerecht dahingehend auszulegen, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen Nr. 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheids wiederhergestellt (nicht: angeordnet) werden soll. Der Antragsgegner hat gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis (Nr. 1 des Bescheids) und der Pflicht zur Ablieferung des Führerscheins (Nr. 2 des Bescheids) angeordnet (Nr. 4 des Bescheids), so dass der Widerspruch des Antragstellers gegen diese Anordnungen keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Im Übrigen geht das Gericht davon aus, dass sich der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht darauf erstrecken soll, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs hinsichtlich der bereits kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Nr. 3 des Bescheids (Zwangsgeldandrohung, vgl. Art. 21a des Bayerischen Verwaltungs- und Vollstreckungsgesetzes/VwZVG) anzuordnen. Denn einem solchen Antrag würde das Rechtschutzinteresse fehlen. Der Antragsteller hat seinen Führerschein fristgemäß abgeliefert, so dass nicht davon auszugehen ist, dass der Antragsgegner das angedrohte Zwangsgeld gleichwohl noch beitreiben wird.
2. Der so ausgelegte Antrag ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
a) Die Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs (S. 6/7 des Bescheids vom 14.6.2019) entspricht den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO. Nach dieser Vorschrift hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts angeordnet hat (vgl. BayVGH, B.v. 27.3.2012 – 11 CS 12.201 – juris Rn. 22). Dabei sind allerdings an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Schmidt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019 § 80 Rn. 43). Insbesondere bei Kraftfahrern, denen die erforderliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs fehlt, ist das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch (Schmidt, a.a.O. § 80 Rn. 36). Ein solcher Fall lag hier aus Sicht des Antragsgegners vor. Er hat vor diesem Hintergrund das besondere Interesse am sofortigen Vollzug unter Bezug auf den Einzelfall hinreichend begründet. Im gerichtlichen Verfahren erfolgt keine materielle Überprüfung der Begründung der Behörde nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern es wird eine eigenständige Interessenabwägung durchgeführt (st. Rspr., vgl. BayVGH, B.v. 16.12.2015 – 11 CS 15.2377 – juris Rn. 10; B.v. 24.8.2010 – 11 CS 10.1139 – juris Rn. 29; B.v. 10.3.2008 – 11 CS 07.3453 – juris Rn. 16).
Hinsichtlich der bereits kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Zwangsgeldandrohung (Art. 21a VwZVG) ist eine Begründung nicht erforderlich.
b) Bei der Entscheidung über den Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen, hat das Gericht – wie bereits oben ausgeführt – eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen. Im Rahmen dieser Entscheidung ist das Interesse des Antragstellers, zumindest vorläufig weiter von seiner Fahrerlaubnis Gebrauch machen zu können, gegen das Interesse der Allgemeinheit daran, dass dies unverzüglich unterbunden wird, abzuwägen. Ausschlaggebend im Rahmen dieser Abwägungsentscheidung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels, dessen aufschiebende Wirkung wiederhergestellt werden soll, hier also des Widerspruchs vom 9. Juli 2019. Lässt sich schon bei summarischer Prüfung eindeutig feststellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, so dass der Widerspruch mit Sicherheit Erfolg haben wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), kann kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung dieses Verwaltungsakts bestehen. Andererseits ist für eine Interessenabwägung, die zugunsten des Antragstellers ausgeht, im Regelfall kein Raum, wenn keine Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen. Erscheint der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, hat eine reine Interessenabwägung stattzufinden (vgl. zum Ganzen: Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, Rn. 152 ff. zu § 80).
Die Interessenabwägung führt hier zum Überwiegen der öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des streitgegenständlichen Bescheids. Unter Zugrundelegung der derzeitigen Sach- und Rechtslage wird der Widerspruch gegen Nr. 1 und 2 des Bescheides vom 14. Juni 2019 nach summarischer Prüfung nicht erfolgreich sein, weil der Bescheid insoweit rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt, §§ 68 Abs. 1 Satz 1, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Antragsgegner hat zu Recht auf die Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen, weil er das zu Recht von ihm geforderte Fahreignungsgutachten nicht vorgelegt hat, § 11 Abs. 8 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV).
c) Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Fahrerlaubnisentziehung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (stRspr, vgl. zuletzt BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3/13 – DAR 2014, 711, juris). Damit ist hier, da ein Widerspruchsbescheid noch nicht erlassen wurde, auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt dieser Entscheidung abzustellen.
d) Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Auf eine solche Ungeeignetheit darf die Fahrerlaubnisbehörde nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV unter anderem dann schließen, wenn der Betroffene ein angefordertes Gutachten nicht (fristgerecht) beibringt. Der Schluss auf die Nichteignung des Betroffenen ist allerdings nur dann zulässig, wenn die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war (ständige Rechtsprechung vgl. BVerwG, U.v. 5.7.2001 – 3 C 13.01 – NJW 2002, 78, juris; U.v. 9.6.2005 – 3 C 25.04 und 3 C 21.04 – NJW 2005, 3081, jeweils juris). Die Gutachtensanordnung muss weiter hinreichend bestimmt und aus sich heraus verständlich sein. Der Betroffene muss der Aufforderung entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das Verlautbarte die behördlichen Zweifel an seiner Fahreignung zu rechtfertigen vermag. Der Beibringungsanordnung muss sich – mit anderen Worten – zweifelsfrei entnehmen lassen, welche Problematik auf welche Weise geklärt werden soll (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 11 FeV Rn. 55). An die Rechtmäßigkeit der Gutachtensaufforderung sind strenge Maßstäbe anzulegen, weil der Antragsteller die Gutachtensaufforderung mangels Verwaltungsaktqualität nicht direkt anfechten kann. Er trägt das Risiko, dass ihm bei der Nichtvorlage des Gutachtens die Fahrerlaubnis deswegen entzogen wird. Daher kann auf die strikte Einhaltung der vom Verordnungsgeber für die Rechtmäßigkeit einer solchen Anordnung aufgestellten formalen Voraussetzungen nicht verzichtet werden (vgl. BayVGH, B.v. 27.11.2012 – 11 ZB 12.1596 – juris). Hiervon ausgehend durfte der Antragsgegner auf die Nichteignung des Antragstellers schließen, denn die Gutachtensanordnung vom 21. Januar 2019 ist nach summarischer Prüfung formell und materiell rechtmäßig.
aa) Die Anordnung vom 21. Januar 2019 genügt den sich aus § 11 Abs. 2 Satz 3, Abs. 6 FeV ergebenden formellen Anforderungen.
Die Rechtsgrundlagen für die Gutachtensanordnung wurden korrekt genannt (siehe nachfolgend unter bb)).
Die bis zum 14. März 2019 gesetzte Frist zur Gutachtensbeibringung, die mit E-Mail des Antragsgegners vom 22. Februar 2019 bis zum 31. März 2019 verlängert und nach Information über den Untersuchungstermin (27.3.2019) nochmals (stillschweigend) bis zur Erstellung bzw. Bekanntgabe des Gutachtens verlängert wurde, also insgesamt ca. zwei Monate betrug, war angemessen und verhältnismäßig. Wird – wie hier – auf der Grundlage des § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Fahreignung verlangt, so dient dieses der Hilfestellung bei der Beurteilung der Frage, ob der Betroffene gegenwärtig zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist. Da insofern die Abwendung möglicher erheblicher Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer inmitten steht, ist den Eignungszweifeln unter dem Gesichtspunkt des Alkoholmissbrauchs so zeitnah wie möglich durch die gesetzlich vorgegebenen Aufklärungsmaßnahmen nachzugehen. Die für die Beibringung des in den Fällen des § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV zwingend vorgeschriebenen medizinisch-psychologischen Gutachtens zu bestimmende Frist ist damit ausschließlich nach der Zeitspanne zu bemessen, die eine amtlich anerkannte Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Erstattung des Gutachtens voraussichtlich brauchen wird. Keinesfalls hat sich die Dauer der Frist danach zu richten, wie lange der Betroffene zur Sicherstellung einer positiven Begutachtung benötigt (vgl. VGH BW, B.v. 24.1.2012 – 10 S 3175/11 – NJW 2012, 3321, juris; ThürOVG, B.v. 19.9.2011 – 2 EO 487/11 – juris Rn. 11; OVG RhPf, B.v. 21.7.2009 – 10 B 10508/09.OVG – juris Rn. 8).
Zur Begründung der Eignungsbedenken wurde zum einen auf die fahrerlaubnisrechtliche Vorgeschichte des Antragstellers Bezug genommen, nämlich auf die gerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis wegen der Trunkenheitsfahrt mit 1,9 Promille am 25. März 2006 und auf das Fahreignungsgutachten vom 7. April 2009, das die vom Antragsteller angeführten Verhaltensänderungen, insbesondere die damalige gut einjährige Alkoholabstinenz, als nur unzureichend motivational fundiert bzw. noch nicht ausreichend tragfähig beurteilt hatte, so dass die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis am 22. Mai 2009 erst erfolgen konnte, nachdem der Antragsteller entsprechend der Empfehlung des Gutachters an einer Nachschulung nach § 70 FeV teilgenommen hatte. Zum anderen stellte das Landratsamt die von der Polizei berichteten Alkoholauffälligkeiten im Zeitraum zwischen November 2014 und zuletzt Anfang Juni 2018 dar und führte aus, dass das aus diesen Vorfällen ersichtliche, deutlich normabweichende Trinkverhalten des Antragstellers einen Rückfall in alte Trinkgewohnheiten belege. Laut der Fragestellung sollte mit dem Gutachten das Fehlen alkoholbedingter körperlicher/geistiger Beeinträchtigungen und insbesondere das sog. Trennvermögen geklärt werden („Ist insbesondere nicht zu erwarten, dass vom Antragsteller das Führen von Fahrzeugen der Gruppe 1 und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann?“). Damit geht aus der ausführlichen Begründung der Anordnung sowie der Fragestellung mit hinreichender Klarheit hervor, dass das Landratsamt die Problematik eines (möglicherweise) fortbestehenden oder wieder eingetretenen Alkoholmissbrauchs im Sinne der Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV als klärungsbedürftig ansieht, also die Fähigkeit des Antragstellers, zwischen dem Führen von Kraftfahrzeugen und einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum zu trennen.
Die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens enthielt auch den erforderlichen Hinweis auf § 11 Abs. 8 FeV.
bb) Entgegen der Einschätzung des Antragstellers ist es nicht ernsthaft zweifelhaft, dass die Gutachtensanordnung vom 21. Januar 2019 auch die materiellen Voraussetzungen für die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung erfüllt.
Gemäß § 46 Abs. 3 FeV sind die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend anzuwenden, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet oder bedingt geeignet ist. Nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV fehlt die Fahreignung in Fällen des Alkoholmissbrauchs, d.h. wenn das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden. Nach Beendigung des Missbrauchs besteht die Fahreignung gemäß Nr. 8.2 der Anlage 4 zur FeV für alle Fahrerlaubnisklassen erst dann wieder, wenn die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist, was durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten nachzuweisen ist (vgl. BayVGH, B.v. 4.4.2019 – 11 CS 19.619 – juris Rn. 14 m.w.N.).
Die Gutachtensaufforderung wurde ausdrücklich auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e FeV gestützt. Danach ordnet die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an, wenn sonst zu klären ist, ob Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit nicht mehr besteht. Voraussetzung des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e FeV ist daher, dass bei dem Betroffenen Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit früher einmal festgestellt worden ist (BayVGH, B.v. 4.4.2019 – 11 CS 19.619 – juris Rn. 16; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 13 FeV Rn. 27). Beim Antragsteller lag Alkoholmissbrauch im straßenverkehrsrechtlichen Sinne vor, da er am 25. März 2006 stark alkoholisiert (BAK von 1,9 Promille) am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen und damit gezeigt hat, dass er nicht zwischen einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs trennen konnte. Dafür hat ihm das Amtsgericht … die Fahrerlaubnis entzogen. Das Landratsamt durfte die damalige Trunkenheitsfahrt, obwohl sie fast dreizehn Jahre zurücklag, noch zu Ungunsten des Antragstellers verwerten, da die Entscheidung des Amtsgerichts … zum hierfür maßgeblichen Zeitpunkt der Gutachtensanordnung (21.1.2019) noch nicht tilgungsreif und noch im Fahreignungsregister eingetragen war (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20/15 – NJW 2017, 1765-1769, juris; BayVGH, B.v. 7.12.2015 – 11 ZB 15.2271 – juris). Nach der Übergangsregelung in § 65 Abs. 3 Nr. 2 StVG werden Entscheidungen, die nach § 28 Abs. 3 StVG in der bis Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung im Verkehrszentralregister gespeichert worden sind, bis zum Ablauf des 30. April 2019 nach den Bestimmungen des § 29 in der bis zum Ablauf des 30. April 2014 anwendbaren Fassung (§ 29 StVG a.F.) getilgt und gelöscht. Die Tilgungsfrist für die Entscheidung des Amtsgerichts … vom 26. Mai 2006 (Verurteilung wegen eines Vergehens der vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Abs. 1 StGB) beträgt nach § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVG a.F. zehn Jahre und begann, da mit dieser Entscheidung die Fahrerlaubnis entzogen worden war, gemäß § 29 Abs. 5 Satz 1, 1. Halbsatz StVG a.F. mit der Neuerteilung der Fahrerlaubnis am 22. Mai 2009 zu laufen. Tilgungsreife ist daher erst mit Ablauf des 22. Mai 2019 eingetreten. Auch § 29 Abs. 8 Satz 2 StVG a.F. steht der Verwertbarkeit der Entscheidung des Amtsgerichts … nicht entgegen, da sie ab 22. Mai 2014 (Ablauf des Zeitraums, der einer fünfjährigen Tilgungsfrist entspricht) jedenfalls noch für die Durchführung von Verfahren, die die Erteilung oder Entziehung einer Fahrerlaubnis (wie hier) zum Gegenstand haben, genutzt werden darf (§ 29 Abs. 8 Satz 2 Nr. 1 StvG a.F.).
Zwar wurde der Antragsteller nach der Teilnahme an der im Fahreignungsgutachten empfohlenen Nachschulung (§ 70 FeV) wieder als fahrgeeignet angesehen, so dass ihm die Fahrererlaubnis am 22. Mai 2009 neu erteilt wurde. An dieser Einschätzung bestehen aber aufgrund der Alkoholauffälligkeiten im Zeitraum zwischen November 2014 und zuletzt Anfang Juni 2018 erhebliche Zweifel, so dass nunmehr erneut zu klären ist, ob Alkoholmissbrauch nicht mehr besteht. Denn dem medizinisch-psychologischen Gutachten vom 7. April 2009 ist zu entnehmen, dass der Gutachter deswegen eine negative Verhaltensprognose getroffen hat, weil er die erforderliche nachhaltige Veränderung im Umgang mit Alkohol und die damalige Alkoholabstinenz des Antragstellers „als unzureichend motivational fundiert und als noch nicht ausreichend tragfähig“ bewertet hat. Lediglich seine gutachterliche Empfehlung, dass die Teilnahme an einer Nachschulung (§ 70 FeV) die Verhaltensprognose günstig beeinflussen werde, führte dann (nach Besuch eines entsprechenden Kurses) zur Neuerteilung der Fahreignung. Vor diesem Hintergrund gaben die polizeilich berichteten Alkoholauffälligkeiten, die in einem Zeitraum von ca. dreieinhalb Jahren immer wieder auftraten (November 2014 bis Juni 2018), hinreichenden Anlass zur Aufklärung, ob der in der Vergangenheit festgestellte Alkoholmissbrauch nicht mehr besteht bzw. ob der Antragsteller Trinken und Fahren trennen kann. Hinzu kommt, dass der Antragsteller laut den polizeilichen Berichten bei den jeweiligen Vorfällen nicht nur unter erheblichem Alkoholeinfluss stand, sondern bei ihm auch ein Kontrollverlust festgestellt wurde, was dazu führte, dass der Antragsteller zum Ausschluss von Eigen- und Fremdgefährdung einmal ins Bezirkskrankenhaus eingewiesen wurde (Vorfall vom 16.5.2015, Bl. 146/147 der Behördenakte) und im Übrigen (fünfmal) in polizeilichen Sicherheitsgewahrsam verbracht werden musste (vgl. Vorfall vom 3.11.2014, Bl. 124 der Behördenakte; Vorfall vom 22.2.2015. Bl. 138 der Behördenakte; Vorfall vom 4.3.2017, Bl. 132/133 der Behördenakte; Vorfall vom 16.5.2017, Bl. 143 der Behördenakte; Vorfall vom 3.6.2018, Bl.158-162 der Behördenakte). Gerade diese Kontrollverluste unter Alkoholeinfluss, auch wenn sie keinen Bezug zu einer Teilnahme am Straßenverkehr aufwiesen, rechtfertigen die Gutachtensanordnung, da sie nicht nur deutliche Indizien für einen weit überdurchschnittlichen Alkoholkonsum darstellen, sondern Anlass zu der Annahme geben, dass beim Antragsteller erneut Kontrollverlust durch Alkoholkonsum eintreten und dann Fahrten mit einem Kfz unter einem die Fahreignung ausschließenden Alkoholeinfluss stattfinden könnten. Derartige Eignungszweifel waren auch durch das (zweite) fachärztliche Gutachten des Psychiaters Dr. … vom 7. November 2018 (Bl. 233-243 der Behördenakte) nicht ausgeräumt. Denn dieses ärztliche Gutachten hatte nur (Eignungs-)Fragen im Hinblick auf eine depressive Erkrankung des Antragstellers zu klären. Eignungszweifel im Hinblick auf Alkoholmissbrauch im Sinne der Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV können dagegen ausschließlich durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten geklärt bzw. ausgeräumt werden (vgl. § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV).
cc) Nach allem stellt sich die auf § 46 Abs. 3, § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e) FeV gestützte Gutachtensanordnung als rechtmäßig dar. Im Rahmen der Gefahrenabwehr war der Antragsgegner nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet – im Rahmen des § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV kommt der Fahrerlaubnisbehörde kein Ermessen zu – dem begründeten Verdacht fortbestehenden Alkoholmissbrauchs bzw. eines etwaigen Rückfalles des Antragstellers nach überwundenem Alkoholmissbrauch nachzugehen und von diesem eine medizinisch-psychologische Untersuchung zu verlangen.
Da der Antragsteller dieses rechtmäßig geforderte Gutachten bis zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage, d.h. vorliegend bis zur Entscheidung des Gerichts, nicht beigebracht hat, musste das Landratsamt gemäß § 11 Abs. 8 FeV von seiner Fahrungeeignetheit ausgehen. Diese Bestimmung eröffnet der Behörde kein Ermessen hinsichtlich der zu treffenden Entscheidung. Das auf der Rechtsfolgenseite des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV enthaltene Wort „darf“ bringt lediglich zum Ausdruck, dass die Weigerung, sich einer zu Recht angeordneten Begutachtung zu unterziehen oder ihr Ergebnis der Behörde vorzulegen, nur dann den Schluss rechtfertigt, der Betroffene wolle einen Eignungsmangel verbergen, wenn für die Nichtbeibringung des angeforderten Gutachtens kein ausreichender Grund besteht. Ein solcher „ausreichender Grund“ ist hier nicht erkennbar. Insbesondere wird bei der Weigerung, das geforderte Gutachten vorzulegen, die Annahme fehlender Eignung nicht schon durch die erklärte Bereitschaft zu einer späteren Begutachtung, sondern nur durch ein positives Gutachten ausgeräumt. Bis dahin kann die Behörde aufgrund des Verhaltens des Antragstellers davon ausgehen, dass seine Nichteignung im Sinne von § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV feststeht (vgl. BayVGH, B.v.27.9.2013 – 11 CS 13.1399 – juris Rn. 11 m.w.N.). Im vorliegenden Fall weist vielmehr der mit Bevollmächtigtenschriftsatz vom 2. Mai 2019 vorgelegte Vertrag zur Durchführung eines Abstinenzkontrollprogramms (Bl. 289 der Behördenakte), den der Antragsteller erst am 26. April 2019, also erst nach Ablauf der Gutachtensvorlagefrist und auch erst nachdem das Gutachten bereits erstellt war (siehe E-Mail des Antragstellers vom 17.4.2019, Bl. 279 der Behördenakte), unterschrieben bzw. abgeschlossen hat, maßgeblich darauf hin, dass der Antragsteller derzeit fahrungeeignet ist, und es ihm erst nach erfolgreicher Absolvierung des einjährigen Abstinenzkontrollprogramms mit anschließender medizinisch-psychologischer Begutachtung, also frühestens ab Ende April 2020, möglich sein wird, seine Fahreignung nachzuweisen. Im Übrigen lässt auch der Brief der Ehefrau des Antragstellers an das Landratsamt vom 12. Mai 2019 erkennen, dass das nicht vorgelegte Fahreignungsgutachten zu einem negativen Ergebnis führte („Dass eine MPU seitens des … ohne Vorbereitungskurs, der durch ihre Fristsetzung leider nicht mehr möglich war, zu keinem positiven Ergebnis führen kann, ist bekannt.“) Nach allem erweist sich die Entscheidung des Antragsgegners vom 14. Juni 2019, gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Antragstellers zu schließen, als richtig und rechtmäßig. Die Fahrerlaubnis war dem Antragsteller deshalb gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV zwingend zu entziehen. Darauf war der Antragsteller auch hingewiesen worden (§ 11 Abs. 8 FeV). Damit stellt sich auch die Anordnung zur Ablieferung des Führerscheins als rechtmäßig dar (§ 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV).
dd) Auch eine vom Ausgang des Hauptsacheverfahrens unabhängige Interessenabwägung fällt zu Ungunsten des Antragstellers aus.
Zwar ist zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass mit der sofortigen Durchsetzung der Fahrerlaubnisentziehung ein ganz erheblicher und letztlich nicht wieder gutzumachender Verlust für seine berufliche Existenz und seine persönliche Mobilität für ihn verbunden ist und damit eine durch das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) geschützte Rechtsposition tangiert wird. Dem persönlichen Interesse des Antragstellers stehen jedoch die Rechtsgüter gegenüber, zu deren Schutz die Entziehung der Fahrerlaubnis erfolgt. Hierbei handelt es sich insbesondere um Leib und Leben der übrigen Verkehrsteilnehmer, die Verkehrssicherheit an sich sowie bedeutende Sachwerte der Allgemeinheit. Für diese Rechtsgüter würde ein erhebliches Gefährdungspotenzial geschaffen, wenn der Antragsteller trotz fehlender Fahreignung weiter mit einem Kraftfahrzeug am Straßenverkehr teilnehmen könnte. Bei einer Abwägung der widerstreitenden Interessen wiegt der möglicherweise eintretende, gegebenenfalls nicht mehr wieder gutzumachende Schaden für die zuvor genannten, hoch- und höchstwertigen Rechtsgüter einer potenziellen Vielzahl anderer Verkehrsteilnehmer zu schwer, als dass es verantwortet werden könnte, dem Antragsteller bis zu einer endgültigen Klärung seiner Fahreignung vorerst die weitere Verkehrsteilnahme zu erlauben.
Nach allem war der Antrag abzulehnen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 46.1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Nach dem Streitwertkatalog 2013 sind nur die Fahrerlaubnisklassen A und B, jeweils mit dem Auffangstreitwert von 5.000,00 Euro, maßgeblich. Die Klassen A1 und A18 werden von der Fahrerlaubnisklasse A, die Klassen L, M und S von der Klasse B mitumfasst. Da die Führerscheinklasse E in dem ab 19. Januar 2013 geltenden § 6 Abs. 1 FeV nicht mehr – isoliert – aufgeführt ist und der Streitwertkatalog 2013 für die „Klasse E“ keinen eigenen Streitwert mehr vorsieht (die Klassen B und BE werden jeweils mit dem gleichen Streitwert angesetzt), wirkt die um die frühere Klasse E erweiterte Fahrerlaubnis bei der Klasse B nicht mehr streitwerterhöhend. Der sich danach ergebende Betrag von 10.000,00 EUR ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs).


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