Verkehrsrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Anhaltspunkten für ein hohes Aggressionspotenzial

Aktenzeichen  11 ZB 20.2642

Datum:
10.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 2800
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 S. 3
FeV § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 5, Nr. 7, Abs. 8, § 46 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Die Fahrerlaubnisbehörde hat ihr Vorgehen außerhalb des Punktsystems ausreichend und zutreffend zu begründen Daher genügt es nicht aufzuzeigen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigung erfüllt sind (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15, BeckRS 2016, 118394 ), sondern es ist darüber hinaus darzulegen, aus welchen besonderen Gründen die Verkehrssicherheit und die Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer die Ermittlungsmaßnahme ausnahmsweise gebieten (vgl. BayVGH, B.v. 7.8.2014 – 11 CS 14.352, BeckRS 2014, 55199; B.v. 7.11.2013 – 11 CS 13.1779, BeckRS 2013, 59039). (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Besteht bei einem Fahrerlaubnisinhaber ein hohes Aggressionspotenzial, das erwarten lässt, dass er sich im Straßenverkehr unbeherrscht und die Verkehrssicherheit gefährdend verhält, kommt es nicht darauf an, ob und ggf. wie viele Punkte aufgrund seines Verhaltens in der Vergangenheit im Fahreignungsregister eingetragen worden sind. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 6 K 19.872 2020-10-07 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung der ihm am 21. März 2013 wiedererteilten Fahrerlaubnis der Klassen A, A2, A1, AM, B, BE und L.
Mit seit 21. Dezember 2012 rechtskräftigem Strafbefehl vom 6. Dezember 2012 verurteilte ihn das Amtsgericht Würzburg wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit Nötigung in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Geldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen und entzog ihm die Fahrerlaubnis. Für die Wiedererteilung wurde eine Sperrfrist von sechs Monaten festgesetzt. Dem lag zugrunde, dass der Kläger am 28. April 2012 mit seinem Kraftfahrzeug auf einer Bundesstraße trotz erkennbaren Gegenverkehrs ein Fahrzeug überholte und zur Vermeidung eines Zusammenstoßes mit einem entgegenkommenden Fahrzeug wieder auf seinen Fahrstreifen einscherte, obwohl sich dort das überholte Fahrzeug befand. Dessen Fahrer konnte nur durch sofortiges starkes Abbremsen einen Verkehrsunfall vermeiden. Anschließend bremste der Kläger das überholte Fahrzeug noch mehrfach ohne erkennbaren Grund aus und zeigte dem Fahrer anschließend den Mittelfinger.
Mit seit 20. Juni 2018 rechtskräftigem Urteil vom 28. November 2017 verurteilte das Amtsgericht Würzburg den Kläger wegen Nötigung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen und verbot ihm für die Dauer von zwei Monaten, ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr zu führen. Dem lag zugrunde, dass der Kläger am 1. Dezember 2016 auf dem rechten Fahrstreifen einer zweispurigen Bundesstraße ein ziviles Dienstfahrzeug der Polizei überholt hatte und wegen eines vor ihm fahrenden Pkw sofort auf den linken Fahrstreifen gewechselt war. Der Fahrer des überholten Dienstfahrzeugs konnte nur durch starkes Abbremsen einen Zusammenstoß mit dem Fahrzeug des Klägers verhindern. Nach den Angaben des Polizeibeamten wechselte der Kläger im weiteren Verlauf noch einige Male zum schnelleren Vorwärtskommen die Fahrstreifen, beschleunigte sodann sein Fahrzeug bei zulässiger Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h auf über 100 km/h und fuhr bis zum Ende einer Einfädelspur an zwei Fahrzeugkolonnen rechts vorbei, um bei letzter Gelegenheit dort einzufahren. Zunächst sei es aufgrund der Geschwindigkeit und des Fahrverhaltens des Klägers nicht möglich gewesen, diesen anzuhalten. Erst nachdem der Kläger sein Fahrzeug angehalten habe, habe er dessen Identität feststellen können. Sein Fahrverhalten habe der Kläger als absolut in Ordnung empfunden.
Unter Bezugnahme auf diese Vorfälle forderte das Landratsamt Würzburg den Kläger gestützt auf „§ 11 Abs. 3 Nr. 5 FeV“ und „§ 11 Abs. 3 Nr. 7 FeV“ mit Schreiben vom 24. September 2018 auf, bis 24. November 2018 ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu den Fragen beizubringen, ob trotz der aktenkundigen Straftaten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr bzw. trotz der aktenkundigen Straftat im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung aufgrund von Anhaltspunkten für ein hohes Aggressionspotenzial zu erwarten sei, dass der Kläger künftig nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen werde. Im Rahmen der Ermessensentscheidung führte das Landratsamt aus, die Gutachtensaufforderung sei gerechtfertigt, weil der Vorfall aus dem Jahr 2018 zeige, dass der Kläger aus dem Strafbefehl vom 6. August 2012 offensichtlich nicht die richtigen Schlussfolgerungen gezogen habe. Dies rechtfertige bei lebensnaher Betrachtung die ernsthafte Besorgnis, dass er sich auch künftig verkehrswidrig und nicht umsichtig im Straßenverkehr verhalten werde. Das bei Begehung der Straftaten gezeigte Handeln offenbare ein hohes Aggressionspotenzial, eine Neigung zur Unbeherrschtheit und eine Bereitschaft, unter grober Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zur Durchsetzung eigensüchtiger Ziele Bedenken gegen sein Verkehrsverhalten selbst dann nicht aufkommen zu lassen, wenn dadurch Leben, Gesundheit oder Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer gefährdet werde. Somit bestehe die Gefahr, dass der Kläger die Rechte anderer Verkehrsteilnehmer – zumindest in den sehr häufig auftretenden Konfliktsituationen – nicht respektieren werde und eigene Bedürfnisse aggressiv durchsetzen wolle. Dadurch seien so erhebliche Zweifel an seiner Kraftfahreignung entstanden, dass zu deren Ausräumung nach „§ 11 Abs. 3 Nr. 5 FeV und § 11 Abs. 3 Nr. 7 FeV“ im Interesse der allgemeinen Verkehrssicherheit eine Fahreignungsbegutachtung erforderlich sei.
Mit Schreiben vom 29. November 2018 lehnte das Landratsamt die vom Bevollmächtigten des Klägers vorgetragene Bitte um Fristverlängerung vom 26. November 2018 ab und hörte den Kläger zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an. Der Hinweis auf § 4 Abs. 1 Satz 3 StVG bzw. darauf, dass für ihn derzeit lediglich drei Punkte im Fahreignungsregister eingetragen seien, sei nicht zielführend, da aufgrund der vorliegenden Sachlage ein Ausscheren aus dem Maßnahmenkatalog des § 4 StVG erforderlich sei. Das medizinisch-psychologische Gutachten sei nach pflichtgemäßem Ermessen im Interesse der allgemeinen Verkehrssicherheit angeordnet worden.
Mit Bescheid vom 8. Januar 2019 entzog das Landratsamt dem Kläger gestützt auf § 11 Abs. 8 i.V.m. Abs. 3 Nr. 5 und 7 FeV die Fahrerlaubnis und forderte ihn unter Androhung eines Zwangsgelds auf, seinen Führerschein spätestens eine Woche nach Zustellung des Bescheids abzugeben. Dem kam der Kläger am 16. Januar 2019 nach.
Am selben Tag ließ er durch seinen Bevollmächtigten Widerspruch einlegen, den die Regierung von Unterfranken mit Bescheid vom 14. August 2019 zurückwies.
Am 18. Juli 2019 ließ der Kläger Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht Würzburg erheben, die mit Schriftsatz vom 11. September 2019 in eine Anfechtungsklage umgestellt wurde.
Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 7. Oktober 2020 hinsichtlich der angefochtenen Zwangsgeldandrohung als unzulässig und im Übrigen unter Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide als unbegründet ab. Die Beibringungsanordnung sei rechtmäßig gewesen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5, 1. und 2. Alt. und Nr. 7 FeV hätten vorgelegen. Der Gutachtensanordnung hätten sowohl eine erhebliche Straftat als auch mehrere Straftaten zugrunde gelegen, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr gestanden hätten. Entgegen der Auffassung des Klägers sei nicht auf die Höhe einer verhängten Geldstrafe abzustellen. Vielmehr müsse anhand der Tatumstände festgestellt werden, ob die der Verurteilung zugrunde liegende Tat Rückschlüsse auf die Kraftfahreignung zulasse. Dafür könne es genügen, dass der Täter im Zusammenhang mit der Tat naheliegend mit einer Situation gerechnet habe oder habe rechnen müssen, in der es zu einer Gefährdung oder Beeinträchtigung des Verkehrs hätte kommen können. Dies treffe auf beide abgeurteilten Taten zu. Das geahndete Verkehrsverhalten habe in beiden Fällen zu gefährlichen Situationen im fließenden Straßenverkehr geführt, was der Kläger bei seinem rücksichtslosen Verhalten offenbar in Kauf genommen habe. In beiden Fällen hätten Unfälle nur durch rasches Reagieren der Geschädigten verhindert werden können. Das am 28. April 2012 begangene Verkehrsdelikt sei zum maßgeblichen Zeitpunkt der Gutachtensanordnung verwertbar gewesen, da die Tilgungsfrist noch nicht abgelaufen gewesen sei. Hierfür sei das Fahreignungsregister maßgeblich, da § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BZRG für Verfahren, die eine Entziehung der Fahrerlaubnis zum Gegenstand hätten, vorrangig auf §§ 28 bis 30b StVG verweise. Nach § 29 Abs. 7 Satz 1 StVG seien im Fahreignungsregister eingetragene Taten und die zugrunde liegende Entscheidung bis zur Löschung der Eintragung verwertbar. Die für die Tat vom 28. April 2012 eingetragenen Punkte seien zwar nach der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis im Jahr 2013 gelöscht worden (§ 4 Abs. 3 Satz 1 und 2 StVG). Dies ändere allerdings nichts an der fortbestehenden Eintragung der strafrechtlichen Verurteilung vom 6. Dezember 2012, für die die Tilgungsfrist zehn Jahre ab Rechtskraft der Verurteilung betrage (§ 28 Abs. 3 Nr. 1, § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Buchst. a, Abs. 4 Nr. 1 StVG). Die zwischenzeitliche Neuerteilung der Fahrerlaubnis entfalte keine Sperrwirkung für die Berücksichtigung früher liegender Tatsachen. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die Gutachtensanordnung auch auf § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 FeV gestützt habe. Insoweit genüge es, wenn die erhebliche Straftat im Sinne dieser Vorschrift im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung stehe, mithin insoweit Rückschlüsse zulasse. Die Anwendung der Vorschrift auf Straftaten, die im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr begangen worden seien, werde dadurch nicht ausgeschlossen. In beiden Fällen gehe es um die Aufklärung charakterlicher Fahreignungszweifel, welche auf erheblichen oder wiederholten Verstößen des Fahrerlaubnisinhabers gegen strafrechtliche Vorschriften beruhten und aufzuklärende Bedenken gegen die Kraftfahreignung begründeten. Es spreche deshalb nichts dagegen, die sich in ihrem Anwendungsbereich zum Teil überschneidenden Vorschriften nebeneinander anzuwenden. Auch die Fragestellung in der Gutachtensanordnung sei nicht zu beanstanden. Sie orientierten sich an dem konkret geschilderten Begutachtungsanlass und bezweckten die Aufklärung der aufgeworfenen charakterlichen Eignungszweifel. Ferner lägen die übrigen formellen Anforderungen vor. Unschädlich sei insoweit die unvollständige Zitation der Rechtsgrundlagen „§ 11 Abs. 3 Nr. 5 FeV“ bzw. „§ 11 Abs. 3 Nr. 7 FeV“. Es handle sich um eine offenbare Unrichtigkeit, die nach dem Rechtsgedanken des Art. 42 Satz 1 BayVwVfG jederzeit berichtigt werden könne. Die jeweiligen Voraussetzungen der Vorschriften seien dargelegt worden. Es seien weder Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die unvollständige Zitation geeignet gewesen sei, den Kläger in seiner Rechtsverteidigung gegen die Gutachtensanordnung und in seiner Entscheidungsfreiheit zur Beibringung des Gutachtens zu beeinträchtigen, noch dafür, dass sich deshalb für die zu beauftragende Begutachtungsstelle Zweifel über Anlass und Ziel der Begutachtung hätten ergeben können. Auch wahre die Gutachtensanordnung den in § 4 Abs. 3 Satz 1 StVG zum Ausdruck kommenden Vorrang des Fahreignungs-Bewertungssystems. Wolle die Fahrerlaubnisbehörde außerhalb des Fahreignungs-Bewertungssystems charakterliche Eignungszweifel durch eine medizinisch-psychologische Untersuchung aufklären, habe sie im Rahmen des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 bis 7 FeV bei der Ausübung ihres Ermessens die Umstände des Einzelfalls sorgfältig zu würdigen. Die Gutachtensanordnung müsse erkennen lassen, warum es gerechtfertigt sei, zusätzlich zu den Maßnahmen, die das Punktesystem erlaube, eine medizinisch-psychologische Begutachtung anzufordern. Dies sei hier noch ausreichend der Fall, wenngleich sich die Gutachtensaufforderung nicht ausdrücklich mit dem Vorrang des Punktesystems auseinandersetze und nicht explizit auf die Vorschrift des § 4 Abs. 3 Satz 1 StVG verweise. Die Ausführungen auf Seite 2 brächten jedoch zum Ausdruck, dass die Fahrerlaubnisbehörde den besonderen Ausnahmecharakter des Verkehrsverhaltens des Klägers darin erblicke, dass er aus dem Strafbefehl vom 6. Dezember 2012 nicht die richtigen Schlussfolgerungen gezogen habe, weil er „bereits Ende 2016“ erneut wegen einer im Straßenverkehr begangenen Nötigung rechtskräftig verurteilt worden sei. Er hebe sich vom Normalfall sonstiger Verkehrsteilnehmer dadurch ab, dass er dies nicht zum Anlass genommen habe, sein Verkehrsverhalten zu ändern, sondern stattdessen im Dezember 2016 einen anderen Verkehrsteilnehmer durch rücksichtsloses Verhalten beim Überholvorgang in Gefahr gebracht habe. Es bestehe daher die Gefahr, dass der Kläger im motorisierten Straßenverkehr möglicherweise nicht erwarten lasse, die Rechte anderer Verkehrsteilnehmer zu respektieren, und dass er dort eigene Bedürfnisse aggressiv durchsetze. Dadurch seien „so erhebliche Zweifel“ an seiner Kraftfahreignung entstanden, das zu deren Ausräumung eine medizinisch-psychologische Fahreignungsbegutachtung erforderlich sei. Dieser Einschätzung schließe sich die Kammer an. Wenn im Verhalten eines Fahrerlaubnisinhabers eine besondere Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern und eine darin zum Ausdruck kommende Gleichgültigkeit hinsichtlich deren Sicherheitsinteressen erkennbar werde und zu erwarten sei, dass er sich im Straßenverkehr auch künftig unbeherrscht und die Verkehrssicherheit gefährdend verhalte, komme es nicht darauf an, ob bzw. wie viele Punkte im Fahreignungsregister in der Vergangenheit eingetragen worden seien. Es könne nicht abgewartet werden, bis sich ein derart schwerwiegender charakterlicher Mangel in (tatsächlich bekannt gewordenen und geahndeten) Zuwiderhandlungen gegen Verkehrsvorschriften auf eine Weise niederschlage, dass es zu einer Anhäufung von mindestens acht Punkten im Fahreignungsregister komme.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem der Beklagte entgegentritt, macht der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung geltend und trägt zur Begründung vor, das Verwaltungsgericht habe die Unrechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung verkannt. Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 FeV sei die Aufforderung im Fall von mehreren bestimmten Straftaten gerechtfertigt. Dies gehe aus der zweiten Fragestellung nicht hervor, die daher nicht ausreichend bestimmt und angemessen sei. Dies habe das Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt. Die Rechtsgrundlage des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 FeV gehöre nicht zur zweiten Frage in der Beibringungsanordnung, die gerade nicht konkret benenne, was bzw. welcher der in der Anordnung genannten Sachverhalte Gegenstand der Untersuchung sein solle. Dem Sachverhalt aus § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 FeV werde die Fragestellung nicht gerecht. Es wäre der Sachverhalt des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 FeV zugrunde zu legen, den die Gutachtensanordnung als Begründung nicht enthalte. Auch sei die zweite Frage nicht eindeutig, da sie dem Gutachter die Wahl lasse, welche der in der Anordnung genannten Taten er zur Grundlage seiner Begutachtung heranziehe. Die Frage hätte lauten müssen „Ist trotz der aktenkundigen Straftaten …“, nicht „Straftat“ in der Einzahl. Ferner verkenne das Gericht die Voraussetzungen, unter denen im Einzelfall statt nach dem Punktesystem nach den Vorschriften des § 3 i.V.m. §§ 11 bis 14 FeV vorgegangen werden könne. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts sei die Notwendigkeit einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nicht im Hinblick auf § 4 Abs. 3 Satz 1 StVG hinreichend begründet worden. Eine derartige Anordnung dürfe nur aus besonderen, auf den Einzelfall bezogenen Gründen angeordnet werden, die in der Anordnung selber darzulegen seien. Diese lasse die rechtswidrige Gutachtensanordnung vom 24. September 2018 jedoch vermissen. Eine nachträgliche Heilung sei nicht möglich, sondern könne nur durch Neubescheid erfolgen. Erst mit Schreiben vom 29. November 2018, das nicht den Anforderungen des § 11 Abs. 6 FeV entspreche, habe der Beklagte eine Begründung nachgeschoben. Auf die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Münchens vom 14. Juli 2010 – M 6a S 10.2707 – und des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 27. Mai 2019 – 10 B 10387/09 – werde Bezug genommen. Auch bestünden Zweifel, ob die von der Fahrerlaubnisbehörde als solche erkannte Ermessensentscheidung im Sinne des § 11 Abs. 3 FeV frei von Mängeln sei. Sie habe die für den Kläger sprechenden Aspekte nicht gesehen oder zumindest nicht zu seinen Gunsten bewertet. So habe sie nicht berücksichtigt, dass zwischen den beiden der Gutachtensanordnung zugrunde liegenden Sachverhalten etwa sechs Jahre lägen, sondern gehe davon aus, dass er aus einem am 6. Februar 2012 (gemeint wohl: Dezember) verhängten Strafbefehl wohl keine Lehre gezogen habe. Dem folge das erstinstanzliche Gericht und verkenne somit, dass eine Ermessensausübung unter Berücksichtigung aller Umstände gerade nicht stattgefunden habe. Es verkenne, dass die Fahrerlaubnisbehörde es unterlassen habe, die Gutachtensanordnung in Hinblick auf den Vorrang des Punktesystems näher zu begründen und auf die Besonderheiten des Einzelfalls einzugehen, und dass sie auch nicht zwischen milderen Maßnahmen abgewogen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da der geltend gemachte Zulassungsgrund (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), auf dessen Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO; BayVerfGH, E.v. 14.2.2006 – Vf. 133-VI-04 – VerfGHE 59, 47/52; E.v. 23.9.2015 – Vf. 38-VI-14 – BayVBl 2016, 49 Rn. 52; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 54), nicht vorliegt.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind immer schon dann anzunehmen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173 Rn. 32 m.w.N.; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 16 m.w.N.) und dies zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründet (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9).
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids zuletzt geändert durch Gesetz vom 8. April 2019 (BGBl I S. 430), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung vom 4. Juli 2019 (BGBl I S. 1056), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV). Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV kann die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (medizinisch-psychologisches Gutachten) zur Klärung von Eignungszweifeln für die Zwecke nach § 11 Abs. 1 und 2 FeV angeordnet werden bei einer erheblichen Straftat, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr steht, oder bei Straftaten, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen. Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 FeV kann eine medizinisch-psychologische Begutachtung angeordnet werden bei Straftaten, die im Zusammenhang mit der Fahreignung stehen, insbesondere wenn Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotenzial bestehen. Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er das geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung geschlossen werden. Der Schluss auf die Nichteignung ist allerdings nur zulässig, wenn die Anordnung der Begutachtung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – BVerwGE 156, 293 = juris Rn. 19). Dies war hier der Fall.
Die auf Seite 13 ff. der Urteilsgründe im Einzelnen dargelegte Annahme des Verwaltungsgerichts, dass mit dem am 28. April 2012 und 1. Dezember 2016 gezeigten Fahrverhalten die Voraussetzungen der Bestimmungen des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 und 7 FeV erfüllt sind, hat der Kläger nicht angegriffen.
Entgegen seiner Ansicht ist die Gutachtensaufforderung vom 24. September 2018 auch hinreichend bestimmt. Im Anschluss an die Darstellung des anlassgebenden Sachverhalts (zwei Vorfälle jeweils mit anschließender strafrechtlicher Verurteilung) hat das Landratsamt optisch abgesetzt die Regelungen in § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 und 7 FeV wiedergegeben, wobei jeweils von Straftaten, einmal im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr und einmal im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung die Rede war. Nach den sich hieran anschließenden Ermessenserwägungen hat es – ebenfalls optisch abgesetzt – die beiden Fragen formuliert, ob trotz der aktenkundigen Straftaten bzw. „Straftat“ im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr bzw. mit der Kraftfahreignung erhebliche oder wiederholte verkehrsrechtliche Verstöße des Klägers zu erwarten seien. Aus diesem Vorgehen war sowohl für den Kläger als auch einen Gutachter klar ersichtlich, dass das Landratsamt den eingangs geschilderten Sachverhalt jeweils in Form einer Frage unter die wiedergegebenen Rechtsbestimmungen subsumieren wollte und es sich beim Wort „Straftat“ in der zweiten Frage um ein – rechtlich unschädliches – Redaktionsversehen handelt. Auch die ohne „Satz 1“ verkürzt zitierten Vorschriften des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 und 7 FeV sind eindeutig bezeichnet, da § 11 Abs. 3 FeV nur eine Nummer 5 bzw. 7 enthält und damit eine Verwechslung mit anderen Vorschriften ausgeschlossen ist; zumal der Inhalt der Bestimmungen wiedergegeben worden ist.
Insgesamt betrachtet hat die Gutachtensaufforderung es dem Kläger ermöglicht, eine fundierte Entscheidung darüber zu treffen, ob er sich der geforderten Begutachtung unterziehen will bzw. zur Vermeidung von Rechtsnachteilen unterziehen muss. Er konnte ihr entnehmen, was konkret ihr Anlass war und ob das dort Mitgeteilte die behördlichen Zweifel an der Fahreignung rechtfertigen konnte (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016, a.a.O. Rn. 21).
Mit seinen Einwänden gegen die Ermessenserwägungen in der Gutachtensanordnung dringt der Kläger nicht durch.
Die Fahrerlaubnisbehörde hat das in § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 und 7 FeV eröffnete Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (Art. 40 BayVwVfG), mithin ihr Vorgehen außerhalb des Punktsystems ausreichend und zutreffend zu begründen (vgl. BayVGH, B.v. 7.8.2014 – 11 CS 14.352 – NJW 2014, 3802 = juris Rn. 20; B.v. 7.11.2013 – 11 CS 13.1779 – juris Rn. 13). Daher genügt es nicht aufzuzeigen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigung erfüllt sind (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – BVerwGE 156, 293 = juris Rn. 38), sondern es ist darüber hinaus darzulegen, aus welchen besonderen Gründen die Verkehrssicherheit und die Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer die Ermittlungsmaßnahme ausnahmsweise gebieten (vgl. BayVGH, B.v. 7.8.2014 a.a.O. Rn. 26; B.v. 7.11.2013, a.a.O. Rn. 13). Dies kann nach den Umständen des Einzelfalls sogar bei Vorliegen nur eines erheblichen Verkehrsverstoßes der Fall sein. Hinsichtlich der allgemeinen Anforderungen an die Ermessenserwägungen unterscheidet sich die Rechtsprechung des Senats nicht von der in der vom Kläger angeführten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (B.v. 27.5.2019 – 10 B 10387/09 – DAR 2009, 478 = juris Rn. 8). Allerdings bleibt es eine Frage des konkreten Einzelfalls, wann diese erfüllt sind.
Auch wenn sich die Ermessenserwägungen des Landratsamts nicht ausdrücklich mit dem Verhältnis von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 und 7 FeV zum Fahreignungs-Bewertungssystem auseinandersetzen, werden sie den genannten Anforderungen noch gerecht. Danach war für die Behörde ausschlaggebend, dass der Kläger sein Fahrverhalten nach der Warnung durch die erste strafgerichtliche Verurteilung nicht geändert hat und damit eine konkrete Wiederholungsgefahr („ernsthafte Besorgnis“) eines grob fahrlässigen, konkret gefährlichen Verhaltens bestand. Dies sind sachgerechte Erwägungen. Sie hat weiter ausgeführt, dass das gezeigte Verhalten durch ein hohes Aggressionspotential, eine Neigung zur Unbeherrschtheit und die Bereitschaft gekennzeichnet war, unter „grober“ Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt eigensüchtige Motive zu verfolgen und bedenkenlos das Leben, die Gesundheit oder das Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer zu gefährden. Hieraus ergibt sich deutlich, dass die Behörde den Fall des Klägers für krass, mithin für einen Ausnahmefall, sein Fahrverhalten für eine Gefahr u.a. für höchste Rechtsgüter (Leben und Gesundheit), wegen seiner offenbaren Unbelehrbarkeit die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts für hoch und damit eine weitere Aufklärung für notwendig gehalten hat. Diese Einschätzung war gemessen an den eingangs beschriebenen Vorfällen vom 28. April 2012 und 1. Dezember 2016 auch nicht übertrieben. Besteht aber bei einem Fahrerlaubnisinhaber ein hohes Aggressionspotenzial, das erwarten lässt, dass er sich im Straßenverkehr unbeherrscht und die Verkehrssicherheit gefährdend verhält, kommt es nicht darauf an, ob und ggf. wie viele Punkte aufgrund seines Verhaltens in der Vergangenheit im Fahreignungsregister eingetragen worden sind. Ein derartiger charakterlicher Mangel wiegt so schwer, dass nicht abgewartet werden kann, bis er sich in tatsächlich bekannt gewordenen und geahndeten Verkehrsverstößen in so ausreichender Zahl und im erforderlichen zeitlichen Zusammenhang niederschlägt, welche die Entziehung der Fahrerlaubnis im Rahmen des Fahreignungs-Bewertungssystems gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG rechtfertigen (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2013 – 11 CS 13.1779 – juris Rn. 14).
Es bestand auch kein Anlass, näher auf die zwischen dem ersten und zweiten Vorfall verstrichene Zeit einzugehen. Zum einen kam es für die Frage, ob der Kläger aus der Verurteilung vom 6. Dezember 2012 die richtigen Schlussfolgerungen gezogen hat, nicht auf die jeweilige Begehung der Taten, sondern auf den Erlass des Beschlusses vom 6. Dezember 2012 samt Rechtsfolgen und die Begehung der zweiten Tat an. Zwischen der rechtskräftigen Verurteilung und dem zweiten Vorfall am 1. Dezember 2016 sind aber nur rund vier Jahre verstrichen; seit Wiedererteilung der Fahrerlaubnis am 21. März 2013 war es noch weniger Zeit. Zum andern bot allein der Zeitablauf seit dem Vorfall vom April 2012 auch keinen Grund für die Annahme, das der Vorverurteilung zugrunde liegende Verhalten könnte keine Anhaltspunkte mehr zum Fahrverhalten und den Einstellungen des Klägers liefern, nachdem er durch erneutes vergleichbares und erheblich verkehrsgefährdendes Fahrverhalten gerade gezeigt hatte, dass er trotz der einschneidenden Folgen der ersten Verteilung, wie der bis zum 20. März 2013 laufenden Wiedererteilungssperre, offenbar nicht aus der Vorverurteilung gelernt hatte. Es handelte sich nicht um wesensverschiedene Bagatellverstöße, sondern um wesensgleiche schwerwiegende Verstöße, die auf ein entsprechendes Verhaltensmuster schließen ließen. Im Übrigen ging es nicht darum, den Kläger zu „bestrafen“ und dabei die zu seinen Gunsten und seinen Lasten sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abzuwägen, sondern darum zu begründen, weshalb das Erreichen von acht Punkten im Rahmen des Fahreignungs-Bewertungssystems vor dem Ergreifen weiterer Maßnahmen nicht abgewartet werden konnte.
Soweit der Kläger meint, die Behörde habe keine gegenüber einer medizinisch-psychologischen Untersuchung mildere Maßnahme erwogen, hat er nicht dargelegt, welche geeignete Maßnahme insoweit in Betracht gekommen wäre. Dies ist auch nicht ersichtlich.
Als unterlegener Rechtsmittelführer hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes und der Empfehlung in Nr. 46.1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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