Verkehrsrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Kokainkonsums

Aktenzeichen  11 CS 18.1759

Datum:
17.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 26917
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 46 Abs. 1 S. 1
VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

1 Ein Urin-Vortest kann in der Zusammenschau mit weiteren Umständen als Nachweis eines Betäubungsmittelkonsums angesehen werden. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2 Das Formblatt “Polizeilicher Bericht – Drogen im Straßenverkehr” kann auch dann zur Führung des Nachweises eines Betäubungsmittelkonsums herangezogen werden, wenn der Betroffene es nicht unterschrieben hat. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 6 S 18.1263 2018-07-13 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A (79.03 und 79.04), A1 (79.03 und 79.04), AM, B, BE, C1, C1E, CE 79, L und T.
Am 14. September 2017 unterzog die Polizei den Antragsteller einer Verkehrskontrolle. Nach dem Polizeibericht „Drogen im Straßenverkehr“ vom 14. September 2017 hat ein freiwillig durchgeführter Urin-Vortest positiv auf Kokain reagiert. Der Antragsteller habe angegeben, er habe vor ca. drei Wochen zuletzt Kontakt zu Drogen gehabt. Nach der Anamnese im ärztlichen Untersuchungsbericht des Dr. med. S* … vom 14. September 2017 hat der Antragsteller keine Drogen eingenommen. Der letzte Kokainkonsum sei vor mehreren Wochen gewesen. Eine Blutanalyse verlief negativ auf Kokain-Abbauprodukte. Gemäß dem vom Antragsteller unterschriebenen Anhörungsbogen wollte er sich zur Sache äußern. Auf einem separaten, vom Antragsteller ebenfalls unterschriebenen Blatt ist ausgeführt, er habe vor ca. drei Wochen Kokain geschnupft. Er habe gedacht, er habe nichts mehr im Blut und jeder Test würde negativ ausfallen. Es tue ihm leid, wenn es jetzt doch nicht so sei. Mit einer Blutentnahme sei er einverstanden.
Daraufhin entzog ihm die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 19. Februar 2018 die Fahrerlaubnis aller Klassen, verpflichtete ihn unter Androhung eines Zwangsgelds, den Führerschein spätestens innerhalb einer Woche ab Zustellung des Bescheids abzugeben und ordnete die sofortige Vollziehung an. Der Antragsteller sei ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, da er Kokain konsumiere. Ob der Antragsteller seinen Führerschein abgegeben hat, kann den Akten nicht entnommen werden.
Über den am 13. März 2018 erhobenen Widerspruch hat die Regierung von Oberbayern nach Aktenlage noch nicht entschieden.
Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 19. Februar 2018 hat das Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 13. Juli 2018 abgelehnt. Der Widerspruch werde voraussichtlich nicht erfolgreich sein. Der Antragsteller habe Kokain konsumiert und sei daher nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Zum einen habe der Vortest positiv reagiert, zum anderen habe der Antragsteller selbst eingeräumt, Kokain konsumiert zu haben. Zum Zeitpunkt der Entscheidung habe der Antragsteller die Kraftfahreignung auch nicht wiedererlangt.
Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, der die Antragsgegnerin entgegentritt. Der Antragsteller macht geltend, der positive Urin-Vortest habe keinen Beweiswert, da diesbezüglich keine Einzelheiten dokumentiert worden seien. Selbst wenn ihm ein Beweiswert zukommen sollte, seien zahlreiche Umstände unberücksichtigt gelassen worden, die gegen die Annahme eines Kokainkonsums sprechen würden. Zum einen sei der Polizeibericht „Drogen im Straßenverkehr“ vom Antragsteller nicht unterschrieben worden. In dem „Protokoll und Antrag zur Feststellung von Drogen im Blut“, das der Antragsteller unterschrieben habe, sei in der Rubrik „Alkohol-/Medikamenten-/Drogenauf- bzw. -einnahme“ hinsichtlich eines Drogenkonsums nichts vermerkt. Ebenso sei in dem Untersuchungsbericht des Dr. med. S* … „keine Medikamenten-/Drogeneinnahme“ angekreuzt worden. Daneben sei handschriftlich etwas vermerkt, was jedoch unleserlich sei. Aus der Betroffenenanhörung könne nicht geschlossen werden, dass der Antragsteller eingeräumt habe, Kokain konsumiert zu haben. Der Text sei von dem Polizeibeamten formuliert und geschrieben worden. Zudem sei dies zur Nachtzeit am Straßenrand im Freien erfolgt und der Antragsteller habe auf der Motorhaube des Polizeifahrzeugs unterschreiben müssen. Es fehle schon an den Mindestanforderungen für eine ordnungsgemäße Protokollierung. Der Vorfall liege schon ein Jahr zurück und der Antragsteller sei aus beruflichen Gründen auf seine Fahrerlaubnis angewiesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig wäre.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. August 2017 (BGBl I S. 3202), und § 46 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 3. Mai 2018 (BGBl I S. 566), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gilt dies insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung (§ 46 Abs. 3 FeV). Nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV ist ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wer Betäubungsmittel i.S.d. Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) einnimmt.
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsteller seine Fahreignung wegen des Konsums von Betäubungsmitteln nach Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV verloren hat und die Antragsgegnerin ihm die Fahrerlaubnis daher zu Recht entzogen hat.
Soweit der Antragsteller geltend macht, der Urin-Vortest habe keinen Beweiswert, da diesbezüglich keine Einzelheiten dokumentiert worden seien, kann dem nicht gefolgt werden. Der Antragsteller bestreitet weder, dass der Vortest durchgeführt worden noch dass er positiv ausgefallen ist. Welche weiteren Einzelheiten durch die kontrollierenden Polizeibeamten hätten dokumentiert werden sollen, wird demgegenüber nicht weiter ausgeführt. Der Polizist hat das Formblatt „Polizeilicher Bericht – Drogen im Straßenverkehr“ noch am Tag der Kontrolle vollständig ausgefüllt und sowohl den freiwilligen, negativ ausgefallenen Alkotest, als auch den positiven Drogenvortest darin vermerkt. Darüber hinaus ist sowohl unter Nr. 6 „Sachverhalt“ als auch unter Nr. 15 „Weitere Erkenntnisse“ eingetragen, dass der letzte Betäubungsmittelkonsum nach Angaben des Antragstellers vor drei Wochen gewesen sei. Weitere Angaben waren nicht erforderlich. Der Vortest kann daher in der Zusammenschau mit den weiteren Umständen als Nachweis eines Betäubungsmittelkonsums angesehen werden (vgl. BayVGH, B.v. 21.3.2005 – 11 CS 04.2334 – juris; OVG NW, B.v. 5.1.2015 – 16 B 1026/14 – juris).
Der Einwand des Antragstellers, das Formblatt „Polizeilicher Bericht – Drogen im Straßenverkehr“ sei von ihm nicht unterschrieben worden, führt zu keiner anderen Einschätzung. In dem Formblatt ist nicht vorgesehen, dass der Betroffene unterschreibt, sondern es handelt sich um einen internen Polizeibericht. Auch die Angabe in dem ärztlichen Untersuchungsbericht unter „Anamnese“, der Betroffene habe keine Drogen genommen und der daneben stehende handschriftliche Hinweis, der letzte Kokainkonsum sei vor mehreren Wochen gewesen, kann den Antragsteller nicht entlasten. Zum einen ist der handschriftliche Hinweis durchaus lesbar, zum anderen bezog sich die angekreuzte Angabe zur Drogeneinnahme nur auf den aktuellen Vorfall.
Das Verwaltungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller durch die Unterschrift unter das Beiblatt zur Anhörung eingestanden hat, dass er vor kurzem Kokain konsumiert hat. Zum einen hat er das Formblatt „Protokoll und Antrag zur Feststellung von Drogen im Blut“ unterschrieben und damit bestätigt, dass der Vortest positiv ausgefallen ist und er sich zur Sache äußern möchte. Diese Äußerung ist mit dem Beiblatt erfolgt. Es trifft nach dem Schriftbild zwar zu, dass das Beiblatt wohl von dem Polizeibeamten geschrieben worden ist. Regelmäßig wird aber auch die Betroffenenanhörung durch den Beamten ausgefüllt und von dem Betroffenen nur unterschrieben. Dass die Angaben aus diesem Grund unverwertbar sein sollen, ist nicht ersichtlich. Der Antragsteller hat darüber hinaus auch nicht geltend gemacht, er habe gegenüber dem Polizisten etwas anderes ausgeführt, als auf dem Beiblatt vermerkt. Er meint nur, er habe damit nicht eingeräumt, drei Wochen zuvor Kokain konsumiert zu haben. Nachdem er sich aber ausdrücklich zur Sache äußern wollte, ist anhand der Beschwerdebegründung nicht nachvollziehbar, was er dann eigentlich zur Sache gesagt haben soll. Der Antragsteller bezeichnet auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Polizeibeamte etwas aufgeschrieben hat, das von ihm nicht so gesagt worden ist. Solche Anhaltspunkte sind auch aus den Akten nicht ersichtlich. Dass der Antragsteller das Beiblatt nur unterschrieben hat, weil er meinte, er müsse dies wegen der dann folgenden Blutentnahme tun, erscheint demgegenüber eher fernliegend. Er hatte sich dafür entschieden, Angaben zu machen und muss sich dann auch bewusst gewesen sein, dass diese Angaben protokolliert werden und von ihm bestätigt werden müssen, denn sonst kommt ihnen kaum ein Nutzen zu.
Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und den Empfehlungen in Nrn. 1.5 Satz 1, 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, Anh. § 164 Rn. 14).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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