Verkehrsrecht

Fahrerlaubnis, Entziehung, Vollziehung, aufschiebende Wirkung, Bewertungssystem, Wohnung

Aktenzeichen  B 1 S 19.1224

Datum:
9.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 10909
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 3 Abs. 2 S. 2, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3, § 29 Abs. 4 Nr. 1 bis Nr. 3
FeV § 41, § 46 Abs. 6 S. 2, § 47 Abs. 2
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1
VwZVG Art. 3

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 8.750 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der am … geborene Antragsteller wendet sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Aberkennung des Rechts von seiner österreichischen Fahrerlaubnis der Klassen B, BE, C1, C1E, C, CE, A, A1, A2 und AM wegen des Erreichens von acht Punkten im Fahreignungsregister Gebrauch zu machen.
Mit Schreiben vom 1. Dezember 2016 ermahnte das Landratsamt … (im Folgenden Landratsamt) den Antragsteller nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG wegen der Eintragung von vier Punkten im Fahreignungsregister nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem. Ausweislich der Postzustellungsurkunde wurde die Ermahnung am 3. Dezember 2016 in den zur Wohnung (…, …G…) gehörenden Briefkasten eingeworfen.
Unter dem 13. April 2018 wurde der Antragsteller vom Landratsamt gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG i.V.m. § 41 FeV verwarnt, da sich ein Punktestand von sechs Punkten nach dem Fahreignungsregister ergebe. Der Antragsteller wurde zudem darauf hingewiesen, dass seine Fahrerlaubnis bei der Erreichung von acht Punkten oder mehr entzogen und eine Sperrfrist von sechs Monaten festgesetzt werde.
Diese Verwarnung wurde dem Antragsteller laut Postzustellungsurkunde am 17. April 2018 zugestellt. Im Adressfeld wurde als Adresse „…, …G…“ angegeben. Vom Postbediensteten wurde angekreuzt, dass das Schriftstück in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten eingeworfen worden sei, da eine Übergabe in der Wohnung nicht möglich gewesen wäre.
Eine Meldeanfrage des Landratsamts (letzte Änderung des Datensatzes: 29. September 2015, letzte Änderung des Datenbestands: 13. Dezember 2018) ergab zur Hauptwohnung des Antragstellers: seit 30. März 1993 „…, …G…“, zur Nebenwohnung: seit dem 1. September 2015: „…, …H…“. Eine weitere Meldeanfrage (letzte Änderung des Datensatzes: 6. Juli 2017, letzte Änderung des Datenbestands: 14. Dezember 2018) ergab zur Hauptwohnung: „…, … G…“, zur Nebenwohnung: „…, … H… und zum Eintrag: „direkte Zuzugswohnung, einzige Wohnung außerhalb: „…, … G…“.
Nachdem dem Landratsamt vom Kraftfahrt-Bundesamt mitgeteilt worden ist, dass der Antragsteller vierzig Punkte im Fahreignungsregister erreicht habe, verwarnte das Landratsamt den Antragsteller nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG mit Schreiben vom 10. Januar 2019. Wegen des Punktestandes wäre zwar die 3. Stufe (Entziehung der Fahrerlabunis) zu ergreifen. Die Ergreifung der Maßnahme der 1. Stufe (schriftliche Ermahnung bzw. Verwarnung nach dem alten Punktesystem) sei bereits durchgeführt worden. Es sei nun die Stufe 2 (Verwarnung) zu ergreifen. Der Punktestand reduziere sich dadurch auf 7 Punkte (§ 4 Abs. 6 StVG). Es wurde darauf hingewiesen, dass beim Hinzukommen neuer Verstöße mit einer Entziehung der Fahrerlaubnis zu rechnen sei. Die Zustellung erfolgte nach der Postzustellungsurkunde am 12. Januar 2019 durch Einlegung in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten des Antragstellers (…, … G…).
Mit Schreiben vom 1. August 2019 hörte das Landratsamt den Antragsteller zum Entzug der Fahrerlaubnis an. Grund hierfür war eine Meldung des Kraftfahrt-Bundesamts vom 22. Juli 2019, wonach der Antragsteller am 2. September 2018 die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 29 km/h überschritten habe (Rechtskraft: 30. Mai 2019).
Mit Schreiben vom 16. August 2019 äußerte der Bevollmächtigte des Antragstellers, dass die Taten aus den Jahren 2015 und 2016 zur Tatzeit der neuesten Eintragung am 2. September 2018 bereits verfallen gewesen seien. Stelle man hinsichtlich der Verjährung auf die Rechtskraft ab, wäre es eine Schlechterstellung, bei neuen Eintragungen auf den Tattag abzustellen. Der Zeitablauf zwischen Eintragung und Rechtskraft könne nicht zu Lasten des Antragstellers gewertet werden. Das Schreiben vom 10. Januar 2019 sei dem Antragsteller nie zugegangen.
Das Landratsamt wies darauf hin, dass die Tilgungsfrist für die Eintragungen im Fahreignungsregister nach § 29 Abs. 4 Nr. 1 bis Nr. 3 StVG mit der Rechtskraft der Entscheidung beginne. Die Fahrerlaubnisbehörde habe für das Ergreifen von Maßnahmen nach § 4 Abs. 5 StVG auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Zuwiderhandlung ergeben habe (Tattagprinzip). Spätere Verringerungen auf Grund von Tilgungen blieben unberücksichtigt. Eine Kopie der Postzustellungsurkunde des Schreibens vom 10. Januar 2019 wurde übersandt.
Laut einem Aktenvermerk meldete sich der Antragsteller bei der Führerscheinstelle telefonisch und teilte mit, dass er seit 2017 nicht mehr in G… wohne, sondern mit Hauptwohnsitz in Österreich. Er lebe in Scheidung und seine Frau händige ihm die Post nicht aus. Der Antragsteller wurde aufgefordert, einen Nachweis über die Abmeldung sowie eine Erklärung seiner Ehefrau vorzulegen, dass er die Verwarnung vom 10. Januar 2019 nicht bekommen habe.
Der Antragsteller legte ein Schreiben seiner Ehefrau vom 10. Oktober 2019 vor. Ihre Tochter habe ihr im Herbst 2018 die ausgefüllte Wohnsitzabmeldung gebracht, welche sie in den Briefkasten der Gemeinde eingeworfen habe. An ein Zustellungsschreiben des Landratsamts im Januar 2019 könne sie sich nicht erinnern. Das Zustellungsschreiben vom August 2019 habe sie an den Antragsteller weitergeleitet.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers teilte dem Landratsamt mit Schreiben vom 30. Oktober 2019 mit, dass der Antragsteller nur unter der Adresse „…, … H…“ zu erreichen sei. Auf dem Briefkasten in G… stehe sein Name nicht. Beigefügt war ein Schreiben der Gemeinde G… vom 14. Oktober 2019, wonach der Antragsteller hinsichtlich der Hauptwohnung seit 1. November 2018 in „…, … H…“ und hinsichtlich der Nebenwohnung „…, … G…“ gemeldet sei.
Im Auszug aus dem Melderegister vom 15. Oktober 2019 (Änderung des Datensatzes zum selben Tag) ist folgendes eingetragen: einzige Wohnung innerhalb seit 1. September 2015 „…, … H…“ und als historische Wohnung außerhalb bis 1. November 2018 „…, … G…“.
Mit Bescheid vom 13. November 2019 wurde dem Antragsteller das Recht aberkannt, von seiner österreichischen Fahrerlaubnis der Klassen B, BE, C1, C1E, C, CE, A, A1, A2 und AM im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen (Nr. 1). Der österreichische Führerschein sei unverzüglich beim Landratsamt zur Eintragung der fehlenden Fahrberechtigung in Deutschland vorzulegen (Nr. 2). Für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der Anordnung unter Nr. 2 werde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR angedroht (Nr. 3). Der Bescheid wurde in den Nummern 1 und 2 für sofort vollziehbar erklärt (Nr. 4 Satz 1). Nr. 4 Satz 2 enthält eine Ersatzfrist für den Fall, dass die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen den Bescheid angeordnet werde.
Der Antragsteller sei mit Schreiben vom 1. Dezember 2016 wegen Erreichens von 4 Punkten ermahnt worden:
Datum der
1. Tat
2. Entscheidung
3. Rechtskraft
Behörde/Gericht
Tatbestand:stext
Punkte
31.03.2014
28.07.2014
05.12.2014
BG-Beh. ZBS …
Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 28 km/h
1
01.12.2014
19.12.2014
01.07.2015
BG-Beh. ZBS …
Sie benutzten als Führer des Kraftfahrzeugs verbotswidrig ein Mobil- oder Autotelefon, indem Sie hierfür das Mobiltelefon oder den Hörer des Autotelefons aufnahmen oder hielten.
1
24.06.2015
28.09.2015
11.03.2016
BG-Beh. ZBS …
Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 37 km/h
1
16.06.2016
19.07.2016
02.11.2016
BG-Beh. ZBS …
Sie führten die Fahrzeugkombination, obwohl das zulässige Gesamtgewicht um 8,80%überschritten war
1
Mit Schreiben vom 13. April 2018 sei der Antragsteller wegen Erreichens von 6 Punkten verwarnt worden:
Datum der
1. Tat
2. Entscheidung
3. Rechtskraft
Behörde/Gericht
Tatbestand:stext
Punkte
27.05.2016
11.01.2017
30.06.2017
StA …
Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 23 km/h
1
10.05.2017
17.07.2017
01.03.2018
BG-Beh. RP …
Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 19 km/h
1
Durch die Tilgung der Zuwiderhandlung vom 31. März 2014 (Tilgung am 5. Juni 2017) und 1. Dezember 2014 (Tilgung am 1. Januar 2018) sei die Stufe 2 des Fahreignungs-Bewertungssystems unterschritten worden. Mit Schreiben vom 13. Dezember 2018 sei man darüber informiert worden, dass der Antragsteller nunmehr 40 Punkte erreicht habe:
Datum der
1. Tat
2. Entscheidung
3. Rechtskraft
Behörde/Gericht
Tatbestand:stext
Punkte
19.05.2018
21.09.2018
26.11.2018
StA …
Fahrlässiges Fahren ohne Fahrerlaubnis in 18 Fällen
36
Es sei erneut die Stufe 2 erreicht worden, da sein Stand von 40 Punkten gem. § 4 Abs. 6 StVG auf 7 Punkte zu verringern gewesen sei. Man habe den Antragsteller daher erneut mit Schreiben vom 10. Januar 2019 verwarnt.
Mit Mitteilung vom 22. Juli 2019 habe das Kraftfahrt-Bundesamt die Fahrerlaubnisbehörde informiert, dass mittlerweile 8 Punkte erreicht seien:
Datum der
1. Tat
2. Entscheidung
3. Rechtskraft
Behörde/Gericht
Tatbestand:stext
Punkte
02.09.2018
25.02.2019
30.05.2019
AG …
Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 29 km/h
1
Der Antragsteller habe sich am 14. Oktober 2019 rückwirkend bei der Gemeinde G… zum 1. November 2019 (gemeint 2018) abgemeldet. Eine ordnungsgemäße Zustellung sei erfolgt, da der Antragsteller im Zeitpunkt der Zustellung noch unter der Zustellungsadresse gemeldet gewesen sei. Ein wohnlicher Bezug zur bisherigen Hauptwohnung werde dadurch belegt, dass diese Wohnung nunmehr zur Nebenwohnung gemacht worden sei.
Rechtsgrundlage für die Aberkennung des Rechts, von der österreichischen Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen, bilde § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i. V. m. § 46 Abs. 1 FeV. Der Antragsteller erweise sich nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, da sich mehr als acht Punkte im Fahreignungsregister ergeben hätten und sämtliche vorher erforderlichen Maßnahmen in Form eines Ermahnungs- bzw. Verwarnungsschreibens ergriffen worden seien. Die Pflicht zur Vorlage des Führerscheins zur Anbringung eines Sperrvermerks ergebe sich aus § 47 Abs. 2 FeV und § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG. Es folgen Ausführungen zur Anordnung der sofortigen Vollziehung.
Der Antragsteller legte dem Landratsamt seinen österreichischen Führerschein zur Eintragung eines Sperrvermerks vor.
Mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2019, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tage, erhob der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten Klage und beantragte zugleich,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung führte der Bevollmächtigte aus, dass auf der Postzustellungsurkunde die Entgegennahme durch eine Person nicht bestätigt worden sei. Der Antragsteller wohne unter der im Rubrum angegebenen Adresse. Der Name des Klägers habe sich zum Zeitpunkt der Zustellung nicht auf dem Briefkasten in G… befunden. Auf die Bestätigung der Ehefrau vom 10. Oktober 2019 werde Bezug genommen. Aus dem Melderegister der Gemeinde G… ergebe sich, dass für den Antragsteller seit 1. November 2018 eine Hauptwohnung in H… gemeldet sei, die darin noch bezeichnete Nebenwohnung sei rückwirkend abgemeldet worden. Eine wirksame Verwarnung liege nicht vor.
Unter dem 23. Dezember 2019 (Eingang bei Gericht am 30. Dezember 2019) übersandte das Landratsamt die Behördenakten und beantragte,
den Antrag abzuweisen.
Auf die Begründung des Bescheids wurde Bezug genommen. Dass der Antragsteller das Schriftstück vom 3. August 2019 erhalten habe, das vom 10. Januar 2019 aber nicht, werde als reine Schutzbehauptung begriffen. Der Antragsteller sei im Januar 2019 mit Hauptwohnsitz bei der Gemeinde G… gemeldet gewesen. Dies belegten die Auszüge aus dem Melderegister vom 17. Dezember 2018.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte – auch im Verfahren B 1 K 19.1225 – und der Behördenakten ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO entsprechend).
II.
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Aberkennung des Rechts von der österreichischen Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen (Nr. 1 des Bescheids vom 13. November 2019) ist statthaft, weil der in der Hauptsache erhobenen Anfechtungsklage gegen die Ordnungsverfügung abweichend von § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung zukommt. Denn die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis entfällt gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 4 Abs. 9 Straßenverkehrsgesetz (StVG) von Gesetzes wegen.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, bei der entsprechend § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen ist. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der vorliegende Antrag abzulehnen, da die Klage des Antragstellers nach summarischer Überprüfung aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben wird. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides wiegt insoweit schwerer als das Interesse des Antragstellers an der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
In der Sache selbst folgt das Gericht zunächst der zutreffenden Begründung des angegriffenen Bescheides und sieht insoweit von einer gesonderten Darstellung der Gründe des Beschlusses ab (§ 117 Abs. 5 VwGO analog). Ergänzend hierzu ist noch Folgendes auszuführen:
a) Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wenn sich acht oder mehr Punkte nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem ergeben und er vorher das Stufensystem (Ermahnung und Verwarnung) korrekt durchlaufen hat. Bei einer ausländischen Fahrerlaubnis – wie hier – hat die Entziehung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 StVG, § 46 Abs. 5 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) die Wirkung einer Aberkennung des Rechts, von der Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen. Mit der Entziehung erlischt das Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland (§ 3 Abs. 2 Satz 2 StVG, § 46 Abs. 6 Satz 2 FeV).
Für die Entziehung der Fahrerlaubnis hat die Behörde auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat (§ 4 Abs. 5 Satz 5 StVG). Punkte ergeben sich mit der Begehung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit, sofern sie rechtskräftig geahndet wird (§ 4 Abs. 2 Satz 3 StVG). Bei der Berechnung des Punktestands werden Zuwiderhandlungen unabhängig davon berücksichtigt, ob nach deren Begehung bereits Maßnahmen ergriffen worden sind, und nur dann berücksichtigt, wenn deren Tilgungsfrist zu dem in § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG genannten Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war (§ 4 Abs. 5 Satz 6 StVG). Spätere Verringerungen des Punktestands auf Grund von Tilgungen bleiben unberücksichtigt (§ 4 Abs. 5 Satz 7 StVG).
b) Durch die am 2. September 2018 begangene Ordnungswidrigkeit, die seit 30. Mai 2019 rechtskräftig geahndet ist, hat der Antragsteller acht Punkte im Fahreignungs-Bewertungssystem erreicht. Der Antragsteller hat hierbei das Stufensystem des § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG ordnungsgemäß durchlaufen, sodass ihm die Fahrerlaubnis gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG (zwingend) zu entziehen und somit auch das Recht abzuerkennen war, von seiner österreichischen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen. So wurde dem Antragsteller beim Stand von vier Punkten mit Schreiben der Fahrerlaubnisbehörde vom 1. Dezember 2016 eine Ermahnung als erste Maßnahmenstufe (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 StVG) erteilt. Die Möglichkeit zur Punktereduzierung durch ein Fahreignungsseminar hat der Antragsteller nicht wahrgenommen. Beim Stand von sechs Punkten wurde sodann mit Schreiben vom 13. April 2018 die Verwarnung als zweite Stufe (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG) ergriffen. Als der Antragsteller durch Tilgung der Zuwiderhandlungen vom 31. März 2014 (Tilgung am 5. Juni 2017) und am 1. Dezember 2014 (Tilgung am 1. Januar 2018) und erneuter Tat am 19. Mai 2018 wieder die Stufe 2 des Fahreignungs-Bewertungssystems erreichte, war eine erneute Verwarnung auszusprechen (VG Gelsenkirchen, B.v. 22.11.2018 – 9 L 1691/18 – juris: „Aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 5 Satz 1 StVG („sobald sich in der Summe folgende Punktestände ergeben“) folgt, dass eine Maßnahmestufe zu wiederholen ist, wenn sich der relevante Punktestand durch erneuten Anstieg – in der Summe – neu ergibt“ und BT-Drs. 17/12636, Seite 42). Die Folge der erneuten Verwarnung war, dass sich der Stand von 40 Punkten auf 7 Punkte gem. § 4 Abs. 6 Satz 3 StVG verringerte und der Antragsteller durch die erneut begangene Ordnungswidrigkeit am 2. September 2018 acht Punkte erreichte.
c) Sowohl die Ermahnung als auch die Verwarnungen wurden dem Antragsteller entgegen seiner Ansicht ordnungsgemäß im Wege der Ersatzzustellung gemäß Art. 1 Abs. 5 Var. 2, Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Bayerisches Zustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) i.V.m. § 178 Abs. 1 Nr. 1, § 180 Zivilprozessordnung (ZPO) bereits durch das – mit Postzustellungsurkunde nachgewiesene – Einlegen in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten zugestellt. Der Antragsteller war zum Zeitpunkt der Zustellung der Verwarnung am 12. Januar 2019 noch mit Erstwohnsitz unter der Anschrift in G… gemeldet (vgl. Blatt 60 und 90 der Behördenakte, wonach der Antragsteller laut telefonischer Auskunft der Gemeinde G… mit Hauptwohnsitz dort gemeldet war, was ein Ausdruck des Melderegisters vom 24. September 2019 bestätigte).
Dass der Antragsteller rückwirkend seine Hauptwohnung in G… abmeldete (Datensatz der Meldebehörde zum 15. Oktober 2019 – Blatt 94 der Behördenakte) – und nunmehr angibt, dass es sich hierbei seit 1. November 2018 nicht mehr um die Hauptwohnung handeln solle, ändert nichts an der Tatsache, dass davon auszugehen ist, dass das Verwarnschreiben vom 10. Januar 2019 als ordnungsgemäß bekanntgegeben anzusehen ist, da sich die Berufung des Antragstellers auf eventuelle Zustellungsmängel jedenfalls als unzulässige Rechtsausübung darstellt, denn er hat zurechenbar und vorwerfbar den Anschein geschaffen/aufrechterhalten, unter dieser Adresse noch zu wohnen/erreichbar zu sein (VG Ansbach, B.v. 04.10.2011 – AN 10 S 11.01604 – juris). Der Antragsteller hat es unterlassen, seinen Umzug melderechtlich anzuzeigen. Zwar ließ er durch seine Ehefrau vortragen (Blatt 98 der Behördenakte), dass sie ein solches Schreiben in den Briefkasten der Gemeinde gelegt habe. Das Gericht wertet diese Aussage aber als Schutzbehauptung. Zum einen hätte der Antragsteller selbst dafür sorgen können, dass ein derartiges Schreiben die Gemeinde auf dem Postweg erreicht. Verlässt er sich auf die Weitergabe durch Dritte, so hätte er überprüfen müssen, ob die Abmeldung auch zuverlässig abgegeben wurde. Dass dies offensichtlich nicht der Fall war, zeigt die Tatsache, dass der Antragsteller den Wohnsitz erst rückwirkend abmelden ließ.
Der Antragsteller hat nach seinen Angaben bis auf die Verwarnung vom 10. Januar 2019 alle anderen behördlichen Schreiben erhalten (also die Ermahnung vom 1. Dezember 2016, die Verwarnung vom 13. April 2018 und die Anhörung zur Entziehung der Fahrerlaubnis vom 1. August 2019, welche allesamt an die G…Adresse gerichtet waren). Die Ehefrau des Antragstellers gab hierzu an, sich nicht an ein Schreiben aus dem Januar 2019 zu erinnern bzw. ob ein solches zugestellt wurde (Blatt 92 der Behördenakte). Dass ein Schreiben in den Briefkasten eingelegt wurde, beweist aber die Postzustellungsurkunde. Es ist davon auszugehen, dass eine Weiterleitung des Schreibens – wie übrigens auch der anderen Schreiben – stattgefunden hat. Hierfür spricht nicht zuletzt der Umstand, dass der Antragsteller auf die Mahnung des Landratsamts vom 21. Februar 2019 hin die Gebühr für die Verwarnung bezahlt hat (Schriftsatz des Landratsamts vom 8. Januar 2020). So mahnte das Landratsamt den Antragsteller für die Forderung „… vom 10.01.2019 PN … geb. am … Verwarnung (§ 4 StVG)“ einen Betrag von 27 EUR an, welcher am 25. Februar 2019 bezahlt wurde. Sollte der Antragsteller tatsächlich keine Verwarnung vom 10. Januar 2019 erhalten haben, so erschließt sich nicht, warum er den geforderten Betrag von 27 EUR, ohne bei der Behörde weiter nachzufragen, beglichen hat. Denn in diesem Fall würde es sich für jeden vernünftig Denkenden aufdrängen, bei der zuständigen Behörde darauf hinzuweisen, dass die die Gebührenpflicht auslösende Verwarnung bislang nicht zugegangen ist (so auch Sächsisches OVG, B.v. 29.10.2019 – 3 B 244/19 – juris Rn. 8).
In der Zusammenschau erweist sich die Berufung des Antragstellers auf eine fehlerhafte Ersatzzustellung als rechtsmissbräuchlich und damit unbeachtlich (vgl. etwa BVerfG, B. vom 15.10.2009 – 1 BvR 2333/09 – juris).
Die Entziehung der Fahrerlaubnis auf der Grundlage von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG erweist sich daher als rechtmäßig, ohne dass für die Fahrerlaubnisbehörde ein Ermessen bestanden hätte.
Bei dem Antragsteller bestehen nach Aktenlage auch nicht ausnahmsweise Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kann allenfalls bei ganz außergewöhnlichen Fallgestaltungen zu einer anderen Entscheidung führen. Solche besonderen Umstände ergeben sich nicht aus dem Vortrag des Antragstellers. Das Gericht verkennt nicht, dass der Verlust seiner Fahrerlaubnis für den Antragsteller mit erheblichen Nachteilen und Belastungen verbunden ist. Angesichts des von fahrungeeigneten Verkehrsteilnehmern ausgehenden besonderen Risikos für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und des aus Art. 2 Abs. 2 GG ableitbaren Auftrags zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben ist es dem Betroffenen jedoch zuzumuten, auch gravierende Folgen für seine persönliche und berufliche Lebensführung, die in Einzelfällen bis zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenzgrundlage reichen können, hinzunehmen (VG Düsseldorf, B.v. 28.01.2019 – 6 L 2892/18 – juris).
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage in Bezug auf Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids ist abzulehnen.
2. Ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids wurde nicht gestellt und wäre auch nicht sachdienlich gewesen, da der Antragsteller seinen Führerschein zur Eintragung der fehlenden Fahrberechtigung bereits vorgelegt hat (Blatt 122 der Verwaltungsakte).
3. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Die Höhe des Streitwerts richtet sich nach § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG in Verbindung mit Nr. 1.5, 46,1, 46.3 und 46.4 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57).


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