Verkehrsrecht

Haftungsverteilung bei Kollision eines Einbiegenden mit einem vom Fahrbahnrand anfahrenden Fahrstreifenwechsler

Aktenzeichen  20 O 11779/17

Datum:
10.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
SVR – 2020, 350
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StVO § 7 Abs. 5, § 8, § 10
StVG § 7, § 17, § 18
VVG § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Kommt es bei einem Verkehrsunfall zur Kollision zwischen einem aus einer untergeordneten Straße einbiegenden Verkehrsteilnehmer mit einem auf der bevorrechtigten Straße vom Fahrbahnrand anfahrenden Verkehrsteilnehmer, der sofort auf den linken Fahrstreifen wechselt, ist eine Alleinhaftung des Einbiegenden gerechtfertigt, da § 7 Abs. 5 StVO nur den parallel fließenden Verkehr schützt (s. auch LG München I BeckRS 2019, 46329 Rn. 34 ff.; vgl. aber BGH BeckRS 2018, 14010). (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an die … 11.465,79 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 27.09.2017 zu bezahlen.
2. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an die Klägerin weitere 4.886,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.07.2017, sowie nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 11.465,79 € für den Zeitraum von 07.07.2017 bis 26.09.2017, sowie weitere 1.100,51 € außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 06.09.2017 zu bezahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten darüber hinaus samtverbindlich verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche weiteren Schäden zu ersetzen, die ihr aufgrund des Verkehrsunfalls vom 28.04.2017 gegen 17.45 Uhr auf der R. Straße in M. noch entstehen werden.
4. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 17.096,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Beklagten haften der Klägerin zu 100 % auf den geltend gemachten Sachschaden gemäß den §§ 7, 17, 18 StVG in Verbindung mit 115 VVG und § 249 BGB.
Aufgrund der Anhörung der Parteien und des erholten Sachverständigengutachtens der erfahrenen Sachverständigen Frau Dipl.-Ing. … steht fest, dass der Unfall durch eine Vorfahrtsverletzung des Beklagten zu 1) verursacht wurde.
Sowohl aufgrund der glaubhaften Angaben der beiden glaubwürdigen Unfallbeteiligten, als auch aufgrund des plausiblen und nachvollziehbaren Gutachtens der anerkannten Sachverständigen steht fest, dass es während des Abbiegevorgangs des Beklagtenfahrzeugs zur Kollision kam. Der Beklagte zu 1) hätte den Unfall vermeiden können, wenn er vor dem Einfahren in die stadteinwärts führende R. Straße den gesamten Verkehrsraum beobachtet hätte und die Vorbeifahrt des Klägerfahrzeugs abgewartet hätte. Die Klägerin jedoch hätte den Unfall nur vermeiden können, wenn sie sich im Zuge des Ausparkvorgangs in die rechte Fahrspur eingeordnet hätte und erst später auf die linke Fahrspur gewechselt hätte. Hierzu war sie jedoch nicht verpflichtet, da § 7 Abs. 5 StVO nur den parallel fließenden Verkehr schützt. Zudem überwiegt das Verschulden des Beklagten zu 1) eine mögliche Unaufmerksamkeit der Klägerin bei weitem, da er die Vorfahrt des Klägerfahrzeugs zu beachten hatte.
Durch die Vorlage der Rechnung K5 ist nachgewiesen, dass die Reparatur des Fahrzeugs 11.476,06 € gekostet hat. Dass ein Zahlungsnachweis fehlt, ist unerheblich, denn bereits die Tatsache, dass die Klägerin dieser Forderung ausgesetzt ist, stellt einen ersatzfähigen Schaden dar.
Dass die tatsächlichen Reparaturkosten geringfügig in der Höhe von den gutachterlich geschätzten Reparaturkosten abwich, ist noch im Rahmen. Konkrete Einwendungen gegen einzelne Positionen der Rechnung K5 wurden nicht erhoben.
Durch die Rechnung ist auch nachgewiesen, dass die Reparaturdauer vom 02.05. bis 17.05.2017 dauerte, so dass der Nutzungsausfall von 20 Tagen (Unfalltag war der 18.04.2017) nachgewiesen ist.
Die übrigen geltend gemachten Schadenspositionen waren unstreitig, so dass der Klage insgesamt stattzugeben war.
Nachdem die Vollkaskoversicherung der Klägerin einen Betrag von 11.465,79 € an die Klägerin bezahlt hat, war nach geändertem Klageantrag dieser Betrag der … zuzusprechen.
Auch der Feststellungsantrag war zuzusprechen, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Vollkaskoversicherung die Klägerin höherstuft.
Rechtsanwaltskosten waren ebenfalls gemäß § 249 BGB als Schadensersatz zuzusprechen.
Zinsen sind gemäß den §§ 288, 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB unter Verzugsgesichtspunkten geschuldet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.


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