Verkehrsrecht

Mietwagenkosten, Berufung, Normaltarif, Erstattung, Anspruch, Verfahren, Zeitpunkt, Verzug, Anforderungen, Endurteil, Anmietung, Rechtsprechung, Tarif, Zeitraum

Aktenzeichen  045 S 3345/20

Datum:
22.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 42110
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

2 C 145/20 2020-07-29 Urt AGNOERDLINGEN AG Nördlingen

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Nördlingen vom 29.07.2020, Az. 2 C 145/20, abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.308,77 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 25.09.2019 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 97,23 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 06.12.2019 zu bezahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits sowie die Kosten der Nebenintervention zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis zu 1.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I. Hinsichtlich des Sachverhalts wird auf das Endurteil des Amtsgerichts Nördlingen vom 29.07.2020 Bezug genommen.
Im Berufungsverfahren beantragt die Klagepartei sowie die Streithelferin:
1. Das Urteil des Amtsgerichts Nördlingen vom 12.08.2020 im Verfahren 2 C 145/20 – wird abgeändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2308,77 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 25.09.2019 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 97,23 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.12.2019 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
II. Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
Auf die Berufung des Klägers war das Endurteil des Amtsgerichts Nördlingen abzuändern und der Klage in vollem Umfang stattzugeben.
1. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung der Mietwagenkosten in voller Höhe unter Schadensersatzgesichtspunkten.
Als erforderlicher Herstellungsaufwand i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB sind diejenigen Mietwagenkosten anzusehen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (BGH, u.a. Urteil vom 09.05.2006, Az. VI ZR 117/05) Übersteigen die tatsächlich angefallenen Mietwagenkosten den auf dem örtlich relevanten Markt erhältlichen günstigsten Mietpreis, so können diese dann ersetzt verlangt werden, wenn der Geschädigte darlegt und beweist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war (BGH, a.a.O.; BGH, Urteil vom 18.12.2012, Az. VI ZR 316/11). Dies ist dem Kläger vorliegend gelungen. Dem Erstgericht ist nur insoweit zuzustimmen, dass es grundsätzlich dem Geschädigten obliegt, einen Preisvergleich durchzuführen und sich selbst zu vergewissern, dass es kein günstigeres Angebot gibt. Das Gericht ist dabei grundsätzlich (ebenso wie das Landgericht Augsburg im Verfahren 072 S 1216/18) der Auffassung, dass es hierbei keinen Unterschied macht, ob der Kläger in eigener Person telefonisch alternative Angebote anderer Anbieter erfragt oder ob diese Anfragen von der Zeugin als Mitarbeiterin der Streithelferin für den Kläger vorgenommen und diesem im Anschluss erläutert werden Entscheidend ist hierbei allein, dass sich jedenfalls auch der Geschädigte mit den auf diese Weise erhaltenen Informationen selbst auseinandersetzt. Mit anderen Worten: Es macht keinen Unterschied, ob der Kläger selbst zum Telefonhörer greift oder eine Internetabfrage startet oder, ob er dies durch eine dritte Person erledigen lässt, die ihm dann die so gewonnenen Informationen offenlegt. Die Zeugin … die ruhig und sachlich aussagte und insgesamt glaubwürdig erschien, gab dem Gericnt gegenüber glaubhaft an, dass sie für den Kläger telefonisch die Preisabfragen bei den Firmen Europcar und Sixt durchgeführt hat und dem Kläger diese vor Abschluss des streitgegenständlichen Fahrzeugmietvertrages vorgelegt wurden.
Die Einvernahme der Zeugin … hat zudem zur Überzeugung des Gerichts die Behauptung des Klägers bestätigt, dass es ihm unter den tatsächlichen Bedingungen auf Grundlage der beiden Tariflisten anderer Mietwagenfirmen nicht möglich war, einen günstigeren Tarif bei einem anderen Anbieter zu erhalten. Die Nachfrage bei den beiden in dieser Region führenden Mietwagenanbietern wird dabei als ausreichend erachtet. Dem Geschädigten ist es jedenfalls nicht zumutbar, eine regelrechte Marktforschung zu betreiben (OLG Stuttgart. Urteil vom 31.03.1994 – 7 U 296/93). Für den Kläger war auch nicht von vornherein ohne weiteres erkennbar, dass vom erforderlichen Zeitraum oder von der beabsichtigten Fahrstrecke her gesehen besonders hohe Mietwagenkosten entstehen könnten. Bereits aus diesem Grund ist daher für eine Schätzung – wie sie das Erstgericht vorgenommen hat – kein Raum. Das Vorgehen im konkreten Fall hat den Anforderungen, die nach der o.g. Rechtsprechung vom Unfallgeschädigten im Rahmen des Zumutbaren erwartet werden, jedenfalls noch entsprochen. Dass die für die Anmietung bei der Streithelferin angefallenen Kosten ggf. über dem Normaltarif lagen und es vermutlich auch zum Zeitpunkt der Anmietung bei weitergehender Recherche günstigere Angebote gegeben hätte, ist deshalb nicht entscheidungserheblich.
2. Die Zinsforderung des Klägers ergibt sich aus §§ 280, 286, 288 BGB.
3. Der Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren ergibt sich ebenfalls aus Verzug gem. §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB.
III. Die Kostenentscheidung basiert auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 101 ZPO


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