Verkehrsrecht

Neuerteilung der Fahrerlaubnis

Aktenzeichen  Au 7 K 15.1883

Datum:
18.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FeV FeV § 11 Abs. 8 S. 1, § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, § 20 Abs. 1
VwGO VwGO § 113 Abs. 1 S. 4

 

Leitsatz

Einer Feststellungsklage des Inhalts, dass eine Gutachtensanordnung nicht erforderlich sei, fehlt das Fortsetzungsfeststellungsinteresse, da eine rechtmäßige Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens keine diskriminierende Wirkung auszulösen vermag und es abgesehen davon an der nötigen Außenwirkung fehlt (Anschluss BVerwG BeckRS 2013, 54743). (redaktioneller Leitsatz)
Auch wenn § 11 Abs. 8 S. 1 FeV im Wortlaut des § 14 Abs. 1 FeV nicht ausdrücklich aufgenommen ist, spricht Sinn und Zweck der Regelung dafür, auch in derartigen Fällen eine Gutachtensanordnung nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 iVm § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 FeV zuzulassen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Gemäß § 101 Abs. 2 VwGO konnte die Entscheidung im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergehen.
1) Die Klage ist im Hinblick auf den unter Ziffer II. geltend gemachten Feststellungsantrag unzulässig. Die allgemeine Feststellungsklage ist gegenüber der hier ebenfalls erhobenen Verpflichtungsklage nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO subsidiär. Darüber hinaus fehlt es am Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO. Insbesondere kann der Kläger kein Rehabilitationsinteresse geltend machen, da eine rechtmäßige Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens keine diskriminierende Wirkung auszulösen vermag und es abgesehen davon an der nötigen Außenwirkung fehlt (BVerwG, U. v. 16.5.2013 – 8 C 20.12 – ZfWG 2013, 454; BayVGH, B. v. 25.4.2014 – 12 ZB 13.1197 – Rn. 10).
2) Hinsichtlich des Begehrens, die Beklagte zur Neuerteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen B, AM und L an den Kläger zu verpflichten, ist die Klage zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Fahrerlaubnis und wird daher durch den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2015 nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Die Voraussetzungen für die neue Erteilung einer Fahrerlaubnis entsprechen gemäß § 20 Abs. 1 FeV denen einer Ersterteilung. Diese setzt nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) unter anderem voraus, dass der Bewerber zum Führen von Kraftfahrzeugen „geeignet“ ist. Geeignet in diesem Sinne ist nach § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) erfüllt ein Bewerber diese Anforderungen dann nicht, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 der FeV vorliegt, der die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausschließt. In Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV wird ausgeführt, dass die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bei Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) nicht besteht (ausgenommen Cannabis).
Die Ablehnung des Neuerteilungsantrags vom 15. Dezember 2015 erfolgte zu Recht. Da die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 11. September 2015 nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV rechtmäßig war, durfte die Beklagte als Folge der nicht erfolgten Gutachtensbeibringung durch den Kläger nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf dessen Nichteignung schließen (BVerwG, U. v. 5.7.2001 – 3 C 13/01, B. v. 5.2.2015 – 3 B 16/14, BayVGH, U. v. 7.5.2001 – 11 B 99.2527, jeweils in juris; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 11 FeV, Rn. 55). Der Kläger wurde auch auf diese rechtliche Folge hingewiesen (§ 11 Abs. 8 Satz 2 FeV).
Nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 FeV ist die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn die Fahrerlaubnis aus einem der in Absatz 1 genannten Gründe durch die Fahrerlaubnisbehörde entzogen worden war. Die Beklagte stützte die Beibringung des medizinisch-psychologischen Gutachtens auf § 14 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV, welche die Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des BtMG zugrunde legen. Vorliegend wurde dem Kläger die Fahrerlaubnis im vorangegangenen Entziehungsverfahren aber nicht wegen dem positivem Nachweis des Betäubungsmittelkonsums entzogen, sondern wegen der Rechtswirkung des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV. Zwar ist diese Norm im Wortlaut des § 14 Abs. 1 FeV nicht ausdrücklich aufgenommen, allerdings sprechen Sinn und Zweck der Regelung des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV dafür auch in derartigen Fällen eine Gutachtensanordnung nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV zuzulassen. Durch § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV soll erreicht werden, dass der Betroffene nicht durch grundlose Verweigerung der Gutachtensvorlage einen ihm bekannten Eignungsmangel verbergen kann. Er soll sich durch die Nichtvorlage also keinen Vorteil verschaffen können (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 11 FeV Rn. 51; OVG Saarlouis, B. v. 22.11.2000 – 9 W 6/00 – NVwZ-RR 01 606; OVG Bautzen, B. v. 8.11.2001 – 3 BS 136/01 – DAR 02 234; OVG Münster, B. v. 15.3.2002 – 19 B 405/02 – DAR 03 283). Eine andere Sichtweise würde zu unbilligen Ergebnissen führen, da ansonsten ein Antragsteller, für den im Entziehungsverfahren wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV angeordnet wurde, im Wissen, dass ihm so der Konsum nachgewiesen werden könnte, durch seine Weigerung im Entziehungsverfahren ein medizinisch-psychologisches Gutachten im Neuerteilungsverfahren vermeiden könnte.
Auch das von der Prozessbevollmächtigten des Klägers zitierte Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof München (BayVGH, U. v. 2.12.2011 – 11 B 11.246 – juris) führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn im Rahmen der Folgeentscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, U. v. 21.3.2013 – 3 C 6/12 – NZV 2013, 462) hat der erkennende Senat im Rahmen eines obiter dictum geäußert, dass er zu der Auffassung tendiert, dass der durch § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV erlaubte Schluss auf die Nichteignung, der zur Entziehung der Fahrerlaubnis geführt hat, zugleich bedeutet, dass auch im Neuerteilungsverfahren ein medizinisch-psychologisches Gutachten angefordert werden darf. Das erkennende Gericht schließt sich dieser Ansicht an.
Da der Kläger das zu Recht angeforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht termingerecht vorgelegt hat, war der Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StVG i. V. m. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV abzulehnen.
Nicht entscheidungsrelevant war die Frage, ob die Anordnung des fachärztlichen Gutachtens vom 19. Januar 2015 im Sinne der § 46 Abs. 3 FeV i. V. m. § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV in korrekter Weise erfolgte. Der Kläger hätte sich gegen die Entziehungsverfügung vom 5. Juni 2015 wenden müssen, was aufgrund eines Rechtsmittelverzichts nicht geschah. Somit kann er mit seinem Vorbringen, die Beklagte habe hinsichtlich der Gutachtensanordnung im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 2 FeV ihr Ermessen nicht genügend ausgeübt, nicht durchdringen. Offen bleiben kann damit auch die von den Parteien diskutierte Frage, ob die Fahrerlaubnisbehörde aufgrund der am 14. Februar 2014 im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung gefundenen Zigarettenhülsen auf einen Konsum des Klägers schließen durfte.
Die Klage war dabei mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg,
Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder
Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Wert des Streitgegenstands wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG und der Empfehlung Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).


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