Verkehrsrecht

Punktesystem – Intertemporales Recht bei Altverstößen

Aktenzeichen  B 1 K 17.1025

Datum:
17.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 28261
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG § 3, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3, S. 5, § 29 Abs. 7 S. 1, § 65 Abs. 3

 

Leitsatz

Die Tilgung von Entscheidungen, die unter der Geltung des § 28 StVG in der Fassung bis zum 30. April 2014 einzutragen waren, richtet sich nach § 65 Abs. 3 StVG. Handelt es sich bei den vorliegend bis zum 30. April 2014 eingetragenen Entscheidungen um solche, die auch nach neuem Recht einzutragen wären, ist § 65 Abs. 3 Nr. 2 StVG maßgebend. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Über den Rechtsstreit kann durch Gerichtsbescheid entschieden werden. Gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
2. Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid des Landratsamts … vom 11. Dezember 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
In der Sache selbst schließt sich das Gericht zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen im Wesentlichen zunächst den Gründen des angefochtenen Bescheides an und sieht von einer gesonderten Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 84 Abs. 1 Satz 3, § 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend ist zur Sache sowie zum Klagevorbringen noch Folgendes auszuführen:
Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG gilt der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, wenn sich acht oder mehr Punkte nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem ergeben und er vorher das Stufensystem (Ermahnung und Verwarnung) korrekt durchlaufen hat. Für die Entziehung der Fahrerlaubnis hat die Behörde auf den Punktestand abzustellen, der sich zum Zeitpunkt der Begehung der letzten zur Ergreifung der Maßnahme führenden Straftat oder Ordnungswidrigkeit ergeben hat (§ 4 Abs. 5 Satz 5 StVG). Punkte ergeben sich mit der Begehung der Straftat oder Ordnungswidrigkeit, sofern sie rechtskräftig geahndet wird (§ 4 Abs. 2 Satz 3 StVG). Bei der Berechnung des Punktestands werden Zuwiderhandlungen unabhängig davon berücksichtigt, ob nach deren Begehung bereits Maßnahmen ergriffen worden sind, und dann berücksichtigt, wenn deren Tilgungsfrist zu dem in § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG genannten Zeitpunkt noch nicht abgelaufen ist (§ 4 Abs. 5 Satz 6 StVG). Spätere Verringerungen des Punktestands auf Grund von Tilgungen bleiben unberücksichtigt (§ 4 Abs. 5 Satz 7 StVG).
Das Landratsamt … ist zu Recht beim Kläger von einem Punktestand von 9 Punkten nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem ausgegangen und hat ihm auf der Grundlage des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG nach vorheriger Anhörung die Fahrerlaubnis entzogen.
Entgegen der Auffassung des Klägers waren die Ordnungswidrigkeiten vom 21. November 2012, 8. Dezember 2012 und 12. September 2013 bei der Ermittlung des Punktestandes zu berücksichtigen, da sie noch nicht getilgt waren.
Die Tilgung von Entscheidungen, die unter der Geltung des § 28 StVG in der Fassung bis zum 30. April 2014 einzutragen waren, richtet sich nach § 65 Abs. 3 StVG. Maßgeblich ist im vorliegenden Fall allein § 65 Abs. 3 Nr. 2 StVG, weil es sich bei den vorliegend bis zum 30. April 2014 eingetragenen Entscheidungen (Fahrerlaubnisentzug vom 26. April 2007, Ordnungswidrigkeiten vom 21. November 2012, 8. Dezember 2012 und 12. September 2013) um solche handelt, die auch nach neuem Recht einzutragen wären (vgl. § 28 Abs. 3 Nr. 6 StVG bezüglich der Entziehung der Fahrerlaubnis; § 28 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a) bb) StVG bezüglich der Ordnungswidrigkeiten). Die Tilgung dieser Eintragungen erfolgt damit nach § 29 StVG a.F., wobei insbesondere zu berücksichtigen ist, dass nach der damaligen Rechtslage die sog. Tilgungshemmung (§ 29 Abs. 6 StVG a.F.) zum Tragen kommt. Der Entzug der Fahrerlaubnis im Jahr 2007 unterliegt einer Tilgungsfrist von 10 Jahren (§ 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVG a.F.), beginnend mit der Neuerteilung der Fahrerlaubnis (§ 29 Abs. 5 Satz 1 StVG a.F.). Mithin war die Eintragung der Entziehung der Fahrerlaubnis des Klägers bis zum 26. November 2017 (Neuerteilung am 26. November 2007) zu berücksichtigen mit der Folge, dass auch die Tilgung der Ordnungswidrigkeiten der Jahre 2012 und 2013 bis zu diesem Zeitpunkt gehemmt war und diese Eintragungen zur Berechnung des Punktestandes mit dem Stichtag 14. November 2016 (Tattag der letzten Ordnungswidrigkeit, die zur streitgegenständlichen Maßnahme geführt hat, vgl. § 4 Abs. 5 Satz 5 StVG) zu berücksichtigen waren.
Die Umrechnung des alten Punktestandes in den neuen Punktestand nach Überführung in das Fahreignungs-Bewertungssystem ist nicht zu beanstanden. Für den Kläger ergab sich damit am 1. Mai 2014 ein Punktestand von zwei Punkten. Die jeweils richtigerweise mit einem Punkt bewerteten Ordnungswidrigkeiten der Jahre 2014 bis einschließlich 2016 unterliegen der Tilgungsfrist des § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) StVG n.F. von zwei Jahren und sechs Monaten, beginnend mit der Rechtskraft der jeweiligen Entscheidung (§ 29 Abs. 4 Nr. 3 StVG n.F.), die in allen Fällen zum Zeitpunkt der letzten Tatbegehung (14. November 2016) noch nicht abgelaufen war. Damit waren diese Eintragungen zur Berechnung des Punktestandes mit zu berücksichtigen, so dass sich für den Kläger am 14. November 2016 ein Punktestand von 9 Punkten ergab.
Das Stufensystem des § 4 Abs. 5 StVG (Ermahnung und Verwarnung) wurde ordnungsgemäß durchlaufen. Insbesondere wurde der Kläger auf die Möglichkeit der Teilnahme an einem Fahreignungsseminar und damit verbunden die Reduzierung des Punktestandes auf der Stufe der Ermahnung hingewiesen, ebenso darauf, dass auf der Stufe der Verwarnung eine Reduzierung nicht mehr möglich ist und beim Erreichen von 8 Punkten eine Entziehung der Fahrerlaubnis erfolgt. Ein Ermessen steht der Behörde hierbei nicht zu.
Die Pflicht, den Führerschein abzuliefern, ergibt sich als Folge der Entziehung der Fahrerlaubnis aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG und § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 FeV. Das Zwangsgeld ist rechtmäßig auf der Grundlage von Art. 29 ff. VwZVG angedroht worden. Die Verwaltungsgebühr und die Auslagen sind auf der Grundlage von §§ 1,2 und 4 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) erhoben worden. Die Gebühren halten sich in dem durch den Gebührentarif für Maßnahmen im Straßenverkehr gezogenen Rahmen.
3. Die Klage ist daher mit der Rechtsfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der Kläger als unterliegende Partei die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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