Verkehrsrecht

Rechtmäßige Entziehung der Fahrerlaubnis

Aktenzeichen  M 6 S 16.3406

Datum:
13.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG StVG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 3
FeV FeV § 46 Abs. 1

 

Leitsatz

Der Einwand, eine dritte Person habe den zur Entziehung der Fahrerlaubnis führenden Verkehrsverstoß begangen, greift nicht durch, wenn sich aus der entsprechenden Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes ergibt, dass der Betroffene als Fahrer des Pkw festgestellt worden ist. Hierzu ist nämlich erforderlich, den Fahrer anzuhalten und seine Identität zu überprüfen.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller war Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klasse B samt Unterklassen.
Am … Mai 2014 wurden die bis dahin im vormaligen Verkehrszentralregister für den Antragsteller eingetragenen Verkehrsverstöße nach Maßgabe des neuen Fahreignungs-Bewertungssystems von ehemals 8 Punkten in 4 Punkte umgerechnet.
Durch Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamts vom … Mai 2014 erfuhr die Fahrerlaubnisbehörde von der Verkehrszuwiderhandlung (verbotswidrige Nutzung eines Mobiltelefons), die der Antragsteller am … Januar 2014 begangen hatte. Sie wurde durch Bescheid vom … März 2014, rechtskräftig seit … März 2014, mit einem Bußgeld geahndet und am … Mai 2014 in das Fahreignungsregister eingetragen. Die Fahrerlaubnisbehörde der Antragsgegnerin bewertete den Verstoß mit 1 Punkt und ermahnte den Antragsteller mit Schreiben vom … Juni 2014, zugestellt am … Juni 2014, weil sich nunmehr für ihn 5 Punkte ergaben, nach Maßgabe des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Straßenverkehrsgesetz – StVG -. Durch Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamts vom … März 2015 erfuhr die Fahrerlaubnisbehörde von einem weiterem Verkehrsverstoß des Antragstellers (Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit), den dieser am … November 2014 begangen hatte und der durch Bußgeldbescheid vom … Februar 2015, rechtskräftig seit … März 2015, geahndet wurde. Da sie diesen Verstoß mit 1 Punkt bewertete und sich somit für den Antragsteller insgesamt 6 Punkte ergaben, verwarnte ihn die Behörde nach Maßgabe des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 StVG mit Schreiben vom … Mai 2015, zugestellt am … Mai 2015. Vor diesem Verkehrsverstoß hatte der Antragsteller am … März 2014 einen weiteren begangen (verbotene Benutzung eines Mobiltelefons), der durch Bußgeldbescheid vom … April 2014, rechtskräftig seit … Mai 2014 und im Fahreignungsregister eingetragen am … Juni 2014, geahndet worden war. Die Behörde hatte jedoch im Zeitpunkt der Ermahnung hiervon keine Kenntnis.
In der Folgezeit beging der Antragsteller zwei weitere Verkehrsverstöße: Am … März 2015 benutzte er erneut verbotswidrig ein Mobiltelefon als Führer eines Kraftfahrzeugs, was mit Bußgeldbescheid vom … Mai 2015, rechtskräftig seit … Mai 2015, geahndet und von der Fahrerlaubnisbehörde mit 1 Punkt bewertet wurde. Ebenso bewertet wurde der Verkehrsverstoß vom … Juni 2015 (wiederum verbotswidrige Benutzung eines Mobiltelefons, geahndet mit Bußgeldbescheid vom …9.2015, rechtskräftig seit …10.2015).
Da sich ihrer Auffassung nach nunmehr für den Antragsteller insgesamt 8 Punkte im Fahreignungsregister ergaben, hörte ihn die Fahrerlaubnisbehörde mit Schreiben vom … Februar 2016 zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an. Daraufhin bestellte sich der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben vom … Februar 2016 und trug insbesondere vor, es sei beabsichtigt, gegen drei Bußgeldbescheide vorzugehen und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragten. Es bestehe der dringende Verdacht, dass eine fremde dritte Person auf den Namen des Antragstellers Punkte sammle. Dem Antragsteller drohe die Kündigung seitens des Arbeitsgebers, falls ihm die Fahrerlaubnis entzogen werde. Es wurde um angemessene Verlängerung der am … Februar 2016 auslaufenden Äußerungsfrist gebeten und mit Schreiben vom … Juni 2016 um erneute Fristverlängerung; eine weitere Äußerung zur Sache erfolgte nicht.
Die Antragsgegnerin gewährte mit Schreiben vom … Juni 2016 nochmals Fristverlängerung bis … Juni 2016 und entzog nach deren Ablauf mit Bescheid vom 7. Juli 2016, zugestellt am … Juli 2016, dem Antragsteller der Fahrerlaubnis aller Klassen (Nr. 1 des Bescheids), gab ihm auf, seinen Führerschein innerhalb einer Woche ab Zustellung dieses Schreibens bei der Fahrerlaubnisbehörde abzuliefern (Nr. 2), drohte ihn für den Fall der nicht fristgerechten Abgabe des Führerscheins ein Zwangsgeld in Höhe von a. Euro an (Nr. 3) und wies daraufhin, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis kraft Gesetzes sofort vollziehbar sei (Nr. 4). Die Nrn. 5 und 6 des Bescheides enthalten die Kostenentscheidung. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller habe sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG), so dass ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen sei (§ 3 Abs. 1 StVG i. V. m. § 46 Abs. 1 Fahrerlaubnisverordnung – FeV -). Auf die Gründe des Bescheids wird vollinhaltlich Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 VwGO).
Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller am … August 2016 zur Niederschrift beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage mit dem Antrag, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. Juli 2016 aufzuheben. Des Weiteren beantragte er,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, der Verkehrsvorstoß vom … Juni 2015, der letztlich zur Entziehung der Fahrerlaubnis geführt habe, sei nicht von ihm begangen worden. Er sei an diesem Tag um a… Uhr mit einem Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen a. … unterwegs gewesen. Ein Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen b… … kenne er nicht. Er sei beruflich in A. gewesen und nicht in der … Straße in B. Dies könne ein Hausmeister in der …allee bezeugen. Den Führerschein benötige er beruflich und zur Ernährung seiner Familie. Auf das Vorbringen des Antragstellers im Übrigen wird ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 VwGO).
Über die unter dem Aktenzeichen M 6 K 16.3405 geführte Klage wurde bislang nicht entschieden.
Die Antragsgegnerin legte mit Schreiben vom 26. August 2016, eingegangen am 30. August 2016, ihre Verwaltungsakten vor und beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Durch Beschluss vom 13. September 2016 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen (§ 6 Abs. 1 VwGO).
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren sowie im Verfahren M 6 K 16.3405 und die Verwaltungsakten ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 VwGO).
II.
Der Antrag ist zulässig, jedoch unbegründet.
1. Nach § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt zum einen, wenn die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten angeordnet hat. Die aufschiebende Wirkung entfällt aber auch dann, wenn dies gesetzlich angeordnet ist (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 – 3 VwGO).
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 – 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessensabwägung.
2. Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall war der Antrag abzulehnen, weil sich bei der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. Juli 2016 als rechtmäßig erweist, so dass die gegen ihn erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird. In einem solchen Fall hat es bei der – vorliegend kraft Gesetzes gegebenen – sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheides zu verbleiben.
Zur Begründung der vorliegenden Entscheidung nimmt das Gericht vollumfänglich Bezug auf die rechtlichen Ausführungen im Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. Juli 2016 und macht sich diese zu Eigen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Die Behörde legt darin insbesondere zutreffend dar, dass sie die nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nrn. 1 und 2 StVG vorgeschriebenen Maßnahmen ordnungsgemäß ergriffen und diese mit den vorgeschriebenen Hinweisen nach § 4 Abs. 5 Satz 2 StVG verbunden hat. Außerdem hat sie den zu berücksichtigenden Punktestand des Antragstellers nach Maßgabe des § 4 Abs. 6 Satz 2 StVG für den Zeitpunkt der Ermahnung am … Juni 2014 zutreffend von den eigentlich aufgrund der Tat vom … März 2014 sich ergebenden 6 Punkten auf 5 Punkte reduziert.
Die Einwendungen des Antragstellers gegen die Richtigkeit des Vorgehens der Fahrerlaubnisbehörde und letztlich die Entziehung der Fahrerlaubnis greifen nicht durch.
Zunächst ist festzustellen, dass es zum angekündigten Wiederaufnahmeverfahren bzw. zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in den Bußgeldverfahren offensichtlich nicht gekommen ist. Zutreffend weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass sie kraft Gesetzes (§ 4 Abs. 5 Satz 4 StVG) an straf- oder bußgeldrechtliche Entscheidungen gebunden ist, wenn und solange diese rechtskräftig sind.
Auch der Vortrag des Antragstellers, insbesondere die Tat vom … Juni 2015 sei nicht von ihm begangen worden, erweist sich bereits bei summarischer Prüfung als unwahr. So ergibt sich bereits aus der Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamts über diesen Verkehrsverstoß, dass der Antragsteller als Fahrer des Pkw festgestellt worden ist. Das wäre schlicht nicht möglich, wenn das Telefonieren nur von außen beobachtet worden und der Antragsteller nicht angehalten sowie auf seine Identität überprüft worden wäre. Dies ist tatsächlich auch geschehen, wie sich aus den Unterlagen über das Bußgeldverfahren ergibt, welche die Antragsgegnerin mit Schreiben vom … September 2016 zu den Behördenakten nachgereicht hat. Aus dem gegenüber dem Antragsteller ergangenen und diesem unstreitig auch zugegangenen Bußgeldbescheid selbst geht bereits hervor, dass der Tatvorwurf sich auch aus den Angaben des Betroffenen ergeben habe. Außerdem wäre es wohl schlicht undenkbar, ihn als Führer des Kraftfahrzeugs festzustellen, ohne ihn anzuhalten und die Vorlage seiner Identifizierung dienender Dokumente zu verlangen. Folgerichtig geht aus dem Erfassungsbeleg (Seite 2) eindeutig hervor, dass der Antragsteller als „Führer des Kraftfahrzeugs“ mit dem amtlichen Kennzeichen b. … am … Juni 2015 um a. Uhr durch zwei Polizeibeamte angehalten und aufgrund des von ihm vorgelegten Führerscheins identifiziert wurde. Da der Führerschein ein Lichtbild enthält, ist eine Verwechslung mit einer dritten Person nicht anzunehmen. Des Weiteren ist in dem Erfassungsbogen vermerkt, der Antragsteller habe den Verkehrsverstoß zugegeben. Nach alledem kann sein gegenteiliger Vortrag nicht der Wahrheit entsprechen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Rechtsgrundlage in § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG – i. V. m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Stand 2013).


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