Verkehrsrecht

teilweise Entziehung der Fahrerlaubnis rechtmäßig, kraftfahrtechnisches Eignungsgutachten

Aktenzeichen  B 1 S 21.1014

Datum:
29.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41372
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
§ 46 Abs. 2 S. 1 FeV – § 11 Abs. 4 Nr. 2 FeV – § 6 Abs. 1 S. 1 FeV in der Fassung vom 13.12.2010 – § 25 Abs. 3 FeV

 

Leitsatz

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wird bezüglich der Entziehung der Fahrerlaubnis der Klasse S in Ziffer I des Bescheids des Landratsamts … vom 7. September 2021 wiederhergestellt, soweit Klasse S zum Führen von leichten vierrädrigen Kraftfahrzeugen der Klasse L6e nach Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe f der Verordnung (EU) Nr. 168/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2013 über die Genehmigung und Marktüberwachung von zwei- oder dreirädrigen und vierrädrigen Fahrzeugen (ABl. L 60 vom 2.3.2013, S. 52) berechtigt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu 4/5 und der Antragsgegner zu 1/5.
3. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Entzugs seiner Fahrerlaubnis der Klassen A18, A1, L, M und S durch das Landratsamt … (Landratsamt).
Das Landratsamt erfuhr von einem Aufenthalt des Antragstellers in der … Klinik und forderte diesen auf, den Entlassbericht zu übersenden, da Zweifel an der Fahreignung bestünden. Der Antragsteller übersandte sodann unter anderem folgende Unterlagen:
– MVZ …, Schwerpunktpraxis für Neurologie, Neurochirurgie, Psychiatrie und Psychotherapie vom 17. April 2020 (fachärztliches Attest zur Vorlage beim Landratsamt): Es sei bereits eine neuropsychologische Stellungnahme bezüglich der Fahrtüchtigkeit bei Z.n. offenem Schädelhirntrauma am 5. April 2019 erfolgt mit dem Ergebnis, dass die kognitive Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges bestehe. Im Nachsorgezentrum … sei zudem eine Testung der Reaktionsfähigkeit, Konzentrationsleistung, Orientierungsleistung, Belastbarkeit und Aufmerksamkeitsleistung erfolgt, die der Antragsteller ebenfalls nach FeV Anlage 5 Nr. 2 bestanden habe. Eine Einschränkung der Fahrtüchtigkeit bestehe nicht, wenn ophthalmologisch kein Defizit bestehe.
– Nachsorgezentrum … (3. September 2020); ärztlicher Verlängerungsantrag/ Zwischenbefundbericht; Klinische Diagnosen: armbetonte Hemiparese links, leichtgradige Hemihypästhesie linke Körperhälfte, hirnorganisches Psychosyndrom mit Affektstörung, Subluxation linke Schulter.
– neuropsychologische Stellungnahme vom 6. April 2020: Überprüfung der Fahreignung nach erworbener Hirnschädigung am 5. April 2019. Befund der Fahreignungsuntersuchung nach FeV Anlage 5 Nr. 2: Der Antragsteller habe sich im März 2020 zweimal einer Leistungsuntersuchung unterzogen. Die kognitive Eignung zum Führen von Fahrzeugen bestehe.
Am 18. März 2021 ging beim Landratsamt eine Mitteilung der Polizeiinspektion … ein. Es bestünden Zweifel an der uneingeschränkten Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen, insbesondere von zweirädrigen Kfz. Hintergrund war eine Verkehrsunfallanzeige des Antragstellers. Es werde angemerkt, dass der Antragsteller nach einem Unfall in seiner Motorik halbseitig (linke Körperhälfte) eingeschränkt sei. Nach eigenen Angaben sei er in der Lage einen Pkw (Automatikgetriebe) zu führen.
Das Landratsamt forderte den Antragsteller mit Schreiben vom 22. März 2021 zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens eines Facharztes mit der Gebietsbezeichnung Neurologie/Psychiatrie mit verkehrsmedizinischer Qualifikation über die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klassen A18, A1, B, BE, L, M und S auf der Grundlage von § 46 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 1, 2 und 3 Nr. 1 FeV i.V.m. Anlage 4 Nr. 7.2 FeV auf. Nach den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung handele es sich bei dem hirnorganischen Psychosyndrom um Folgen von Hirnschäden bzw. Hirnfunktionsstörungen, die die für das Führen eines Kraftfahrzeugs notwendigen psychischen und motorischen Fähigkeiten herabsetzen könnten. Die Beurteilung, ob die Voraussetzungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 vorliegen, sei von der Art und Schwere eines hirnorganischen Psychosyndroms abhängig zu machen. Laut dem ärztlichen Attest des Dr. med. G. vom 17. April 2020 hätte der Antragsteller die Testung der kognitiven Leistungsfähigkeit bestanden. Hinsichtlich der Fahreignung sei es aber notwendig, die Beurteilung von einem unabhängigen Arzt mit verkehrsmedizinischer Qualifikation durchführen zu lassen. Auch bei gegebener Fahreignung könnten im Hinblick auf eine Verschlechterung der Symptomatik Nachuntersuchungen für die Zukunft erforderlich sein, die ebenfalls von einem Verkehrsmediziner festzulegen seien.
Der Kläger legte ein verkehrsmedizinisches Gutachten vom 19. April 2021 vor. Der Gutachter Dr. med. H. kommt darin zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller trotz des hirnorganischen Psychosyndroms in der Lage ist, den Anforderungen zum Führen von Kraftahrzeugen der Klassen A18, A1, B, BE, L, M und S gerecht zu werden. Die Beeinträchtigungen durch das hirnorganische Psychosyndrom seien als leicht zu bewerten. Eine ausreichende Compliance liege vor. Eine fachliche einzelfallbegründete Nachuntersuchung in Form einer erneuten Nachbegutachtung sei nicht erforderlich, falls sich keine Ereignisse einstellten, die zu einer Neubewertung des Zustands führen sollten (z.B. erneutes Schädel-Hirn-Trauma). Die Unfallursache liege bereits zwei Jahre zurück. Bei dieser Zeitspanne sei davon auszugehen, dass die neuropsychologischen Defizite konsolidiert seien und keine weitere Verschlechterung zu befürchten sei. Hinsichtlich des hirnorganischen Psychosyndroms seien keine Auflagen erforderlich. Bezüglich der körperlichen Einschränkungen mit spastischer Hemiparese links müsse entsprechend der körperlichen Einschränkungen das Fahrzeug geeignet sein, alle relevanten Funktionen mit der rechten Körperhälfte bedienen zu können.
Mit Schreiben an den Bevollmächtigten des Antragstellers vom 31. Mai 2021 forderte das Landratsamt den Antragsteller auf der Grundlage von § 11 Abs. 4 Nr. 2 FeV auf, bis zum 30. Juli 2021 ein kraftfahrtechnisches Gutachten eines technischen Überwachungsvereins (TÜV) zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klassen A18, A1, B, BE, L, M und S beizubringen. Es solle durch eine Fahrprobe geklärt werden, ob der Antragsteller aufgrund seiner Bewegungseinschränkungen bedingt durch eine spastische Hemiparese links Fahrzeuge der Klassen A18, A1, B, BE, L, M und S sicher führen könne. Nach den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung müsse bei einer Lähmung einer Körperhälfte oder einzelner Gliedmaßen durch ein Gutachten abgeklärt werden, ob ein Fahrzeug mit entsprechenden Auflagen sicher bedient werden könne. Zudem sei laut den Begutachtungsleitlinien das Führen von Krafträdern bei einer Lähmung des linken Arms bzw. der Körperhälfte nicht mehr möglich.
Der Antragsteller legte das Gutachten der TÜV .. A. Service GmbH vom 7. Juli 2021 vor. Der Antragsteller könne mit dem linken Arm und Bein keine sichere Fahrzeugbedienung ausüben. Aus technischer Sicht würden folgende Auflagen/Beschränkungen mit Schlüsselzahlen nach Anlage 9 FeV vorgeschlagen:
1) Beschränkung der Fahrerlaubnis auf mehrspurige Kraftwagen der Klasse B, BE mit automatischer Kraftübertragung (keine Klassen L, AM) (73), (78)
2) bis 5) Beschreibung von Auflagen
6) keine motorisierten Zweiradfahrzeuge bzw. Fahrzeuge mit Zweiradlenker (keine Klassen A, A1, A2 und AM), (keine Quads/Trikes) (177).
Einem Vermerk des Landratsamts ist zu entnehmen, dass der Antragsteller um Überprüfung bat, ob durch eine erneute Begutachtung bestehende Mängel für die Klasse L ausgeräumt werden könnten, da er auf Grund seiner Tätigkeit in der Landwirtschaft auf die Klasse L nicht verzichten könne. Der Gutachter habe am 27. Juli 2021 mitgeteilt, dass die Auflagen zwingend erforderlich seien, da der Antragsteller auf Grund der linksseitigen Lähmung seinen Arm und Fuß nicht betätigen könne. Auch durch eine erneute Begutachtung könnten die Mängel nicht ausgeräumt werden.
Eine Abfrage des Landratsamts zu den Meldedaten des Antragstellers am 12. August 2021 ergab, dass dieser seinen Wohnsitz in … abgemeldet habe; einen neuen Wohnsitz habe er nicht angegeben. Die Anhörung zum Entzug der Fahrerlaubnis wurde daher vom Landratsamt öffentlich bekannt gemacht (Aushang vom 19. August 2021 bis 3. September 2021).
Laut einem Auszug aus dem Bayerischen Behördeninformationssystem meldete der Antragsteller einen Einzug zum 23. August 2021 zur Adresse … Das Landratsamt … erteilte dem Landratsamt … die Zustimmung gemäß § 73 Abs. 2 FeV, das Entziehungsverfahren weiterzubearbeiten (E-Mail vom 6. September 2021).
Mit Bescheid vom 7. September 2021 (zugestellt am 9. September 2021) entzog das Landratsamt dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen A18, A1, L, M und S und forderte den Antragsteller auf, den Führerschein umgehend beim Landratsamt … abzuliefern (Ziffer I). Die sofortige Vollziehung der Ziffer I wurde angeordnet (Ziffer II). Es wurde ein Zwangsgeld für den Fall der nicht fristgerechten Ablieferung des Führerscheins (innerhalb von fünf Tagen nach Zustellung des Bescheids) angedroht (Ziffer III). Auf die Begründung wird Bezug genommen.
Der Antragsteller ließ durch seinen Bevollmächtigten mit Schreiben vom 13. September 2021 Widerspruch gegen den Bescheid erheben.
Mit Schreiben vom 13. September 2021 ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten beim Verwaltungsgericht Bayreuth beantragen,
1) die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 13. September 2021 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 7. September 2021 …wird wiederhergestellt (§ 80 Abs. 5 1 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO); und
2) bis zur Entscheidung über den Antrag zu 1) wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 7. September 2021 … wiederhergestellt (Hängebeschluss).
Es sei festzustellen, dass die Anordnung den formalen Kriterien des § 80 VwGO nicht genüge, insbesondere sei keine hinreichende Begründung (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO) erfolgt, die dem Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung gerecht werde. Formelhafte Ausführungen der Begründung würden nicht ausreichen. Die Interessenabwägung ergebe, dass der Bescheid rechtswidrig sei, da es ein milderes Mittel gebe: die Belassung der Fahrerlaubnis insbesondere für die Klassen für Fahrzeuge mit vier Rädern bis zur wieder nachgewiesenen Eignung des Führens von zweirädrigen Motorrädern. Dem Antragsteller sei eine Eignung zum Führen von mehr als zweirädrigen Fahrzeugen bestätigt worden. Er sei bereit, die Fahrerlaubnis in Bezug auf Krafträder solange ruhen zu lassen bis sein Gesundheitszustand auch diesen Betrieb wieder ermögliche. Er werde diese Fähigkeit auch wieder kurzfristig erwerben. Warum der Antragsteller landwirtschaftliche Maschinen, die er für seinen Broterwerb benötige, nicht mehr lenken solle, obwohl er hierzu in der Lage sei, erörtere die Behörde nicht. Es sei keine zusätzliche Gefährdung in den letzten Monaten hinzugekommen, da der Antragsteller die von ihm genutzten Fahrzeuge sicher führe. Im Rahmen der Folgenabwägung sei die Existenzvernichtung des Antragstellers zu berücksichtigen. Eine Gefahr für Leib und Leben von Menschen bestehe nicht, da der Antragsteller die von ihm genutzten Fahrzeuge sicher führe. Die Nutzung landwirtschaftlicher Maschinen gebiete die Teilnahme am Straßenverkehr nicht zwingend, da hier nur in einem „eng bestehenden Bereich“ der Felder der „Bulldog“ oder „Trecker“ genutzt werde. Das im Bescheid als Anhörung bezeichnete Schreiben sei beim Antragsteller nicht angekommen. Eine öffentliche Zustellung sei in diesem Zusammenhang nicht opportun, zumal der Antragsteller seinen Meldepflichten ausreichend nachgekommen sei. Der Antragsteller sei weder angehört worden noch sei ihm Gelegenheit gegeben worden, die Akte der Behörde einzusehen.
Mit Schreiben vom 21. September 2021 beantragte das Landratsamt,
den Antrag abzulehnen.
Das kraftfahrtechnische Gutachten vom 7. Juli 2021 sei eindeutig. Hinsichtlich der Eignung für die Klasse L sei am 27. Juli 2021 ausdrücklich Rücksprache mit dem Gutachter gehalten worden, der an seiner Einschätzung festgehalten habe. Inwiefern der Antragsteller seine uneingeschränkte Fahreignung wiedererlangen solle, bleibe offen. Es sei nachrangig, dass der Antragsteller die Klasse L zum Betrieb des landwirtschaftlichen Anwesens benötige, da dieses Interesse hinter das Interesse der anderen Verkehrsteilnehmer zurücktreten müsse. Der Antragsteller dürfe seinen Traktor auf nichtöffentlichen Verkehrsflächen führen, ein Befahren auf öffentlicher Verkehrsfläche stelle allerdings ein Fahren ohne Fahrerlaubnis dar. Der Antragsteller habe sich zum Zeitpunkt des Anhörungsschreibens (18. August 2021) laut BayBIS-Auszug am 2. August 2021 in die Schweiz abgemeldet, ohne eine neue Adresse anzugeben. Dies habe die Stadt … in einer telefonischen Rückfrage am 12. August 2021 bestätigt. Die öffentliche Zustellung sei deshalb rechtens. Auch könne der Fehler nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG im Rechtsmittelverfahren geheilt werden. Laut EWO-Auskunft habe sich der Antragsteller in …in die Schweiz abgemeldet, ohne eine neue Adresse anzugeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Behördenakte ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO entsprechend).
II.
1. Entsprechend der Wortlautauslegung des Antrags (§ 122 Abs. 1, § 88 VwGO) begehrt der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 13. September 2021 gegen die Ziffer I des Bescheids des Landratsamts vom 7. September 2021, nicht hingegen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Androhung des Zwangsgelds in Ziffer III des streitgegenständlichen Bescheids.
2. Der zulässige Antrag ist nur zum Teil begründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen.
Bei der Entscheidung hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, bei der das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen ist. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen. Das Gericht prüft im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO auch, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind.
a) Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der vorliegende Antrag abzulehnen, soweit die Entziehung der Fahrerlaubnisklassen A18, A1, L und M betroffen ist, da der Widerspruch des Antragstellers nach summarischer Überprüfung zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben wird. Die Entziehung der Fahrerlaubnis dieser Fahrerlaubnisklassen ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheids wiegt insoweit schwerer als das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs.
(1) Der Umstand, dass der Antragsteller vor Erlass der streitigen Fahrerlaubnisentziehung möglicherweise nicht den Anforderungen des Art. 28 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG – gemäß angehört wurde, rechtfertigt für sich genommen nicht die Zuerkennung vorläufigen Rechtsschutzes. Selbst wenn die Anhörung nicht ordnungsgemäß bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens durchgeführt worden sein sollte, ist dieser Verfahrensfehler nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG durch die Ausführungen der Beteiligten im Eilverfahren nachgeholt und damit geheilt worden. Es gibt keinen Grundsatz, dass allein die formelle Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts die Aussetzung der Vollziehung gebietet, vor allem wenn absehbar ist, dass der Verwaltungsakt im Ergebnis nicht aufzuheben sein wird, weil der formelle Fehler geheilt werden oder unbeachtlich (vgl. Art. 46 BayVwVfG) bleiben wird.
(2) Gemäß § 3 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG), § 46 Abs. 1 Satz 1 Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) ist eine Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. Dies gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FeV).
Eine teilweise Entziehung einer Fahrerlaubnis, insbesondere eine Entziehung bezogen auf einzelne Fahrerlaubnisklassen, in Abhängigkeit von der konkreten Kraftfahreignung ist rechtlich zulässig. § 46 Abs. 2 Satz 1 FeV ermöglicht bei sachgerechter Auslegung, dass anstelle einer vollständigen Entziehung der Fahrerlaubnis bei einem bedingt geeigneten Inhaber einer Fahrerlaubnis eine teilweise Entziehung – wie hier – auch bezogen auf einzelne Fahrerlaubnisklassen möglich ist, da in diesem Fall eine vollständige Entziehung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen würde. Schon der Wortlaut des § 46 Abs. 2 Satz 1 StVG besagt, dass eine Einschränkung der Fahrerlaubnis „so weit wie notwendig“ möglich ist. Auch § 2 Abs. 4 Satz 2 StVG bestimmt, dass einem Bewerber, der nur bedingt zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist, eine Fahrerlaubnis mit Beschränkungen oder unter Auflagen zu erteilen ist, wenn dadurch das sichere Führen von Kraftfahrzeugen gewährleistet ist. § 2 Abs. 2 Satz 1 StVG regelt, dass die Fahrerlaubnis für die jeweilige Klasse zu erteilen ist. Umgekehrt kann die Fahrerlaubnis auch für die jeweilige Klasse entzogen werden (VG Würzburg, U.v. 5.11.2014 – W 6 K 14.560 – juris).
Die Fahrerlaubnisbehörde hat vom Antragsteller eine Fahrprobe zur Klärung von nach der Vorlage des fachärztlichen Gutachtens vom 19. April 2021 weiterhin bestehenden Fahreignungszweifeln gefordert. Der Gutachter kam im verkehrsmedizinischen Gutachten vom 19. April 2021 zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller trotz Vorliegens eines hirnorganischen Syndroms in der Lage ist, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klassen A18, A1, B, BE, L, M und S gerecht zu werden, da die Beeinträchtigungen als leicht zu bewerten seien. Jedoch müsse bezüglich der körperlichen Einschränkungen mit spastischer Hemiparese links entsprechend den Ausfällen das Fahrzeug geeignet sein, alle relevanten Funktionen mit der rechten Körperhälfte bedienen zu können.
Mit Schreiben vom 31. Mai 2021 wurde der Antragsteller vom Landratsamt aufgefordert, bis spätestens 30. Juli 2021 ein Gutachten eines technischen Überwachungsvereins zum Führen der Kraftfahrzeuge der Klassen A18, A1, B, BE, L, M und S vorzulegen.
Nach § 11 Abs. 4 Nr. 2 FeV kann die Beibringung eines Gutachtens eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr zur Klärung von Eignungszweifeln für die Zwecke nach § 11 Abs. 2 FeV bei Behinderungen des Bewegungsapparates angeordnet werden, um festzustellen, ob der Behinderte das Fahrzeug mit den erforderlichen technischen Hilfsmitteln sicher führen kann.
Der Antragsteller hat das geforderte kraftfahrtechnische Eignungsgutachten der TÜV … A. Service GmbH vom 7. Juli 2021 vorgelegt. Das Gutachten wurde nach einer am 7. Juli 2021 durchgeführten Probefahrt mit einem auf Grund der Bewegungseinschränkungen umgebauten VW Tiguan mit Automatikgetriebe durchgeführt.
Der Gutachter stellte fest, dass der Antragsteller mit dem linken Arm und Bein keine sichere Fahrzeugbedienung ausüben kann. Aus technischer Sicht wurden folgende Auflagen/Beschränkungen mit Schlüsselzahlen nach Anlage 9 FeV vorgeschlagen:
Beschränkung der Fahrerlaubnis auf mehrspurige Kraftwagen der Klasse B, BE mit automatischer Kraftübertragung (keine Klassen L, AM) (73), (78) und keine motorisierten Zweiradfahrzeuge bzw. Fahrzeuge mit Zweiradlenker (keine Klassen A, A1, A2 und AM), (keine Quads/Trikes) (177).
Das Gutachten begegnet im vorliegenden Eilverfahren keinen inhaltlichen Bedenken. Es wurde in einer technischen Prüfstelle für den Kraftfahrzeugverkehr von einem amtlich anerkannten Prüfer für den Kraftfahrzeugverkehr erstellt. Der Antragsteller hat in der Antragsbegründung eingeräumt, dass derzeit eine Eignung für Krafträder auf Grund seines Gesundheitszustands nicht bestehe. Auch wurde nicht bestritten, dass er mit dem linken Arm und Bein keine sichere Fahrzeugbedienung ausführen könne. In den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung (Stand 31.12.2019, Anhang B, Seite 136) ist ausgeführt, dass bei gleichzeitigem Ausfall eines Armes und eines Beines durch Lähmung das Führen von Krafträdern nicht möglich ist.
Bedenken im Hinblick auf die Feststellung zur fehlenden Eignung bezüglich der Fahrerlaubnisklassen A18, A1 und M [zweirädrige Kleinkrafträder (Krafträder mit einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 45 km/h und einer elektrischen Antriebsmaschine oder einem Verbrennungsmotor mit einem Hubraum von nicht mehr als 50 ccm) und Fahrräder mit Hilfsmotor (Krafträder mit einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 45 km/h und einer elektrischen Antriebsmaschine oder einem Verbrennungsmotor mit einem Hubraum von nicht mehr als 50 ccm, die zusätzlich hinsichtlich der Gebrauchsfähigkeit die Merkmale von Fahrrädern aufweisen] – § 6 Abs. 1 Satz 1 FeV in der Fassung vom 13.12.2010) bestehen daher nicht.
Das Ergebnis ist auch bezüglich der Fahrerlaubnisklasse L schlüssig, da der Antragsteller nur eine Fahrprobe auf einem umgebauten VW Tiguan mit Automatikgetriebe durchgeführt hat. Eine Fahreignung für die Fahrerlaubnisklasse L hätte nur nach Durchführung einer Fahrprobe auf dieser Fahrzeugklasse festgestellt werden können, was ebenfalls in den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung vorgesehen ist (Anhang B, Seite 137 bei Ausfall eines Armes und eines Beines: „lof (Anm.: land- und forstwirtschaftliche) Zugmaschinen (Ackerschlepper) … ist das Führen dieser Kfz nur möglich, wenn diese mit automatischer Kraftübertragung ausgerüstet sind. Hinzu kommen sinngemäß die Beschränkungen und Auflagen, wie sie für die jeweils fehlenden Gliedmaßen bei diesen Kfz vorgesehen sind. Intensive Fahrprobe mit einem entsprechenden Fahrzeug ggf. mit beladenen Anhängern durch einen aaSoP (Anm.: amtlich anerkannter Sachverständiger oder Prüfer) erforderlich.“). Eine solche Fahrprobe wurde aber nicht durchgeführt. Der Antragsteller hat auch nicht vortragen lassen, dass er eine solche Fahrprobe noch vornehmen möchte oder der Gutachter ihm eine solche Fahrprobe verwehrt oder fälschlicherweise nicht für erforderlich gehalten hätte.
Der Widerspruch des Antragstellers gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis der Klasse L in Ziffer I des Bescheids vom 7. September 2021 wird daher ebenfalls voraussichtlich erfolglos bleiben, es sei denn, der Antragsteller legt im Lauf des Widerspruchsverfahrens ein Gutachten vor, das ihn als geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klasse L ausweist. Zum jetzigen Zeitpunkt – der für das Gericht zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich ist, da das Widerspruchsverfahren noch nicht abgeschlossen ist – ist der Antragsteller aber aufgrund des vorgelegten Gutachtens mangels durchgeführter Fahrprobe bezüglich dieser Fahrzeugklasse als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen.
b) Dem kraftfahrtechnischen Gutachten vom 7. Juli 2021 lässt sich hingegen nicht entnehmen, dass die kraftfahrtechnische Eignung des Antragstellers hinsichtlich aller Fahrzeuge der Fahrerlaubnisklasse S (nach § 6 Abs. 1 Satz 1 FeV in der Fassung bis 18.1.2013) nicht besteht.
Die Fahrerlaubnisklasse S wurde im Jahr 2005 eingeführt. Damit wurden die zulassungsfreien dreirädrigen Kleinkrafträder nach der zwischenzeitlich mit Blick auf die RL 2002/24/EG (Typgenehmigungsrichtlinie) ebenfalls geänderten Vorschrift des § 18 Abs. 2 Nr. 4 lit. b) StVZO a. F. und die vierrädrigen Leichtkraftfahrzeuge (§ 18 Abs. 2 Nr. 4 b StVZO a. F.) erfasst. Die Fahrerlaubnisklasse S schließt somit dreirädrige Kleinkrafträder und vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge jeweils mit einer bbH ≤ 45 km/h und einem Hubraum ≤ 50 ccm im Falle von Fremdzündungsmotoren, einer maximalen Nutzleistung ≤ 4 kW im Falle anderer Verbrennungsmotoren oder einer maximalen Nenndauerleistung ≤ 4 kW im Falle von Elektromotoren ein. Bei vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen darf darüber hinaus die Leermasse nicht mehr als 350 kg betragen, ohne Masse der Batterien im Falle von Elektrofahrzeugen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 FeV in der Fassung vom 13.12.2010). Die Fahrerlaubnisklasse AM wurde erst im Zuge der Übernahme der 3. Führerscheinrichtlinie zum 19.1.2013 eingeführt und übernahm die Regelungen zur Klasse M und S (Hupperts in NZV 2018, 511, beck-online).
Das Gericht versteht das kraftfahrtechnische Gutachten so, dass hinsichtlich der heutigen Fahrerlaubnisklasse AM (Nr. 1 und Nr. 6 der Ausführungen des Gutachters) bezogen auf leichte vierrädrige Kraftfahrzeuge der Klasse L6e nach Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe f der Verordnung (EU) Nr. 168/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2013 über die Genehmigung und Marktüberwachung von zwei- oder dreirädrigen und vierrädrigen Fahrzeugen (ABl. L 60 vom 2.3.2013, S. 52) (§ 6 Abs. 1 Satz 1 FeV in der Fassung vom 4.7.2019 zu Klasse AM dritter Spiegelstrich) Kraftfahreignung besteht. Dies ergibt die Wortlautauslegung des Gutachtens, wonach eine Beschränkung der Fahrerlaubnis auf mehrspurige Kraftwagen der Klasse B, BE mit automatischer Kraftübertragung (keine Klassen L, AM) (Schlüsselzahl 73 nach Anlage 9 zur FeV) (78) erfolgen soll und keine motorisierten Zweiradfahrzeuge bzw. Fahrzeuge mit Zweiradlenker gefahren werden können (keine Klassen A, A1, A2 und AM) (keine Quads/Trikes) (Schlüsselzahl 177 nach Anlage 9 zur FeV). Die Verwendung der Schlüsselzahl 73 bedeutet „nur vierrädrige Kraftfahrzeuge der Klasse B“. In Nr. 1 des Gutachtens nahm der Gutachter offensichtlich darauf Bezug, dass nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV die Fahrerlaubnis der Klasse B grundsätzlich auch zum Führen von Fahrzeugen der Klasse AM und L berechtigt. Dies soll durch den Zusatz: keine Klassen L und AM und die Schlüsselzahl 73 ausgeschlossen werden. Hätte der Gutachter aber gewollt, dass auch leichte vierrädrige Kraftfahrzeuge der Fahrerlaubnisklasse AM (§ 6 Abs. 1 Satz 1 FeV – Klasse AM dritter Spiegelstrich) ebenfalls ausgeschlossen sein sollen, so hätte es des Zusatzes im Gutachten unter Nr. 6 nicht bedurft. Durch Verwendung der Schlüsselzahl 177 sollte gerade die Nichteignung bezüglich motorisierter Zweiradfahrzeuge bzw. Fahrzeuge mit Zweiradlenker, Quads und Trikes erfasst werden und somit alle Fahrzeuge, die unter die ersten beiden Spiegelstriche der Fahrerlaubnisklasse AM in § 6 Abs. 1 Satz 1 FeV fallen. Die Entziehung der Fahrerlaubnis der Klasse S hätte somit nicht vollständig erfolgen dürfen, sondern hätte sich nur auf dreirädrige Kleinkrafträder der Klasse L2e nach Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 168/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2013 über die Genehmigung und Marktüberwachung von zwei- oder dreirädrigen und vierrädrigen Fahrzeugen (ABl. L 60 vom 2.3.2013, S. 52) beziehen dürfen. Die Nichteignung für leichte zweirädrige Kraftfahrzeuge der Klasse L1e-B nach Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 168/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2013 über die Genehmigung und Marktüberwachung von zwei- oder dreirädrigen und vierrädrigen Fahrzeugen (ABl. L 60 vom 2.3.2013, S. 52) (erster Spiegelstrich zur Fahrerlaubnisklasse AM – § 6 Abs. 1 Satz 1 FeV) wurde im Gutachten ebenfalls festgestellt und kommt in der rechtmäßigen Entziehung der Fahrerlaubnisklasse M zum Ausdruck.
Eine Eintragung in den Führerschein bezüglich der beschränkten Eignung bezogen auf oben genannte leichte vierrädrige Kraftfahrzeuge der Klasse AM ist möglich und erforderlich, da sich die Fahrerlaubnis der Klasse B nicht auf diese Fahrzeuge bezieht (Wortlautauslegung von § 6 Abs. 1 Satz 1 FeV – unter Klasse B: „Kraftfahrzeuge – ausgenommen Kraftfahrzeuge der Klassen AM, A1, A2 und A“). Gemäß § 25 Abs. 3 FeV sind bei Eintragungen auf dem Führerschein, die nicht bereits im Muster vorgesehen sind, insbesondere auf Grund von Beschränkungen und Auflagen, die in Anlage 9 festgelegten Schlüsselzahlen zu verwenden. Einschränkungen und Nebenbestimmungen zur Fahrerlaubnis, für die keine konkrete Schlüsselzahl existiert, sind durch die Schlüsselzahl 177 zu dokumentieren. Diese verweist auf einen bei Führen des Kraftfahrzeugs zwingend mitzuführenden Anhang zum Führerschein, in dem die Bestimmungen im Klartext aufgeführt sind. Hierdurch wird durch den Verordnungsgeber der möglichen Vielfalt in Betracht kommender Beschränkungen und Auflagen Rechnung getragen (Trésoret in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. Stand: 24.06.2019, § 25 FeV Rn. 108). Die Schlüsselzahl 177 wurde im Gutachten auch ausdrücklich unter der Nr. 6 – bezogen auf keine motorisierten Zweiradfahrzeuge bzw. Fahrzeuge mit Zweiradlenker – genannt.
c) Da die Entziehung der Fahrerlaubnis zumindest hinsichtlich der Fahrerlaubnisklassen A18, A1, L und M und teilweise auch bezüglich der Fahrerlaubnisklasse S (bezogen auf dreirädrige Kleinkrafträder) rechtmäßig ist, ergibt sich die Pflicht zur Ablieferung des Führerscheins aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 FeV. Die Abgabefrist kann, der Bedeutung des Rechtsgutes „Sicherheit des Straßenverkehrs“ Rechnung tragend, kurz bemessen sein. Sie ist eher nach Tagen denn nach Wochen sinnvoll zu bemessen (Siegmund in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., Stand: 16.1.2019, § 47 FeV Rn. 23). Diese Auslegung entspricht auch dem Gesetzeswortlaut des § 47 Abs. 1 FeV, wonach eine unverzügliche Ablieferung des Führerscheins zu erfolgen hat. Die Abgabefrist von fünf Tagen war ausreichend.
d) Schließlich hat die Fahrerlaubnisbehörde bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung den formalen Begründungserfordernissen des § 80 Abs. 3 VwGO in ausreichendem Umfang Rechnung getragen. Es wurde zu Recht festgestellt, dass das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegenüber den Belangen der Verkehrssicherheit zurückzustehen hat. Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs reicht es bei einer Fahrerlaubnisentziehung aus, die für den Fall typische Interessenlage aufzuzeigen; die Darlegung besonderer zusätzlicher Gründe für die Erforderlichkeit der sofortigen Vollziehung ist nicht geboten (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2011 – 11 CS 11.1963; B.v. 11.5.2011 – 11 CS 10.68; B.v. 24.8.2010 – 11 CS 10.1139; B.v. 19.7.2010 – 11 CS 10.540; B.v. 25.5.2010 – 11 CS 10.227 und B.v. 25.3.2010 – 11 CS 09.2580; VGH BW, B.v. 24.1.2012 – 10 S 3175/11). Diesen Anforderungen werden die Ausführungen des streitgegenständlichen Bescheids gerecht.
Auch die eigene Interessenabwägung des Gerichts fällt zu Lasten des Antragstellers (mit Ausnahme der im Tenor ausgedrückten Ausnahme) aus. Angesichts der Gefahren für Leben, körperliche Unversehrtheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer durch fahrungeeignete Personen können persönliche Gründe des Antragstellers nicht dazu führen, ihm auch nur vorübergehend bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens die Fahrerlaubnis der streitgegenständlichen Fahrerlaubnisklassen zu belassen.
2. Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Ziffern 1.5, 46.2 und 46.8 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57).


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