Aktenzeichen M 26 S 16.4719
Leitsatz
Der Antrag auf Eilrechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO ist bereits unzulässig, wenn der Antragsteller bislang keinen zulässigen Hauptsacherechtsbehelf anhängig gemacht hat und dies auch nicht mehr nachholen kann (hier: Verstreichen der Klagefrist). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Feststellung, dass seine tschechische Fahrerlaubnis der Klasse B ihn nicht zum Führen von entsprechenden Kraftfahrzeugen im Bundesgebiet berechtigt.
Dem Antragsteller wurde am … Juni 2006 trotz seines seinerzeit bestehenden deutschen Wohnsitzes eine tschechische Fahrerlaubnis erteilt. Mit seit 17. April 2008 rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts … vom 20. Juni 2007 wurde der Antragsteller wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Seine Fahrerlaubnis wurde ihm mit einer Sperrfrist von a… Monaten (bis …3.2008) entzogen.
Am … Dezember 2008 wurde dem Antragsteller in B. Tschechien ein Führerscheindokument ausgestellt, das als Wohnsitz unter Nr. 8 „A./Spolkova Republika Nemecko“ (übersetzt: A./Bundesrepublik Deutschland) und unter Nr. 10 zu der Fahrerlaubnisklasse B das Erteilungsdatum … Juni 2006 auswies.
Am … Juni 2010 wurde dem Antragsteller ein tschechischer Führerschein durch MeU B., CZ ausgestellt. Unter Nr. 8 ist als Wohnort B. eingetragen. Unter Nr. 10 ist zur Fahrerlaubnisklasse A der … Juni 2010 und zur Klasse B der … Juni 2006 vermerkt. Der Führerschein vom … Dezember 2008 ist seit dem … Juni 2010 durch die Tschechische Republik als gestohlene, unterschlagene, sonst abhandengekommene oder für ungültig erklärte Sache zu Sachfahndung ausgeschrieben (Bl. 303 der Behördenakte).
Gegen den Antragsteller wurde mit unterschiedlichem Verfahrensausgang in einer Vielzahl von Fällen wegen des Fahrens ohne Fahrerlaubnis der Klasse strafrechtlich ermittelt. Mit seit … Februar 2012 rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts A. vom 18. Mai 2011 wurde der Antragsteller wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (am …7.2010) sachlich zusammentreffend mit einem weiteren Fall des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (am …11.2010) zu einer Geldstrafe verurteilt. Eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis bzw. die Anerkennung einer ausländischen Fahrerlaubnis von b… Monaten wurde verhängt (bis …8.2012).
Nach Anhörung stellte die Antragsgegnerin mit am … Oktober 2016 zugestelltem Bescheid vom 12. Oktober 2016 fest, dass für den Antragsteller mit der tschechischen Fahrerlaubnis der Klasse B, ausgestellt am … Juni 2010 durch MeU B., mit der Nummer … in der Bundesrepublik Deutschland keine Fahrberechtigung besteht (Nr. 1 des Bescheids). Unter der Nr. 2 wurde der Antragsteller aufgefordert, den tschechischen Führerschein unverzüglich, spätestens innerhalb einer Woche ab Zustellung des Bescheids, zur Eintragung der fehlenden Fahrberechtigung vorzulegen. Für den Fall der Nichtfolgeleistung wurde ein Zwangsgeld von a… EUR angedroht (Nr. 3). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 wurde angeordnet.
Zur Begründung verwies die Antragsgegnerin auf § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV sowie § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV und die Eintragung eines deutschen Wohnsitzes in A. unter Feld 8 im am … Juni 2006 ausgestellten Führerschein. Der aktuelle Führerschein des Antragstellers sei auf dieser Grundlage erteilt worden. Die Richtlinie 91/439/EWG (sog. 2. Führerscheinrichtlinie) stehe der Nichtanerkennung der Fahrerlaubnis des Antragstellers in Deutschland nicht entgegen, da sich aus dem Führerscheindokument selbst ergebe, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Ausstellung des Dokuments keinen ordentlichen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland gehabt habe.
Mit Schreiben vom … Oktober 2016 legte der Bevollmächtigte des Antragstellers gegen den Bescheid vom 12. Oktober 2016 Widerspruch ein.
Mit Schriftsatz vom … Oktober 2016, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am Folgetag, beantragte der Bevollmächtigte des Antragstellers für diesen,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Feststellungsbescheid der Antragsgegnerin vom 12. Oktober 2016 wiederherzustellen.
Zur Begründung führte der Bevollmächtigte des Antragstellers im Wesentlichen aus, dass dem Antragsteller am … Juni 2010 eine neue tschechische Fahrerlaubnis der Klassen A und B erteilt worden sei, aus der sich die Fahrberechtigung des Antragstellers im Inland ergebe. Trotzdem es eine Reihe von Befassungen gegeben habe, sei von Behörden und Gerichten in keinem Fall die inländische Fahrberechtigung des Antragstellers in Abrede gestellt worden.
Mit Schriftsatz vom 17. November 2016 beantragte die Antragsgegnerin,
den Antrag abzulehnen.
Sie führte aus, dass der Antrag wegen der Bestandskraft des Bescheids bereits unzulässig, im Übrigen aber auch unbegründet sei.
Mit Beschluss vom 22. November 2016 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf die Einzelrichterin übertragen. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg. Er ist bereits unzulässig.
Der Antragsteller hat bislang keinen zulässigen Hauptsacherechtsbehelf anhängig gemacht und kann dies auch nicht mehr nachholen.
Der nur mit Widerspruch angegriffene Bescheid vom 12. Oktober 2016 ist bestandskräftig geworden, da der Antragsteller innerhalb der einmonatigen Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 VwGO keine Klage erhoben hat. Der Widerspruch ist nicht statthaft, da es sich bei der in dem Bescheid getroffenen Feststellung der fehlenden Fahrberechtigung im Inland nicht um eine personenbezogene Prüfungsentscheidung im Sinn von Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung – AGVwGO – handelt. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs liegt eine derartige Prüfungsentscheidung vor, wenn eine Prüfung der Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen, auch im Vorfeld der streitgegenständlichen Entscheidung, stattgefunden hat. Vorliegend hat die Fahrerlaubnisbehörde des Beklagten jedoch nicht die Eignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen überprüft. Sie musste für den Bescheid vom 12. Oktober 2016 das Vorliegen der in Art. 28 Abs. 4 Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV – normierten Voraussetzungen, denen zufolge die grundsätzliche Befugnis, von einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen, in bestimmten Fällen nicht besteht, feststellen. Eine Eignungsüberprüfung ist darin in Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht vorgesehen (vgl. BayVGH, B. v. 19.3.2009 – 11 CE 08.3100 – juris Rn. 17; s. auch VG Regensburg, G. v. 15.10.2012 – RO 8 K 12.1248 – juris). Ebenso wenig stellt die Annexentscheidung zur Vorlage des Führerscheins in Nr. 2 des Bescheids vom 12. Oktober 2016 eine personenbezogene Prüfungsentscheidung dar (s. BayVGH a.a.O; s. auch VG München, B. v. 21.1.2010 – M 6a E 09.5790 – juris). Dem Bescheid war eine dementsprechende, zutreffende Rechtsbehelfsbelehrung angefügt, so dass sich die einmonatige Klagefrist nach § 74 Abs. 1 VwGO auch nicht gemäß § 58 Abs. 2 VwGO verlängert hat.
Im Übrigen hätte der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auch in der Sache keinen Erfolg. Auf die Ausführungen der Antragsgegnerin im Bescheid vom 12. Oktober 2016 und im Schriftsatz vom … November 2016 wird Bezug genommen. Zu ergänzen ist, dass die Fahrerlaubnis des Antragstellers vom … Juni 2006 (so sie denn Inlandsgültigkeit besessen hätte) rechtskräftig entzogen worden ist (s. § 69b Abs. 1 StGB). Seit dem ist keine Entscheidung nach § 28 Abs. 5 FeV getroffen worden. Dem Antragsteller ist danach auch in der Tschechischen Republik keine Fahrerlaubnis der Klasse B erteilt worden, wie sich aus dem im Führerschein vom … Juni 2010 vermerkten Erteilungsdatum für die Klasse B (…6.2006) schließen lässt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG – i. V. m. den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Stand 2013.