Verkehrsrecht

Verkehrsunfall, Abtretung, Reparaturkosten, Schadensersatz, Wiederbeschaffungswert, Kostenerstattung, Schadensersatzanspruch, Haftpflichtversicherer, Gutachten, Berufung, Unfall, Haftpflichtversicherung, Erstattung, Unkostenpauschale, Treu und Glauben, unangemessene Benachteiligung, Fortbildung des Rechts

Aktenzeichen  33 S 49/20

Datum:
28.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 45065
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Coburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

12 C 2825/19 2020-07-22 Urt AGCOBURG AG Coburg

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Coburg vom 22.07.2020, Az. 12 C 2825/19, teilweise abgeändert und wie folgt neugefasst:
a) Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 624,73 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit 26.03.2020 zu zahlen.
b) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
3. Die Beklagte zu 1) trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der in erster Instanz beteiligten Beklagten zu 2). Diese Kosten trägt die Klägerin.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 646,15 € festgesetzt.

Gründe

Die Parteien streiten um Sachverständigenkosten aus einem Verkehrsunfall vom 16.08.2018, für den die Beklagte zu 1) – künftig nur als Beklagte bezeichnet – als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners unstreitig zu 100 % einstandspflichtig ist.
Die Klägerin macht aus abgetretenem Recht der Unfallgeschädigten … den Anspruch auf Zahlung von Sachverständigenkosten geltend und verlangt zudem vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten.
Die Klägerin betreibt ein S.büro und wurde von der Unfallgeschädigten … mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens zu den Reparaturkosten etc. beauftragt. Das Gutachten vom 23.08.2018 (Anlage K 1) kam zu erforderlichen Reparaturkosten von 2.089,33 € und einem Wiederbeschaffungswert von 2.300,- €.
Für die Erstattung des Gutachtens stellte die Klägerin der Geschädigten am 23.08.2018 (Anlage K 2) 646,15 € in Rechnung.
Die Beklagte rechnete am 17.09.2018 (Anlage K 3) gegenüber der Unfallgeschädigten selbst 1.025,- € für Wiederbeschaffungswert und Unkostenpauschale ab. Die Erstattung der Gutachterkosten wurde abgelehnt, da das Gutachten wegen Nichtberücksichtigung eines erheblichen Vorschadens für die Regulierung nicht verwertbar sei.
Unter Bezugnahme auf das Abrechnungsschreiben vom 17.09.2018 legte die Klägerin mit Schreiben vom 26.09.2018 (Anlage K 4) gegenüber der Beklagten dar, wie sie den Vorschaden berücksichtigt und den Wiederbeschaffungswert berechnet habe.
Mit Schreiben vom 02.10.2018 an die Klägerin (Anlage K 5) lehnte die Beklagte eine Korrektur der bisherigen Abrechnung ab.
Mit Schreiben vom 05.10.2018 und 24.10.2018 (Anlage K 6) mahnte die Klägerin die Zahlung an, mit Schreiben vom 20.02.2019 (Anlage K 7) nochmals der jetzige Prozessbevollmächtigte.
Die Klägerin erhob zunächst Klage gegen die …, erweiterte die Klage mit Schriftsatz vom 17.03.2020 auf die und nahm mit Schriftsatz vom 09.04.2020 die Klage gegen die … zurück.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr die Ansprüche der Geschädigten wirksam abgetreten wurden. Sie legt hierzu 2 Abtretungserklärungen vor, Anlage K 9 (mit den Datumsangaben 16.08.2018 und 28.12.2018 versehen) und eine Erklärung vom 29.05./05.06.2020 (Anlage K 11). Sie behauptet, dass bereits die erste Abtretungserklärung wirksam sei. Darüber hinaus sei daneben auch individuell eine mündliche Abtretung vereinbart worden. Bei der späteren Abtretung handle es sich um eine individuelle Abtretungsvereinbarung für den Einzelfall, die nicht formularmäßig für andere Fälle genutzt werde. Jedenfalls beinhalte die Abtretungserklärung in jedem Fall auch eine Ermächtigung zur Prozessführung. Die Kosten für das Sachverständigengutachten seien erstattungsfähig, da das Gutachten ordnungsgemäß erstellt worden sei, insbesondere der Wiederbeschaffungswert richtig ermittelt worden sei.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Klägerin nicht aktivlegitimiert sei. Die Abtretung in Anlage K 9 sei wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam. Eine darüber hinausgehende, wirksame mündliche Vereinbarung liege nicht vor. Auch bei der Abtretung Anlage K 11 handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die aus denselben Gründen unwirksam seien. In der Sache behauptet die Beklagte, dass die Sachverständigenkosten nicht zu erstatten seien, weil das Sachverständigengutachten fehlerhaft und unbrauchbar sei. Die Klägerin habe bei Erstellung des Sachverständigengutachtens einen nicht reparierten Vorschaden nur mangelhaft dokumentiert und bei der Bemessung des Wiederbeschaffungswerts nicht hinreichend berücksichtigt. Die abgerechneten Nebenkosten seien zudem nicht angefallen bzw. überhöht.
Das Amtsgericht hat die Klage auf Zahlung der Sachverständigenkosten mit Endurteil vom 13.07.2020 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin nicht aktivlegitimiert sei. Die beiden Abtretungen vom 28.12.2018 bzw. 29.05./05.06.2020 seien wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam, da keine Regelungen zu den Ansprüchen der Geschädigten getroffen worden sei, wenn diese vom Sachverständigen persönlich in Anspruch genommen werde. Eine Umdeutung in eine Prozessführungsermächtigung sei nicht möglich, da die Umdeutung nicht dazu führen dürfe, dass an die Stelle des nichtigen Geschäfts ein über den Erfolg des nichtigen Geschäfts hinausgehendes trete.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgemäß eingelegte und begründete Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Zahlungsantrag vollumfänglich weiterverfolgt. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass es sich bei der Abtretung K 11 um eine wirksame Individualvereinbarung handele.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen
1.an die Klägerin 646,15 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.10.2018 zu zahlen
2.an die Klägerin weitere 124,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Abtretungen seien unwirksam. Zudem bestehe wegen der Unbrauchbarkeit des Gutachtens kein Anspruch auf Kostenerstattung. Zugrundezulegen seien nicht die von der Klägerin ermittelten Reparaturkosten, sondern die Nettoreparaturkosten von 1.463,19 € aus der Rechnung (Anlage B 2). Die Kosten für die Nutzung der Restwertbörse werden bestritten. Die Fahrtkosten für den Sachverständigen seien nicht erforderlich. Es gebe auch Sachverständige, die näher lägen. Die Nebenkosten seien generell überhöht.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Rechtsvortrags wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze und das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache zum überwiegenden Teil Erfolg.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der Sachverständigenkosten in Höhe von 624,73 € aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1, 249, 398 BGB, 115 VVG.
1. Die Klägerin hat den ursprünglich der Geschädigten … zustehenden Anspruch wirksam durch die Abtretung vom 29.05./05.06.2020 erworben.
a) Wegen der als Anlage K 9 vorgelegten Abtretung geht die Kammer in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Amtsgerichts von der Unwirksamkeit der Abtretung aus. Gleiches gilt für die Ausführungen zur Umdeutung in eine Prozessführungsbefugnis.
Die Kammer geht davon aus, dass diese Abtretung vom 16.08.2018 stammt. Neben den Unterschriften beider Parteien des Abtretungsvertrags steht dieses Datum. Dies ist auch nachvollziehbar, weil die Vereinbarung damit beginnt, dass der Auftrag zur Schadensbegutachtung erteilt wird. Dies dürfte tatsächlich in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall vom 16.08.2018 erfolgt sein.
Im Übrigen nimmt die Klägerin in ihren Mahnschreiben an die Beklagte vom Oktober 2018 (Anlage K 6) auf eine schon vorliegende Abtretung Bezug. Diese muss dann zeitlich vorher – eben am 16.08.2018 – erfolgt sein. Eine Erklärung vom 28.12.2018 kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorgelegen haben.
Weshalb neben der Unterschrift der Geschädigten … auch – das Datum 28.12.2018 steht, das im Urteil des Amtsgerichts als Datum der ersten unwirksamen Abtretung zitiert wird, ist nicht nachvollziehbar.
b) Eine wirksame mündliche Abtretung ist nicht nachgewiesen.
Die Beklagte hat den Vortrag der Klägerin zu einer mündlichen Abtretung bestritten.
Dem Beweisangebot der Klägerin auf Vernehmung der … zum Vorliegen einer individuellen mündlichen Abtretung war nicht nachzugehen. Es ist schon fernliegend, dass neben einer schriftlichen Vereinbarung eine zusätzlich individuelle abgeschlossen sein sollte. Darüber hinaus fehlt es an einem substantiierten Vortrag der Klägerin, wann und wo diese Vereinbarung getroffen wurde. Angesichts der nicht nachvollziehbaren Daten 16.08.2018 bzw. 28.12.2018 wäre dies erforderlich gewesen.
Ein gerichtlicher Hinweis hierzu war nicht erforderlich, da eine frühere als die unter c) für wirksam erachtete Abtretung nur Auswirkungen auf die Nebenforderungen Zinsen und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten haben kann, § 139 Abs. 2 ZPO.
c) Die Abtretung vom 29.05.2020/05.06.2020, vorgelegt als Anlage K 11, ist wirksam. Sie ist nicht wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.
Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass die Abtretung wohl als Allgemeine Geschäftsbedingung der Klägerin zu qualifizieren sein dürfte, weil es sich um einen Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher handelt, bei dem die §§ 306 und 307 bis 309 BGB auch dann Anwendung finden, wenn es sich um vorformulierte Vertragsbedingungen handelt und diese nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind und soweit der Verbraucher auf Grund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Ob dies tatsächlich der Fall ist, muss allerdings nicht abschließend entschieden werden.
Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners auch daraus ergeben, dass eine Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Er muss folglich einerseits die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Andererseits soll der Vertragspartner ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte feststellen können, damit er nicht von deren Durchsetzung abgehalten wird, vgl. BGH, Urteil vom 17.7.2018, Az. VI ZR 274/17, NJW 2019, 51, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen.
Diesen Anforderungen genügt die Abtretung in Anlage K 11. Im Unterschied zu der vom BGH in der zitierten Entscheidung zu beurteilenden Abtretung findet sich in der vorliegenden Abtretung keine unklare oder missverständliche Regelung zum Schicksal der Schadensersatzforderung für . den Fall der Geltendmachung des. Honoraranspruchs gegenüber dem Auftraggeber. Vielmehr findet sich überhaupt keine Regelung dazu, dass der Geschädigte von der Klägerin weiterhin auf Zahlung des Sachverständigenhonorars in Anspruch genommen werden kann und dementsprechend auch keine Regelung dazu, welches Schicksal dann die abgetretene Schadensersatzforderung des Geschädigten erfahren soll. Es fehlt mithin bereits an einer Bestimmung, die unklar oder unverständlich sein könnte. Die Klägerin war allerdings weder nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen noch aus einem anderen Rechtsgrund gehalten, formularmäßig auf die sich bereits unmittelbar aus dem Gesetz oder aus der Rechtsnatur eines Vertrages folgenden Rechte des Vertragspartners hinzuweisen, diese ausdrücklich zu regeln oder den Vertragspartner darüber zu belehren; das Transparenzgebot will lediglich verhindern, dass Rechte und Pflichten durch unklar oder schwer verständlich gefasste Klauseln verschleiert oder für den Vertragspartner schwer durchschaubar werden, vgl. BGH, Urteil vom 14.5.1996, Az. XI ZR 257/94, NJW 1996, 2092. Das Transparenzgebot will den Verwender nicht zwingen, jede AGB-Regelung gleichsam mit einem umfassenden Kommentar zu versehen, vgl. BGH, Urteil vom 10.7.1990, Az. XI ZR 275/89, NJW 1990, 2383. Insbesondere ergibt sich eine solche Obliegenheit nicht aus dem Täuschungs- (bzw. Verschleierungs-) und Vollständigkeitsgebot als Ausprägung der gebotenen Transparenz. Eine unangemessene Benachteiligung läge, in diesen Fallgestaltungen erst in der vom Verwender zurechenbar geschaffenen Gefahr einer Behinderung seines Vertragspartners bei der effektiven Wahrnehmung seiner Rechte, sofern und soweit er davon abgehalten wird, bereits im Vorfeld zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung unter Bezugnahme auf die Klausel Ansprüche des Verwenders abzuwehren oder von der Geltendmachung ihm zustehender Rechte abgeschreckt wird; erforderlich hierfür ist, dass der Verwender die Gefahr solcher Fehldeutungen durch unklare oder mehrdeutige Klauselgestaltung selbst hervorgerufen oder verstärkt hat, so zutreffend LG Hamburg, Urteil vom 21.8.2020, Az. 306 S 6/20, BeckRS 2020, 21042. Der BGH hat bereits in dem o.g. Urteil vom 17.07.2018, Az. VI ZR 274/17, darauf hingewiesen, dass der Geschädigte im Falle einer Sicherungsabtretung der Schadensersatzforderung an den Sachverständigen auch ohne ausdrückliche Regelung zur Zahlung der Honorarforderung nur Zug um Zug gegen Rückübertragung der Forderung verpflichtet ist. Nichts anderes kann allerdings bei einer Abtretung erfüllungshalber gelten (wie hier), da auch dann selbstverständlich der Sachverständige das ihm zustehende Honorar nur einmal vereinnahmen kann und dieser bei Erfüllung durch den Auftraggeber nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zur Zug-um-Zug-Rückabtretung der erfüllungshalber abgetretenen Schadensersatzforderung verpflichtet ist. Gelingt nämlich dem Gläubiger die Verwertung des erfüllungshalber geleisteten Gegenstands nicht, so kann er auf die ursprüngliche Forderung zurückgreifen; er muss dem Schuldner dann aber die Leistung erfüllungshalber zurückgewähren. Kommt der Gläubiger der Rückgewährpflicht nicht nach, hat der Schuldner ein Zurückbehaltungsrecht; er muss die ursprüngliche Forderung erst erfüllen, wenn er die Leistung erfüllungshalber zurückerhält, vgl. BeckOGK/Looschelders, 1.12.2020, BGB § 364 Rn. 48. Dadurch, dass die vertragsimmanente Verpflichtung der Klägerin, den abgetretenen Anspruch bei Inanspruchnahme des Auftraggebers Zug um Zug zurückzugewähren, nicht ausdrücklich geregelt wird, wird die geltende Rechtslage weder verschleiert noch für den Geschädigten schwer durchschaubar.
Es besteht auch nicht die Gefahr des Auseinanderfallens von Honorar- und Schadensersatzanspruch, da allein der konkrete Betrag von 646,15 € für Sachverständigenhonorar – noch – im Raum steht.
Auch in der Entscheidung vom 18.02.2020, Az. VI ZR 135/19, NJW 2020, 1888, hat der Bundesgerichtshof maßgeblich darauf abgestellt, dass aus der gewählten Formulierung der Abtretung nicht hinreichend deutlich hervorgehe, unter welchen Umständen und zu welchem Zeitpunkt der Geschädigte den erfüllungshalber abgetretenen Anspruch zurückerhält und welche Rechte er in diesem Zusammenhang hat. Die Klausel wurde daher als intransparent angesehen. Eine solche unklare Regelung ist hier aber gar nicht enthalten.
Soweit die Kammer in früheren Entscheidungen, z.B. Urteil vom 21.12.2018, Az. 33 S 120/16, Abtretungen als unwirksam angesehen hat, weil eine Regelung zur Inanspruchnahme des Geschädigten aus dem vertraglichen Honoraranspruch und dem Schicksal der abgetretenen Schadensersatzforderung nicht getroffen wurde, hält sie an dieser Rechtsprechung nicht mehr fest.
2. Die Sachverständigenkosten sind in Höhe von 624,73€ erstattungsfähig.
Die Kosten für ein zur Feststellung der Schadenshöhe bzw. Reparaturkosten eingeholtes Sachvertändigengutachten gehören grundsätzlich zum erstattungsfähigen Schaden im Sinne von § 249 BGB. Dies stellt auch die Beklagte grundsätzlich nicht in Abrede.
a) Die Erstattungsfähigkeit entfällt nicht wegen Unbrauchbarkeit des Gutachtens, weil der Wiederbeschaffungswert falsch ermittelt worden ist.
Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es für einen Anspruch auf Erstattung der Sachverständigenkosten – auch – darauf an, ob ein Gutachten verwertbar ist. Die Beklagte als Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers ist in den Schutzbereich des Vertrags der Geschädigten mit dem Sachverständigen einbezogen (vgl. BGH VersR 2009, 413). Sie hat eigene Schadenersatzansprüche gegen den Sachverständigen wegen schuldhafter Pflichtverletzungen bei der Gutachtenserstellung (vgl. z.B. LG Saarbrücken ZfSch 2016, 623), die sie grundsätzlich als Einwendung in diesem Prozess gegen den Sachverständigen selbst geltend machen kann. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass ein solcher Gegenanspruch auf Schadensersatz besteht. Die Beklagte beziffert schon keinen Schaden, den sie ggf. im Wege der Aufrechnung entgegensetzen will. Selbst wenn man zu ihren Gunsten den gesamten Rechnungsbetrag ansetzen wollte, wäre aber auch keine Pflichtverletzung feststellbar.
Aufgabe des Sachverständigen ist die Ermittlung und Bewertung des Schadens auf der Grundlage zutreffender Anknüpfungstatsachen. Dass hiergegen verstoßen wurde, hat die Beklagte schon nicht substantiiert dargelegt.
Die Beklagte rügt, dass der Vorschaden im Gutachten nicht durch Lichtbilder dokumentiert ist. Sie behauptet, dass der Wiederbeschaffungswert nach Einschätzung der von ihr beauftragten … nur mit 1.800,- € (Anlage B 1) anzusetzen sei und sich dies schon daraus ergebe, dass ein im Zuge des Unfalls mit dem Vorschaden eingeholtes Gutachten vom 24.12.2015 zu einem Wiederbeschaffungswert von 2.100,- € (Anlage B 2) gekommen sei. All dies belege die Unbrauchbarkeit des verfahrensgegenständlichen Gutachtens der Klägerin.
Dieser Auffassung vermag die Kammer nicht zu folgen. Dass keine Lichtbilder eines Vorschadens im Gutachten enthalten sind und der Wiederbeschaffungswert mit 2.300,- € angesetzt wurde, begründet keine schuldhafte Pflichtverletzung und keine Unbrauchbarkeit des Gutachtens. Der nicht reparierte Vorschaden hinten links ist auf Seite 2 des Gutachtens des … vom 23.08.2018 (Anlage K 1) ausdrücklich angeführt. Damit steht fest, dass der Vorschaden dem Sachverständigen bekannt war und bei der Wertermittlung auch berücksichtigt wurde. Die Klägerin hat zudem mit Schreiben vom 26.09.2018 (Anlage K 4) dargelegt, dass der Vorschaden mit 1.000,- € Abschlag berücksichtigt wurde. Dass keine Lichtbilder gefertigt wurden, ist kein Grund zu einer anderen rechtlichen Bewertung. Es ging um die Bewertung des neuen Schadens und nicht des alten. Wesentlich ist nur, dass der Vorschaden bekannt war und berücksichtigt wurde.
Dass der Gutachter zu einem anderen Ergebnis beim Wiederbeschaffungswert kommt als ein von der Beklagten beauftragter Gutachter bedeutet nicht, dass letzterer eine Ersatzansprüche begründende fehlerhafte Einschätzung begangen hat. Bewertungen haben es an sich, dass sie unterschiedlich ausfallen können. Dem Sachverständigen ist ein gewisser Spielraum zuzugestehen. Maßgeblich ist allein, ob sie auf der Grundlage zutreffender Tatsachen und Methoden vorgenommen wurden. Unterschiedliche Einschätzungen von Sachverständigen sind häufig und begründen per se keine Pflichtverletzung. Auch das frühere Gutachten aus 2015 mit einem Wiederbeschaffungswert von 2.100,- € führt zu keiner anderen Bewertung. Es steht schon nicht fest, dass dieses Gutachten „richtig“ war. Genauso wenig kann das von der Beklagten eingeholte …-Gutachten alleinige Richtigkeit für sich beanspruchen. Zudem kann sich der Wiederbeschaffungswert, der von Angebot und Nachfrage auf dem Gebrauchtwagenmarkt abhängig ist, im Laufe der Zeit auch nach oben verändern.
b) Ob und ggf. welche Honorarvereinbarung zwischen der Klägerin und … getroffen wurde, steht nicht fest. Im Rahmen der Feststellung der erforderlichen Kosten sind daher §§ 631 ff. BGB heranzuziehen. Die im Rahmen des § 632 Abs. 1 BGB an den Sachverständigen geschuldete übliche Vergütung muss sich unter Anwendung der schadensrechtlichen Gesichtspunkte im Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen gemäß § 249 Abs. 2 BGB bewegen (vgl. BGH NJW 2007, 1450). Die BVSK-Honorartabelle kann dabei grundsätzlich als Schätzgrundlage zur Ermittlung des üblichen Sachverständigenhonorars gemäß § 287 ZPO herangezogen werden (BGH NJW 2018, 693; OLG München BeckRS 2016, 04574). Dies entspricht auch dem üblichen Vorgehen der Berufungskammer.
Die Schätzung erfolgt dabei nach den Werten der BVSK-Honorbefragung 2018, die – wie sich aus der Veröffentlichung des BVSK ergibt – im November 2018 veröffentlicht wurde und der die zwischen März und Oktober 2018 abgefragten Preise zugrunde liegen. Für den Unfall am 16.08.2018 können diese Werte herangezogen werden.
aa) Die Klägerin kann ihrer Abrechnung die von ihr ermittelten Reparaturkosten von 2.089,33 € netto zugrundelegen und muss sich nicht auf die tatsächlichen Reparaturkosten von 1.463,19 € (Anlage B 3) verweisen lassen. Grundlage für die Sachverständigenkosten können nur die zutreffend ermittelten Reparaturkosten sein, die nicht zwingend den tatsächlichen entsprechen müssen. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Kosten falsch ermittelt worden sind (vgl. BGH NJW 2018, 240). Die tatsächlichen Reparaturkosten sind u.a. deshalb niedriger, weil die Lackierkosten deutlich niedriger abgerechnet wurden. Im Übrigen ist eine Vielzahl von Gründen für eine günstigere Abrechnung vorstellbar, z.B. dass der Geschädigte nicht alle Arbeiten durchführen lässt oder er besondere Konditionen in der Werkstatt in Anspruch nehmen kann. Dies ändert nichts daran, dass bei der Prognoseentscheidung im Zeitpunkt der Gutachtenerstattung höhere Kosten in richtiger Weise angesetzt wurden. Dass die Kostenermittlung als solche fehlerhaft erfolgt ist, hat die Beklagte nicht behauptet.
Die Höhe des geltend gemachten Grundhonorars von 434,08 € netto ist nicht zu beanstanden. Der Betrag liegt zwar etwas oberhalb des arithmetischen Mittels von 417,50 € aus HB II und HB IV, das die Kammer in der Regel zugrundelegt, bewegt sich aber jedenfalls unterhalb der Obergrenze des HB V-Korridors von 412,- bis 447,- € und damit im hinnehmbaren Bereich, da immerhin 50-60 % der Sachverständigen so abrechnen.
bb) Die geltend gemachten Nebenkosten schätzt die Kammer gemäß § 287 ZPO ebenfalls aufgrund der in der Honorarbefragung 2018 vorgegebenen Beträge.
Nach Umfang und Inhalt des Gutachtens (Anlage K 1) sind die Kosten für 7 Fotos (14,- €), 2. Fotosatz (3,50 €), Schreibgebühren (10,80 €) und Porto/Telefon/Fax (15,- €) nicht unangemessen und daher ansetzbar.
Auch die angesetzten Fahrtkosten von 68 km à 0,70 € = 47,60 € sind erstattungsfähig. Ein Sachverständiger wird kaum direkt neben dem Unfallort oder Besichtigungsort wohnen oder tätig sein, sodass Fahrtkosten zwangsläufig anfallen. Der Geschädigte ist bei der Wahl des Sachverständigen grundsätzlich frei. Es kann nicht erwartet werden, dass er größere Nachforschungen zur Anfahrt des Sachverständigen anstellt, bevor er diesen beauftragt. Eine Anfahrt von 34 km, die in etwa der Strecke des Sachverständigenstandorts in … zum Besichtigungsort in der Werkstatt in … entspricht, erscheint (noch) hinnehmbar.
cc) Nicht erstattungsfähig sind die angesetzten 18,- € für die Nutzung der Restwertbörse. Die Beklagte hat die Erforderlichkeit bestritten. Weder ist die Inanspruchnahme aus den Unterlagen ersichtlich noch hat die insoweit beweisbelastete Klägerin Beweis angetreten.
Die Rechnung vom 23.08.2018 war daher um diesen Betrag zu kürzen.
Demnach kann die Klägerin verlangen:
Rechnungsbetrag netto:
524,98 €
19 % MwSt.
99,75 €
624,73 €
3. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 124,- €.
Bei dem Anspruch auf Zahlung der Sachverständigenkosten handelt es sich um einen Schadensersatzanspruch der Unfallbeteiligten …. Durch die Abtretung erwirbt der neue Gläubiger nur die Forderung als solche, nicht auch die Rechtsposition der ursprünglichen Gläubigerin. Die vorgerichtlichen Kosten können daher nicht als Folgeschaden, sondern nur unter den Voraussetzungen des Verzugs verlangt werden. Diese liegen aber nicht vor. Zwar hat die Klägerin selbst zweimal gemahnt (Anlagen K 6) und der jetzige Klägervertreter am 29.02.2020 (Anlage K 7). Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin aber noch nicht Inhaberin der Forderung, weil eine wirksame Abtretung erst im Verlauf des Prozesses erfolgt ist. Die Geltendmachung einer (damals) unberechtigten Forderung kann aber keinen Verzug und damit auch keinen Anspruch auf vorgerichtliche Anwaltskosten begründen.
4. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.
Verzugszinsen können aus den unter Ziffer 3. genannten Gründen nicht beansprucht werden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 269 Abs. 3 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Zulassung der Revision – wie von der Beklagten beantragt – war nicht veranlasst.
Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
Eine Sache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfragen aufwirft, die sich über den Einzelfall hinaus in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen können und deshalb für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung sind, oder wenn andere (tatsächliche oder wirtschaftliche) Auswirkungen des Rechtsstreits auf die Allgemeinheit deren Interessen in besonderem Maße berühren (vgl. – in unterschiedlichen Formulierungen – BGHZ 151, 221 = NJW 2002, 3029; BGH NJW 2002, 2957; BGHZ 152, 182 = NJW 2003, 65; BGH NJW 2003, 2319; NJW-RR 2004, 537).
Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage für das Revisionsgericht nur, wenn sie revisibles Recht betrifft (§ 545). Klärungsbedürftig ist sie, wenn in Literatur und Instanzrechtsprechung zu einer Rechtsfrage unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und eine höchstrichterliche Beantwortung bislang noch aussteht.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Wie unter Ziffer II. ausgeführt unterscheidet sich die Abtretungserklärung vom Mai/Juni 2020 von der, die der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17.07.2018 zugrunde lag. Sie unterscheidet sich aber auch von der im von der Beklagten zitierten Verfahren des Landgerichts Coburg 11 O 321/18 bzw, im Berufungsverfahren vom OLG Bamberg 5 U 95/19 zu beurteilenden Klausel. Auch im letztgenannten Fall war in der Abtretung eine Aussage über die weitere persönliche Inanspruchnahme des Geschädigten enthalten, während eine Regelung zur Rückabtretung o. ä. fehlte. Ein Widerspruch zu dieser Rechtsprechung liegt daher nicht vor. Die Einzelfallentscheidung gibt keine Veranlassung zu einer generellen Klärung.


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