Verkehrsrecht

Vorläufige Umschreibung einer tschechischen Fahrerlaubnis, Keine Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs, Wohnsitzverstoß

Aktenzeichen  M 19 E 21.3221

Datum:
2.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 27725
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FeV § 7
FeV § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, S. 2
FeV § 30
VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 6.250 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel, die Inlandsgültigkeit seiner tschechischen Fahrerlaubnis vorläufig geklärt zu erhalten.
Der Antragsteller erwarb in Tschechien eine Fahrerlaubnis der Klassen B (Erteilungsdatum …10.2010) und C (Erteilungsdatum …3.2011), beide gültig bis … März 2021. In seinem tschechischen Führerschein ist als Wohnsitz die tschechische Stadt Č* … … ausgewiesen. Laut deutschem Melderegister war der Antragsteller bis zum *. September 2011 im deutschen K* … und ab diesem Tag in W* … gemeldet.
Am … Januar 2021 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Umschreibung seiner Fahrerlaubnis. Der Antragsgegner forderte daraufhin über das Kraftfahrt-Bundesamt bezüglich dieser Fahrerlaubnis Informationen der tschechischen Behörden an.
Mit Schreiben vom *. März 2021 teilten diese mit, dass dem Antragsteller am … März 2011 ein Führerschein neu ausgestellt worden sei. Hinsichtlich seines gewöhnlichen Aufenthaltsorts wurde dabei im verwendeten Formular nur das Feld „Vorhandensein einer Unterkunft“ (Existence of accomodation) mit „yes“ angekreuzt, hinsichtlich der übrigen Fragen zu Dauer des Aufenthalts, Geschäftsbeziehungen vor Ort, Liegenschaften vor Ort und Inanspruchnahme sonstiger administrativer und sozialer Leistungen oder Erfüllung derartiger Pflichten, wurde jeweils „unknown“ angegeben.
Am … März 2021 übersandte der Antragsteller einen unvollständigen tschechischen Wohnraummietvertrag sowie eine vorläufige Aufenthaltsbescheinigung.
Am *. April 2021 teilte der Antragsgegner ihm mit, dass nach derzeitigem Sachstand zum Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis nicht von einem gewöhnlichen Aufenthalt in Tschechien auszugehen sei und gab ihm Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen.
Mit Bescheid vom … April 2021 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Umschreibung der tschechischen Fahrerlaubnis in eine deutsche Fahrerlaubnis ab (Nr. 1), stellte fest, dass der Antragsteller nicht berechtigt ist, von seiner tschechischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen (Nr. 2) und ordnete hinsichtlich der Feststellung die sofortige Vollziehbarkeit an (Nr. 3).
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Antragsteller aus seiner tschechischen Fahrerlaubnis keine Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen in Deutschland herleiten könne und damit auch keine Umschreibung in eine deutsche Fahrerlaubnis möglich sei, da er im Zeitpunkt der Ausstellung seinen ordentlichen Wohnsitz in Deutschland gehabt habe. Aus den Ausführungen der tschechischen Behörden ergebe sich lediglich, dass er dort eine Unterkunft gehabt habe. Aufgrund der sonst nicht bejahten weiteren Angaben seien jedoch unbestreitbare Informationen vorhanden, die darauf hinwiesen, dass der Antragsteller sich dort nicht überwiegend aufgehalten habe. Zur endgültigen Beurteilung der Frage, ob die Wohnsitzvoraussetzung erfüllt gewesen sei, seien daher alle, also auch alle inländischen Umstände des Falles heranzuziehen. Angesichts der Tatsache, dass er durchgängig mit Hauptwohnsitz in Deutschland gemeldet gewesen sei und währenddessen hier auch Kraftfahrzeuge auf ihn zugelassen gewesen seien, sei davon auszugehen, dass er sich hier auch überwiegend aufgehalten habe. Die von ihm vorgelegten Dokumente seien nicht geeignet, diese Informationen in Frage zu stellen. Der Mietvertrag sei unvollständig und beziehe sich auf eine andere Adresse als die von den tschechischen Behörden genannte. Die vorgelegte Aufenthaltsbescheinigung treffe keinerlei Aussagen über die tatsächliche Dauer des Aufenthalts.
Der Bescheid wurde dem Antragsteller mittels Postzustellungsurkunde am … April 2021 zugestellt.
Am … Mai 2021 übermittelte der Bevollmächtigte des Antragstellers dem Antragsgegner einen vollständigen Abdruck des Mietvertrags und teilte mit, dass sich der Antragsteller vom *. März 2010 bis zum … Dezember 2011 überwiegend in Tschechien aufgehalten habe. Beim Antragsteller handele es sich nicht um einen „Führerscheintouristen“. Er sei vielmehr in Tschechien bei der Firma „…“ angestellt gewesen, die ihm auch die Wohnung vermietet habe.
Der Antragsgegner teilte daraufhin am … Mai 2021 mit, dass am Bescheid weiter festgehalten werde. Auch die neuen Informationen seien nicht geeignet, die bestehenden Hinweise für einen überwiegenden Aufenthalt in Deutschland zu widerlegen. Sofern nun ausgeführt werde, dass der Antragsteller in Tschechien angestellt gewesen sei, sei erst recht nicht nachzuvollziehen, warum die tschechischen Behörden insoweit nichts mitgeteilt hätten, zumal er in diesem Fall in Tschechien auch Einkommenssteuer hätte abführen müssen.
Am … Mai 2021 erhob der Antragsteller über seinen Bevollmächtigten gegen diesen Bescheid Klage vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München (M 19 K 21.2827) und beantragte, den Antragsgegner zu verpflichten, die Umschreibung der tschechischen Fahrerlaubnis in eine deutsche Fahrerlaubnis vorzunehmen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Antragsteller seine Fahrerlaubnis in Tschechien während seines dortigen Aufenthalts erworben habe. Zuvor habe er keine Fahrerlaubnis besessen. Seinerzeit habe sich der Antragsteller überwiegend in Tschechien aufgehalten. Eine Abmeldung sei nicht erfolgt, weil er sich zum einen nicht mit den melderechtlichen Erfordernissen für Tschechien ausgekannt habe, zum anderen, weil sein Aufenthalt dort von vornherein befristet und eine Rückkehr an die deutsche Wohnadresse beabsichtigt gewesen sei. Im Übrigen stehe aufgrund der Informationen der tschechischen Behörden gerade nicht unbestreitbar fest, dass der Antragsteller sich zum Zeitpunkt der Ausstellung seiner Fahrerlaubnis nicht überwiegend in Tschechien aufgehalten habe, sodass es keine Grundlage für eine Verweigerung der Umschreibung gebe.
Der Antragsgegner beantragte am … Juni 2021, diese Klage abzuweisen.
Zur Begründung führte er aus, dass der Bescheid rechtmäßig sei. Die Fahrerlaubnis könne nicht umgeschrieben werden, da sich der Antragsteller im Zeitpunkt ihrer Ausstellung nicht überwiegend in Tschechien aufgehalten habe. Diese Tastsache sei durch die überwiegende Beantwortung der gestellten Fragen mit „unknown“ durch die tschechischen Behörden belegt. Die ergänzend hinzugezogenen inländischen Informationen bestätigten dies. Das Vorbringen des Antragstellers, der nach wie vor nicht in der Lage sei, das angeblich bestehende Arbeitsverhältnis näher zu untermauern, sei demgegenüber nicht geeignet, einen überwiegenden Aufenthalt in Tschechien zu belegen.
Am … Juni 2021 beantragte der Antragsteller über seinen Bevollmächtigten darüber hinaus, den Antragsgegner zu verurteilen, die tschechische Fahrerlaubnis vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache, bzw. hilfsweise zeitlich befristet in eine deutsche Fahrerlaubnis der Klassen B und C umzuschreiben sowie weiter hilfsweise ihm bis zur Entscheidung in der Hauptsache oder zeitlich befristet eine deutsche Fahrerlaubnis dieser Klassen zu erteilen.
Zur Begründung führte er aus, dass der Antragsteller auf die Umschreibung seiner mittlerweile abgelaufenen Fahrerlaubnis dringend angewiesen sei, da er, was er an Eides statt versichere, einen Gartenbaubetrieb mit zwei Fahrzeugen habe. Eines davon könne zwar ein Mitarbeiter von ihm fahren, für das andere habe er nun kurzfristig einen Rentner angestellt, der aber nur halbtags arbeiten könne.
Der Antragsgegner beantragte am *. Juli 2021, den Antrag abzulehnen.
Unabhängig davon, dass bereits kein Anordnungsanspruch gegeben sei, liege auch kein Anordnungsgrund vor. Aus den Angaben des Antragstellers ergebe sich nicht, dass die wirtschaftliche Existenz des Betriebes von der vorläufigen Erteilung der Fahrerlaubnis abhängig sei. Eine solche sei vom Gesetzgeber im Übrigen nicht vorgesehen und würde in unzulässiger Weise die Hauptsache vorwegnehmen.
Am … Juli 2021 entgegnete der Antragsteller über seinen Bevollmächtigten, dass er die Fahrerlaubnis vor allem für den Verkauf von Düngemitteln täglich benötige, die er großflächig vertreibe. Weiter wurden zwei Nachträge zu einem Arbeitsvertrag zwischen dem Antragsteller und der Firma … vorgelegt, nach denen der Antragsteller ab dem … März 2010 für jeweils sieben Monate dort angestellt war. In den Verträgen ist sowohl die tschechische, wie auch die deutsche Wohnanschrift genannt und angegeben, dass er „für die verkauften Materialen im Inn-Ausland“ eine Provision in Höhe von 10% des Verkaufspreises erhält. Der Grundarbeitsvertrag, auf den sich die beiden Dokumente beziehen, wurde nicht vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die vorgelegte Behördenakte und die Gerichtsakten in beiden Verfahren Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg. Er ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Der Antrag des Antragstellers ist dahingehend auszulegen, dass er die – zeitlich befristete – Umschreibung seines tschechischen Führerscheins, hilfsweise die – vorläufige – Feststellung begehrt, dass seine tschechische EU-Fahrerlaubnis tatsächlich inlandsgültig ist. Dieser auf Erweiterung der Rechtsposition des Antragstellers abzielende Antrag ist nach § 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft.
1. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 der VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden.
Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist, dass sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht werden. Eine Vorwegnahme der Hauptsache im Rahmen des § 123 VwGO kommt nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht. Voraussetzung dafür ist, dass eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 123 Rn. 66a ff.). Da das Führen fahrerlaubnispflichtiger Fahrzeuge im Straßenverkehr mit erheblichen Gefahren für hochrangige Rechtsgüter Dritter – namentlich für das Leben und die Gesundheit einer Vielzahl von Menschen – einhergeht, wenn der Betroffene nicht fahrgeeignet oder zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht befähigt ist, bedarf dieser Grundsatz im Lichte der Schutzpflicht, die der öffentlichen Gewalt für diese Rechtsgüter obliegt (vgl. z.B. BVerfG, B.v. 4.4.2006 – 1 BvR 518/02 – BVerfGE 115, 320), im Fahrerlaubnisrecht einer Einschränkung dahingehend, dass zumindest eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen des Anspruchs auf Erteilung einer Fahrerlaubnis sprechen muss. Ist diese Voraussetzung erfüllt, hat der Erlass einer einstweiligen Anordnung, durch die ein Anspruch temporär zuerkannt werden soll, gleichwohl dann mit Rücksicht auf den gebotenen Schutz von Leben und Gesundheit Dritter zu unterbleiben, wenn überwiegende, besonders gewichtige Gründe einer solchen Interimsregelung entgegenstehen (vgl. grundlegend BayVGH, B.v. 16.8.2010 – 11 CE 10.262 – juris Rn. 20).
2. Ob die vom Antragsteller vorgebrachten Punkte vor diesem Hintergrund geeignet sind, einen Anordnungsgrund glaubhaft zu machen, ist bereits zweifelhaft. Dass der Antragsteller derzeit über keine Fahrerlaubnis verfügt und dies für die Führung seines Betriebs nachteilig ist, ist für das Gericht nachvollziehbar. Dass es für ihn aus beruflichen Gründen von existenzieller Bedeutung ist, schon bis zur Entscheidung über die Hauptsache eine solche Fahrerlaubnis zu erhalten, ist jedoch nicht ausreichend dargelegt worden. Der Antragsteller führt zwar aus, dass er ein Fahrzeug zum Düngemittelverkauf täglich benötige, trägt aber selbst vor, dass es neben ihm zwei weitere Mitarbeiter gebe, die in Vollzeit bzw. halbtags diese Fahrzeuge für ihn fahren würden. Warum vor diesem Hintergrund der Düngemittelverkauf nicht oder nur in existenzbedrohend geringem Umfang möglich sein soll, wird nicht weiter dargelegt.
3. Letztlich kommt es hierauf aber auch nicht entscheidungserheblich an, da es nach den dargelegten Maßstäben für Haupt- und Hilfsantrag bereits an der hinreichenden Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs fehlt. Es besteht keine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen des Anspruchs des Antragstellers auf Umschreibung der tschechischen zu einer deutschen Fahrerlaubnis der Klassen B und C. Der Antragsteller war nämlich nicht berechtigt, mit seiner tschechischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet entsprechende Kraftfahrzeuge zu führen.
3.1. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) bzw. § 24 Abs. 2 FeV, auf die der im vorliegenden Fall einschlägige § 30 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 FeV verweist, ist eine EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt oder berechtigt hat, unter erleichterten Bedingungen in eine deutsche Fahrerlaubnis umzutauschen.
Grundsätzlich sind nach § 28 Abs. 1 Satz 1 FeV Inhaber einer gültigen EU-Fahrerlaubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben, zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland berechtigt. Eingeschränkt wird dies durch die Regelung des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV, nach dem diese Berechtigung nicht für Inhaber einer ausländischen Fahrerlaubnis gilt, die ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten. In diesem Fall darf die Fahrerlaubnisbehörde die fehlende Berechtigung gemäß § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV durch Verwaltungsakt feststellen und gemäß § 47 Abs. 2 FeV auf dem Führerschein vermerken.
Ein ordentlicher Wohnsitz wird nach § 7 Abs. 1 Satz 2 FeV (der den inhaltsgleichen Art. 12 der EU-Führerscheinrichtlinie 2006/126/EG in nationales Recht umsetzt) an dem Ort angenommen, wo sich der Betroffene wegen persönlicher und beruflicher Bindungen (oder rein persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen ihm und dem Wohnort erkennen lassen) an mindestens 185 Tagen im Jahr aufhält.
Die Prüfung, ob die Voraussetzungen hinsichtlich des ordentlichen Wohnsitzes erfüllt sind, ist dabei Pflicht des Ausstellungsmitgliedstaats. Andere Mitgliedstaaten sind nicht befugt, diesbezüglich Nachprüfungen vorzunehmen. Allein durch den Eintrag eines ausländischen Wohnorts im Führerschein wird das tatsächliche Innehaben eines Wohnsitzes an diesem Ort allerdings nicht positiv bewiesen. Vielmehr sind im Falle von berechtigten Zweifeln die Behörden berechtigt und verpflichtet, den Ausstellungsmitgliedstaat entsprechend um Auskunft zu ersuchen (st. Rspr. EuGH, vgl. etwa U.v. 28.2.2019, Meyn – C-9/18; U.v. 26.4.2012, Hofmann – C-419/10; BVerwG, B.v. 24.10.2019 – 3 B 26.19 – juris Rn. 21 ff.). Dem gegenüber steht dann die Verpflichtung dieses Staats, auch tatsächlich einschlägige Informationen zur Verfügung zu stellen (vgl. m.w.N. BayVGH, B.v. 23.11.2020 – 11 CS 20.2065 – juris Rn. 15). Dies wird in der Praxis über ein Auskunftsersuchen des Kraftfahrt-Bundesamts unter Verwendung einheitlicher Formulare bewerkstelligt. Geben die vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührenden Informationen (Führerschein, Formularauskunft, sonstige behördliche Auskünfte) Hinweise auf einen Verstoß gegen die Voraussetzung des ordentlichen Wohnsitzes im maßgeblichen Zeitpunkt, kann die nationale Behörde alle Umstände des bei ihr anhängigen Verfahrens berücksichtigen. Miteinbezogen werden können dann insbesondere auch die Einlassungen des Führerscheininhabers sowie Erkenntnisse von Polizei- und Meldebehörden (vgl. ausführlich BayVGH, B.v. 3.5.2012 – 11 CS 11.2795 – juris Rn. 29 ff.). Steht danach fest, dass die unionsrechtlich vorgesehene Voraussetzung eines ordentlichen Wohnsitzes zum Zeitpunkt der Führerscheinausstellung nicht beachtet wurde, kann die Anerkennung einer ausländischen Fahrerlaubnis im eigenen Hoheitsgebiet versagt werden (vgl. EuGH, U.v. 26.6.2008, Wiedemann und Funk – C 329/06; U.v. 26.6.2008, Zerche u.a. – C-419/10, beide juris). Es obliegt in diesen Fällen dem Fahrerlaubnisinhaber, substantiierte Angaben zu Beginn und Ende seines Aufenthalts im Ausstellungsmitgliedstaat zu machen sowie zu den persönlichen und beruflichen Bindungen, die im maßgeblichen Zeitraum zu dem im Führerschein angegebenen Wohnort bestanden (vgl. BayVGH, B.v. 13.1.2021 – 11 ZB 20.1984 – juris Rn. 22).
3.2. Im vorliegenden Fall sprechen die Gesamtumstände mit hoher Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Antragsteller im maßgeblichen Zeitraum der Fahrerlaubniserteilung seinen ordentlichen Wohnsitz nicht in der Tschechischen Republik hatte, obwohl im tschechischen Führerschein ein tschechischer Wohnort eingetragen ist.
3.2.1. Die aus dem Ausstellungsmitgliedstaat Tschechien stammenden unbestreitbaren Informationen weisen zunächst auf die Nichterfüllung der Wohnsitzvoraussetzung bei der Erteilung der Fahrerlaubnis hin.
Aus der Beantwortung einzelner Fragen zu den näheren persönlichen Umständen des Führerscheininhabers im Zeitpunkt der Fahrerlaubniserteilung durch die Behörden des Ausstellungsmitgliedstaats mit „unknown“ lässt sich zwar nicht zwangsläufig auf einen Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis schließen (vgl. BayVGH, B.v. 22.5.2017 – 11 CE 17.718 – juris Rn. 18; vgl. dazu auch BVerwG, U.v. 24.10.2019 – 3 B 26.19 – juris Rn. 26).
Aus der vorhandenen Auskunft der tschechischen Behörden ergibt sich aus Sicht des Gerichts jedoch ein erster Hinweis darauf, dass das Wohnsitzerfordernis nicht eingehalten wurde. Das Auskunftsformular bejaht lediglich das Vorhandensein einer Unterkunft. Alle anderen Fragen, die auch dazu dienen sollen, Scheinwohnsitze zu identifizieren, insbesondere über die Aufenthaltsdauer, wurden jedoch ausdrücklich mit „unknown“ beantwortet. Vor dem Hintergrund der unionsrechtlichen Verpflichtung des Ausstellungsmitgliedstaats, dem ersuchenden Staat einschlägige Informationen zur Verfügung zu stellen, lässt sich diese Antwort dahingehend interpretieren, dass die tschechischen Behörden selbst Zweifel haben, ob der vom Antragsteller angegebene Wohnsitz von diesem tatsächlich begründet oder nur zum Schein gewählt bzw. nur kurzfristig genutzt wurde. Denn ohne besonderen Anhalt kann nicht unterstellt werden, dass die Behörde eines EU-Mitgliedstaats die Fragen in einem auf europäischer Ebene abgestimmten Formular ohne Ermittlungen mit „unknown“ beantwortet und damit der Sache nach zu diesen keine Auskünfte erteilt, zumal wenn der betreffende EU-Mitgliedstaat wie die Tschechische Republik ein Ausländer-, Einwohnermelde- und Gewerberegister führt (BayVGH, B.v. 5.2.2021 – 11 CS 20.2160 – juris Rn. 24; B.v. 23.11.2020 – 11 CS 20.2065 – juris Rn. 19; U.v. 10.7.2020 – 11 ZB 20.88 – juris Rn. 22 m.w.N. zum tschechischen Registerwesen; B.v. 7.7.2020 – 11 ZB 19.2112 – juris Rn. 18; B.v. 4.3.2019 – 11 B 18.34 – juris Rn. 24).
3.2.2. Die Zusammenschau mit den übrigen bekannten Umständen, insbesondere der durchgehenden Meldung des Antragstellers in Deutschland, lässt dann auf einen Wohnsitzverstoß schließen. Einen gewichtigen inländischen Umstand stellt dabei die Tatsache dar, dass der Antragsteller während des gesamten Zeitraums, in dem er überwiegend in Tschechien gewesen sein will, durchgängig in Deutschland mit Hauptwohnsitz gemeldet war. Eine Abmeldung ins Ausland ist nicht aktenkundig. Vielmehr erfolgte währenddessen sogar eine Ummeldung innerhalb Deutschlands, die vor dem Hintergrund, dass er sich in dieser Zeit zum einen nicht nur in Tschechien aufgehalten haben will, sondern auch angegeben hat, aufgrund des nur kurzfristigen Aufenthalts in Tschechien melderechtlich nichts veranlasst zu haben, nicht nachvollziehbar ist.
3.2.3. Diesem Schluss ist der Antragsteller im vorliegenden Verfahren nicht durch substantiierte und verifizierbare Angaben zu seiner Wohnsitzbegründung in Tschechien entgegengetreten. Der Antragsteller ist dabei wohl nicht als „Führerscheintourist“ zu betrachten, der sich in Tschechien nur für den Erwerb der Fahrerlaubnis kurzfristig aufgehalten hat. Vielmehr trägt er im Grundsatz glaubhaft vor, zumindest zeitweise in Tschechien gelebt und gearbeitet zu haben. Ihm gelingt es allerdings weder mit seinem Vortrag noch mit den vorgelegten Unterlagen, glaubhaft zu machen, dass er sich dabei überwiegend in Tschechien aufgehalten hat. Er hat zwar einen Wohnraummietvertrag (der nach Auffassung des Gerichts auch mit der von den tschechischen Behörden angenommenen Adresse übereinstimmt) und eine tschechische Aufenthaltsbescheinigung vorgelegt. Diese belegen aber allenfalls, dass er sich überhaupt in Tschechien aufgehalten hat, keinesfalls aber in welchem Umfang. Auch die vorgelegten Arbeitsvertragsnachträge können dies nicht belegen. In diesen ist zum einen neben der tschechischen auch die deutsche Adresse aufgeführt, zum anderen lässt die getroffene Provisionsregelung vermuten, dass der Antragsteller für diese Tätigkeit nicht nur in Tschechien, sondern auch im Ausland tätig war, also währenddessen gerade nicht überwiegend dort anwesend war. Diesbezüglich kommt hinzu, dass er bislang den zugrundeliegenden Arbeitsvertrag sowie entsprechende Gehaltsnachweise nicht vorgelegt hat. Auch ist nicht nachvollziehbar, warum trotz einer solchen Anstellung die tschechischen Behörden weder Angaben zu seinem Arbeitsplatz, noch zu gezahlten Steuern oder Sozialabgaben machen können.
4. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
5. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Rechtsgrundlage in § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Stand 2013, Nrn. 46.3, 46.5 und 1.5).


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