Versicherungsrecht

Berufung, Rechtsmittel, Feststellung, Klage, Gutachten, Zinsen, Umfang, Unrichtigkeit, Sicherung, Streitwert, Vertrag, Bedeutung, Tatsachenfeststellung, Zweifel, Fortbildung des Rechts, Aussicht auf Erfolg, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung

Aktenzeichen  8 U 1929/19

Datum:
17.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 46640
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

11 O 3211/17 2019-05-31 LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 31.05.2019, Aktenzeichen 11 O 3211/17, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 99.800,88 € festgesetzt.

Gründe

Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 31.05.2019, mit dem die Klage abgewiesen wurde, Bezug genommen.
Im Berufungsverfahren beantragt der Kläger:
I. Das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth, Az: 11 O 2311/17 vom 31.05.2019 wird abgeändert.
II. Die Beklagte hat dem Kläger rückständige Berufsunfähigkeitsrenten für den Zeitraum November 2015 bis Mai 2017 in Höhe von monatlich 1.470,06 € mithin insgesamt 27.931,14 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen.
III. Die Beklagte hat dem Kläger ab Juni 2017 bis längstens inklusive September 2021 monatlich, monatlich im Voraus, eine Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 1.470,06 € zu zahlen.
IV. Die Beklagte hat dem Kläger überbezahlte Beiträge für den Zeitraum November 2015 bis inklusive Mai 2017 in Höhe von 3.154,38 € zurückzuerstatten, nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz .
V. Die Beklagte hat den Kläger von seiner Beitragszahlungspflicht zum Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag mit der Versicherungsschein-Nr. 8907836 ab Juni 2017 bis längstens inklusive September 2021 freizustellen.
VI. Kosten
VII. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von weiteren Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von € 2.348,94 freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die gegnerische Berufung zurückzuweisen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 31.05.2019, Aktenzeichen 11 O 3211/17, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 15.01.2020 Bezug genommen. Dort hatte der Senat zur Hauptsache ausgeführt:
Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei und mit zutreffenden Erwägungen Ansprüche des Klägers aus dem zwischen den Parteien bestehende Vertrag über eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (Versicherungsschein-Nr. 8907836) abgelehnt und die Klage als unbegründet abgewiesen.
Es wird zunächst Bezug genommen auf die detaillierten und mit erkennbarer Sorgfalt ausgearbeiteten Gründe des angefochtenen Urteils, die den Senat überzeugen.
Ergänzend ist im Hinblick auf die Berufungsbegründung vom 23.08.2019 noch auszuführen:
1. Der Kläger hat weder neue berücksichtigungsfähige Tatsachen vorgetragen (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) noch konkrete Anhaltspunkte aufgezeigt, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Tatsachenfeststellungen des Landgerichts begründen würden (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Es ist daher von dem im angefochtenen Urteil zugrunde gelegten Sachverhalt auszugehen. Dieser rechtfertigt weder eine andere Entscheidung noch ist eine Rechtsverletzung vorgetragen, auf der die erstinstanzliche Entscheidung beruhen würde (§ 513 Abs. 1 ZPO).
Da die Berufung – abweichend von ihrer früheren Funktion als vollwertige zweite Tatsacheninstanz – nunmehr in erster Linie der Fehlerkontrolle und Fehlerbeseitigung dient, ist das Berufungsgericht an die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen grundsätzlich gebunden; eine erneute Tatsachenfeststellung ist nur als Ausnahme vorgesehen, soweit die erste Instanz die Feststellungen nicht vollständig und überzeugend getroffen hat (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Zweifel im Sinne dieser Vorschrift liegen nur dann vor, wenn – aufgrund konkreter Anhaltspunkte – aus der Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Falle erneuter Tatsachenfeststellungen die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand haben werden, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (vgl. BGHZ 158, 269 ff. = NJW 2004, 1876 ff.; BGHZ 162, 313 ff. = NJW 2005, 1583 ff.; BGH NJW 2003, 3480 ff.; OLG Bamberg, 13.11.2012, 5 U 66/12 Rn. 5-10 juris, r+s 2013, 573).
Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Allerdings können sich Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit entscheidungserheblicher Feststellungen auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertungen ergeben (BGH NJW 2005, 1583). Hat sich aber das Erstgericht mit den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt – ist die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich und verstößt sie nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze – und ist auch das Berufungsgericht von der Richtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung überzeugt, so sind die Feststellungen bindend. Eine Partei kann dann nicht in zulässiger Weise ihre eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Erstgerichts setzen.
2. Die Angriffe der Berufung gegen die beweiswürdigende Feststellung des Landgerichts, der Kläger sei im Hinblick auf das Vorliegen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit im Umfang von mindestens 50% beweisfällig geblieben, haben keinen Erfolg.
a) Die Feststellung des – sachverständig beratenen – Landgerichts, auf psychiatrischem Fachgebiet liege keine messbare Beeinträchtigung der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers vor (vgl. EU S. 12-18), wird von der Berufungsbegründung hingenommen und nicht substantiiert (vgl. § 520 Abs. 3 Nr. 2, Nr. 3 ZPO) angegriffen.
b) Ohne Erfolg versucht die Berufung, die entsprechenden Feststellungen des Landgerichts zu Art und Umfang von Beeinträchtigungen der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers auf orthopädischem Fachgebiet (vgl. EU S. 18-23) in Zweifel zu ziehen.
Das Erstgericht hat die Problematik der „prägenden Einzeltätigkeiten“ tatsächlich und rechtlich zutreffend behandelt.
Es hat insbesondere nicht verkannt, dass es nicht alleine auf den „rein zeitlichen Aspekt“ ankommt, sondern immer eine wertende Gesamtschau erforderlich ist um feststellen zu können, ob insgesamt eine zumindest hälftige (50%) Beeinträchtigung der versicherten Berufstätigkeit vorliegt.
Auch zu der von der Rechtsmittelbegründung angeführten Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 02.03.2000 verhält sich das angefochtene Urteil (EU S. 22-23) mit überzeugenden Ausführungen.
Rechtsanwendungsfehler hierbei werden von der Berufungsbegründung weder nachvollziehbar dargelegt noch sind solche für den Senat anderweitig ersichtlich.
c) Art und Umfang der vom Klägervertreter so benannten „Bei-Tätigkeiten“ (Auslieferungsfahrten und Vornahme von Verblendungen) für die im Betrieb mitarbeitende Ehefrau des Klägers sind für die Entscheidung des Streitfalles nicht von Bedeutung.
d) Das Landgericht hat die Einzelheiten der vom Versicherten zuletzt in gesunden Tagen ausgeübten Berufstätigkeit sorgfältig aufgeklärt (durch persönliche Anhörung des Versicherten) und hierzu auch Beweis erhoben.
Auf dieser Grundlage hat es sich gemäß § 286 ZPO die Überzeugung gebildet, dass der Kläger zuletzt in gesunden Tagen „vor dem Bandscheibenvorfall 2006 als selbständiger Zahntechnikermeister 50 bis 60 Stunden pro Woche“ seiner Berufstätigkeit nachging (EU S. 10).
Diese Vorgaben zum versicherten Beruf wurden vom Prozessgericht im Rahmen eines Beweisbeschlusses auch ordnungsgemäß an die orthopädische Sachverständige, Frau Dr. med., weitergegeben und von dieser wiederum zur Grundlage ihrer gutachterlichen Bewertungen gemacht (vgl. insbesondere Gutachten vom 03.04.2018, S. 45 = Bl. 108 d.A., sowie GA S. 53-55 = Bl. 112-113 d.A.).
Wie die Sachverständige dann auf dieser Basis zu dem von ihr rechnerisch ermittelten und zugunsten des Versicherten aufgerundeten Grad bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit auf orthopädischem Gebiet von 40% kommt, ist an vorbezeichneten Stellen im Gutachten ausführlich und gut nachvollziehbar dargestellt.
Das hiergegen gerichtete Berufungsvorbringen beruht nach der „Rosinentheorie“ auf bewusster Fehlinterpretation einzelner Zahlenwerte und darauf gestützter Annahmen.
Ein solches Vorgehen verkennt die Bindungswirkungen der landgerichtlichen Feststellungen (vgl. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und ist nicht geeignet, den Bestand des Ersturteils zu gefährden.
Denn Fehler des Landgerichts bei der Überzeugungsbildung zu Art und Umfang der versicherten Berufstätigkeiten des Klägers werden nicht aufgezeigt, auch wird vom Berufungsführer nicht dargestellt, dass die Sachverständige Vorgaben des Prozessgerichts missverstanden oder unbeachtet gelassen habe, derartige Unrichtigkeiten sind für den Senat auch sonst nicht erkennbar.
Die Ausführungen in der Gegenerklärung vom 10.03.2020 wurden zur Kenntnis genommen und geprüft. Sie geben indes zu einer Änderung in der rechtlichen Bewertung des Falles keinen Anlass. Denn diese Ausführungen des Berufungsklägers repetieren nur aktenkundigen Vortrag, der bereits Gegenstand der erstinstanzlichen Urteilsfindung und der Senatsberatung vor Erlass des Hinweisbeschlusses war, ohne neue Gesichtspunkte oder überzeugende Argumente aufzuzeigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.


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