Aktenzeichen 25 U 1090/18
ZPO § 522 Abs. 2
Leitsatz
Verfahrensgang
26 O 17481/17 2018-03-21 Endurteil LGMUENCHENI LG München I
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 21.03.2018, Aktenzeichen 26 O 17481/17, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.489,33 € festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin verlangt von der Beklagten nach im Jahr 2016 erklärtem Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. gegen einen im Jahr 1996 abgeschlossenen und im Jahr 2011 gekündigten und abgerechneten Lebensversicherungsvertrag auf bereicherungsrechtlicher Grundlage noch 7.489,33 € zuzüglich Nebenforderungen. Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 21.03.2018 Bezug genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, auf die Entscheidungsgründe wird ebenfalls Bezug genommen. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klageziel vollumfänglich weiter.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 21.03.2018, Aktenzeichen 26 O 17481/17, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 02.07.2018 (Bl. 140/146 d.A.) Bezug genommen.
Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung vom 18.07.2018 geben zu einer Änderung keinen Anlass.
1. Der Senat hält daran fest, dass eine Zulassung der Revision in Hinblick auf das Urteil des OLG Karlsruhe vom 15.12.2017, Az. 12 U 127/17 nicht veranlasst ist. Entgegen der Behauptung der Gegenerklärung setzt eine Divergenz voraus, dass es sich bei einer Abweichung um eine tragende Erwägung der Vergleichsentscheidung handelt, vgl. z.B. BGH NJW 2002, 2473, R. 8 bei juris: „Voraussetzung für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde unter diesem Gesichtspunkt ist allerdings, daß der Beschwerdeführer darlegt, daß die angefochtene Entscheidung von der Entscheidung eines höherrangigen Gerichts, von einer gleichrangigen Entscheidung eines anderen Spruchkörpers desselben Gerichts oder von der Entscheidung eines anderen gleichgeordneten Gerichts abweicht. Eine solche Abweichung liegt nur vor, wenn die angefochtene Entscheidung ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, also einen Rechtssatz aufstellt, der von einem die Entscheidung tragenden Rechtssatz der Vergleichsentscheidung abweicht “ (Hervorhebung durch den Senat; ebenso die von der Gegenerklärung selbst zitierte Entscheidung BGH NJW 2002, 2957, Rn. 11 bei juris, m.w.N.).
2. Der Senat bleibt auch bei seiner im Hinweis näher begründeten Auffassung, dass es sich bei der vorliegenden fondsgebundenen Lebensversicherung auf den Todes- und Erlebensfall zwar um eine Kombination von bedingter Todesfallversicherung und Erlebensfallversicherung handelt, diese aber keine Bündelung einzelner solcher Versicherungsprodukte darstellt, sondern ein Versicherungsprodukt eigener Art. Dies wird unter anderem dadurch bestätigt, dass bei der Rückabwicklung derartiger Verträge nach erfolgreichem Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. nach inzwischen gängiger (dem Bundesgerichtshof folgender) obergerichtlicher Rechtsprechung der dem Versicherer zu belassende Wert des Versicherungsschutzes regelmäßig unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen wird, und zwar nach dem Risikoanteil der betroffenen Kapitallebensversicherung – nicht etwa nach der nach anderen Maßstäben kalkulierten Prämie einer etwaigen reinen Risikolebensversicherung des betroffenen Versicherers.
Auch insoweit liegt kein Zulassungsgrund für eine Revision, insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung vor. Der Senat wird trotz reichhaltiger Befassung mit Widerspruchsfällen in den letzten Jahren mit der hier von der Klägerin vertretenen Auffassung erstmals konfrontiert und hält diese für fernliegend. Wäre sie richtig, wären wohl sämtliche grundsätzlich unter § 5a VVG a.F. fallenden Kapitallebensversicherungen mit einem sog. ewigen Widerspruchsrecht behaftet, da (soweit ersichtlich) der Risikoanteil nie gesondert ausgewiesen wurde – ohne dass dies bisher in der Rechtsprechung beanstandet worden wäre. Etwaige vereinzelte Stimmen aus der Literatur – noch dazu aus lange zurückliegender Zeit – wären im Übrigen auch nicht ausreichend zur Begründung einer grundsätzlichen Bedeutung.
3. Hinsichtlich der angeblich fehlenden Angabe der Nebenkosten und -gebühren bezüglich Ratenzahlungszuschlägen verbleibt es ebenfalls bei der Auffassung aus dem Hinweis.
Die Ausführungen zur angeblich bei der Beklagten liegenden Darlegungs- und Beweislast gehen hier fehl. Sofern Nebengebühren erhoben würden, wäre die Beklagte zwar darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass sie darüber in den Verbraucherinformationen informiert hat. Dies gilt aber nicht für die vorab zu klärende Frage, ob solche überhaupt erhoben wurden; hierfür ist nach allgemeinen Regeln die Klägerin beweispflichtig. Die Beklagte hat ohnehin vorgetragen, dass Ratenzahlungszuschläge bei der fondsgebundenen Versicherung naturgemäß nicht erhoben würden – was der fehlenden Vereinbarung etwaiger Ratenzahlungszuschläge in den Allgemeinen Bedingungen entspricht. Diesem Vortrag ist die Klägerin weder konkret entgegengetreten noch hat sie hierzu Beweis angeboten.
Im Übrigen ergibt sich aus der Formulierung der im Hinweis zitierten Passage aus dem Urteil des BGH vom 06.02.2013 – Az. IV ZR 230/12, Rn. 16 bei juris, sehr wohl, dass es sich um keinen „Zuschlag“ zu einer zunächst einheitlich bemessenen Prämie, sondern um je eigenständige Prämien handelt: „wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer nach Zeitabschnitten gestaffelte Prämien anbietet …“.
Auch insoweit besteht kein Zulassungsgrund für eine Revision, schon mangels Entscheidungserheblichkeit der Frage, ob über Ratenzahlungszuschläge als „Nebengebühren“ informiert werden müsste. Wie ausgeführt, fehlt es vorliegend an einer ausreichenden Darlegung und dem Nachweis, dass überhaupt Ratenzahlungszuschläge erhoben worden wären.
4. Da nach alledem von einer ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung und vollständigen Verbraucherinformationen auszugehen ist, erfolgte der erst im Jahr 2016 erklärte Widerspruch nicht fristgemäß.
Ob der nach dem Policenmodell geschlossene Versicherungsvertrag wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegt, kann vorliegend dahinstehen. Eine diesbezügliche Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den einschlägigen europäischen Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. Der Klägerin ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Die Treuwidrigkeit liegt darin, dass die Klägerin nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang unter regelmäßiger Prämienzahlung durchführte und erst dann von dem Versicherer, der auf den Bestand des Vertrages vertrauen durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte.
Die Klägerin verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ sie bei Vertragsschluss 1996 ungenutzt verstreichen. Sie zahlte über viele Jahre hinweg die Versicherungsprämien, erklärte dann im Jahr 2011 die Kündigung des Versicherungsvertrages und erst im Jahr 2016 den Widerspruch. Die jahrelangen Prämienzahlungen der bereits 1996 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten Versicherungsnehmerin haben bei dem Versicherer ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für die Versicherungsnehmerin auch erkennbar.
Die Frage einer möglichen Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union in einem Fall, in dem kein widersprüchliches Verhalten des Versicherungsnehmers festgestellt werden kann, stellt sich im Streitfall nicht.
Die Maßstäbe für die Berücksichtigung der Gesichtspunkte von Treu und Glauben sind auch in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt (siehe im Einzelnen BGH, Urteil vom 16.07.2014, Az. IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 41 f.; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 4. März 2015 – 1 BvR 3280/14, juris Rn. 31 ff. m.w.N.) und die Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens steht in Fällen wie dem vorliegenden in Einklang mit dieser Rechtsprechung (vgl. BGH aaO; vgl. auch BVerfG aaO; vgl. zum Ganzen z.B. BGH, Beschlüsse vom 12.12.2016 und 24.01.207, Az. IV ZR 107/16; Urteil vom 10.06.2015, Az. IV ZR 105/13).
Ob darüber hinaus vorliegend auch bei unterstellt nicht ordnungsgemäßer Belehrung oder unvollständiger Verbraucherinformation unter Berücksichtigung des fast 20 Jahre zurückliegenden Vertragsschlusses, der Widerspruchserklärung erst über 5 Jahre nach Kündigung – als etwaige Ansprüche daraus längst verjährt waren – und der sonstigen, im Urteil des Landgerichts dargestellten Umstände ausnahmsweise die Annahme eines Rechtsmissbrauchs gerechtfertigt wäre, kann dahinstehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 Abs. 1 GKG, 3 ff. ZPO bestimmt.