Verwaltungsrecht

Allgemeine Angst vor Verfolgung aufgrund sunnitischer Religionszugehörigkeit und eines typisch sunnitischen Vornamens

Aktenzeichen  AN 2 K 16.30398

Datum:
15.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3

 

Leitsatz

Für eine Gruppenverfolgung von Irakern sunnitischer Religionszugehörigkeit fehlt es an der erforderlichen Verfolgungsdichte. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Der Bescheid des Bundesamtes vom 23. März 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus im Sinne von § 4 AsylG und auf Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Das Gericht nimmt zur Begründung dieses Urteils vorab Bezug auf den ausführlichen und zutreffend begründeten streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes, § 77 Abs. 2 AsylG.
Die Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG ist nicht Gegenstand des Bescheids und der Klage.
Ergänzend wird, auch unter Berücksichtigung der mündlichen Verhandlung am 15. Dezember 2016, noch ausgeführt:
Das Bundesamt hat zu Recht festgestellt, dass der Kläger kein Flüchtling im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG ist. Gemäß § 3 AsylG ist ein Ausländer ein Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Soweit der Kläger vorträgt, dass er wegen seines sunnitischen Glaubens Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche gehabt habe und keine Ehefrau gefunden habe, handelt es sich zum einen um bloße Behauptungen, die der Kläger nicht substantiiert begründet. Zum anderen stellen die geschilderten Benachteiligen noch keine schwerwiegende Verletzung von grundlegenden Menschenrechten oder ähnlich gravierende Maßnahmen und damit keine Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3a Abs. 1 AsylG dar. Dem Kläger wurde jedenfalls nicht der Zugang zum Arbeitsmarkt in Gänze verwehrt, da er nach eigener Aussage schließlich einer Tätigkeit bei einer Sicherheitsfirma nachgegangen ist.
Die Angabe des Klägers, vor seinem Haus sei im Jahr 2013 eine Autobombe explodiert, die das Haus seiner Familie zerstört habe, ist nach der Überzeugung des Gerichts nicht glaubhaft. Auffällig ist zunächst, dass der Kläger in der Anhörung beim Bundesamt auf die Frage nach seinen Fluchtgründen zunächst nur die oben beschriebenen Diskriminierungen, die Gefahr aufgrund seines typisch sunnitischen Vornamens und die allgemeine Sicherheitslage im Irak anführt. Den Vorfall mit der angeblichen Explosion erwähnt der Kläger eher nebenbei. Das Bundesamt musste mehrmals nachfragen, wie sich der Vorfall abgespielt hat. Auf diese Nachfragen antwortet der Kläger einsilbig ohne Details und ohne erkennbare Emotionen. Dies verwundert umso mehr, als dass es bei dieser Explosion Tote gegeben haben soll sowie sein Bruder verletzt und das Haus seiner Familie komplett zerstört worden sein soll. Der Kläger gibt erst an, er habe die Explosion gehört, dann er habe sie sogar gesehen. Am Ende bekräftigt er seinen Vortrag mit „Das war so“. Auch in der mündlichen Verhandlung gelingt es dem Kläger nicht, zusammenhängend und substantiiert den Vorfall zu beschreiben. Den im Verfahren vorgelegten Fotos kann diesbezüglich kein Beweiswert zukommen. Die Fotos zeigen zwar ein zerstörtes Haus und ein zerstörtes Auto. Allerdings gibt es keine Anhaltspunkte, an welchem Ort und zu welcher Zeit die Aufnahmen gemacht wurden. Auf der vom Kläger vorgelegten CD befindet sich ein Video, das die gleiche Szene zeigt, die auf den Fotos zu sehen ist. Der Grund der Zerstörungen ist auf den Videos nicht zu sehen. Ebenso wenig ist erkennbar, wo und wann die Videoaufnahme stattgefunden hat. Die Fotos und das Video vermögen daher die Überzeugung des Gerichts nicht ändern. Hinzu kommt, dass der Kläger im Rahmen seiner Darlegungslast nicht ausreichend schlüssig vorträgt, dass die angebliche Explosion tatsächlich persönlich gegen ihn und seine Familie gerichtet und damit eine individuelle Verfolgungshandlung war.
Die vom Kläger vorgebrachte allgemeine Angst vor Verfolgung wegen seiner sunnitischen Religionszugehörigkeit und seines typisch sunnitischen Vornamens stellt keine begründete Furcht vor Verfolgung dar. Nach der Auskunftslage existiert keine nach der Rechtsprechung des Bundeverwaltungsgerichts für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte hinsichtlich sunnitischer Iraker aus …. Für die Annahme einer entsprechenden Verfolgungsdichte ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht (BVerwG, U.v. 21. April 2009 – 10 C 11/08 – juris Rn. 13 ff.). Nach den zum Bestandteil des Verfahrens gemachten Auskünften existieren zwar im Irak schiitische Milizen, die zum Teil auch gewaltsam gegen Sunniten vorgehen. Dabei handelt es sich aber um einzelne Übergriffe. Für Sunniten aus … erreichen diese Übergriffe seitens schiitischer Milizen kein solches Ausmaß, dass für jeden Iraker sunnitischen Glaubens ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Insbesondere ist … nicht ehemals von der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ besetzt gewesen. Sunniten, die aus Gebieten flüchten, die von der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ besetzt sind oder waren, sind aufgrund des pauschalen Verdachts der Kollaboration verstärkt Verfolgung und Racheakten ausgesetzt. Dies trifft auf den Kläger jedoch gerade nicht zu.
Ein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes im Sinne von § 4 AsylG besteht nicht, da dem Kläger in seinem Herkunftsland, insbesondere in seiner Herkunftsregion, kein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 AsylG droht. Der Kläger stammt aus … und hat dort bis zu seiner Ausreise aus dem Irak gelebt. In … droht dem Kläger kein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 AsylG, insbesondere liegt in … kein innerstaatlicher Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG vor. Von einem innerstaatlichen Konflikt im Sinne dieser Vorschrift ist auszugehen, wenn die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen (EuGH, U.v. 30.1.201 – C-285/12 – juris Rn. 35). Dem Ausländer droht dann ein ernsthafter Schaden aufgrund des Konflikts, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (EuGH, U.v. 30.1.201 – C-285/12 – juris Rn. 30). Zwar ist die Sicherheitslage im Irak stark angespannt und kommt es gerade auch in … immer wieder zu terroristischen Anschlägen. Die angespannte Sicherheitslage resultiert jedoch aus inneren Unruhen und Spannungen, die nicht die Intensität und Dauerhaftigkeit eines Bürgerkriegs aufweisen. Das erkennende Gericht sieht unter Zugrundelegung der zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Kläger als Zivilperson bei seiner etwaigen Rückkehr in den Irak, speziell nach …, allein durch seine Anwesenheit in dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer hier verfahrensrelevanten Bedrohung ausgesetzt zu sein.
Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG liegen nicht vor. Das Gericht bezieht sich insoweit auf die Feststellungen und die Begründung des angefochtenen Bescheids, da der Kläger auch im Rahmen des Gerichtsverfahrens keine darüber hinausgehenden, maßgeblichen Gesichtspunkte vorgetragen hat und das Gericht den Ausführungen des Bundesamtes folgt, § 77 Abs. 2 AsylG.
Die in Ziffer 4) des Bescheides vom 24. März 2016 ausgesprochene Abschiebungsandrohung beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG und ist rechtmäßig, da die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
Die im Rahmen von § 11 Abs. 3 AufenthG zu treffende Ermessensentscheidung über die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 3 AufenthG ist nicht zu beanstanden, § 114 Satz 1 VwGO.
Die Kostenfolge beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.


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