Verwaltungsrecht

Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Verfolgungsschicksals

Aktenzeichen  Au 5 K 16.32149

Datum:
30.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 16a Abs. 2 S. 1, S. 2
AsylG AsylG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 26a

 

Leitsatz

An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf die Gewährung subsidiären Schutzes. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG liegen nicht vor (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 10. Oktober 2016 ist auch hinsichtlich der Ausreiseaufforderung, der Abschiebungsandrohung und der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es wird insoweit in vollem Umfang Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) und ergänzend ausgeführt:
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter.
Der Kläger ist nach eigenen Angaben auf dem Landweg und damit über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 und 2 GG kann sich auf das Asylrecht nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder aus einem anderen durch Gesetz zu bestimmenden Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Durch Anlage I zu § 26a AsylG sind Norwegen und die Schweiz als sichere Drittstaaten bestimmt worden. Da somit alle Nachbarstaaten der Bundesrepublik Deutschland entweder aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft oder aufgrund der Anlage I zu § 26a AsylG sichere Drittstaaten sind, hat jeder Asylsuchende, der auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland gelangt ist, den Ausschlussgrund der Einreise aus einem sicheren Drittstaat verwirklicht (BVerwG, U.v. 7.11.1995, InfAuslR 1996, 152). Auf den genauen Reiseweg kommt es dabei nicht mehr an.
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft i. S. des § 3 Abs. 1 AsylG.
Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Dabei kann die Verfolgung i. S. des § 3 AsylG nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten.
Hiervon ausgehend kann der Kläger nicht als Flüchtling anerkannt werden. Das Vorbringen des Klägers zu seinem Verfolgungsschicksal ist widersprüchlich und nicht glaubhaft. Der Kläger, der keinerlei Nachweise über seine Identität vorlegen konnte, hat bei seiner informatorischen Befragung durch das Gericht seine Angst vor Verfolgung in völlig anderer Weise begründet als noch bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt. Beim Bundesamt trug der Kläger noch vor, dass er beschlossen habe, M. zu verlassen, nachdem er seine Mutter, seine Freundin und seinen Sohn verloren habe. Er habe zu seinen Landsleuten kein Vertrauen und habe Probleme mit seinen Freunden gehabt. Er sei in M. nicht glücklich gewesen. Er sei aber von niemandem bedroht worden. Politisch habe er sich nicht betätigt. Das Geld für die Ausreise habe er durch Arbeit verdient. Demgegenüber behauptete er bei seiner Anhörung durch das Gericht erstmals, dass seine Mutter Politikerin in … gewesen sei und er glaube, dass sie vergiftet worden sei. Er selbst sei ebenso wie sein Chef des Drogenhandels verdächtigt worden, sein Chef sei umgebracht worden. Er habe dann das Geld genommen und sei geflohen. Auf Nachfrage des Gerichts, weshalb er dies nicht bereits bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt vorgetragen habe, berief sich der Kläger auf Übersetzungsprobleme. Angesichts der ausführlichen Anhörung, der detailliert aufgenommenen und jeweils rückübersetzten Antworten des Klägers und der Bestätigung, dass es keine Übersetzungsschwierigkeiten gab, sind die behaupteten Übersetzungsschwierigkeiten jedoch nicht glaubhaft. Vielmehr erscheint das Vorbringen des Klägers nachgeschoben. Zudem ist es viel zu pauschal und unsubstantiiert, um die Gefahr einer politischen Verfolgung zu begründen. Der Kläger konnte trotz mehrfacher Nachfrage durch das Gericht nicht benennen, wer konkret ihn in … verfolgt habe. Die allgemeine Behauptung, „Politiker“ hätten ihn wegen eines Drogendelikts verfolgt, ist weder nachvollziehbar noch glaubhaft. Probleme mit der Polizei oder den Sicherheitsbehörden in M. hatte der Kläger bei seiner Anhörung durch das Bundesamt noch ausdrücklich verneint. Auch das Vorbringen, seine Mutter sei Politikerin gewesen und deswegen vergiftet worden, entbehrt jeder Substanz, zumal der Kläger selbst hier offensichtlich nur Mutmaßungen anstellt. Im Übrigen knüpft die behauptete Verfolgung des Klägers wegen Drogengeschäften nicht an die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten, flüchtlingsrelevanten Merkmale an. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft kommt vor diesem Hintergrund offensichtlich nicht in Betracht.
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes i. S. des § 4 Abs. 1 AsylG. Er hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihm bei einer Rückkehr nach M. ein ernsthafter Schaden i. S. des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 AsylG droht.
Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 2 AsylG liegen offensichtlich nicht vor. Ungeachtet der Frage, ob die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG vorliegen, ist der Kläger, soweit er eine Gefährdung in seiner Heimatregion befürchtet, auf eine innerstaatliche Fluchtalternative im Süden M. zu verweisen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i. V. m. § 3e AsylG).
Der Süden M. ist bürgerkriegsfrei. Von den Kampfhandlungen … Gruppen, die im Januar 2012 ihren Anfang nahmen, war der Norden M.s betroffen (… Flüchtlingshilfe, M.: Aktuelle Lage, Auskunft der SFH-Länderanalyse vom 30. Oktober 2012). Bereits im Juni 2013 war zwischen der M. Regierung und mehreren bewaffneten Gruppen ein Friedensabkommen zur Stabilisierung der Lage im Norden M. geschlossen worden (… International, M.-Report 2015). Am 15. Mai und 20. Juni 2015 wurde erneut ein innerstaatliches Friedensabkommen zur nachhaltigen Befriedung von Nord-M. geschlossen. Von den bürgerkriegsähnlichen Zuständen im Norden M. blieb der Süden M. jedoch verschont, auch wenn selbst in der Hauptstadt B. eine Gefährdung durch terroristische Gruppen nicht ausgeschlossen werden kann (Auswärtiges Amt, M.: Reise- und Sicherheitshinweise, Stand: 2.11.2016). Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass vereinzelte Anschläge bereits die Qualität eines Bürgerkriegs erreicht haben, bestehen nicht (s. hierzu auch VG Magdeburg, U.v. 27.5.2016 – 1 A 125/15 MD). Aus dem Vortrag des Klägers ergeben sich auch keine Hinweise darauf, dass er im Süden M.s keine sichere Zuflucht finden könnte. Die behauptete Verfolgung in … hat der Kläger, wie ausgeführt, nicht glaubhaft gemacht. Zudem hat er ausdrücklich betont, durch „Politiker“ in … bedroht worden zu sein. Weshalb ihn diese Politiker landesweit, auch im Süden M.s suchen sollten, ist nicht ersichtlich.
Das Gericht geht auch davon aus, dass der Kläger als alleinstehender junger Mann seinen Lebensunterhalt im Süden M. sicherstellen kann, selbst wenn hierfür mehr zu fordern ist als die bloße Sicherung des Existenzminimums. Der Kläger hat bereits vor der Ausreise als Helfer gearbeitet und konnte die Kosten der Ausreise in Höhe von 1.500 Euro aufbringen. Selbst während seines illegalen Aufenthalts in Sp. gelang es ihm, Geld für die Weiterreise zu sammeln. Zudem lebt der Vater des Klägers noch in M. Der Kläger gibt zwar an, Probleme mit der Atmung zu haben und deswegen in ärztlicher Behandlung zu sein. Ein Attest hat er jedoch nicht vorgelegt. Zudem hat die Erkrankung den Kläger weder an der Erwerbstätigkeit in M. noch an der beschwerlichen Reise bis nach Europa gehindert. Außerdem hatte er nach eigenen Angaben auch in Deutschland beabsichtigt, zu arbeiten. Es ist deshalb vernünftigerweise zu erwarten, dass der Kläger in seinem Heimatland, mit dessen Gepflogenheiten und Sprache er vertraut ist, seinen Lebensunterhalt sicherstellen kann.
4. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenfalls nicht ersichtlich.
Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei seiner Abschiebung nach M. befürchten müsste, auf derart schlechte humanitäre Bedingungen zu stoßen, dass die Gefahr einer Verletzung des Art. 3EMRK besteht, gibt es, wie bereits ausgeführt, nicht. Obwohl die wirtschaftliche Lage nach wie vor schlecht ist (Auswärtiges Amt, M.: Wirtschaftliche Rahmenbedingungen, Stand: April 2016), geht das Gericht, wie ausgeführt, davon aus, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt dort sicherstellen kann. Damit liegen weder die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG noch für die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
5. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG erweist sich als rechtmäßig, das Bundesamt hat in der Befristungsentscheidung die maßgeblichen Belange in ordnungsgemäßer Weise abgewogen.
6. Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).

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