Verwaltungsrecht

Asylrecht, Alleinstehender junger Mann, Verdächtigt als Spion, Israels, Keine Abschiebungsverbote, Herkunftsland: Jordanien

Aktenzeichen  M 27 K 21.31565

Datum:
31.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 6537
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3
AsylG § 3d
AsylG § 3e
AsylG § 4
AufenthG § 60 Abs. 5
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen.
II.    Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31. Januar 2022 trotz Ausbleibens der Beklagtenseite durch den Einzelrichter entschieden werden.
Denn in der frist- und formgerechten Ladung zur mündlichen Verhandlung wurden die Parteien darauf hingewiesen, dass auch im Falle des Nichterscheinens verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet, weil der angegriffene Bescheid rechtmäßig ist und die Klagepartei nicht in ihren Rechten verletzt. Diese hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzstatus oder die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sowie die Anordnung und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sind nicht zu beanstanden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid des Bundesamtes Bezug genommen, denen das Gericht folgt (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Lediglich ergänzend hierzu wird ausgeführt:
Der Kläger hat keine beachtlich wahrscheinliche Verfolgungsgefahr dargelegt. Wie das Bundesamt bereits im Bescheid zutreffend ausgeführt hat, vermag auch das Gericht unter dem Eindruck der mündlichen Verhandlung im persönlichen Vortrag des Klägers keine Verfolgungshandlung von asyl- oder flüchtlingsrechtlicher Relevanz erkennen. Bei den geschilderten Misshandlungen des Klägers durch seine Cousins handelt es sich – selbst bei Wahrunterstellung – allenfalls um kriminelles Unrecht, das jedoch nicht die Annahme einer asyl- bzw. flüchtlingsschutzrelevanten Verfolgungsgefahr oder eines ernsthaften Schadens begründen kann. Denn die Handlungen gehen von keinem Akteur im Sinne des § 3c AsylG aus. Eine staatliche Verfolgung ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag, der Großonkel des Klägers sei ein hochrangiger Polizist, weil selbst eine – unterstellte – Bedrohung und Verfolgung des Klägers durch diesen dadurch nicht etwa zu einer staatlichen Verfolgung im Sinne von § 3c Nr. 1 AsylG wird. Sieht man den Großonkel demgegenüber als einen nichtstaatlichen Akteur im Sinne von § 3c Nr. 3 AsylG an, so ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass der j. Staat nicht in der Lage oder willens wäre, wirksamen und dauerhaften Schutz vor Verfolgung im Sinne des § 3d AsylG zu bieten. Darüber hinaus wäre dem Kläger im Hinblick auf seine konkrete Situation auch zumutbar, gemäß § 3e Abs. 1 AsylG internen Schutz innerhalb J. in anderen Stadtteilen … oder auch anderen Städten des Landes zu suchen, zumal es sich bei dem Kläger um einen jungen gesunden arbeitsfähigen Mann ohne Unterhaltslasten handelt, der über eine gute Schulbildung verfügt. Die pauschale und unsubstantiierte Behauptung, der Kläger könne überall in J. aufgrund seines bekannten Familiennamens ausfindig gemacht werden, verfängt nicht. Auch ist dem Gericht nicht bekannt, dass nichtstaatliche Akteure in der Lage wären, den Kläger unschwer außerhalb seiner Herkunftsregion aufzuspüren und zu verfolgen, zumal in J. keine Meldepflicht existiert (vgl. dazu Auswärtiges Amt, Auskunft v. 20.7.2020).
Unabhängig davon ist es jedenfalls mittlerweile nicht (mehr) beachtlich wahrscheinlich,
dass die eigene Familie dem Kläger auch noch nach über sieben Jahren – der Kläger ist im Jahr 2014 ausgereist – wegen früherer Kontakte zu j. Schulfreunden mit Gefahr für Leib und Leben nachstellen würde, zumal sich seither die diplomatischen Beziehungen des Haschemitischen Königreichs J. zum Nachbarland I. weiter verbessert haben (vgl. dazu bspw. allgemeinzugängliche Quellen: F.A. Zeitung, „Entspannung zwischen I. und J.“ vom 9.7.2021, https://www….net/a/p/a/e.-17430100.html; Neue Zürcher Zeitung, „I. schlägt mit J. ein neues Kapitel auf“ vom 10.7.2021, https://www…..ch/international/….1634846 und S. Zeitung, „Solarstrom gegen Wasser“, vom 22.11.2021, https://www.,…de/p./j.- 1.5470241), was sich auch in der Stimmung der j. Bevölkerung sowie bei den Familienangehörigen des Klägers niedergeschlagen haben dürfte. Da es sich bei den Angehörigen des Klägers, nach seinen eigenen Angaben, überdies um namhafte und hochrangige Staatsbedienstete handeln soll, ist erst recht davon auszugehen, dass diese die „neue“ Politik des Haschemitischen Königreichs J. im Umgang mit dem Nachbarland I. mittragen und selbst vorleben und daher den Kläger nicht wegen des Umgangs mit Personen j. Glaubens verfolgen oder als einen „Spion I.“ ansehen würden.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Es ist – wie oben dargelegt – nicht ersichtlich, dass dem Kläger im Hinblick auf die allgemeine Situation in J. oder aufgrund besonderer individueller Umstände eine Gefährdung im Sinne der § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG droht, auch nicht – ausnahmsweise – unter dem Gesichtspunkt der Existenzsicherung. Unter Berücksichtigung der vom Bundesamt dargestellten und hinreichend gewürdigten allgemeinen Verhältnisse in J. und der individuellen Umstände des Klägers (vgl. S. 6 ff. des Bescheids) ist trotz der schwierigen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in J. (vgl. B. für Fremdenwesen und Asyl der Republik Ö., Länderinformationsblatt der Staatendokumentation J. vom 16.4.2020, Ziff. 20) nicht ersichtlich, dass eine Rückkehr den Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzielle Notlage i.S.v. § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK bringen würde.
Im Übrigen ist auch nichts für ein etwaiges gesundheitsbedingtes Abschiebungsverbot ersichtlich. Denn die im Verwaltungsverfahren vorgelegten Atteste vom 11. Februar 2021 bzgl. der Diagnosen einer Hypertonie, ADHS, Schläfrigkeit, Schweißausbrüche und depressiver Angstzustände sowie vom 1. März 2021 bzgl. der Diagnosen einer schweren Depression, Angstzustände und Schlafstörungen sind schon nicht geeignet, ein gesundheitsbedingtes Abschiebungsverbot zu rechtfertigen, weil die vorgelegten Atteste nicht davon ausgehen, dass es sich bei den Diagnosen um lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankungen handelt, die den Schweregrad des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erreichen und sich darüber hinaus durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Im Übrigen entsprechen die genannten Atteste auch nicht den formalen Anforderungen des § 60a Abs. 2c AufenthG.
3. Nach alledem ist auch die vom Bundesamt gem. § 34 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden.
Auch Anhaltspunkte dafür, dass die Anordnung und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG nicht rechtmäßig sein könnte, liegen nicht vor, zumal der Kläger zu seinen in B. … und H. … lebenden Verwandten nach seinen Angaben keinen regelmäßigen Kontakt pflegt.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.


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