Verwaltungsrecht

Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung der Personensorge eines minderjährigen Deutschen, Ausweisungsinteresse, Erfordernis des Visumverfahrens, Titelerteilungssperre (bejaht), Strikter Rechtsanspruch auf den Aufenthaltstitel (verneint), Vater-Kind-Beziehung

Aktenzeichen  M 10 K 21.1103

Datum:
12.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 14439
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
AufenthG § 10 Abs. 1
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 2
AufenthG § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
AufenthG § 5 Abs. 2 S. 2
AufenthG § 27 Abs. 3 S. 2

 

Leitsatz

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.  
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Ablehnung der beantragten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ist im Ergebnis rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, da er keinen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Der beantragten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG steht im vorliegenden Fall die Titelerteilungssperre nach § 10 Abs. 1 AufenthG entgegen. Nach § 10 Abs. 1 AufenthG kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, vor dem bestandskräftigen Abschluss des Asylverfahrens ein Aufenthaltstitel außer in den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs nur mit Zustimmung der obersten Landesbehörde und nur dann erteilt werden, wenn wichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland es erfordern.
a) Das Asylverfahren des Klägers ist noch nicht bestandskräftig abgeschlossen, da gegen den negativen Bescheid des BAMF vom 4. Oktober 2018 noch ein Klageverfahren beim Verwaltungsgericht München anhängig ist. Die noch anhängige Asylklage des Klägers sperrt nach § 10 Abs. 1 AufenthG die Erteilung dieser Aufenthaltserlaubnis.
b) Eine Ausnahme von der Titelerteilungssperre nach § 10 Abs. 1 AufenthG aufgrund eines „gesetzlichen Anspruchs“ auf den Aufenthaltstitel liegt nicht vor. Ein gesetzlicher Anspruch im Sinne des § 10 Abs. 1 AufenthG setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einen „strikten Rechtsanspruch“ voraus, wonach alle zwingenden und regelhaften Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sein müssen, weil nur dann der Gesetzgeber selbst eine Entscheidung über das zu erteilende Aufenthaltsrecht getroffen hat (BVerwG, U.v. 17.12.2015 – 1 C 31/14 – juris Rn. 20). Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben. Von dem hier nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG anzunehmenden Ausweisungsinteresse wegen der strafrechtlichen Verurteilungen des Klägers zu zweimal 50 bzw. 20 Tagessätzen (vgl. dazu Katzer in BeckOK MigR, Stand 15.4.2022, AufenthG, § 54 Rn. 95 ff.) kann zwar nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG abgesehen werden, gleiches gilt nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG für das grundsätzlich erforderliche Visumverfahren (§ 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Damit ist allerdings nicht mehr von einem strikten Rechtsanspruch auf die begehrte Aufenthaltserlaubnis auszugehen, weil deren Erteilung nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG bzw. § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG im Ermessen der Beklagten steht.
Ob das Ermessen der Beklagten im Hinblick auf die Rechtspositionen des Klägers (und auch die des Kindes) aus Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK auf Null reduziert ist, kann offenbleiben, da nach der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts auch im Falle einer Ermessensreduktion auf Null kein strikter Rechtsanspruch auf den Aufenthaltstitel besteht (BVerwG, a.a.O., Rn. 21).
2. Da der Kläger mit der Ablehnung der beantragten Aufenthaltserlaubnis zur Ausreise verpflichtet ist, war ihm nach § 50 Abs. 1 AufenthG die Abschiebung nach Gambia anzudrohen. Die (in der mündlichen Verhandlung geänderte) Ausreisefrist von 4 Wochen nach Bestandskraft des Bescheids begegnet keinen rechtlichen Bedenken; sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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