Verwaltungsrecht

Aufhebung einer Abschiebungsanordnung

Aktenzeichen  AN 14 K 15.50126

Datum:
15.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 2
AsylG AsylG § 34a, § 71a Abs. 1, § 77 Abs. 1, § 80, § 83b
RL (EG) 2003/85 Art. 25 Abs. 1, Abs. 2 lit. a
RL (EG) 2005/85 Art. 25 Abs. 2 lit. a, lit. b
RL (EU) 2012/32 Art. 33 Abs. 1, Abs. 2 lit. a
RL (EU) 2013/32 Art. 2 lit. i, Art. 5, Art. 33 Abs. 1 lit. a, Abs. 2
VwGO VwGO § 67 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 – 7, § 80 Abs. 7, § 88, § 101 Abs. 2, § 113 Abs. 1 S. 1
VwVfG VwVfG § 47

 

Leitsatz

1 Ein Antrag auf Flüchtlingsanerkennung ist nicht unzulässig nach § 60 Abs. 2 S. 2 AufenthG bei einer vorherigen Zuerkennung nur eines europarechtlichen subsidiären Schutzes in Italien und einer Antragstellung vor dem 20.7.2015. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Entscheidung, dass der Asylantrag als unzulässig abgelehnt wird, kann auch nicht im Wege eines Austausches der Rechtsgrundlage oder der Umdeutung in einen anderen Verwaltungsakt nach § 47 VwVfG als Ablehnung eines Zweitantrages nach § 71a AsylG aufrechterhalten werden. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten wird aufgehoben.
2. Die Beklagte hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.

Gründe

Die Einzelrichterin konnte über die Klage ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten sich nach § 101 Abs. 2 VwGO damit einverstanden erklärt haben.
Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 23. Februar 2015, mit dem der Asylantrag des Klägers als unzulässig abgelehnt und ihm die Abschiebung nach Italien angedroht worden ist, ist als Anfechtungsklage zulässig und begründet. Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) erweist sich der Bescheid der Beklagten vom 23. Februar 2015 als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1.
Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Das Klagebegehren war gemäß § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass lediglich die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides begehrt wird. Statthafte Klageart gegen die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig ist allein die isolierte Anfechtungsklage (vgl. BayVGH, B. v. 6.3.2015 – 13a ZB 15.50000 – juris Rn. 7; U. v. 28.2.2014 – 13a B 13.30295 – BayVBl. 2014, 628). Wird ein Bescheid, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, aufgehoben, so wird das Verfahren in den Zustand vor Erlass des Bescheides zurückversetzt (vgl. auch BayVGH, U. v. 13.4.2015 – 11 B 15.50031 -, juris). Eine Verpflichtungsklage, die auf das Ziel gerichtet ist, eine materielle Entscheidung über den Asylantrag zu erlangen, scheidet demnach aus, weil das Bundesamt bei bestehender Zuständigkeit den Asylantrag von Amts wegen sachlich zu prüfen hat (vgl. BayVGH, U. v. 28.2.2014 – 13a B 13.30295 – BayVBl. 2014, 628; B. v. 6.3.2015 – 13a ZB 15.50000 -, juris; B. v. 23.1.2015 – Az. 13a ZB 14.55071 und v. 15.4.2015 – 13a ZB 15.50066; VGH Baden-Württemberg, U. v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 und B. v. 19.1.2015 – A 11 S 2508/14 -, juris).
Die vorgenannte Rechtsprechung ist zwar für Bescheide auf der Grundlage der Dublin II- oder Dublin III-VO ergangen, die Begründung ist jedoch für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage auf den vorliegenden „Drittstaatenbescheid“ übertragbar (so auch VG Berlin, U. v. 4.6.2015 – 23 K 906.14 A -, juris; VG Ansbach, U. v. 7.10.2015 – AN 11 K 15.50067 – juris; VG Saarlouis, U. v. 5.1.2016 – 3 K 738/15 -, juris).
2.
Die Klage ist auch begründet.
Die in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides ausgesprochene Feststellung, dass der Asylantrag unzulässig, sowie die in Ziffer 2 angeordnete Abschiebung nach Italien, erweisen sich im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) als rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
2.1
Die Beklagte hat den Asylantrag des Klägers in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides vom 23. Februar 2015 zu Unrecht als unzulässig abgelehnt.
Nach § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist, wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft. Von der Prüfung der Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft ausgenommen sind daher die Fälle, in denen bereits im Ausland eine Anerkennung als Flüchtling erfolgt ist. § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ordnet die entsprechende Geltung des § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG für die Fälle an, in denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt wurde.
Der in Deutschland gestellte Asylantrag des Klägers, mit dem der Kläger internationalen Schutzstatus begehrt, ist von der Beklagten unter Berufung auf § 60 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 3 AufenthG mit der Begründung als unzulässig abgelehnt worden, der Kläger habe bereits in Italien subsidiären Schutz zuerkannt bekommen. Diese von der Beklagten vorgenommene Auslegung des § 60 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Sätze 3 und 4 AufenthG steht jedoch nicht in Einklang mit unionsrechtlichen Vorgaben (vgl. dazu BVerwG, B. v. 23.10.2015 – 1 B 41/15 -, juris Rn. 11 f.).
Mit der Neufassung des § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474) hat der deutsche Gesetzgeber von der den Mitgliedstaaten in Art. 33 Abs. 2 Buchst. 1 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rats vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180 S. 60) – Asylverfahrensrichtlinie n. F. – eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zu behandeln, wenn dem Ausländer bereits ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt, d. h. ihm entweder die Flüchtlingseigenschaft oder unionsrechtlichen subsidiären Schutz zuerkannt hat (vgl. Art. 2 Buchst. i der Richtlinie 2013/32/EU). Vor diesem Hintergrund und den Grundsätzen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, wie sie in den Richtlinien 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) und 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie n. F.) sowie der Dublin-Verordnungen, vgl. u. a. Erwägungsgrund Nr. 2 der Dublin III-VO, zum Ausdruck kommen, führt eine in einem anderen Mitgliedstaat erlangte Zuerkennung subsidiären Schutzes ebenfalls dazu, dass ein (erneuter) Asylantrag unzulässig ist (so BVerwG, U. v. 17.6.2014 – 10 C 7.13 -, juris; B. v. 30.9.2015 – 1 B 51/15 -, juris).
Dagegen spricht auch nicht, dass der Verweis in § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nur die Sätze 3 und 4 des Absatzes 1 – und nicht seinen Satz 2 – umfasst. Eine solche Teilverweisung ist in § 60 Abs. 2 S. 2 AufenthG nicht ansatzweise erkennbar. Bei einem Verweis auf Satz 3 des Absatzes 1 ist daher nach Auffassung dieses Gerichtes eindeutig auch der Ausschluss der Fälle des Absatzes 1 Satz 2 mit betroffen. Durch die Formulierung „entsprechend“, vgl. § 60 Abs. 2 S. 2 AufenthG, wird auch deutlich, dass § 60 Abs. 1 S. 3 – i. V. m. Satz 2 – und 4 AufenthG dem subsidiären Schutzstatus angepasst werden muss, d. h. dass auch diese Fälle unter diese Regelung fallen sollen (in diesem Sinne auch BVerwG, B. v. 30.9.2015 – 1 B 51/15 – juris; VG Osnabrück, U. v. 4.1.2016 – 5 A 83/15 – juris; a.A.: VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 29.04.2015, A 11 S 57/15, juris).
Im vorliegenden Fall hat der Kläger bereits subsidiären Schutzstatus in Italien erhalten, so dass sein Asylantrag in Deutschland, mit dem er internationalen Schutzstatus begehrt, an sich nach § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG als unzulässig abzulehnen wäre. Zu beachten ist allerdings die Übergangsregelung in Art. 52 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2013/32/EU. Danach wenden die Mitgliedstaaten die in Umsetzung dieser Richtlinie nach Art. 51 Abs. 1 erlassenen Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf förmlich gestellte Anträge auf internationalem Schutz nach dem 20. Juli 2015 oder früher an; für vor diesem Datum gestellte Anträge gelten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften „nach Maßgabe der Richtlinie 2005/85/EG“ (Asylverfahrensrichtlinie a. F.). Zu den dieser Übergangsregelung unterfallenden Bestimmungen zählt auch die Ermächtigung in Art. 33 der Richtlinie 2013/32/EU, die regelt, unter welchen Voraussetzungen die Mitgliedstaaten zusätzlich zu den Fällen, in denen nach Maßgabe der Dublin-Verordnungen ein Antrag nicht geprüft wird, einen Antrag auf internationalen Schutz wegen Unzulässigkeit nicht prüfen müssen. Folglich darf ein – wie hier – vor dem Stichtag (20. Juli 2015) gestellter Asylantrag nicht nach Art. 33 der Richtlinie 2013/32/EU, sondern nur nach Maßgabe der Regelung in Art. 25 der Richtlinie 2005/85/EG als unzulässig betrachtet werden. Nach Art. 25 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2005/85/EG können die Mitgliedstaaten einen Asylantrag wegen Schutzgewährung in einem anderen Mitgliedstaat aber nur dann als unzulässig betrachten, wenn der andere Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat (vgl. BVerwG, B. v. 23.10.2015 – 1 B 41/15 -, juris Rn. 11f; zuvor VGH Baden-Württemberg – U. v. 29.4.2015 – A 11 S 57/15 – juris; VG Osnabrück, U. v. 4.1.2016 – 5 A 83/15 – juris).
Da dem Kläger in Italien nur subsidiärer Schutzstatus gewährt wurde und er von der Beklagten nicht nur die Gewährung subsidiären Schutzes, sondern die Flüchtlingsanerkennung begehrt, würde er durch die Anwendung der neuen Asylverfahrensrichtlinie (Art. 33 Abs. 1, 2 lit. a der Richtlinie 2012/32/EU), umgesetzt durch § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, schlechter gestellt als durch die Regelung in der alten Asylverfahrensrichtlinie (Art. 25 Abs. 1, 2 lit. a der Richtlinie 2003/85/EG). Bei der den Mitgliedstaaten in Art. 33 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2013/32/EU eingeräumten – und gegenüber der Vorgängerregelung des Art. 25 Abs. 2 lit. b der Richtlinie 2005/85/EG erweiterten – Option handelt es sich mithin um eine den Kläger belastende Änderung, so dass auch die Günstigkeitsbestimmung des Art. 5 der Richtlinie 2013/32/EU keine Anwendung des Art. 33 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2013/32/EU auf vor dem 20. Juli 2015 gestellte Asylanträge ermöglicht (a.A.: VG Stade, Urt. v. 15.12.2015 – 4 A 980/15 – juris).
Nicht vergleichbar sind die den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 2014 und 30. September 2015 (U. v. 17.6.2014 – 10 C 7.13 -, juris; B. v. 30.9.2015 – 1 B 51/15 -, juris) zugrunde liegenden Fallkonstellationen. Zwar war in diesen Fällen auch subsidiärer Schutzstatus in einem anderen Mitgliedstaat zuerkannt worden, allerdings wurde in Deutschland auch lediglich die Gewährung subsidiären Schutzes beantragt, so dass hier bereits das geänderte nationale Recht – § 60 Abs. 2 S. 2 AufenthG -, welches die Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 lit. a der neuen Asylverfahrensrichtlinie 2013/32/EU umsetzt, angewandt werden konnte.
Im vorliegenden Fall hat der Kläger seinen Asylantrag bei der Beklagten vor dem 20. Juli 2015, nämlich am 1. Oktober 2014 gestellt, weshalb wegen der Übergangsregelung des Art. 52 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2013/32/EU nicht Art. 33 der neuen Asylverfahrensrichtlinie 2013/32/EU, sondern noch Art. 25 der alten Asylverfahrensrichtlinie 2003/85/EG zur Anwendung kommt. § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG verstößt insoweit gegen Unionsrecht, mit der Folge dass in derartigen Fallkonstellationen die Asylverfahrensrichtlinie alter Fassung – und zwar Art. 25 RL 2003/85/EG – unmittelbare Geltung beansprucht. Danach kann ein Asylantrag nur dann als unzulässig abgelehnt werden, wenn zuvor in einem anderen Mitgliedstaat eine Anerkennung als Flüchtling erfolgt ist, nicht jedoch, wenn dort lediglich subsidiärer Schutz gewährt wurde.
Nach alledem steht der von der Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid angenommenen Auslegung des § 60 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 3 und 4 AufenthG und der darauf gestützten Ablehnung des Asylantrags des Klägers als unzulässig die Vorschrift des Art. 25 Abs. 2 lit. a der Richtlinie 2005/85/EG – Asylverfahrensrichtlinie a. F. – entgegen, der über die Übergangsregelung des Art. 52 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2013/32/EU zur Anwendung kommt.
Nachdem der Kläger in Italien lediglich subsidiären Schutz erhalten hat, ist die von der Beklagten in ihrem streitgegenständlichen Bescheid in Ziffer 1 vorgenommene Ablehnung der Asylanträge als unzulässig rechtswidrig.
2.2
Der Ausspruch in Ziffer 1 des Bescheides, dass der Asylantrag als unzulässig abgelehnt wird, kann auch nicht im Wege eines Austausches der Rechtsgrundlage oder der Umdeutung in einen anderen Verwaltungsakt (§ 47 VwVfG) aufrechterhalten werden.
Ein Austausch der Rechtsgrundlage kommt nur dann in Betracht, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der anderen Rechtsgrundlage vorliegen, der Verwaltungsakt nicht in seinem Wesen verändert wurde und der Betroffene in seiner Rechtsverteidigung nicht unzumutbar beeinträchtigt wurde. Sind – wie vorliegend – für die Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen weitere Ermittlungen erforderlich, scheidet ein Austausch durch das Gericht regelmäßig aus (vgl. u. a. BayVGH, B. v. 5.3.2015 – 11 ZB 14.50046; B. v. 11.2.2015 – 13a ZB 15.50005 – juris; VGH BW – U. v. 29.4.2015 – 11 S 121/15 -juris). Zur Beantwortung der für die Entscheidung nach § 71a Abs. 1 AsylG zunächst maßgeblichen Frage, ob Wiederaufgreifensgründe i. S. d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG zumindest schlüssig behauptet werden, hätte es weiterer Ermittlungen hinsichtlich der im ersten Asylverfahren geltend gemachten Gründe bedurft, so dass ein Austausch der Rechtsgrundlage hier nicht zulässig ist (BayVGH, U. v. 9.10.2014 – 20 B 13.30332 – juris; VG Würzburg, U. v. 31.3.2015 – W 1 K 14.30151 – juris Rn. 27).
Eine Umdeutung der Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides in eine Ablehnung eines Zweitantrages nach § 71a AsylG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Nach § 47 Abs. 1 VwVfG kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Eine Umdeutung ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwVfG nicht zulässig, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsakts.
Vorliegend scheitert eine Umdeutung bereits daran, dass die Entscheidung über die Zulässigkeit des Asylantrags einerseits und die materiellrechtliche Entscheidung über einen Zweitantrag nach § 71a AsylG andererseits nicht auf das gleiche Ziel gerichtet sind. Während erstere allein der Feststellung dient, dass nicht die Bundesrepublik, sondern ein anderer Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, geht es bei der Entscheidung über einen Zweitantrag um die materielle Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 16.11.2015, 1 C 4.15 – juris; BayVGH, B. v. 2.2.2015 – 13a ZB 14.50068 – juris Rn. 9; Nds. OVG, B. v. 5.10.2015 – 8 LA 115/15 -, juris).
Zum anderen wären die Rechtsfolgen einer Entscheidung nach § 71a AsylG für den Kläger ungünstiger. Dabei sind nicht nur die unmittelbaren, sondern auch die mittelbaren Rechtsfolgen der Entscheidung in den Blick zu nehmen. So hätte eine die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ablehnende Entscheidung nach§ 71a AsylG zur Folge, dass der Asylantrag auch von keinem anderen Staat weiter geprüft würde (so BVerwG, U. v. 16.11.2015 – 1 C 4/15 – juris).
Schließlich steht einer Umdeutung auch entgegen, dass sie – entgegen § 47 Abs. 2 VwVfG – der erkennbaren Absicht des Bundesamts als erlassender Behörde widerspräche, weil dieses unter der Annahme seiner Unzuständigkeit gerade keine Entscheidung über den Zweitantrag treffen wollte (vgl. BayVGH, B. v. 5.3.2015 – 11 ZB 14.50046 – juris Rn. 16).
2.3
Da die Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides rechtswidrig und daher aufzuheben war, entfällt die Grundlage der Ziffer 2, der Abschiebungsandrohung nach § 34a AsylG hinsichtlich Italien. Die Beklagte ist vor Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen vielmehr zunächst verpflichtet, über den offenen Zweitantrag der Kläger gem. § 71a AsylG zu entscheiden.
2.4
Der angefochtene Bescheid verletzt den Kläger auch in seinen Rechten im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, weil ihm wegen des Übergangs der Zuständigkeit auf die Beklagte ein Rechtsanspruch darauf zusteht, dass die Beklagte über seinen Asylantrag nach § 71a AsylG entscheidet.
Nach alledem war die Klage vollumfänglich abzuweisen.
3.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit erfolgt aus § 83 b AsylG.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von
Herrn Rechtsanwalt …, …, wird abgelehnt.
Gründe:
Nach § 166 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Zwar bietet – wie sich aus der Begründung des Urteils vom 15 Januar 2016 ergibt, die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Klägers hinreichende Aussicht auf Erfolg (§§ 166 Abs. 1 VwGO, 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Allerdings hat der Kläger die für die Bewilligung notwendige Erklärung über seine wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorgelegt.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war daher abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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