Verwaltungsrecht

Aufnahme in das Staatsinstitut für die Ausbildung von Fachlehrern, Verurteilung zu einer Geldstrafe wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln, erhebliche Gefährdung des Institutsbetriebs, charakterliche Eignung für die Aufnahme

Aktenzeichen  Au 3 E 21.2010

Datum:
28.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 35398
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FISO § 7 Abs. 3 Nr. 3
FISO § 7 Abs. 3 Nr. 4
BayEUG Art. 44 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragsteller zum Schuljahr 2021/2022 vorläufig in das Staatsinstitut für die Ausbildung von Fachlehrern aufzunehmen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, den Antragsgegner zu verpflichten, den Antragsteller zum Schuljahr 2021/2022 vorläufig in das Staatsinstitut für die Ausbildung von Fachlehrern aufzunehmen, hat Erfolg.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der Antragsteller die – hier unstrittige – Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung durch das Gericht, den sogenannten Anordnungsgrund und einen Anordnungsanspruch glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO). Beide Voraussetzungen sind hier gegeben. Da der Antragsgegner die Möglichkeit zur Ausbildung als Fachlehrer eröffnet hat, steht dem Antragsteller im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten aus Art. 12 Abs. 1 GG ein Anspruch auf Aufnahme zu, sofern nicht ein Versagungsgrund vorliegt. Nach Aktenlage ist hier weder der Versagungsgrund nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 der Studienordnung für das Staatsinstitut für die Ausbildung von Fachlehrern (FISO) noch ein anderer Versagungsgrund einschlägig.
Nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 FISO kann die Aufnahme eines Bewerbers versagt werden, wenn Tatsachen vorliegen, die ihn für die Tätigkeit als Lehrkraft als ungeeignet erscheinen lassen. Die vorliegenden Tatsachen (zweimaliger Besitz eines Joints im Jahr 2014, einmaliger Besitz eines Joints am 25. Februar 2019) reichen für eine solche Schlussfolgerung entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht aus.
Soweit es sich – wie hier – bei den vorliegenden Tatsachen um Straftaten handelt, ist § 7 Abs. 3 Nr. 4 FISO im Kontext mit § 7 Abs. 3 Nr. 3 FISO zu sehen. Nach dieser Bestimmung, die auf Art. 44 Abs. 2 Satz 2 BayEUG verweist, kann die Aufnahme versagt werden, wenn der Bewerber wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr rechtskräftig verurteilt worden ist, die Strafe noch der unbeschränkten Auskunft unterliegt und wenn nach der Art der begangenen Straftat durch die Anwesenheit des Bewerbers die Sicherheit oder die Ordnung des Institutsbetriebs oder die Verwirklichung der Bildungsziele des Staatsinstituts erheblich gefährdet wäre. Der Gesetzgeber hat damit in voller Kenntnis des Umstands, dass am Staatsinstitut Studierende in erheblichem Umfang als Praktikanten Unterrichtsphasen und sogar ganze Unterrichtseinheiten an Mittel-, Förder- oder Realschulen gestalten, die Bewerber für eine Ausbildung am Staatsinstitut Schülern gleichgestellt. Insbesondere hat der Gesetzgeber davon abgesehen, eine dem § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 JArbSchG entsprechende Sonderregelung für Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz in das Schulrecht aufzunehmen. Für eine entsprechende Anwendung des Beschäftigungsverbots nach dem Jungendarbeitsschutzgesetz auf am Staatsinstitut Studierende ist daher kein Raum. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kontakt zwischen einem Ausbilder und einem Auszubildenden typischerweise wesentlich intensiver ist, als derjenige zwischen einem Unterrichtspraktikanten und einem Schüler.
Die gegen den Antragsteller verhängte Geldstrafe von 50 Tagessätzen erreicht die in § 7 Abs. 3 Nr. 3 FISO i.V.m. Art. 44 Abs. 2 Satz 2 BayEUG normierte Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe bei weitem nicht. Zudem räumt der Antragsgegner selbst ein, dass von dem Antragsteller keine erhebliche Gefahr für den Staatsinstitutsbetrieb oder die Verwirklichung der Bildungsziele des Staatsinstituts im Sinne von Art. 44 Abs. 2 Satz 2 BayEUG ausgeht. Soweit der Antragsgegner offenbar annimmt, jugendliche Schüler an Mittel-, Förder- und Realschulen seien durch die Haltung des Antragstellers zu Sucht- und Betäubungsmitteln und seinen Konsum von Betäubungsmitteln konkret gefährdet, fehlt für eine solche Annahme die erforderliche Tatsachengrundlage. Dass der Antragsteller wie bereits zweimal im Jahr 2014 auch am 25. Februar 2019 einen Joint zum Eigenverbrauch bei sich hatte, lässt bereits nicht den Schluss zu, dass er danach (wieder) Betäubungsmittel konsumiert hat. Insoweit vermengt die Argumentation des Antragsgegners den für die Vergangenheit vor dem 25. Februar 2019 naheliegenden Betäubungsmittelkonsum und den zu erwartenden Betäubungsmittelkonsum in Gegenwart und Zukunft. Die vorläufige Festnahme und die für den Besitz eines Joints vergleichsweise hohe Geldstrafe sprechen dafür, dass der Antragsteller dadurch nachhaltig beeindruckt werden konnte und die Strafe ihren Zweck erreicht hat, ihn von weiteren einschlägigen Straftaten abzuhalten. Zudem gibt es keine Anhaltspunkte für eine Suchtproblematik beim Antragsteller.
Gegen eine Gefährdung der vom Antragsteller als Praktikant unterrichteten Schüler spricht auch, dass es nach den bekannten Tatsachen durch den Betäubungsmittelbesitz des Antragstellers nie zu einer Fremdgefährdung gekommen ist, er also nie Betäubungsmittel anderen angeboten oder gar verkauft hat, und nie ein schulischer Bezug gegeben war. Aus dem ca. zweieinhalb bzw. sieben Jahre zurückliegenden Besitz von Betäubungsmitteln in geringer Menge lässt sich daher keine konkrete, sondern nur eine abstrakte Gefahr für die Schüler herleiten, die aber bei verfassungskonformer Auslegung des § 7 Abs. 3 Nr. 4 FISO im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG nicht genügt, um dem Antragsteller den Zugang zum Beruf des Fachlehrers zu verwehren.
Das Gericht teilt nicht die Auffassung des Antragsgegners, dass bei der Eignungsprüfung nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 FISO beamtenrechtliche Grundsätze heranzuziehen sind. Während für die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auch die charakterliche Eignung zwingende Voraussetzung ist, ist sie hier nur nach pflichtgemäßem Ermessen zu berücksichtigen („kann…versagt werden“). Eine Anwendung beamtenrechtlicher Grundsätze verbietet sich aber auch deshalb, weil es die Ausbildung am Staatsinstitut dem Antragsteller auch ermöglicht, als Fachlehrer an einer privaten Schule zu unterrichten.
Mit der vorliegenden Tenorierung wird dem Rechtsschutzziel des Antragstellers voll entsprochen, da die (vorläufige) Aufnahme in das Staatsinstitut beinhaltet, dass er die bereits begonnene Ausbildung fortsetzen kann.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil er unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs.


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