Aktenzeichen 7 CE 17.10011
Leitsatz
1. Drittmittelbedienstete sind in der Kapazitätsberechnung nur dann zu berücksichtigen, wenn ihnen eine dienstrechtliche Lehrverpflichtung obliegt. (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Berechnung des Bedarfs an Dienstleistungen ist kein Schwund zu berücksichtigen. (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Rahmen der Kapazitätsberechnung ist ausschließlich der Curricularnormwert maßgebend und nicht etwa, welche Lehrveranstaltungen die Universität im Rahmen ihrer Organisationsfreiheit für die Ausbildung ihrer Studenten für notwendig erachtet und tatsächlich durchführt. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
RO 1 E HV 16.10314 2016-12-14 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,– Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes für das Wintersemester 2016/2017 die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin, 1. Fachsemester, an der Universität R. (UR). Er hält die dortige Ausbildungskapazität für nicht ausgeschöpft.
Das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg hat den entsprechenden Antrag mit Beschluss vom 14. Dezember 2016 abgelehnt.
Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter. Er bemängelt in der Kapazitätsberechnung der UR eine – aus seiner Sicht – mangelnde Berücksichtigung von Drittmittelbediensteten sowie die Deputatsminderung von einer Semesterwochenstunde (SWS) eines Studienfachberaters, den angesetzten Dienstleistungsexport und -import, er hält den curricularen Normwert für nicht plausibel und den angesetzten Schwundfaktor für unrichtig.
Der Antragsgegner widersetzt sich in allen Punkten der Beschwerde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), begründet keinen Anordnungsanspruch des Antragstellers. Der Senat folgt den Gründen des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und nimmt darauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen bleibt folgendes anzumerken:
1. Wie der Senats bereits mehrfach entschieden hat (z.B. B.v. 15.7.2016 – 7 CE 16.10082 m.w.N. – juris) sind Drittmittelbedienstete in der Kapazitätsberechnung nur dann zu berücksichtigen, wenn ihnen eine dienstrechtliche Lehrverpflichtung obliegt. Vorliegend geht bereits der Antragsteller selbst davon aus, dass das nicht der Fall ist, wenn er fordert, diesen Bediensteten eine zusätzliche Lehrtätigkeit zu „ermöglichen“ bzw. „aufzuerlegen“.
Die Berücksichtigung der Ermäßigung der Lehrverpflichtung des Studienfachberaters für Molekulare Medizin (Bachelor of Science) Prof. Dr. W. um eine SWS ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Mit dem entsprechenden Einwand hat sich der Senat bereits ausführlich in seinem Beschluss vom 15. Januar 2014 (7 CE 13.10362 – juris Rn. 7 -12) befasst, zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die dortigen Erläuterungen verwiesen.
2. Die Berechnung des Dienstleistungsexports begegnet keinen Bedenken. Gemäß § 48 Abs. 2 HZV sind zur Berechnung des Bedarfs an Dienstleistungen Studienanfängerzahlen für die nicht zugeordneten Studiengänge anzusetzen, wobei die voraussichtlichen Zulassungszahlen für diese Studiengänge und/oder die bisherige Entwicklung der Studienanfängerzahlen zu berücksichtigen sind. Dass dabei kein Schwund zu berücksichtigen ist, entspricht gefestigter Rechtsprechung des Senats (z.B. B.v. 24.10.2013 – 7 CE 13.10296 u.a. – juris); eine damit verbundene eventuelle Erschwerung der Kapazitätsberechnung spielt in diesem Zusammenhang entgegen der Ansicht des Antragstellers keine Rolle.
Mit seinen – nicht näher substanziierten – Einwänden betreffend die Höhe des angesetzten Dienstleistungsexports in die Lehramtsstudiengänge Sport, den Bachelorstudiengang Bewegungswissenschaften, den Bachelorstudiengang Biologie und den Studiengang Zahnmedizin dringt der Antragsteller ebenfalls nicht durch. In der Rechtsprechung des Senats ist bereits geklärt, dass „harte“ NC-Studiengänge grundsätzlich auch für zulassungsfreie Studiengänge Dienstleistungen erbringen dürfen (BayVGH, B.v. 12.4.2012 – 7 CE 11.10764 – juris Rn. 15). Dies gilt erst recht für den Studiengang Angewandte Bewegungswissenschaften, der im Wintersemester 2016/2017 an der UR zulassungsbeschränkt ist. Im Übrigen hat der Senat auch den Dienstleistungsexport in die Studiengänge Zahnmedizin, Lehrämter Sport und Biologie – zum Teil mehrfach – überprüft und jeweils unbeanstandet gelassen (z.B. B.v. 12.4.2012 – 7 CE 11.10764; B.v. 14.2.2017 – 7 CE 17.10003 u.a. – jeweils juris).
3. Das Vorgehen der UR, bei der Berechnung des Curriculareigenanteils der Lehreinheit Vorklinische Medizin im Rahmen der Ermittlung des Imports aus anderen Lehreinheiten für Seminare und Praktika statt der vollen Anrechnung nur jeweils einen Anteil von 0,85 anzusetzen, wird vom erkennenden Senat – wovon der Antragsteller selbst ausgeht – seit seinem Beschluss vom 6. Juli 2004 (7 CE 04.10254 u.a. – juris) in ständiger Rechtsprechung als rechtmäßig gebilligt. Dieser nur teilweise Ansatz führt nicht dazu, das dasselbe Vorgehen bei der Ermittlung des Dienstleistungsexports (vgl. § 48 Abs. 1 HZV) oder des Anteils des integrierten Seminars (vgl. § 2 ÄApprO) angezeigt wäre. Denn die Praxis der UR, Kurse und Seminare für die Berechnung des jeweiligen Curriculareigenanteils kapazitätsgünstig mit einem Anteil von lediglich 0,85 anzusetzen, dient dem Ziel, den curricularen Normwert der Vorklinik von 2,42 nicht zu überschreiten. Nach Erreichen dieses Ziels, der Einhaltung des curricularen Normwerts, ist eine weitere rechnerische „Kürzung“ des tatsächlich geleisteten Ausbildungsaufwands weder erforderlich noch geboten (zuletzt BayVGH, B.v. 14.2.2017 – 7 CE 17.10003 u.a. m.w.N.). Insbesondere kommt es in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, wie andere Universitäten die bei ihnen bestehenden Kapazitäten berechnen (BayVGH, B.v. 12.4.2016 – 7 CE 16.10023 – juris).
4. Der Curricularnormwert des streitgegenständlichen Studiengangs ist entgegen der Ansicht des Antragstellers weder „zu ungünstig“ noch ist er nicht hinreichend plausibel. Der Curricularnormwert für den Studiengang Humanmedizin (vorklinischer Teil) ist nach der Anlage 7 zu § 50 HZV mit dem Wert 2,42 festgesetzt. Der Curricularnormwert bestimmt den in Deputatsstunden gemessenen Aufwand aller beteiligten Lehreinheiten, der für die ordnungsgemäße Ausbildung eines Studierenden in dem jeweiligen Studiengang erforderlich ist (§ 50 Abs. 1 Satz 1 HZV). Bei der Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität sind die in Anlage 7 aufgeführten curricularen Normwerte anzuwenden (§ 50 Abs. 1 Satz 2 HZV). Zur Ermittlung der Lehrnachfrage in den einzelnen Lehreinheiten wird der Curricularnormwert auf die am Lehrangebot für den Studiengang beteiligten Lehreinheiten aufgeteilt (Bildung von Curricularanteilen). Die Angaben die beteiligten Lehreinheiten sind aufeinander abzustimmen (§ 50 Abs. 4 Sätze 1 und 2 HZV). Die curricularen Normwerte, die sich an der maximalen Auslastung der Hochschulen orientieren, sind abstrakte Normwerte, die aus vielen konkreten Studienplänen abgeleitet wurden (vgl. BayVGH, B.v. 5.8.2015 – 7 CE 15.10118 m.w.N. – juris). Sie abstrahieren im Interesse einer gleichmäßigen Auslastung der Hochschulen den Ausbildungsaufwand des jeweiligen Studiengangs und sind für die Kapazitätsberechnungen der einzelnen Hochschulen verbindlich. Die Studienbewerber haben deshalb auch keinen Anspruch auf Unterschreitung des festgesetzten curricularen Normwerts und damit auf eine Erhöhung der Ausbildungskapazität (Anzahl der Studienplätze) zu Lasten der an eine ordnungsgemäße Ausbildung der Studierenden zu stellenden Anforderungen. Für die Berechnung der Aufnahmekapazität und die gerichtliche Prüfung der Kapazitätsberechnung kommt es daher bei Vorgabe eines Curricularnormwerts – anders als bei der normativen Vorgabe lediglich einer „Bandbreite“ möglichen Ausbildungsaufwands eines Studiengangs – auf die von der jeweiligen Hochschule gewählte studiengangspezifische Organisation der Ausbildung nicht an (vgl. auch BayVGH, B.v. 14.6.2012 – 7 CE 12.10025 u.a. – juris). Damit kommt es auch weder auf die tatsächliche Gruppengröße bei Vorlesungen an der Universität noch darauf an, welche „Betreuungsleistungen“ die Universität im Einzelnen erbringt.
Auch mit dem Einwand, Studierende des Bachelorstudiengangs Molekulare Medizin belasteten die Ausbildungskapazität im Studiengang Humanmedizin (vorklinischer Studienabschnitt) in kapazitätsrechtlich nicht anzuerkennender Weise („legitimierten eine Übertragung von der Kapazität von der Vorklinischen Medizin in den Bachelorstudiengang Molekulare Medizin“), kann die Beschwerde keinen Erfolg haben. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass die festgesetzte Zulassungszahl von 36 Studienplätzen für den Bachelorstudiengang die Ausbildungskapazität der Lehreinheit Vorklinische Medizin für den Studiengang Humanmedizin über Gebühr in Anspruch nehmen würde (vgl. dazu: BayVGH, B.v. 13.4.2013 – 7 CE 13.10003).
Im Übrigen ist eine Darlegung, ob alle von sonstigen Studiengängen erbrachten Lehrveranstaltungen tatsächlich stattfinden, entbehrlich. Denn im Rahmen der Kapazitätsberechnung ist ausschließlich der Curricularnormwert maßgebend und nicht etwa, welche Lehrveranstaltungen die Universität im Rahmen ihrer Organisationsfreiheit für die Ausbildung ihrer Studenten für notwendig erachtet und tatsächlich durchführt (BayVGH, B.v. 5.8.2015 – 7 CE 15.10118 – juris).
5. Zweifel an der Richtigkeit der Schwundberechnung der Universität bestehen schließlich auch nicht. Die Studienanfängerzahl ist nach der Bestimmung des § 53 HZV dann zu erhöhen, wenn zu erwarten ist, dass wegen Aufgabe des Studiums oder Fachwechsels oder Hochschulwechsels die Zahl der Abgänge an Studierenden in höheren Fachsemestern größer ist als die Zahl der Zugänge (Schwundquote). Maßgebend für die Ermittlung der Zugänge und Abgänge sind die jeweiligen statistischen Erhebungen (üblicherweise anhand der Daten der vorangegangenen fünf Stichprobensemester, vgl. BayVGH, B.v. 27.8.2015 – 7 CE 15.10086 – juris) über den Bestand der im betreffenden Studiengang vorhandenen (eingeschriebenen) Studierenden.
Eine „Korrektur“ der in die Schwundberechnung einbezogenen Bestandszahlen der Studenten kommt nach der Rechtsprechung des Senats nur dann in Betracht, wenn sich die Studierendenzahlen aufgrund außergewöhnlicher Einflussfaktoren in „atypischer“ Weise entwickeln und diese im sonstigen Studienverlauf ungewöhnliche Entwicklung in geeigneter Weise rechnerisch auszugleichen oder zu neutralisieren ist. Dies kann etwa bei gerichtlich nachträglich zugelassenen Studenten der Fall sein, wenn sich bei Zugrundelegung der Bestandszahlen eine „ganz ungewöhnliche („positive“) Schwundquote“ ergeben würde (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 24.8.2009 – 7 CE 09.10352 u.a. – juris). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass zwar eine über 1,0 liegende (Gesamt-)Schwundquote nach der Systematik des Kapazitätsrechts unzulässig wäre, einzelne, den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende und nachvollziehbare Übergangsquoten mit einem Wert geringfügig über 1,0 hingegen nicht zu beanstanden sind (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 30.4.2012 – 7 CE 12.10044 u.a. – juris). Ebenso wenig müssen Studierende, die nicht mehr an der Fortführung ihres Studiums interessiert sind und deshalb an keinen Lehrveranstaltungen mehr teilnehmen, aus dem Bestand herausgerechnet werden, so lange sie immatrikuliert bleiben (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 5.8.2015 – 7 CE 15.10118 – juris).
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).