Verwaltungsrecht

Ausschreibung für Beigeordnetenwahl

Aktenzeichen  3 E 1400/21 We, 3 E 1400/21

Datum:
15.10.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG Weimar 3. Kammer
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:VGWEIMA:2021:1015.3E1400.21WE.00
Normen:
Art 33 Abs 2 GG
§ 2 KomWBG TH
§ 1 Abs 2 Nr 4 LbG TH
§ 9 Abs 2 LbG TH
§ 10 Abs 3 LbG TH
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Spruchkörper:
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Leitsatz

In der Ausschreibung der Stelle für einen hauptamtlichen Beigeordneten darf eine Laufbahnbefähigung gefordert werden. § 1 Abs. 2 Nr. 4 ThürLaufbG (juris: LbG TH) steht dem nicht entgegen.(Rn.11)

Verfahrensgang

nachgehend Thüringer Oberverwaltungsgericht, 8. November 2021, 3 EO 620/21, Beschluss

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Antragstellers,
der Antragsgegnerin bis zum Abschluss eines neu durchzuführenden Auswahlverfahrens zu untersagen, die ausgeschriebene Stelle eines/r hauptamtlichen Beigeordneten (Bürgermeister/in) neu zu besetzen,
ist zulässig, in der Sache aber ohne Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – kann das Verwaltungsgericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt werden könnte. Der Grund für die Dringlichkeit der Eilmaßnahme (Anordnungsgrund) und der Anspruch auf Regelung eines vorläufigen Zustandes (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung).
Zwar besteht – bereits jetzt – ein Anordnungsgrund, also eine Gefahr der Veränderung des bestehenden Zustandes. Denn die Wahl für die ausgeschriebene Stelle des ersten Beigeordneten (Bürgermeisters) der Antragsgegnerin ist am 20.10.2021 beabsichtigt.
Der Antragsteller kann zunächst nicht die Wahlentscheidung des Stadtrates der Antragsgegnerin über die Stellenbesetzung abwarten, da mit der erfolgten Wahl der Gewählte einen Anspruch auf Ernennung zum Beamten auf Zeit erwirbt, er ist zu ernennen (§ 2 Abs. 2 Thüringer Gesetz über kommunale Wahlbeamte – ThürKWBG -). Mit dieser Ernennung geht der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers unter (vgl. BVerwG, Urteil vom 03.12.2014 – 2 A 3/13 -, Juris Rdnr. 16 sowie [speziell zur Stelle eines hauptamtlichen ersten Beigeordneten] OVG Thüringen, Beschluss vom 30.03.2007 – 2 EO 729/06 -, Juris Rdnr. 34). Zwar ist nach § 2 Abs. 3 Satz 1 ThürKWBG die Ernennung zum Beamten auf Zeit nichtig, wenn die Wahl rechtskräftig für ungültig erklärt worden ist. Diese Vorschrift besteht aber ausschließlich im Interesse des Kommunalparlaments (hier: des Stadtrats), ein Mitbewerber um das Amt des ersten Beigeordneten kann sich auf eine Ungültigkeit der Wahl aus kommunalrechtlichen Gründen nicht berufen (vgl. OVG Thüringen a.a.O. Rdnr. 35).
Dem Antrag fehlt aber der – für einen Erfolg ebenfalls erforderliche – Anordnungsanspruch, also das sicherungsfähige Recht des Antragstellers.
Sicherungsfähiges Recht des Antragstellers ist hier der bereits erwähnte Bewerbungsverfahrensanspruch, der sich aus Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz – GG – i.V.m. § 9 Beamtenstatusgesetz ergibt. Danach hat jeder Bewerber grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass der (ggfs. zukünftige) Dienstherr die Bewerbung nur aus Gründen zurückweist, die in Einklang mit den o.a. Normen stehen. Für eine Stelle eines Beamten auf Zeit, die durch eine Wahl eines seinerseits durch eine Wahl demokratisch legitimierten Gremiums (hier: der Stadtrat der Antragsgegnerin) vergeben wird, bedürfen diese Grundsätze indessen in gewissem Umfang der Modifikation, eine inhaltliche Überprüfbarkeit der Wahlentscheidung kommt nicht in Betracht (vgl. OVG Thüringen a.a.O. Rdnr. 40). Dies bedeutet aber nicht den Ausschluss jeglicher verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Der Bewerbungsverfahrensanspruch beinhaltet jedenfalls die Prüfung, ob die der Wahlentscheidung vorausgegangenen Verfahrensschritte, soweit sie die von Art. 33 Abs. 2 GG gewollte Bestenauslese sicherstellen, eingehalten wurden (vgl. OVG Thüringen a.a.O. Rdnr. 41).
Da der Antragsteller in seiner Begründung auch die Rechtmäßigkeit der Ausschreibung angreift, bedarf auch diese der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung. Denn ist die der Stellenbesetzung zugrundeliegende Ausschreibung fehlerhaft, kann eine rechtmäßige Besetzung der Stelle nicht erfolgen. Das Besetzungsverfahren insgesamt einschließlich einer neuen Ausschreibung müsste wiederholt werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.06.2013 – 2 VR 1/13 -, Juris Rdnr. 33). Hierauf zielt letztlich der Antrag.
Die am 14.06.2021 im Thüringer Staatsanzeiger veröffentlichte Ausschreibung ist nicht zu beanstanden. Dies gilt auch, soweit dort (2. Spiegelstrich) an die Bewerbenden folgende Anforderung gestellt wird: „die Befähigung für die Laufbahn des höheren nichttechnischen Verwaltungsdienstes oder zum Richterdienst“.
Die Befähigung für die Laufbahn des höheren nichttechnischen Verwaltungsdienstes ist im Thüringer Laufbahngesetz – ThürLaufbG – geregelt. Diese Laufbahngruppe gehört zu den in § 9 Abs. 2 ThürLaufbG aufgezählten, die Voraussetzungen für den höheren Dienst sind in § 10 Abs. 3 und 4 ThürLaufbG grundsätzlich normiert. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 4 ThürLaufbG findet dieses Gesetz indessen auf kommunale Wahlbeamte, zu denen der hauptamtliche Beigeordnete gehört (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 ThürKWBG), keine Anwendung.
Die Kammer hat in einer früheren Entscheidung (Beschluss vom 15.08.2017 – 3 E 850/17 We -) im Anschluss an einen vorausgehenden Beschluss der 4. Kammer des Verwaltungsgerichts (vom 24.09.2004 – 4 E 5747/04.We – ThürVBl. 2005, 21, 22 f.; noch zur vorhergehenden gleichlautenden Bestimmung der Thüringer Laufbahnverordnung) aus der Nichtanwendbarkeit des ThürLaufbG den Schluss gezogen, dass dann in der Ausschreibung nicht doch eine Laufbahnbefähigung gefordert werden darf. Diese Auffassung hält die Kammer nach einer Überprüfung nicht weiter aufrecht. Die Nichtanwendbarkeit des ThürLaufbG soll ersichtlich den Gestaltungsfreiraum des Oberbürgermeisters (dieser bestimmt den Inhalt der Ausschreibung, § 32 Abs. 5 Satz 4 Thüringer Kommunalordnung – ThürKO -) bei der Festlegung des Ausschreibungsinhalts erhöhen, die Wahl eines Beigeordneten soll nicht dem doch relativ engen Korsett der Bestimmungen des ThürLaufbG zwingend unterliegen. Daraus kann – dafür gibt es auch in den Gesetzgebungsmaterialien (siehe die LT-Drs. 5/7453) keinen Anhaltspunkt – aber kein Verbot, eine Laufbahnbefähigung zum Inhalt einer Ausschreibung zu machen, abgeleitet werden. Auch bedarf es keiner speziellen Ermächtigung, eine Laufbahnbefähigung zum Inhalt der Ausschreibung zu machen, zumal diesbezüglich § 32 Abs. 5 Satz 2 ThürKO insoweit keine konkreten Anforderungen („die für das Amt erforderlichen Voraussetzungen“) aufstellt. Zudem gibt es für die aufgestellten o.a. Anforderungen – worauf die Antragsgegnerin hinweist – einen sachgerechten Grund. § 33 Abs. 2 Nr. 1 ThürKO fordert für Große kreisangehörige Städte (hierzu gehört die Antragsgegnerin1§ 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 der Ersten Thüringer Verordnung zur Übertragung von Aufgaben des Landrats als der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde auf kreisangehörige Gemeinden und zur Erklärung von kreisangehörigen Gemeinden zur Großen kreisangehörigen Stadt vom 17.05.1994, GVBl. S. 546§ 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 der Ersten Thüringer Verordnung zur Übertragung von Aufgaben des Landrats als der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde auf kreisangehörige Gemeinden und zur Erklärung von kreisangehörigen Gemeinden zur Großen kreisangehörigen Stadt vom 17.05.1994, GVBl. S. 546) mindestens einen hauptamtlichen Gemeindebeamten mit der Befähigung der Laufbahn des höheren nichttechnischen Verwaltungsdienstes oder zum Richteramt, wenn nicht der Oberbürgermeister diese Befähigung besitzt. Da nur beim Beigeordneten über die Kriterien in der Ausschreibung die notwendige Qualifikation näher bestimmt werden kann, bietet sich die Aufnahme dieser Voraussetzung in den Kriterienkatalog eines Beigeordneten einer Großen kreisangehörigen Gemeinde geradezu an. Die Antragsgegnerin hat auch klargestellt, dass mit den o.a. Ausschreibungskriterien an die in § 10 ThürLaufbG aufgestellten Zugangsvoraussetzungen zu den Laufbahnen (hier insbesondere § 10 Abs. 3 und 4 ThürLaufbG für den höheren Dienst) angeknüpft werden soll und nicht an die Bestimmung des § 12 ThürLaufbG (Anerkennung und Feststellung der Laufbahnbefähigung).
Ob nun der Antragsteller die Befähigung zum höheren nichttechnischen Verwaltungsdienst aufgrund seines Studiums (mit dem Abschluss Magister Artium im April 2001) in den Fächern Politikwissenschaft und Auslandsgermanistik/Deutsch als Fremdsprache erworben hat, ist keineswegs sicher zu verneinen. Strittig ist dabei zwischen den Beteiligten vorrangig, ob diese Ausbildung geeignet ist, die Befähigung für die jeweilige Laufbahn (hier: des höheren nichttechnischen Verwaltungsdiensts) zu vermitteln (§ 10 Abs. 4 ThürLaufbG). An dieser Stelle ist nun einerseits zu berücksichtigen, dass die Anlage 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift vom 01.12.2017 (GMBl. 2017 S. 986) zur Bundeslaufbahnverordnung (BLV) unter der Nr. 314 ein Studium der Politikwissenschaft dem nichttechnischen Verwaltungsdienst zuordnet. Andererseits darf nicht übersehen werden, dass der Katalog der Laufbahngruppen der BLV in deren § 6 Abs. 2 (Nrn. 1 bis 8) weniger umfangreich ist als der Katalog der Laufbahngruppen in § 9 Abs. 2 (Nrn. 1 bis 13) ThürLaufbG. Es fehlt in § 6 Abs. 2 BLV die hier für das Studium des Antragstellers von der Antragsgegnerin für einschlägig erachtete Laufbahngruppe des wirtschafts-, gesellschafts- und sozialwissenschaftlichen Dienstes (§ 9 Abs. 2 Nr. 3 ThürLaufbG).
Dies bedarf aber keiner endgültigen Entscheidung, denn der Sicherungsanspruch des Antragstellers scheitert jedenfalls an einem anderen Ausschreibungskriterium (auf diese Möglichkeit wurde der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers heute telefonisch hingewiesen, siehe den Vermerk Bl. 89 R Gerichtsakte). Ein weiteres in der Ausschreibung genanntes Kriterium (4. Spiegelstrich) lautet: „nachgewiesene Führungs- und Verwaltungserfahrung (mindestens drei Jahre) in einer verantwortungsvollen Position, vorzugsweise in einer öffentlichen Verwaltung oder in einem kommunalen Unternehmen.“ Auch dieses Erfordernis hat die Antragsgegnerin in ihrer tabellarischen Bewertung der einzelnen Bewerbungen bezüglich des Antragstellers ausdrücklich verneint.
Der Antragsteller war von Juni 2001 bis Dezember 2017 Pressesprecher der Antragsgegnerin, seit Januar 2018 ist er deren Bürgerbeauftragter. Hierzu ist in der tabellarischen Übersicht (Verwaltungsakte 1 – Bewerbung Grabe – Bl. 7) vermerkt: „Führungserfahrungen können hingegen nicht nachgewiesen werden. In Arbeitszeugnissen und Stellenbeschreibungen der Stadt sind diese nicht vermerkt. Weisungsbefugnisse gegenüber anderen Mitarbeitenden der Stadt hatte der Bewerber keine.“ Diese Feststellungen, die ihm durch die Akteneinsicht seines Verfahrensbevollmächtigten jedenfalls bekannt sind, hat der Antragsteller nicht in Frage gestellt.
Aufgrund dessen ist im Ergebnis jedenfalls nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller als Bewerber, der den Ausschreibungskriterien nicht entspricht, eingestuft und damit gemäß § 32 Abs. 5 Satz 5 ThürKO aus dem Kreis der wählbaren Bewerber ausgeschlossen hat.
Der Beiladungsantrag von Frau … R… vom 14.10.2021 bedarf, da dieser heute zurückgenommen wurde, keiner Bescheidung mehr.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz. Für eine Reduzierung des Streitwertes, weil hier nur ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorliegt, besteht kein Anlass. Mit dem vorliegenden Verfahren wird die Hauptsache vorweggenommen.


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