Aktenzeichen Au 6 K 17.340
Leitsatz
Ein Ausländer, der mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, stellt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar, sodass er nach § 53 Abs. 4 S. 1 AufenthG ausgewiesen werden kann, ohne dass die Gefahr der Verfolgung zu prüfen ist. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 20. Januar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung und der Befristungsentscheidung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung sowohl für die Verpflichtungsals auch für die Anfechtungsklage (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – Rn. 18), weil dem Kläger der Schutz des Art. 8 EMRK zu Gute kommt.
I.
Die vom Kläger angefochtene Ausweisung ist rechtmäßig.
Die Ausweisung ist nach § 53 Abs. 1 AufenthG gerechtfertigt, weil vom Kläger eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht und unter Berücksichtigung aller Umstände und nach Abwägung des öffentlichen Ausweisungsinteresses (§ 54 AufenthG) mit seinem privaten Bleibeinteresse (§ 55 AufenthG) das öffentliche Interesse an der Ausreise des Klägers sein Interesse an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet überwiegt sowie die Ausweisung auch nicht gegen höherrangige Normen verstößt.
Die Rechtmäßigkeit der Ausweisung des Klägers beurteilt sich nach §§ 53 ff. AufenthG, wobei der Kläger zusätzlich nach Art. 8 EMRK in seinem zuletzt im Bundesgebiet geführten Privatleben geschützt ist. Allerdings ist die Ausweisung auch dann nicht unverhältnismäßig.
1. Der Beklagte hat die Ausweisung rechtsfehlerfrei gemäß § 53 Abs. 4 Satz 1 AufenthG unter die Bedingung gestellt, dass das Asylverfahren des Klägers ohne Anerkennung als Asylberechtigter und ohne Zuerkennung internationalen Schutzes i.S.d. §§ 3, 4 AsylG abgeschlossen wird. Für das Ausweisungsverfahren ist daher zu berücksichtigten, dass die Ausweisungsverfügung mit der Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter, als Flüchtling oder als subsidiär Schutzberechtigter gegenstandslos würde. Ob der Kläger tatsächlich – wie von ihm geltend gemacht – in Somalia verfolgt wird, wegen der Kriegshandlungen dort gefährdet ist oder ein Abschiebungsverbot besteht, ist ausschließlich im Rahmen des Asylverfahrens zu prüfen, nicht aber im Rahmen der Ausweisungsentscheidung (§ 60 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG, § 5 Abs. 1 Satz 1, § 42 Satz 1 AsylG). Wegen der Bedingung kommt es auch nicht auf das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr nach § 53 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AufenthG, § 53 Abs. 3 AufenthG an. Maßstab der Ausweisung ist vielmehr § 53 Abs. 1 AufenthG.
Unter Anwendung dieses Maßstabes kann der Kläger nur ausgewiesen werden, wenn sein Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitlich demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet und die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Klägers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Bei dieser Beurteilung müssen die Behörden sowohl den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens wahren (EuGH, U.v. 22.12.2010 – Bozkurt, C-303/08 – juris Rn. 57 bis 60 m.w.N.; EuGH, U.v. 8.12.2011 – Ziebell, C-371/08 – NVwZ 2012, 422 Rn. 82). Dabei sind auch nach der Ausweisungsverfügung eingetretene Tatsachen zu berücksichtigen, die den Wegfall oder eine nicht unerhebliche Verminderung der gegenwärtigen Gefährdung mit sich bringen können (EuGH, U.v. 11.11.2004 – Cetinkaya, C-467/02 – juris Rn. 47, EuGH, U.v. 8.12.2011 – a.a.O. Rn. 84).
2. Der Aufenthalt des Klägers gefährdet die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, weil der Kläger schwere Straftaten begangen hat und eine erhebliche Wiederholungsgefahr bis heute besteht.
a) Maßgeblicher Ausweisungsanlass sind die den Strafurteilen des Amtsgerichts * vom 18. Juni 2015 (Az.: *) und vom 11. Dezember 2015 (Az.: *) zu Grunde liegenden Straftaten. Der Kläger wurde hierbei zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bzw. von zehn Monaten verurteilt. Der Kläger hat zunächst bei erheblicher Alkoholisierung einen anderen Asylbewerber von hinten angegriffen und diesem einen Teil der Ohrmuschel mit seinen Zähnen abgebissen; unter offener Bewährung hat er – unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen stehend – seine Lebensgefährtin massiv auf verschiedenste Weise misshandelt, u.a. hat er sie mehrfach gebissen, getreten und gewürgt, bis sein Opfer schließlich ohnmächtig wurde. Dabei drohte er der Lebensgefährtin, sie umzubringen. Die Kinder seiner Lebensgefährtin waren bei der Tat anwesend. Durch die begangenen Körperverletzungsdelikte hat der Kläger die körperliche Unversehrtheit und dadurch ein auch grundrechtlich in der deutschen Rechtsordnung hochrangig geschütztes Rechtsgut seiner Opfer verletzt (vgl. Art. 2 Abs. 2 GG).
b) Bei der eigenständigen ausländerrechtlichen Prognose der Wiederholungsgefahr sind umso geringere Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (vgl. BVerwG, U.v. 10.7.2012 – 1 C 19.11 – BVerwGE 143, 277/282 f. Rn. 16). Die auf der Grundlage aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Beurteilung, ob das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, führt unter Berücksichtigung der Tat und der Tatumstände, des Täters und seiner Persönlichkeitsstruktur sowie seines Nachtatverhaltens und ggf. einer therapeutischen Aufarbeitung des Geschehenen (vgl. BVerwG, U.v. 10.7.2012 – 1 C 19.11 – BVerwGE 143, 277/283 f. Rn. 17; BayVGH, B.v. 4.4.2017 – 10 ZB 15.2062 – Rn. 14) hier zur Annahme einer erheblichen Wiederholungsgefahr.
Die Wiederholungsgefahr ergibt sich aus der wiederholten Tatbegehung desselben Deliktstyps (Körperverletzung), der bei beiden Taten zum Ausdruck gebrachten erheblichen Aggression, Brutalität und Rücksichtslosigkeit gegenüber seinen Opfern, seiner Rückfälligkeit unter offener Bewährung (nicht einmal drei Monate nach der ersten Verurteilung), der darin zum Ausdruck gelangten Persönlichkeitsstruktur des Klägers und der mangelnden therapeutischen Aufarbeitung seines tatunterstützenden Alkohol- und Drogenkonsums und der durch die Taten ersichtlichen Aggressionsproblematik. Insbesondere hat der Kläger dem zweiten Opfer auch mit dem Tod gedroht. Der Kläger ist Wiederholungstäter und Bewährungsversager. Es ist daher nicht auszuschließen, dass er seine Drohung in die Tat umsetzt; umso mehr, wenn er – wie derzeit – wieder in Kontakt mit der Mutter seiner Kinder und den Kindern steht und sich die Kindsmutter – wie schon mehrfach in der Vergangenheit – erneut zu einer Trennung entschließen würde. Da der Kläger in Zeiten, in denen er nicht inhaftiert ist, voraussichtlich wieder in einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber untergebracht sein wird (§ 53 AsylG), besteht auch insoweit das deliktsspezifische Umfeld, aus dem heraus er einen anderen Asylbewerber attackiert hat, fort.
Des Weiteren hat der Kläger seine bisherigen Taten unter Alkohol- und Drogeneinfluss begangen, weshalb das Strafgericht jeweils von einem minder schweren Fall ausging. Bei Antritt der Strafhaft wurde beim Kläger ebenfalls Drogenkonsum nachgewiesen. Allerdings ist die Alkohol- und Drogenproblematik bislang nicht aufgearbeitet, obwohl auch der Kläger selbst Therapiebedarf sieht. Ohne erfolgreiche Therapie ist die Rückfallgefahr aus der Kombination von zu Straftaten verleitendem Alkohol- und Drogenkonsum nicht so gemindert, dass die greifbare Wiederholungsgefahr nach Überzeugung des Verwaltungsgerichts beseitigt oder auch nur unter ein hinnehmbares Maß abgesenkt wäre.
Für die Beurteilung der Wiederholungsgefahr ist nach tatrichterlichem Ermessen und aufgrund der eigenen Sachkunde des Gerichts kein Sachverständigengutachten nötig, insbesondere nicht zur Frage, ob und wie sich die Persönlichkeit des Klägers seit Haftbeginn verändert hat. Die Gefahrprognose im Fall der Ausweisung eines strafgerichtlich verurteilten Ausländers bewegt sich regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen, die dem Gericht allgemein zugänglich sind. Die Hinzuziehung eines Sachverständigen ist nur ausnahmsweise erforderlich, wenn die Prognose aufgrund besonderer Umstände – etwas bei der Beurteilung psychischer Erkrankungen – nicht ohne spezielle, dem Gericht nicht zur Verfügung stehende fachliche Kenntnisse erstellt werden kann (BayVGH, B.v. 11.7.2016 – 10 ZB 15.837 – juris Rn. 14 m.w.N). Im vorliegenden Fall sind Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Folgen einer nicht therapierten Alkohol- und Drogenproblematik kann das Gericht hingegen als typische Ursache für die Begehung der Straftaten des Klägers aufgrund eigener Sachkunde beurteilen.
Für die Annahme einer Wiederholungsgefahr im Rahmen einer Ausweisung kommt es auch nicht darauf an, ob der Kläger die fehlende Therapie (hier: Alkohol-, Drogen- und Verhaltenstherapie) während des Strafvollzugs selbst verschuldet hat (BVerwG, B.v. 15.4.2013 – 1 B 22/12 – NVwZ-RR 2013, 774 – juris Rn. 19; BVerwG, B.v. 11.9.2015 – 1 B 39/15 – Asylmagazin 2015, 430 – juris Rn. 8), sondern maßgeblich ist die fehlende therapeutische Aufarbeitung derzeit und im entscheidungserheblichen Zeitpunkt seiner Klage. Ob eine Therapie wegen der Sprachbarriere, wegen ungeklärter Kostenträgerschaft oder aus anderen Gründen bisher nicht möglich war, ist folglich nicht entscheidungserheblich.
3. Die Ausweisung ist unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls nach § 53 Abs. 1 AufenthG gerechtfertigt, weil das öffentliche Ausweisungsinteresse nach § 54 AufenthG das Bleibeinteresse des Klägers nach § 53 Abs. 2 i.V.m. § 55 AufenthG deutlich überwiegt.
a) Das Ausweisungsinteresse wiegt nach § 53 Abs. 1 i.V.m. § 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG besonders schwer, weil der Kläger wegen schwerer Körperverletzung, also einer vorsätzlichen Straftat gegen die körperliche Unversehrtheit, zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt wurde, wobei die Straftat mit Gewalt begangen worden ist. § 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG wurde mit dem Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 394) eingeführt, um das Ausweisungsrecht zu verschärfen und gewalttätige, kriminelle Ausländer leichter ausweisen zu können (BT-Drs. 18/7537, S. 5). Dass die Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde, ist hierbei nicht entscheidend, zumal die Strafaussetzung sogar für den Kläger als Bewährungsversager widerrufen wurde.
Daneben liegt aufgrund der Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung auch zu zehn Monaten Freiheitsstrafe ein schweres Ausweisungsinteresse i.S.d. § 54 Abs. 2 Nr. 1a AufenthG vor.
b) Auf der anderen Seite liegt kein besonders schweres Bleibeinteresse i.S.d. § 55 Abs. 1 AufenthG vor. Der Kläger besitzt weder eine Niederlassungsnoch eine Aufenthaltserlaubnis, er hat keine deutschen Familienangehörigen oder eine deutsche Lebensgefährtin, noch ist er – insbesondere bei Eintritt der Bedingung, unter der die Ausweisung steht – ein subsidiär Schutzberechtigter.
Auch ein schweres Bleibeinteresse i.S.d. § 55 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG liegt nicht vor. Der Kläger und die Kindsmutter haben soweit ersichtlich keine gemeinsame Sorgerechtserklärung abgegeben und sind nicht rechtswirksam miteinander verheiratet, weshalb der Kläger nicht die Personensorge für seine Kinder ausübt (vgl. § 1626a BGB). Auch übt der Kläger derzeit kein Umgangsrecht ernsthaft und regelmäßig aus. Er befindet sich vielmehr in Untersuchungshaft und wurde von der Kindsmutter bisher noch nicht besucht. Eine aktuelle Beistandsgemeinschaft zwischen dem Kläger und seinen Kindern ist daher nicht ersichtlich.
Jedoch liegt ein schweres Bleibeinteresse i.S.d. § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG vor. Der Kläger ist nach zwischenzeitlicher Vaterschaftsanerkennung der rechtliche bzw. leibliche Vater dreier somalischer Kinder, die derzeit in Deutschland leben. Eine Ausweisung des Klägers beeinträchtigt die persönliche Verbundenheit des Vaters zu seinen Kindern dauerhaft, weshalb Kindeswohlbelange berührt sind.
c) In der nach § 53 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG gebotenen Gesamtabwägung von Ausweisungs- und Bleibeinteresse unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles wie insbesondere der Dauer des Aufenthalts, der persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat sowie der Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner überwiegt vorliegend das öffentliche Ausweisungsinteresse das private Bleibeinteresse des Klägers.
(1) Der Kläger hält sich seit siebeneinhalb Jahren aufgrund eines offenen Asylverfahrens und aufgrund des Vollzugs von Strafhaft in Deutschland auf, weshalb eine gewisse zeitliche Bindung zum Bundesgebiet besteht. Im Bundesgebiet leben seine somalische Lebensgefährtin und drei somalische Kinder, deren Vater der Kläger ist. Der Kläger ist in der Beziehung zu seinen Kindern in seinem Recht auf Familie, Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK, geschützt.
(2) Die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin ist hingegen nicht nach Art. 6 Abs. 1 GG geschützt, da keine nach deutschem Recht gültige Ehe besteht. Eine Eheschließung ausschließlich durch einen aus Somalia zugeschalteten Imam verstößt gegen die Formvoraussetzung der Art. 13 Abs. 3 Satz 1 EGBGB i.V.m. § 1310 Abs. 1 BGB. Dass insbesondere die Lebensgefährtin des Klägers die Gültigkeitsvoraussetzungen einer nach europäischen Grundsätzen gültigen Ehe kennt und sich daher bewusst gegen eine nach deutschem Recht gültige Ehe entschieden hat, zeigt die Tatsache, dass sie selbst in Bezug auf eine frühere durch einen Imam geschlossene „Ehe“ durch das Amtsgericht * feststellen ließ, dass dies keine rechtswirksame Ehe sei. Es ist daher davon auszugehen, dass die Lebensgefährten bewusst von einer gültigen Eheschließung absahen. Die erst in Deutschland begründete Beziehung zur Kindsmutter ist zudem höchst unstet, bereits in der Vergangenheit kam es wiederholt zu Trennungen und zum Auszug der Kindsmutter aus der gemeinsamen Wohnung. Vor der Haftentlassung befürchtete die Kindsmutter noch weitere Übergriffe des Klägers, sobald er aus der Haft entlassen würde, und nahm sich deswegen sogar einen Anwalt. In der Unterkunft, in der die Lebensgefährtin untergebracht ist, hat der Kläger Hausverbot, weswegen ein gemeinsames Zusammenleben in den letzten Jahren auch in der kurzen haftfreien Zeit von knapp fünf Monaten nicht möglich war.
(3) Der Schutzgehalt seiner Beziehung zu seinen in Deutschland lebenden Kindern wird dadurch abgeschwächt, dass zwischen dem Kläger und seinen Kindern seit Jahren keine Lebens- und Beistandsgemeinschaft mehr besteht. Der Kläger war seit September 2015 bis Juni 2017 inhaftiert, weshalb die 2013, 2014 und 2016 geborenen Kinder einen bedeutenden Teil ihres Lebens ohne ihren Vater verbracht haben. Viermalige Besuche seiner Lebensgefährtin mit ihren Kindern zum Ende der Strafhaft hin genügen nicht, um eine tragfähige und intensive Beziehung der Kinder zu ihrem Vater aufzubauen. Auch nach seiner Haftentlassung war der Kläger in einer anderen Gemeinschaftsunterkunft untergebracht, so dass auch weiterhin keine Lebensgemeinschaft bestand. Lediglich für knapp fünf Monate bestand überhaupt intensiverer Kontakt zwischen dem Kläger und seinen Kindern, inzwischen ist der Kläger wieder inhaftiert und kann deswegen den Kontakt mit den Kindern nur sehr begrenzt aufrechterhalten. Bisher fanden keine Besuche in der Untersuchungshaft statt. Die Erbringung von substantiellen Unterhaltsleistungen (beispielsweise Barunterhalt) durch den Kläger ist nicht ersichtlich.
(4) Ferner ist zu berücksichtigen, dass in Bezug auf den Kläger eine erhebliche Wiederholungsgefahr in Hinblick auf Gewalttaten besteht (s.o.). Der Kläger hat seine zweite Tat, in der er über eineinhalb Stunden seine Lebensgefährtin bis zur Bewusstlosigkeit misshandelte, in Anwesenheit der Kinder begangen. Ein ärztliches Gutachten vom 3. Dezember 2014 stellte fest, dass die Gefahr groß sei, dass der Kläger seine Gewalttaten auch auf die Kinder ausweiten werde und eine an Freiheitsentzug grenzende Kontrolle des Klägers über seine Familie bestehe. Der Kläger ist nach wie vor nicht therapiert. Es besteht daher die Gefahr, dass der Kläger seine (massiven) Gewalttaten auch auf die Kinder ausweitet bzw. wiederum vor den Augen der Kinder seine Lebensgefährtin misshandelt und damit die psychische Unversehrtheit der Kinder beeinträchtigt. Dem Kindeswohl widerspricht daher eine Aufenthaltsbeendigung des Klägers nicht von vornherein.
(5) Der Kläger hat im Bundesgebiet nur geringe Integrationserfolge erzielt; mit der Klage wird über die bloße Tatsache der siebeneinhalbjährigen Dauer des Aufenthalts hinaus nichts Substantielles vorgetragen. Für ein Hineinwachsen in die hiesigen Verhältnisse, für eine private und gesellschaftliche Integration, die sich in starken persönlichen, sozialen und wirtschaftlichen Bindungen in Deutschland ausdrücken und ein berechtigtes Vertrauen auf einen weiteren Verbleib im Bundesgebiet begründen könnte, ist ansonsten nichts dargetan: Die Beschäftigungszeit von einem Jahr ist in Bezug auf einen siebeneinhalbjährigen Aufenthalt nicht als wesentliche wirtschaftliche Integration zu werten. In der Zeit nach seiner Haftentlassung bis zu seiner erneuten Inhaftierung war der Kläger nicht erwerbstätig. Mangels Beschäftigungserlaubnis besteht auch eine schlechte Prognose hinsichtlich der wirtschaftlichen Integration. Der Kläger hat sowohl in der Haft als auch im Anschluss an die Haftentlassung an Deutschkursen teilgenommen, beherrscht die deutsche Sprache aber nach einem siebeneinhalbjährigen Aufenthalt in Deutschland nur unzureichend. Einen bedeutsamen Teil seines Aufenthalts in der Bundesrepublik hat er in Haft verbracht. Er hat keinen Aufenthaltstitel inne und verfügt über keinen gesicherten, dauerhaften Aufenthaltsstatus. Seine wirtschaftliche, sprachliche und soziale Integration in die Lebensverhältnisse in Deutschland ist damit derzeit gescheitert.
4. Die Ausweisung erweist sich im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auch unter Berücksichtigung von Art. 8 Abs. 1 und Abs. 2 EMRK als verhältnismäßig.
Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit sind insbesondere die Anzahl, Art und Schwere der vom Ausländer begangenen Straftaten, das Alter des Ausländers bei Begehung dieser Taten, die Dauer des Aufenthalts in dem Land, das der Ausländer verlassen soll, die seit Begehen der Straftaten vergangene Zeit und das seitdem gezeigte Verhalten des Ausländers, die Staatsangehörigkeit aller Beteiligten, die familiäre Situation und gegebenenfalls die Dauer einer Ehe sowie andere Umstände, die auf ein tatsächliches Familienleben eines Paares hinweisen, Kinder des Ausländers und deren Alter, das Interesse und das Wohl der Kinder, insbesondere auch die Schwierigkeiten, auf die sie wahrscheinlich in dem Land treffen, in das der Betroffene ggf. abgeschoben werden soll, die Intensität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland einerseits und zum Herkunftsland andererseits als Kriterien heranzuziehen (EGMR, U.v. 25.3.2010 – 40601/05 – InfAuslR 2010, 325; EGMR, U.v. 13.10.2011 – 41548/06 – juris Rn. 54).
Das Verwaltungsgericht ist davon überzeugt, dass der Schutz des Privatlebens des Klägers der Ausweisung als Eingriff in seine Grundrechte aus Art. 8 EMRK nicht entgegensteht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auch insoweit auf die obige Abwägung verwiesen (vgl. oben zur Gesamtabwägung), und vertiefend ausgeführt: Angesichts der greifbaren Gefahr weiterer schwerwiegender Straftaten durch den schon bei den bisherigen Straftaten volljährigen Kläger ist der Umstand, dass er in der Bundesrepublik drei Kinder und eine Lebensgefährtin hat, nicht so gewichtig, dass dies unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls der angefochtenen Ausweisungsentscheidung entgegenstehen könnte (vgl. BayVGH, B.v. 7.1.2013 – 10 ZB 12.2311 – juris Rn. 6): Insbesondere mildere Mittel als die Aufenthaltsbeendigung sind derzeit nicht ersichtlich.
Dem Kläger ist des Weiteren eine Rückkehr in sein Heimatland zumutbar. Er ist dort geboren, aufgewachsen und hat den Großteil seines Lebens dort verbracht. Er spricht die dortige Landessprache als Muttersprache. Mit der Kultur und Religion seines Heimatlandes ist er noch so verbunden, dass er für seine Trauung in Deutschland einen Imam aus Mogadischu organisiert hat. Des Weiteren hat der Kläger drei Kinder in seinem Heimatland; durch eine Rückkehr eröffnet sich für den Kläger daher die Chance, die Personensorge für diese drei Kinder wieder selbst wahrzunehmen und seinen Vater bei der Erziehungsarbeit zu unterstützen. Auch für diese Kinder besteht wegen ihres noch jungen Alters und ihrer Stellung als Halbwaisen ein hoher Betreuungsbedarf, den der Kläger durch eine Rückkehr nach Somalia leisten könnte. Der Kläger hält des Weiteren bis heute telefonischen Kontakt zu seinem Vater und damit zu einem engen Familienangehörigen in der Heimat. Zudem befinden sich auch sieben Halbgeschwister des Klägers in Somalia, so dass der Kläger auf ein großes familiäres Netzwerk zurückgreifen kann. Der Kläger ist mit Sprache und Kultur seines Heimatlandes damit deutlich vertrauter als mit den deutschen Lebensverhältnissen und auch familiär mit seinem Heimatland eng verbunden.
II.
Die in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids verfügte Befristung der Wirkungen der Ausweisung und Abschiebung auf drei Jahre, gerechnet ab dem Zeitpunkt der Abschiebung bzw. der Ausreise, ist ebenfalls rechtmäßig.
Die Befristungsdauer steht nach der Neufassung des § 11 Abs. 3 AufenthG im Ermessen der Ausländerbehörde (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – Rn. 65 f. mit Verweis auf BR-Drs. 642/14 S. 39), wobei diese Ermessensentscheidung keiner uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt, sondern – soweit wie hier keine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt – eine zu lange Frist lediglich aufgehoben und die Ausländerbehörde zu einer neuen Ermessensentscheidung verpflichtet werden kann (vgl. BayVGH, U.v. 25.8.2015 – 10 B 13.715 – Rn. 54 ff.).
Bei der Bemessung der Frist sind in einem ersten Schritt das Gewicht des Ausweisungsgrundes und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf der prognostischen Einschätzung im jeweiligen Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag (vgl. BVerwG, U.v. 10.7.2012 – 1 C 19.11 – BVerwGE 143, 277/298 Rn. 42; BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – Rn. 65 f.). Die Dauer der Frist darf nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG fünf Jahre nur überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht (vgl. BVerwG, U.v. 10.7.2012 – 1 C 19.11 – BVerwGE 143, 277/298 Rn. 42). Selbst wenn die Voraussetzungen für ein Überschreiten der zeitlichen Grenze von fünf Jahren gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG vorliegen, ist davon auszugehen, dass in der Regel ein Zeitraum von maximal zehn Jahren den Zeithorizont darstellt, für den eine Prognose realistischer Weise noch gestellt werden kann, so dass sie nach § 11 Abs. 3 Satz 3 AufenthG zehn Jahre nicht überschreiten soll. Weiter in die Zukunft lässt sich die Persönlichkeitsentwicklung kaum abschätzen, ohne spekulativ zu werden. Die auf diese Weise ermittelte Frist muss sich aber an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 7 GRCh und Art. 8 EMRK messen lassen und ist daher ggf. in einem zweiten Schritt zu relativieren (vgl. BVerwG, U.v. 10.7.2012 – 1 C 19.11 – BVerwGE 143, 277/298 Rn. 42; BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – Rn. 66). Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und dem Verwaltungsgericht ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen sowie ggf. seiner engeren Familienangehörigen zu begrenzen. Dabei sind insbesondere die in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen.
Nach diesen Maßstäben ist die mit dem angefochtenen Bescheid des Beklagten festgesetzte Frist nicht zu lang und daher rechtmäßig. Durchgreifende Ermessensfehler sind weder ersichtlich noch vom Kläger geltend gemacht. Im vorliegenden Einzelfall trägt das bisherige Verhalten des Klägers, das der Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr mindestens auf drei Jahre, da die Ursachen dieses Verhaltens nicht beseitigt sind und ihre Behebung auch nicht absehbar ist. Wegen der Einzelheiten wird ergänzend auf den angefochtenen Bescheid Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.