Verwaltungsrecht

Ausweisung, Straftaten, Versuchter Totschlag, Drogen- und Alkoholabhängigkeit, Faktischer Inländer, Keine vollständige Entfremdung vom „Heimatland“

Aktenzeichen  M 10 K 20.2954

Datum:
24.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 6479
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 53 Abs. 1
AufenthG § 53 Abs. 2
EMRK Art. 8

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 10. Juni 2020 in der Fassung, die er durch die Änderungen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 24. Februar 2022 erhalten hat, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
1. Formelle Bedenken gegen den streitgegenständlichen Bescheid sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere wurde der Kläger vor Erlass des Bescheids angehört. Die Beklagte war für dessen Erlass auch zuständig. Die sachliche Zuständigkeit für die Anordnung der Ausweisung ergibt sich im Zeitpunkt des Bescheidserlasses aus § 71 Abs. 1 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) a.F. i.V.m. § 1 Nr. 1, § 2 Zuständigkeitsverordnung Ausländerrecht (ZustVAuslR) a.F. i.V.m. Art. 9 Abs. 1 Satz 1 Gemeindeordnung. Die örtliche Zuständigkeit der Beklagten folgt aus § 6 Abs. 1 Satz 1 ZustVAuslR a.F., nach dem örtlich zuständig die Ausländerbehörde ist, in deren Bezirk sich der Ausländer gewöhnlich aufhält. Da der Kläger vor seiner Inhaftierung bei seiner Mutter in München lebte, war die Beklagte örtlich zuständig. Die insoweit begründete Zuständigkeit wird durch die (noch vor Bescheidserlass erfolgte) Inhaftierung und anschließende Unterbringung des Klägers in einer Entziehungsanstalt an einem anderen Ort nicht berührt, § 6 Abs. 3 Nr. 1 ZustVAuslR a.F. Für Erlass und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots war die Beklagte ebenso zuständig, § 11 Abs. 5c AufenthG.
2. Die Ausweisungsverfügung in Nummer 1 des angegriffenen Bescheids ist rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Rechtsgrundlage für die Ausweisung ist § 53 Abs. 1 AufenthG. Die Einschränkungen des § 53 Abs. 3 oder Abs. 3a, b AufenthG greifen im vorliegenden Fall nicht ein.
Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
b) Die Ausweisung ist (materiell) rechtmäßig. Die Beklagte hat § 53 Abs. 1 AufenthG in zutreffender Weise auf den konkreten Fall angewandt.
Die behördliche Entscheidung über die Ausweisung ist durch das Gericht in vollem Umfang überprüfbar (vgl. BayVGH‚ B.v. 21.3.2016 – 10 ZB 15.1968 – juris Rn. 9 m.w.N.). Entscheidungserheblich für die Überprüfung ist der Zeitpunkt der (letzten) mündlichen Verhandlung oder der Entscheidung des Gerichts (vgl. BVerwG, U.v. 30.7.2013 – 1 C 9.12 – juris Rn. 8).
aa) Die von § 53 Abs. 1 AufenthG vorausgesetzte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch den Kläger ist nach Auffassung des Gerichts gegeben.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei einer spezialpräventiven Ausweisungsentscheidung und ihrer gerichtlichen Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z.B. BVerwG‚ U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 18). Bei der Prognose‚ ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht‚ sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen‚ insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat‚ die Umstände ihrer Begehung‚ das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH‚ U.v. 28.6.2016 – 10 B 13.1982 – juris Rn. 32 m.w.N.; B.v. 2.11.2016 – 10 ZB 15.2656 – juris Rn. 10 m.w.N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – juris Rn. 18; BayVGH, U.v. 8.3.2016 – 10 B 15.180 – juris Rn. 31).
Gemessen an diesen Vorgaben muss mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden, dass der Kläger erneut Straftaten begehen wird und er damit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt. Bei den vom Kläger (zuletzt) begangenen Straftaten handelt es sich um Straftaten gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit. Nach den Feststellungen des Strafgerichts besteht die Gefahr der Begehung weiterer rauschbedingter Aggressionsdelikte sowie weiterer Delikte der Beschaffungskriminalität. Da der Schutz vor derartigen Delikten eine wichtige Aufgabe des Staates ist und ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, sind an die Wahrscheinlichkeit eines künftigen Schadenseintritts im konkreten Fall geringere Anforderungen zu stellen.
Zwar spricht vorliegend gegen eine Wiederholungsgefahr, dass der Kläger seine Taten im Strafverfahren gestanden und sich entschuldigt hat. Zudem ist im Urteil des Landgerichts München I vom 2. Dezember 2019 wegen Reifeverzögerungen auf den Kläger Jugendstrafrecht angewandt worden. Der Kläger gibt insoweit an, dass durch Haft und Therapie bei ihm ein innerer Reifeprozess eingetreten sei. Nach den vorgelegten Berichten des Bezirksklinikums … ist die Therapie insgesamt betrachtet bisher auch positiv verlaufen; der Kläger sei therapiemotiviert und krankheitseinsichtig. Hinzu kommt, dass der Kläger wohl mit Unterstützung der Klinik eine berufliche Perspektive entwickelt hat, was ein nicht unerheblicher stabilisierender Faktor im Leben sein kann. Der Kläger hat in den Monaten Juli und August 2021 erfolgreich ein Baustellenpraktikum in seinem früheren Ausbildungsbetrieb absolviert. Seit 1. September 2021 setzt er seine Ausbildung zur Zufriedenheit seines Ausbildungsbetriebs fort. Darüber hinaus macht er derzeit seinen Führerschein, um im gewünschten Nebenjob als Lieferant Geld hinzuverdienen zu können, damit er eine eigene Wohnung beziehen kann. Schließlich läuft das Probewohnen bei seiner Mutter, das zwischenzeitlich so ausgeweitet worden ist, dass der Kläger lediglich freitags zu einem Drogenscreening und zur Abgabe einer Blutprobe in die Klinik muss, nach den Berichten der Klinik sehr gut.
Aber trotz dieser positiven Ansätze im Leben des Klägers ist nach Auffassung des Gerichts eine Wiederholungsgefahr nicht ausgeräumt. Die vom Kläger (zuletzt) begangenen Straftaten sind dem Bereich der Schwerkriminalität zuzuordnen, da es sich um Straftaten gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit handelt. Der Kläger hat bei Begehung der Straftaten massiv Gewalt gegen eine andere Person angewandt, was eine erhebliche kriminelle Energie, Empathielosigkeit sowie Missachtung anderer Personen offenbart. Obwohl sich die Opfer entfernen wollten, sind der Kläger und seine Mittäter diesen überdies nachgesetzt, um sie erneut körperlich zu misshandeln. Dabei sind die Tritte gegen den Kopf und den Oberkörper einer wehrlosen Person, die bereits am Boden lag, besonders gravierend. Erhebliches Gewicht hat auch der Umstand, dass die Täter ohne nachvollziehbaren Anlass handelten. Nach dem Strafurteil war Motiv der Täter, die Opfer zu erniedrigen, was ein angelegtes Verhaltensmuster der Täter sei und eine innere Einstellung gegenüber Schwächeren zeige.
Erschwerend hinzu kommt, dass der Kläger trotz seiner Jugend bereits mehrfach vorgeahndet war, während der Haft zwei Disziplinarmaßnahmen gegen ihn verfügt werden mussten (Führungsbericht v. 13.2.2020) und der Kläger während der Therapie im Hinblick auf den Suchtmittelkonsum einmal rückfällig wurde (Bericht der Klinik v. 14.9.2021).
Ferner bedeutet der Umstand, dass der Kläger nunmehr – wie vor seiner Inhaftierung auch – wieder bei seiner Mutter wohnt, die Rückkehr in den gleichen sozialen Empfangsraum, der ihn auch in der Vergangenheit nicht von der Begehung von Straftaten abgehalten hat. Zwar möchte die Mutter den Kläger unterstützen und der Kläger hat angegeben, sich von seinem alten Umfeld, insbesondere den Freunden, distanziert zu haben. Aber der Kläger hat den Kontakt zu seinem alten Umfeld während der Haft und der Therapie abgebrochen, was aufgrund der räumlichen Distanz leichter umzusetzen und durchzuhalten war. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dies aufgrund der Rückkehr in sein bisheriges Umfeld schwieriger wird, zumal die Kontrollmechanismen der Therapie alsbald (weitgehend) wegfallen werden.
Schließlich war nach den Feststellungen des Strafurteils der Hang des Klägers, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, für die Straftaten ursächlich. Werden jedoch aufgrund von Betäubungsmittel- und Alkoholabhängigkeit Straftaten begangen, kann von einem Wegfall der konkreten Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden, solange der Kläger nicht eine Therapie erfolgreich abgeschlossen und darüber hinaus die damit verbundene Erwartung künftigen drogen- und straffreien Verhaltens auch nach dem Therapieende glaubhaft gemacht hat (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2014 – 10 ZB 13.71 – juris Rn. 6 m.w.N.).
Hier hat der Kläger seine Therapie noch nicht abgeschlossen, wenn auch eine Entlassung in Bälde ansteht. Bereits aufgrund dessen kann das erfolgreiche Probewohnen bei der Mutter nicht als ein Zeitraum der Bewährung in Freiheit gewertet werden.
bb) Auch fällt im konkreten Fall die gemäß § 53 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG vorzunehmende Abwägung der gegenläufigen Interessen anhand der Ausweisungs- und Bleibeinteressen zulasten des Klägers aus.
Nach § 53 Abs. 2 AufenthG sind bei der Abwägung nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Ausländers, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen.
Beim Kläger liegt ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vor, da er mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts München I zu einer Jugendstrafe von 3 Jahren und 10 Monaten verurteilt worden ist.
Diesem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse steht aufgrund der Niederlassungserlaubnis und des langjährigen Aufenthalts des Klägers im Bundesgebiet das besonders schwerwiegende Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gegenüber.
Es ist vorliegend rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte in ihrer Güter- und Interessenabwägung den öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung des Klägers gegenüber seinen persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet den Vorrang gegeben hat.
Im Ausgangspunkt der Abwägung ist einzustellen, dass der Kläger ein sogenannter faktischer Inländer ist, dessen private und familiäre Bindungen im Bundesgebiet durch Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) geschützt sind. Dies hat die Beklagte im Grundsatz auch berücksichtigt, wenn auch die Integration des Klägers – anders als die Beklagte meint – nicht lediglich auf seinem langjährigen Aufenthalt gründet. Denn der Kläger ist im Bundesgebiet geboren und aufgewachsen. Er hat hier die Schule besucht und nach seinem (erfolgreichen) Schulabschluss eine Ausbildung begonnen, die er zwar aufgrund der Inhaftierung abbrechen musste, nun aber fortsetzt. In Deutschland leben seine Mutter und sein Halbbruder; auch sein sonstiges soziales Umfeld befindet sich hier. Der Kläger ist darüber hinaus auch sozial integriert, insbesondere war er Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr.
Jedoch besteht auch für faktische Inländer kein generelles Ausweisungsverbot. Die besondere Härte, die eine Ausweisung für diese Personengruppe wegen ihrer Verwurzelung im Bundesgebiet darstellt, ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen. Ein unverhältnismäßiger Eingriff in das von Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Privatleben ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn der Ausländer aufgrund seiner gesamten Entwicklung faktisch zu einem Inländer geworden ist und ihm (und seinen Familienangehörigen) wegen der Besonderheiten des Falls ein Leben im Staat seiner Staatsangehörigkeit, zu dem er keinen Bezug (mehr) hat, nicht zuzumuten ist (stRspr, statt vieler: BVerfG, B.v. 19.10.2016 – 2 BvR 1943/16 – juris Rn. 19; BayVGH, U.v. 21.11.2017 – 10 B 17.818 – juris Rn. 42).
Im vorliegenden Fall führt die Ausweisung nach Auffassung des Gerichts unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nicht zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in Art. 8 EMRK. Der Kläger ist nicht vollständig von seinem Heimatland entfremdet; ihn verbindet mit Mosambik mehr als nur noch das Band seiner Staatsangehörigkeit. Da die Eltern des Klägers in Mosambik geboren worden sind, der Vater in den achtziger Jahren in die ehemalige DDR und die Mutter erst ein Jahr vor der Geburt des Klägers nach Deutschland gekommen sind, ist davon auszugehen, dass dem Kläger von seinen Eltern eine gewisse kulturelle und sprachliche Bindung zu Mosambik vermittelt worden ist. Die Eltern haben mit ihm daheim Portugiesisch gesprochen (vgl. Klagebegründung), so dass er es versteht und jedenfalls in Grundzügen spricht. Zudem dürften ihm Gebräuche und Gepflogenheiten des Landes nicht gänzlich unbekannt sein. Der Kläger hat auch noch Verwandte dort und Mosambik 4- bis 5-mal für jeweils 3 bis 4 Wochen besucht.
Diese Position des Klägers als faktischer Inländer, der nicht vollständig von seinem „Heimatland“ entwurzelt ist, wird im Rahmen der Abwägung trotz der positiven Ansätze im Leben des Klägers (jedenfalls derzeit) von den schwerwiegenderen öffentlichen Interessen übertroffen. Auf Seiten der öffentlichen Interessen ist im Einklang mit der Beklagten zu berücksichtigen, dass der Kläger massiv straffällig geworden ist. Es besteht trotz der aktuell positiven Entwicklung des Klägers auch eine erhebliche Wiederholungsgefahr (s. zu diesen Aspekten bereits ausführlich oben). Hinzu kommt, dass der Kläger keine eigene Kernfamilie in Deutschland hat; er ist ledig und kinderlos. Die Beziehung zu seiner langjährigen festen Freundin ist zwischenzeitlich beendet. Die Bindungen zu seiner Mutter und seinem Halbbruder sind zwar, wie die Beklagte zutreffend erkannt hat, grundsätzlich in der Abwägung zu berücksichtigen, fallen aber nicht erheblich ins Gewicht, da der Kläger als erwachsener Mann jedenfalls nicht auf deren Unterstützung angewiesen ist. Umgekehrt ist auch nicht ersichtlich, dass ein Familienangehöriger der Unterstützung durch den Kläger bedürfte. Insbesondere ist nicht vorgetragen, dass die Mutter aufgrund des Schlaganfalls oder ihrer sonstigen Erkrankungen pflegebedürftig wäre. Sie erweckte in der mündlichen Verhandlung, in der sie als Zuhörerin anwesend war, auch nicht den Eindruck.
Dem Kläger ist es – wie von der Beklagten angenommen – auch zuzumuten, in Mosambik zu leben. Er hat nach eigenen Angaben noch Verwandte dort, die für ihn eine erste Anlaufstelle sein können. Nach der Klagebegründung versteht der Kläger auch Portugiesisch. Wenn ihm auch das Sprechen schwerer fallen sollte, so ist ihm jedenfalls die Verbesserung seiner Sprachkenntnisse zumutbar. Dem Kläger ist Mosambik auch nicht gänzlich unvertraut, da er sich einige Male für längere Zeiträume dort aufgehalten hat. Wenn auch die beruflichen Chancen in Mosambik für ihn wohl schlechter sind als derzeit in Deutschland, dürfte der Kläger als junger, grundsätzlich gesunder und arbeitsfähiger Mann in der Lage sein, in Mosambik jedenfalls mit Gelegenheitsarbeiten sein Auskommen zu finden. Dieser Bewertung steht auch nicht der Vortrag der Klagepartei entgegen, dass der Kläger in Mosambik aufgrund seiner Alkoholsucht ein hohes Rückfallrisiko habe, so dass eine Gefahr für seine Gesundheit bestehe. Da der Kläger nach seinem Vortrag und den Klinikberichten in Bälde aus der Therapie entlassen wird, wird es ihm möglich sein, die Therapie in Deutschland (vor einer etwaigen Abschiebung) abzuschließen. Die nach den Klinikberichten für eine gewisse Zeit nach der Entlassung erforderliche Nachsorge wird er mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenso noch einige Zeit in Anspruch nehmen können, da seine Abschiebung aufgrund seiner Passlosigkeit nicht unmittelbar bevorstehen dürfte. Im Anschluss ist es ihm zuzumuten, alleine dafür Sorge zu tragen, nicht wieder rückfällig zu werden.
cc) Schließlich sprechen, wie auch die Beklagte im angegriffenen Bescheid zu Recht festgestellt hat, generalpräventive Aspekte für eine Ausweisung des Klägers aus der Bundesrepublik.
Das Ziel einer generalpräventiven Ausweisung besteht darin, mit der Ausweisung des straffälligen Ausländers andere Ausländer davon abzuhalten, Straftaten zu begehen. Die generalpräventive Ausweisung ist unionsrechtlich gegenüber Unionsbürgern und sonstigen Freizügigkeitsberechtigten unzulässig, begegnet ansonsten aber keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerfG, B.v. 17.1.1979 – 1 BvR 241/77 – NJW 1979, 1100).
Eine Ausweisung ist allerdings nur dann geeignet, eine generalpräventive Wirkung zu erzielen, wenn die Anlasstat nicht derart singuläre Züge aufweist, dass die an sie anknüpfende Ausweisung keine abschreckende Wirkung entfalten könnte, und wenn angesichts der Schwere der Straftat ein dringendes Bedürfnis auch für eine ordnungsrechtliche Prävention besteht (BVerwG, B.v. 2.2.1979 – 1 B 238/78 – juris Rn. 18). Grundsätzlich müssen daher auch bei einer generalpräventiv motivierten Ausweisung die konkreten Umstände der Straftat und die Lebensumstände des Ausländers individuell gewürdigt werden (BVerfG, B.v. 10.8.2007 – 2 BvR 535/06 – juris Rn. 24 f.).
Vorliegend besitzen die Anlasstaten mit Blick auf die von ihr angegriffenen Rechtsgüter sehr hohes Gewicht und bedürfen der ordnungsrechtlichen Prävention. Die Ausweisung ist hier mangels singulärer Züge der Anlasstaten auch geeignet, abschreckende Wirkung für andere Ausländer zu entfalten. Unter Würdigung der konkreten Lebensumstände des Klägers ist seine Ausweisung auch aus generalpräventiven Gründen nicht unverhältnismäßig.
3. Die Befristung der Wirkungen der Ausweisung in Nummer 2 des streitgegenständlichen Bescheids auf 3 Jahre bei Straffreiheit, Drogensowie Alkoholabstinenz und ansonsten auf 5 Jahre ab der Ausreise begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen worden ist, ist gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen, welches von Amts wegen zu befristen ist, § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG. Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist über die Länge der Frist nach Ermessen zu entscheiden. Sie darf gemäß § 11 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 11 Abs. 5 Satz 1 AufenthG 5 Jahre insbesondere nur überschreiten und bis zu 10 Jahre betragen, wenn der Ausländer – wie hier – auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist. Die Befristung kann – wie vorliegend – zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 5 AufenthG mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit.
Da es sich bei der Bestimmung der Länge der Frist um eine behördliche Ermessensentscheidung handelt, kann gerichtlich nach § 114 Satz 1 VwGO nur überprüft werden, ob überhaupt Ermessen ausgeübt worden ist, die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.
Die Beklagte hat im vorliegenden Fall ihr Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt; Ermessensfehler sind nicht erkennbar. Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass bei der Bestimmung der Länge der Fristen der bestehenden Wiederholungsgefahr und dem Gewicht der gefährdeten Rechtsgüter ein besonderes Gewicht zugemessen worden ist. Durch die Verkürzung der Fristen in der mündlichen Verhandlung auf 3 und 5 Jahre ist auch den persönlichen und familiären Bindungen des Klägers als faktischer Inländer (Art. 8 EMRK) hinreichend Rechnung getragen worden. Eine weitere Reduzierung der Fristen ist nach Auffassung des Gerichts im Hinblick auf die erhebliche strafrechtliche Verurteilung des Klägers und das Fehlen einer eigenen Kernfamilie im Bundesgebiet rechtlich nicht geboten.
4. Die Abschiebungsandrohung aus der Haft bzw. Unterbringung sowie die Ausreiseaufforderung mit Ausreisefrist in der (geänderten) Nummer 3 des angefochtenen Bescheids begegnet keinen rechtlichen Bedenken; sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 59 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 58 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG.
5. Auch die hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage auf Verkürzung des Einreise- und Aufenthaltsverbots bleibt nach dem bereits Ausgeführten erfolglos.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung fußt auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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