Aktenzeichen Au 4 S 17.31687
Leitsatz
Die Abkehr der Familie von einem Asylsuchenden islamischen Glaubens wegen der beabsichtigten Eheschließung mit einer Christin ist asylrechtlich irrelevant. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt … für das vorliegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begeht einstweiligen Rechtsschutz in Bezug auf eine Abschiebungsandrohung in einem Bescheid des Bundesamtes für … (Bundesamt) sowie die Gewährung von Prozesskostenhilfe.
Der Antragsteller, nach eigenen Angaben pakistanischer Staatsangehörigkeit, zugehörig zur Volksgruppe der Panschabis und islamisch-sunnitischen Glaubens, reiste im Oktober 2015 auf dem Landweg in die … ein und stellte am …2016 einen Asylantrag.
Mit Bescheid vom 14. März 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, den Antrag auf Asylanerkennung sowie auf subsidiären Schutz jeweils als offensichtlich unbegründet ab (1. – 3.). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor (4.). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die … innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Sollte der Antragsteller die Ausreisefrist nicht einhalten, werde er nach Pakistan abgeschoben. Der Antragsteller könne auch in einen anderen Staat abgeschoben werden, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei (5.). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (6.). Der Antragsteller habe bei seiner Anhörung am 3. März 2017 angegeben, bei einer Rückkehr nach Pakistan habe er eigentlich nichts zu befürchten, nur dass er ein Mädchen christlichen Glaubens nicht heiraten könne. Er habe Probleme mit seiner Familie. Der Mullah in seiner Gemeinde habe gesagt, er habe den Glauben gewechselt. Er könne sich nicht in Karachi oder Lahore aufhalten, weil die Sicherheitslage dort schlecht sei. Aus dem Sachvortrag des Antragstellers sei weder eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung noch ein flüchtlingsrechtlich relevantes Anknüpfungsmerkmal ersichtlich. Der Antragsteller habe Pakistan unverfolgt und nach Absprache mit einem in Spanien lebenden Freund aus asylrechtlich irrelevanten Gründen verlassen. Der Antragsteller habe auch nicht glaubhaft darlegen können, dass der Mullah seiner Gemeinde ihm der Konversion zum Christentum bezichtigt hätte. Seine Auslassungen diesbezüglich seien beiläufig vorgebracht und nicht weiter entwickelt worden. Ebenso wenig sei am Sachvortrag eine akute Gefahrlage erkennbar, die ihn zur sofortigen Flucht hätte zwingen können. Ein zeitlich kausaler Zusammenhang zwischen dem angegebenen Verfolgungsschicksal und seiner Ausreise könne nicht festgestellt werden. Der Antragsteller selbst gebe an, bei der Rückkehr nach Pakistan eigentlich nichts zu befürchten. Die Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dränge sich gerade deswegen als offensichtlich unbegründet auf. Dem Antragsteller drohe angesichts seines Vorbringens ebenfalls offensichtlich kein ernsthafter Schaden gem. § 4 AsylG. Auch die Gewährung subsidiären Schutzes sei deswegen als offensichtlich unbegründet abzulehnen gewesen. Auch Abschiebungsverbote lägen nicht vor. Auf den Bescheid wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Der Antragsteller ließ am 24. März 2017 Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg erheben (Au 4 K 17.31686). Gleichzeitig ließ er beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziff. 5 des am 18.3.2017 zugestellten Bescheides vom 16.3.2017 [gemeint wohl: 14.3.2017], Az.: … anzuordnen
Ferner beantragte er die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten.
Zur Begründung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz führte er aus: Der Antragsteller berufe sich auf eine Verfolgung aus religiösen Gründen. Er sei eine voreheliche Liebesbeziehung eingegangen und habe eine gemischt-religiöse Ehe eingehen wollen, die in beiden betroffenen Familien auf Ablehnung gestoßen sei. Das Verhalten des Antragstellers werde als schwerwiegender Verstoß gegen die Familienehre gewertet, der jedenfalls eine Rückkehr in die Familie unmöglich mache und mit der Gefahr ernsthafter Sanktionen bis zum Ehrenmord verbunden sei. Der Staat Pakistan sei nicht bereit, in derartigen Situationen Schutz zu bieten. Auf eine Unterstützung durch die Familie könne der Antragsteller erst recht nicht hoffen. Zumindest Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG seien zu bestätigen. Dem Antragsteller sei die Möglichkeit zu geben, in der Hauptverhandlung seine Situation vor der Ausreise eingehend zu schildern.
Das Bundesamt übermittelte am 30. März 2017 seine Akten. In der Sache äußerte es sich nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die Akten des Bundesamts Bezug genommen.
II.
Der zulässige, insbesondere fristgerecht gestellte Antrag ist nicht begründet. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG.
Bei der Überprüfung der Abschiebungsandrohung ist eine über die bloße summarische Prüfung hinausgehende erschöpfende – wenn auch nur für das Eilverfahren verbindliche – Prüfung vorzunehmen, ob das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, B.v. 25.4.1994 – 2 BvR 2002/93 – juris). Allein diese Prüfung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes stellt sicher, dass lediglich derjenige Asylbewerber in Befolgung der ihm vom Bundesamt mitgeteilten Ausreisepflicht das Bundesgebiet verlassen muss, dem das sich aus Art. 16 a Abs. 1 GG in Verbindung mit § 55 Abs. 1 AsylG ergebende vorläufige Bleiberecht – auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung – tatsächlich nicht mehr zusteht und bei dem es daher verantwortet werden kann, ihn das Hauptsacheverfahren ohne weitere persönliche Anwesenheit im Inland betreiben zu lassen. Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gilt nichts anderes.
Die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet kann vor Gericht nur dann Bestand haben, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Auffassung die Abweisung des Begehrens sich dem Gericht geradezu aufdrängt. Aus den Gründen des Bescheides muss sich dabei klar ergeben, weshalb das Bundesamt zu dem Ergebnis kommt, dass der Asylantrag nicht nur schlicht, sondern offensichtlich unbegründet ist und auch, warum keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG bestehen (vgl. BVerfG, B.v. 7.11.2008 – 2 BvR 629/06 – juris m.w.N.). Maßgeblich ist dabei, ob sich die Einschätzung des Bundesamts im Ergebnis als tragfähig und rechtmäßig erweist (VG München, B.v. 7.2.2017 – M 17 S. 17.31192 – juris Rn. 17; B.v. 12.9.2016 – M 11 S. 16.32638 – juris Rn. 20; B. v. 22.04.2016 – M 2 S. 16.30758 – juris Rn. 12).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die vom Antragsteller angegebenen Gründe für seine Flucht vermögen im Sinne des § 30 Abs. 1 AsylG offensichtlich die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Voraussetzungen für die Zuerkennung internationalen Schutzes nicht zu begründen. Das Gericht folgt der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG) und nimmt hierauf Bezug. Ergänzend gilt, insbesondere mit Blick auf die Begründung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz, folgendes:
Der Antragsteller behauptet nunmehr eine Verfolgung aus religiösen Gründen; die von ihm vorgetragenen Schwierigkeiten, nachdem er eine Christin heiraten wollte, stellen sich jedoch ausschließlich als Folgen einer innerfamiliären Auseinandersetzung dar. Überdies läge auch kein nach § 3c AsylG beachtlicher Verfolgungsakteur vor; für die Voraussetzungen des § 3c Nr. 3 AsylG (bezüglich des subsidiären Schutzes i.V.m. § 4 Abs. 3 AsylG), d.h. Verfolgung bzw. Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure, fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten. Der Antragsteller behauptet nunmehr zwar, in seiner Situation sei der Staat Pakistan nicht bereit, Schutz zu bieten; Belege hierfür benennt er jedoch nicht. Vielmehr hat der Antragsteller vor dem Bundesamt angegeben, in Pakistan keine Probleme mit den Behörden oder der Polizei gehabt zu haben. Hätte der Antragsteller die Erfahrung gemacht, dass ihm Polizei und Behörden keinen Schutz bieten könnten, hätte es sich aufgedrängt, dass der Antragsteller entsprechendes auf die Frage des Bundesamts nach Problemen mit Polizei und Behörden von sich aus schildert.
Insbesondere aber hat der Antragsteller vor dem Bundesamt angegeben, deshalb nicht nach Pakistan zurückkehren zu können, weil er dort ohne seine Freundin und seine Familie, die ihn hinausgeworfen habe, leben müsse. Verfolgungshandlungen, insbesondere Gewaltanwendung, oder die Bedrohung mit einem ernsthaften Schaden, hat er damit auch nicht ansatzweise dargetan. Die nunmehrige Behauptung des Antragstellers in der Antragsbegründung, es seien ernsthafte Sanktionen bis hin zum Ehrenmord zu befürchten, stellt sich als völlig unglaubwürdig dar, weil er damit sein bisheriges Vorbringen in extremer Weise gesteigert hat. Hätte der Antragsteller tatsächlich schwerwiegende Konsequenzen auf Grund seiner Liebesbeziehung mit einer Christin zu befürchten, wäre anzunehmen gewesen, dass er solches zumindest ansatzweise schon vor dem Bundesamt vorbringt. Er hat dort bezüglich seiner Familie aber lediglich angegeben, sie hätten ihn „hinausgeschmissen“.
Schließlich ist davon auszugehen, dass für den Antragsteller die Möglichkeit internen Schutzes besteht, § 3e AsylG (ggfs. i.Vm. § 4 Abs. 3 AsylG). Der Antragsteller hat in Pakistan gearbeitet; er ist vor seiner Ausreise, nachdem er nach seinen Angaben von seiner Familie hinausgeworfen wurde, nach Lahore zu einem Freund gegangen. Zuvor ist er nach seinen Angaben nach einem Unfall einen Monat in einem Krankenhaus in G. versorgt worden. Angesichts dessen kann davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller sich bei einer Rückkehr nach Pakistan nötigenfalls eine Existenz an einem Ort aufbauen kann, wo er für seine Familie nicht greifbar ist.
Ebenso wenig sind Anhaltspunkte für Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ersichtlich. Folter, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder erhebliche konkrete Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit drohen dem Antragsteller, wie aus dem Vorstehenden ergibt, bei einer Rückkehr nach Pakistan nicht. Soweit er nunmehr in der Antragsbegründung anderes zu behaupten sucht, stellt sich dies, wie bereits ausgeführt, als völlig unglaubwürdige Steigerung seines Vorbringens dar. Auch ein Abschiebungsverbot wegen schlechter humanitärer Bedingungen besteht nicht; wie ebenfalls ausgeführt, ist davon auszugehen, dass der Antragsteller seine Existenz in Pakistan durch Arbeit und auf Grund offenbar bestehender freundschaftlicher Kontakte sichern könnte. Auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids wird gem. § 77 Abs. 2 AsylG im Übrigen erneut Bezug genommen.
Rechtsfehler in Bezug auf die Abschiebungsandrohung (Ziff. 5) und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots (Ziff. 6) sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids wird Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Nach allem war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das vorliegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes war ebenfalls abzulehnen, weil, wie sich aus dem vorstehenden ergibt, die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Zudem liegen bisher entgegen § 116 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO weder eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers noch entsprechende Belege vor.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).