Aktenzeichen 3 CE 16.2200
VwGO VwGO § 123 VwGO
LlbG Art. 16, Art. 60, Art. 61
Leitsatz
Die offensichtliche Unrichtigkeit einer dienstlichen Beurteilung kann entsprechend dem allgemeinen Rechtsgedanken des Art. 42 BayVwVfG jederzeit auch im Zusammenhang mit einem Auswahlverfahren berichtigt werden, und zwar sowohl hinsichtlich der Tätigkeitszeiten eines Beamten als auch der an der Beurteilung Beteiligten. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
5 E 16.572 2016-10-11 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth
Tenor
I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsgegner schrieb mit der Dienstposten-/Stellenausschreibung Nr. 9 vom 17. Mai 2016 den Dienstposten als Dienstgruppenleiterin/Dienstgruppenleiter bei der PI K. (A 11/12) aus.
Hierauf bewarben sich u. a. die Antragstellerin und der Beigeladene.
Die 1971 geborene Antragstellerin steht als Polizeihauptkommissarin (A 11) im Dienst des Antragsgegners. Sie ist als Sachbearbeiterin und stellvertretende Dienstgruppenleiterin bei der PI K. tätig. In der letzten periodischen Beurteilung für den Zeitraum vom 1. Juni 2012 bis 31. Mai 2015 erhielt die Antragstellerin als Gesamturteil 13 Punkte.
Der 1969 geborene Beigeladene steht als Polizeihauptkommissar (A 11) im Dienst des Antragsgegners und ist als Dienstgruppenleiter bei der PI K. tätig. In seiner letzten Beurteilung für den Zeitraum vom 1. Juni 2012 bis 31. Mai 2015 erhielt der Beigeladene als Gesamturteil 14 Punkte.
Im Auswahlvermerk des Polizeipräsidiums Oberfranken vom 6. Juli 2016 ist festgehalten, dass für die Besetzung des Dienstpostens keine besondere fachliche Ausbildung oder praktische Erfahrungen vorausgesetzt seien. Die Auswahlentscheidung sei daher nach dem Grundsatz der Bestenauslese anhand leistungsbezogener Kriterien zu treffen. Der Beigeladene habe in der aktuellen Beurteilung aus dem Jahr 2015 mit 14 Punkten das beste Gesamturteil erzielt. Die weiteren Bewerber hätten ein schlechteres Gesamtergebnis aus derselben oder einer niedrigeren Besoldungsgruppe erzielt und schieden damit aus dem weiteren Verfahren aus.
Die ablehnende Entscheidung wurde der Antragstellerin mit Schreiben vom 26. Juli 2016 mitgeteilt.
Die Antragstellerin legte mit Schreiben vom 31. Juli 2016 Widerspruch ein und beantragte mit Schriftsatz vom 11. August 2016 im Wege der einstweiligen Anordnung,
dem Antragsgegner zu untersagen, den Dienstposten Dienstgruppenleiterin/Dienstgruppenleiter bei der PI K. mit dem Beigeladenen zu besetzen, bevor über die Bewerbung der Antragstellerin bestandskräftig entschieden wurde.
Mit Beschluss vom 11. Oktober 2016, zugestellt am 14. Oktober 2016, lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag ab. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Zwar sei in der periodischen Beurteilung 2015 die in den Beurteilungszeitraum fallende Tätigkeit der Antragstellerin im Kommissariat 7 der KPI C. vom 1. November 2012 bis 28. Februar 2013 nicht angegeben worden. Allerdings sei nicht ersichtlich, dass sich dieses Versehen inhaltlich auf das Ergebnis der Beurteilung auswirken könnte, zumal die Antragstellerin in dem genannten Zeitraum lediglich an 31 Tagen Dienst geleistet habe. Der Antragsgegner habe angekündigt, die Beurteilung im Hinblick auf die fehlende Angabe des Tätigkeitszeitraums und des Kommissariatsleiters EKHK H. als Beteiligten zu berichtigen und der Antragstellerin erneut auszuhändigen. Insoweit begegne es keinen rechtlichen Bedenken, das Gesamturteil der Beurteilung der hier verfahrensgegenständlichen Auswahlentscheidung zugrunde zu legen. Auch die Auswahlentscheidung, die am Grundsatz der Bestenauswahl zu orientieren gewesen sei, sei nicht zu beanstanden. Der Beigeladene habe von den insgesamt neun Bewerbern mit 14 Punkten das beste Gesamturteil erzielt.
Mit ihrer am 27. Oktober 2016 eingelegten und mit Schriftsatz vom 9. November 2016 begründeten Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die Beurteilung 2015 in der Form, in der sie der Antragstellerin am 6. August 2015 eröffnet worden sei, sei rechtswidrig gewesen. Tatsächliche Beschäftigungszeiten der Antragstellerin seien nicht berücksichtigt und Vorgesetzte, die bei der Erstellung der Beurteilung hätten beteiligt werden müssen, nicht als Beteiligte genannt worden. Die Beurteilung sei nunmehr berichtigt und der Antragstellerin am 21. September 2016 in der berichtigten Form ausgehändigt worden. Gleichwohl könne dies nicht zur Rechtmäßigkeit der Beurteilung führen. Zum einen gehe die Antragstellerin davon aus, dass der EKHK H. als Leiter des Kommissariats 7 der KPI C. nicht beteiligt worden sei, zum anderen sei die Stellungnahme des unmittelbaren Vorgesetzten zur Beurteilung der Antragstellerin erst am 7. August 2015, d. h. einen Tag nach der Eröffnung der Beurteilung abgegeben worden.
Der Antragsgegner beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Beigeladene hat sich nicht geäußert und keinen eigenen Antrag gestellt.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die vorgelegten Behörden- sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg. Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Das vom Antragsgegner durchgeführte Stellenbesetzungsverfahren lässt – ausgehend von den von der Antragstellerin dargelegten Gründen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) – erkennen, dass die Grundsätze der Bestenauslese dergestalt eingehalten worden sind, dass im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes davon auszugehen ist, dass die Antragstellerin mit ihrem Begehren im Hauptsacheverfahren voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.
1. Die Tätigkeit der Antragstellerin beim Kommissariat 7 der KPI C. in der Zeit vom 1. November 2012 bis 28. Februar 2013 wurde in der dienstlichen Beurteilung der Antragstellerin zunächst nicht aufgeführt. Insoweit ist von einer offensichtlichen Unrichtigkeit der dienstlichen Beurteilung auszugehen.
Ist ein Verwaltungsakt oder eine andere öffentlich-rechtliche Handlung der Verwaltung mit einer offensichtlichen Unrichtigkeit behaftet, so kann diese Unrichtigkeit von der Behörde, deren Handlung den Fehler aufweist, jederzeit zum Anlass für eine Berichtigung genommen werden. Für den Fall, dass es sich um einen Verwaltungsakt handelt, ergibt sich die Befugnis zur Berichtigung aus der ausdrücklichen Regelung des Art. 42 BayVwVfG, in sonstigen Fällen aus dem allgemeinen Rechtsgedanken, dessen Ausdruck die genannte Vorschrift sowie entsprechende Vorschriften in den im gerichtlichen Verfahren anzuwendenden verschiedenen Prozessordnungen sind (vgl. Beck’scher Online-Kommentar VwVfG, Stand: 1.10.2016, § 42 Rn. 1; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Aufl. 2014, § 42 Rn. 1).
Demgemäß war der Antragsgegner im vorliegenden Fall berechtigt, die in der aktuellen Beurteilung der Antragstellerin fehlende Tätigkeit im Kommissariat 7 nachträglich aufzunehmen. Gemäß Art. 60 Abs. 2 Satz 4 LlbG in Verbindung mit Ziff. 12 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 8. April 2011, geändert durch Bekanntmachung vom 10. April 2012 (AllMBl S. 256) über die „Dienstliche Beurteilung, Leistungsfeststellungen nach Art. 30 und Art. 66 BayBesG in Verbindung mit Art. 62 LlbG für die Beamten und Beamtinnen der bayerischen Polizei und des bayerischen Amts für Verfassungsschutz“ werden Beurteilungen bis zur Besoldungsgruppe A 12 grundsätzlich nicht überprüft, es sei denn, es werden – wie hier – Einwendungen erhoben. Zuständig für die Überprüfung und formelle Berichtigung war die dem Staatsministerium unmittelbar nachgeordnete Behörde. Hier das Polizeipräsidium Oberfranken in der Person der Regierungsrätin R.
2. Gleiches gilt für die ergänzende Aufnahme des EKHK H. unter „Beteiligte“. Der Senat geht davon aus, dass auch insoweit von einer offensichtlichen Unrichtigkeit der dienstlichen Beurteilung auszugehen ist. Aus der dienstlichen Stellungnahme des Leiters der KPI C., KD R., vom 12. September 2016, wird deutlich, dass die Anhebung um vier Punkte, wie sie bei der Antragstellerin erfolgte, „mit den von ihr allein bei der KPI C. gezeigten Leistungen nicht zu begründen war“ und dass darüber auch „im Kreise der Kommissariatsleiter, die wiederum an den Reihungen beteiligt waren, Einigkeit“ bestand. Daraus ist zwingend zu schließen, dass der frühere unmittelbare Vorgesetzte, EKHK H., im Zuge der verfahrensgegenständlichen Beurteilung der Antragstellerin beteiligt war. Die Antragstellerin hat zur genannten dienstlichen Stellungnahme vorgetragen, dass der EKHK H. nur bei den regelmäßigen Reihungsgesprächen im Zeitraum von November 2012 bis Februar 2013 beteiligt gewesen sein könne. Es sei unwahrscheinlich, dass innerhalb der ersten neun Monate des Beurteilungszeitraums bereits eine derartige Dichte an Reihungsgesprächen vorliege, dass eines hiervon während der Beschäftigungszeit der Antragstellerin im Kommissariat 7 erfolgt sei. Hierzu wäre zur Glaubhaftmachung zumindest die Benennung eines derartigen Reihungsgesprächs erforderlich. Diese Argumentation verfängt nicht, weil sie den Inhalt der dienstlichen Stellungnahme des Leiters der KPI C. in einem unzutreffenden Licht sieht. Die Beteiligung des früheren unmittelbaren Vorgesetzten der Antragstellerin erfolgte danach jedenfalls auch nach der Reihung im Sprengel der Schutzpolizei und in Kenntnis der für die Antragstellerin vorgesehenen 13 Punkte. Die Kommissariatsleiter waren sich sämtlich einig, dass die Leistungen der Antragstellerin bei der KPI C. nicht 13 Punkten entsprachen. Somit ist davon auszugehen, dass der frühere unmittelbare Vorgesetzte der Antragstellerin, EKHK H., im Rahmen der dienstlichen Beurteilung (formlos) beteiligt worden ist (vgl. BayVGH, U. v. 7.5.2014 – 3 BV 12.2594 – juris Rn. 33: schriftlicher Beurteilungsbeitrag ist nicht zwingend). Es ist damit auch hinsichtlich der Beteiligung des EKHK H. im Rahmen der Überprüfung lediglich eine formelle Richtigstellung der dienstlichen Beurteilung erfolgt.
3. Es ist unschädlich, dass der (aktuelle) unmittelbare Vorgesetzte, POR H., das markierte Feld für seine Stellungnahme auf dem Beurteilungsbogen erst am Tag nach der Eröffnung der Beurteilung abgezeichnet hat, zumal er gegen die vorgeschlagene Reihung und Beurteilung der Antragstellerin tatsächlich keine Einwände erhoben hat. Soweit die Antragstellerin ausführt, es bedürfe der Positionierung des unmittelbaren Vorgesetzten, um dem Beamten vor Augen zu führen, ob dieser die Beurteilung mittrage oder für falsch halte, ist diesem Belang bereits dadurch Rechnung getragen, dass die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren eine Kopie ihrer dienstlichen Beurteilung vorlegen konnte, in der der unmittelbare Vorgesetzte im Rahmen seiner Stellungnahme „ohne Einwendungen“ angekreuzt hatte. Damit ist ihr die „Positionierung“ ihres Vorgesetzten zur Kenntnis gebracht worden. Im Übrigen hat der unmittelbare Vorgesetzte die dienstliche Beurteilung am 6. August 2015 persönlich eröffnet und konnte der Antragstellerin gegenüber im Rahmen der Besprechung der dienstlichen Beurteilung (Art. 61 Abs. 1 Satz 2 LlbG) hierzu Stellung nehmen.
4. Hinsichtlich einer etwaigen Voreingenommenheit der Leiters der KPI C. gegenüber der Antragstellerin wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts im angegriffenen Beschluss (S. 13) Bezug genommen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
5. Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO zurückzuweisen. Da der Beigeladene keinen eigenen Antrag gestellt hat, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2, 47 GKG, wobei der Senat auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um eine Dienstpostenbesetzung den Auffangstreitwert in voller Höhe festsetzt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).