Verwaltungsrecht

Beseitigung einer Beschilderung

Aktenzeichen  14 B 16.769

Datum:
12.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NuR – 2018, 136
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 2
BV Art. 141 Abs. 3 Satz 1
BayNatSchG Art. 27 Abs. 1 und 2, Art. 28 Abs. 1 Satz 1, Art. 30 Abs. 2 Satz 1, Art. 33, Art. 34 Abs. 3

 

Leitsatz

1. Ein Erholungsuchender kann nur dann gegen eine Sperre in der Natur im Sinne des Art. 33 BayNatSchG im Wege einer Klage auf Einschreiten vorgehen, wenn er individuell von der Sperre betroffen ist. Wohnt der Kläger nicht in dem betreffenden Gebiet, sondern weit entfernt, muss er hinreichend konkret darlegen, aus welchen Gründen er von der Sperre individuell betroffen ist. (Rn. 22)
2. Offen bleibt, ob für die Bejahung einer individuellen Betroffenheit zu verlangen ist, dass derjenige, der die Beseitigung einer Sperre in der Natur einklagen will, am jeweiligen Standort Adressat dieser Sperre geworden ist. (Rn. 22)

Verfahrensgang

Au 2 K 15.160 2015-11-17 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, falls nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage des Klägers auf Anordnung der Beseitigung des Schildes mit dem Aufdruck „Grund: Weg wird von Wanderern stark frequentiert“ auf dem Weg „G.“ zur Bildkapelle sowie der beiden Schilder mit dem Aufdruck „Grund: neu angepflanzter Schutzwald“ auf dem Weg oberhalb der Mittelstation der Mittag-Bahn nach Sch. im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klage ist bereits mangels Klagebefugnis unzulässig.
Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO, der die Verhinderung von Popularklagen bezweckt (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.1995 – 2 C 32.94 – BVerwGE 99, 64), ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Darlegung des Klägers muss ergeben, dass nicht offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise das vom Kläger behauptete Recht – und somit der von ihm behauptete Anspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsakts – nicht bestehen oder ihm nicht zustehen kann (vgl. BVerwG, U.v. 21.8.2003 – 3 C 15.03 – DÖV 2004, 166). Die Pflicht zur Darlegung bezieht sich dabei auf die die Rechtsverletzung bzw. den Anspruch begründenden Tatsachen, nicht aber auf die rechtliche Seite des Klagevortrags (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 42 Rn. 93). Bei Verpflichtungsklagen genügt es für die Erfüllung der Darlegungslast, wenn aus der Klage erkennbar ist, dass und aufgrund welcher Tatsachen der Kläger auf den begehrten Verwaltungsakt ein Recht zu haben glaubt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 42 Rn. 17).
Der Kläger begehrt vorliegend ein Einschreiten der unteren Naturschutzbehörde gegen – seiner Auffassung unzulässige – Sperren von Privatwegen für Mountainbiker, stützt sich also auf Art. 34 Abs. 3 BayNatSchG, wonach die untere Naturschutzbehörde die Beseitigung einer bereits bestehenden Sperre anordnen kann, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach Absatz 2 dieser Vorschrift die Errichtung der Sperre untersagt werden müsste, also wenn dies im gegenwärtigen oder absehbaren zukünftigen Interesse der erholungsuchenden Bevölkerung erforderlich ist und die Sperre den Voraussetzungen des Art. 33 BayNatSchG widerspricht. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats dient Art. 34 Abs. 3 BayNatSchG nicht nur dem abstrakten Interesse der Allgemeinheit, sondern konkret jedem einzelnen Erholungsuchenden und gibt ihm jedenfalls einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung darüber, ob eingeschritten wird. Der Sinngehalt des Grundrechts aus Art. 141 Abs. 3 Satz 1 BV, das „jedermann“, mithin jeder natürlichen Person, unabhängig von Staatsangehörigkeit, (Wohn-)Sitz oder Aufenthalt den Genuss auf Naturschönheiten und die Erholung in der freien Natur garantiert (vgl. Müller in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 5. Aufl. 2014, Art. 141 Rn. 24), gebietet es, eine drittschützende Wirkung des Art. 34 Abs. 3 BayNatSchG zu bejahen, zumal dieser durch den Verweis auf Art. 34 Abs. 2 BayNatSchG auch den einzelnen Erholungsuchenden als Teil der erholungsuchenden Bevölkerung, also den einzelnen Grundrechtsträger, in den Blick nimmt (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2013 – 14 BV 13.487 – VGH n.F. 66, 230 Rn. 30, 51; B.v. 11.5.2017 – 14 ZB 16.1775 – BayVBl 2017, 777 Rn. 7).
Aus der demnach drittschützenden Wirkung dieser Vorschrift folgt allerdings nicht, dass jeder (potentielle) Erholungsuchende im Wege einer Klage auf Einschreiten gegen jedwede in der freien Natur aufgestellte Sperre im Sinne des Art. 33 BayNatSchG vorgehen kann. Eine Sperre in der freien Natur – unterstellt eine solche liegt vor – entfaltet ihre Wirkung grundsätzlich erst, wenn ein Erholungsuchender mit ihr konfrontiert wird. Erforderlich ist daher, dass der jeweilige Kläger von der in der freien Natur aufgestellten Sperre individuell betroffen ist. Ob in jedem Fall für die Bejahung einer individuellen Betroffenheit zu verlangen ist, dass derjenige, der die Beseitigung einer Sperre einklagen will, am jeweiligen Standort Adressat dieser Sperre geworden ist (vgl. zu dieser Anforderung bei verkehrsrechtlichen Anordnungen BVerwG, U.v. 21.8.2003 – 3 C 15.03 – DÖV 2004, 166; U.v. 23.9.2010 – 3 C 37.09 – BVerwGE 138, 21 Rn. 16), kann offen bleiben. Jedenfalls muss eine besondere Beziehung zu dem betreffenden Gebiet bestehen, damit sich der jeweilige Kläger von der Allgemeinheit der Erholungsuchenden unterscheidet. Wohnt der Kläger nicht in dem betreffenden Gebiet, sondern wie vorliegend rd. 200 km entfernt, muss er hinreichend konkret darlegen, aus welchen Gründen er von der Sperre individuell betroffen ist. Eine individuelle Betroffenheit kann sich dabei beispielsweise aus einem regelmäßigen Aufenthalt in dem betreffenden Gebiet, einer Zweit-/Ferienwohnung oder Verwandten vor Ort ergeben. Die – hier allein vorliegende – bloße Absichtserklärung, – jetzt nach Kenntniserlangung von der Sperre – die betreffenden Wege mit dem Mountainbike befahren zu wollen, weil sie „wohl bei anderen beliebt gewesen seien“, verschafft dem Kläger ebenso wenig die Stellung eines individuell von der Sperre betroffenen Erholungsuchenden wie seine Aussage in der mündlichen Verhandlung vom 5. Dezember 2017, er fahre zum Mountainbiken fast immer in andere Gegenden außerhalb seines Wohnorts. Unabhängig davon ist anzumerken, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung beim Landratsamt und bei Erhebung der Klage vor dem Verwaltungsgericht die Sperren in der Natur noch nicht vorhanden waren, der Kläger also allein auf Grund der – für Sperren in der Natur nicht relevanten – Veröffentlichungen bzw. auf Grund von Informationen anderer Radfahrer tätig geworden ist. Zudem kannte er damals die genaue Gestaltung der (erst später in der freien Natur aufgestellten) Schilder nicht. Auch der Umstand, dass der an die untere Naturschutzbehörde gerichtete Antrag vom 31. Juli 2013 unter dem Briefkopf des D. gestellt wurde, weist darauf hin, dass der Kläger nicht in eigenem Interesse, sondern im Interesse anderer Radfahrer, deren Interessen der Verein vertritt, gehandelt hat, also fremde Rechte im eigenen Namen geltend machen will. Daran ändert nichts, dass er auch auf sich selbst als natürliche Person und Mountainbiker hingewiesen hat. § 42 Abs. 2 VwGO steht jedoch einer Geltendmachung fremder Rechte im Wege der (gewillkürten) Prozessstandschaft entgegen.
Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Nichtzulassung der Revision: § 132 Abs. 2 VwGO.


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