Aktenzeichen M 7 S 17.2633
WaffG WaffG § 5 Abs. 2 Nr. 5, § 41 Abs. 1
Leitsatz
1 § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG stellt auf den materiell-rechtlichen Verstoß gegen einen Strafrechtstatbestand und nicht auf die Verurteilung ab. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Untersagung des Besitzes und des Erwerbs (erlaubnisfreier und erlaubnispflichtiger) Waffen und Munition aufgrund mehrerer Verstöße gegen waffenrechtliche, strafbewehrte Vorschriften sowie aufgrund des Anbringens einer Reichsflagge auf einem amtlichen Kennzeichen ist ermessensfehlerfrei. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
II. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
III. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
IV. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zuletzt gegen ein Besitz- und Erwerbsverbot für erlaubnisfreie Waffen und erlaubnisfreie Munition.
Mit Schreiben vom 16. Januar 2017 wandte sich die Kriminalpolizeiinspektion (KPI) Ingolstadt bezüglich des Antragstellers an das Landratsamt Neuburg-Schrobenhausen (im Folgenden: Landratsamt). Am 18. Januar 2016 sei festgestellt worden, dass der Antragsteller das EU-Zeichen auf dem amtlichen Kennzeichen seines Kraftfahrzeugs mit einer Reichsflagge (schwarz-weiß-rot) überklebt habe. Der Antragsteller sei bereits mehrfach polizeilich in Erscheinung getreten; er sei Betäubungsmittelkonsument und bewaffnet, aber nicht Inhaber einer waffenrechtlichen Erlaubnis. Aufgrund der getroffenen Feststellungen sei der Antragsteller als Reichsbürger einzustufen.
Von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens aufgrund des veränderten Kennzeichens sah die Staatsanwaltschaft Ingolstadt mit Verfügung vom 4. Februar 2016 gemäß § 152 Abs. 2 Strafprozessordnung – StPO – ab, weil das Verhalten keinen Straftatbestand erfüllt.
Aus den vom Landratsamt im Anschluss an das Schreiben vom 16. Januar 2017 beigezogenen Auszügen aus der Vorgangsverwaltung der Bayerischen Polizei (im Folgenden: IGVP) und aus beigezogenen Abdrucken von Strafurteilen ergibt sich u. a. Folgendes:
Laut IGVP schoss der Antragsteller am 17. September 2010 mit einer Schreckschusspistole vom Baucontainer eines Jugendclubs aus auf freies Feld beziehungsweise in eine Baum-/Strauchgruppe.
Mit seit 24. März 2011 rechtskräftigem Urteil selben Datums wurde der Antragsteller wegen gemeinschaftlichen Diebstahls in Tatmehrheit mit gefährlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Mit seit 29. September 2011 rechtskräftigem Urteil selben Datums wurde der Antragsteller wegen vorsätzlichen unerlaubten Führens einer Schusswaffe mit vorsätzlichem unerlaubtem Besitz in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer verbotenen Waffe zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 25 Euro verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Antragsteller am 2. April 2011 zwei Schlagringe, eine Signalwaffe und zwei Gas- und Signalwaffen mit sich führte, ohne im Besitz einer waffenrechtlichen Erlaubnis zu sein.
Mit Schreiben vom 24. April 2017 hörte das Landratsamt den Antragsteller zum beabsichtigten Erlass eines Waffenbesitzverbots an. Aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sog. Reichsbürgerbewegung und weil er am 29. September 2011 wegen waffenrechtlicher Verstöße zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen verurteilt worden sei, fehle dem Antragsteller die erforderliche waffenrechtliche Zulässigkeit. Dies ergebe sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und c WaffG (bzgl. des Aspekts „Reichsbürger“) und § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG (bzgl. der Verurteilungen).
Daraufhin antworteten die zwischenzeitlich mandatierten Bevollmächtigten des Antragstellers mit Schriftsatz vom 22. Mai 2017, dass der auf dem Kennzeichen aufgebrachte Aufkleber zwar eine Dummheit gewesen, im Übrigen aber nicht ersichtlich sei, wie sich allein daraus eine Einstufung des Antragstellers als Angehöriger der sog. Reichsbürgerbewegung ergeben solle. Die Verurteilungen des Antragstellers würden rund sechs Jahre zurückliegen bzw. sei deren Rechtskraft bereits vor mehr als fünf Jahren eingetreten, so dass die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG nicht einschlägig sei. Die Voraussetzungen des § 41 WaffG seien schon aus diesem Grund nicht gegeben, der lange Zeitablauf seit den Verurteilungen aus dem Jahr 2011 würde ohnehin einem pflichtgemäßen Entschließungsermessen entgegenstehen. Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass der Antragsteller Klettersport betreibe und daher gemäß § 42a Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 WaffG ein Einhandmesser benötige.
Mit den Bevollmächtigten des Antragstellers am 2. Juni 2017 zugestelltem Bescheid vom 30. Mai 2017 untersagte das Landratsamt dem Antragsteller den Besitz und den Erwerb von erlaubnisfreien Waffen und erlaubnisfreier Munition (Nr. 1 des Bescheids) sowie den Besitz und den Erwerb erlaubnispflichtiger Waffen und erlaubnispflichtiger Munition (Nr. 2.). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 des Bescheides wurde angeordnet (Nr. 3) und Kosten in Höhe von 150 Euro festgesetzt (Nr. 4).
Zur Begründung führte das Landratsamt aus, dass dem Antragsteller der Erwerb und Besitz von erlaubnisfreien Waffen und erlaubnisfreier Munition gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 WaffG der Besitz erlaubnispflichtiger Waffen und erlaubnispflichtiger Munition gemäß § 41 Abs. 2 WaffG untersagt werden könne.
Aufgrund seines bisherigen Verhaltens und seiner Angehörigkeit zur sog. Reichsbürgerbewegung sei zu befürchten, dass der Antragsteller sich nicht an die strengen waffenrechtlichen Vorgaben halten werde, weshalb ihm die erforderliche Zuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b und c WaffG fehle. Der Antragsteller sei nach fachlicher Einschätzung der KPI Ingolstadt der sog. Reichsbürgerbewegung zuzuordnen. Die Äußerung seiner Bevollmächtigten vom 19. Mai 2017 vermöge diese Einordnung nicht zu widerlegen.
Die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit ergebe sich weiterhin aus dem Regeltatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c WaffG. Die Begehung einer der in § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG bezeichneten Straftaten sowie das Vorliegen einer der außerdem katalogisierten Fakten (§ 5 Abs. 2 Nrn. 2 bis 5 WaffG) seien wichtige Indizien für das Fehlen der erforderlichen Fähigkeit oder Bereitschaft und damit der gebotenen Gewissenhaftigkeit, mit Waffen (Schusswaffen) und Munition verantwortungsbewusst umzugehen. Der Antragsteller weise eine einschlägige Verurteilung zu 90 Tagessätzen und eine Verurteilung wegen gemeinschaftlichen Diebstahls, gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung auf. Mangels Anhaltspunkten für einen atypischen Fall könne die Regelunzuverlässigkeit nicht widerlegt werden. Bei vorsätzlichen Verstößen sei in der Regel ein gröblicher Verstoß anzunehmen. Die Fünfjahresfrist des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG sei bei § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG nicht anzuwenden.
Um Gefahren für Dritte infolge der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit des Antragstellers abzuwenden, würden Erwerb und Besitz von erlaubnisfreien und -pflichtigen Waffen und Munition nach pflichtgemäßem Ermessen untersagt. Das öffentliche Interesse überwiege insofern das private des Antragstellers. Der Sofortvollzug rechtfertige sich aus diesem öffentlichen Interesse der Abwendung weiterer Gefahren für Dritte.
Am 9. Juni 2017 erhoben die Bevollmächtigten des Klägers Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 2017 (Az. M 7 K 17.2579) und beantragten am 12. Juni 2017 außerdem,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom 9. Juni 2017 gegen den Bescheid des Landratsamts Neuburg-Schrobenhausen vom 30. Mai 2017, Az. Waff-135-1/12, wiederherzustellen.
Zur Begründung wurde die bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragene Argumentation vertieft. Der Antragsteller sei kein Angehöriger oder Anhänger der sog. Reichsbürgerbewegung. Das Anbringen des Reichsflaggenaufklebers sei eine Dummheit aus einer Bierlaune mit Freunden heraus gewesen. Hätte er zum Zeitpunkt der Anbringung eine andere Flagge zur Hand gehabt, so hätte der Antragsteller diese genauso verwendet. Die Auskunft aus dem IGVP enthalte keinerlei substantiierten Hinweis darauf, dass der Antragsteller „Selbstverwaltung“ betreibe oder die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und die hiesige Rechtsordnung infrage stellen würde.
Soweit auf § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c WaffG abgestellt werde, seien dessen Tatbestandsvoraussetzungen ebenfalls nicht erfüllt. Jedenfalls müsse man aber angesichts rund sechs Jahren Untätigkeit des Landratsamts und ohne einen erneuten Verstoß gegen das Waffenrecht in dieser Zeit eine Ausnahme von § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG zu Gunsten des Antragstellers machen oder dies im Rahmen des Entschließungsermessens ausreichend würdigen. Eine dementsprechende konkrete Darlegung und Begründung fehle ebenso wie eine Berücksichtigung des Bedarfs des Antragstellers an einem Einhandmesser zur Ausübung des Klettersports. Wenigstens für diesen Bereich des Klettersports hätte aus Angemessenheitsgesichtspunkten nicht der Besitz des vorhandenen Einhandmessers untersagt werden dürfen. Das unter Nr. 2 des Bescheids verfügte Verbot des Erwerbs erlaubnispflichtiger Waffen und Munition sei zudem schon gar nicht im Tatbestand von § 41 Abs. 2 WaffG vorgesehen.
Mit Schriftsatz vom 3. Juli 2017 beantragte der Antragsgegner, den Antrag abzulehnen, und verteidigt seinen Bescheid. Der Antragsteller habe sich mit der Äußerung vom 19. Mai 2017 und nach einer Gesamtwürdigung aller Tatsachen bisher nicht glaubhaft von der sog. Reichsbürgerbewegung distanzieren können. § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG sei einschlägig, da der Antragsteller wiederholt und gröblich gegen Vorschriften des Waffengesetzes verstoßen habe und auch zwei entsprechende Urteile vorliegen würden.
Das Vorbringen zum Einhandmesser sei gewürdigt worden, allerdings überwiege hier das öffentliche Interesse das private des Antragstellers, zumal Recherchen ergeben hätten, dass sog. Klettermesser nicht zwingend Einhandmesser seien und so nicht ausnahmslos dem Waffengesetz unterliegen würden.
Dass das Landratsamt erst jetzt und nicht bereits vor sechs Jahren tätig geworden sei, beruhe auf einer Gesamtwürdigung der Umstände inklusive der 2016 hinzugekommenen Reichsbürgerthematik.
Die Nr. 2 des Bescheids sei in der Tat unrichtig, weil der Erwerb ohnehin unter Erlaubnisvorbehalt stehe und daher nicht untersagt werden brauche. Insoweit könne der Bescheidstenor gemäß Art. 42 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG – berichtigt werden.
Hierauf erwiderte der Bevollmächtige des Antragstellers, dass Art. 42 BayVwVfG insoweit nicht greife, weil es sich nicht um einen bloßen Schreib-, sondern einen inhaltlichen Fehler des Bescheids handle. Höchstvorsorglich werde in Bezug auf die beantragte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen das in Nr. 2 verfügte Erwerbsverbot von erlaubnispflichtigen Waffen und Munition eine Teilerledigungserklärung abgegeben.
Mit Änderungsbescheid vom 20. Oktober 2017 hob das Landratsamt die Nr. 2 des Bescheids vom 30. Mai 2017 auf und korrigierte ergänzend dazu die Bescheidsbegründung an den Stellen (rechtliche Würdigung und Ermessen), an denen auch das Besitz- und Erwerbsverbot erlaubnispflichtiger Waffen und Munition erläutert wurde. Zudem wurde ergänzt, dass auch das Bedürfnis des Antragstellers an einem Klettermesser nichts an der vorgenommenen Ermessensausübung ändere.
Am 25. Oktober 2017 stimmte der Antragsgegner der Teilerledigterklärung hinsichtlich Nr. 2 des Bescheids vom 30. Mai 2017 zu.
Mit Schriftsatz vom 2. November 2017 beantragten die Bevollmächtigten des Antragstellers die Einbeziehung des Änderungsbescheids in das Hauptsacheverfahren und wiesen vorsorglich auf die bereits erfolgte Teilerledigterklärung, die letztlich Nr. 2 beträfe, hin.
Wegen des weiteren Sachverhalts und zum Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Gerichts- und die vom Landratsamt vorgelegte Behördenakte in diesem Verfahren und im Verfahren M 7 K 17.2579 ergänzend Bezug genommen.
II.
Der Antrag in seinem zuletzt zur Entscheidung gestellten Umfang ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.
1. Der Antrag ist unbegründet.
1.1 Der Antragsgegner hat das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Nr. 2 des Bescheids vom 30. Mai 2017 unter Verweis auf die besonderen Sicherheitsbedürfnisse im Bereich des Waffenrechts den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – entsprechend begründet (vgl. zu den – nicht zu hoch anzusetzenden – Anforderungen im Einzelnen Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 43).
1.2 Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei seiner Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten der Hauptsache als wesentliches, wenn auch nicht alleiniges Indiz für die vorzunehmende Interessenabwägung zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Hauptsacherechtsbehelf offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer (dann reinen) Interessenabwägung.
Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt die summarische Prüfung, dass der Bescheid vom 30. Mai 2017 nach Sach- und Rechtslage zum – hier aufgrund seines Charakters als Dauerverwaltungsakt erheblichen – Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts rechtmäßig ist (dazu 1.2.1 und 1.2.2), der Antragsteller somit nicht in seinen Rechten verletzt und die deshalb hiergegen erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). In einem solchen Fall verbleibt es bei der vom Antragsgegner ausgesprochenen sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheids, zumal auch eine ergänzende Interessenabwägung kein anderes Ergebnis liefert (dazu 1.3).
1.2.1 Das in Nr. 1 des Bescheids angeordnete Verbot bezüglich Besitz und Erwerb erlaubnisfreier Waffen und erlaubnisfreier Munition ist rechtmäßig.
Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG kann die zuständige Behörde jemandem den Besitz von Waffen oder Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf, und den Erwerb solcher Waffen oder Munition untersagen, wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass dem rechtmäßigen Besitzer oder Erwerbswilligen die für den Erwerb oder Besitz solcher Waffen oder Munition erforderliche Zuverlässigkeit fehlt. Dabei beurteilt sich der Begriff der Zuverlässigkeit ebenso nach § 5 WaffG wie im Bereich der erlaubnispflichtigen Waffen (vgl. BayVGH, B.v. 22.1.2014 – 21 ZB 13.1781 – juris Rn. 13 ff. m.w.N.). Das erteilte Waffenbesitzverbot kann daher auf den Regelunzuverlässigkeitstatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c WaffG gestützt werden. Demnach besitzen Personen regelmäßig nicht die erforderliche Zulässigkeit, wenn sie gröblich oder wiederholt gegen (u.a.) einen Straftatbestand des Waffengesetzes verstoßen haben.
Der Antragsteller wurde am 29. September 2011 wegen vorsätzlichen unerlaubten Führens einer Schusswaffe mit vorsätzlichem unerlaubtem Besitz in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer verbotenen Waffe zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 25 Euro verurteilt. Zudem schloss der Antragsteller am 17. September 2010 laut IGVP mit einer Schreckschusspistole vom Baucontainer eines Jugendclubs aus auf freies Feld beziehungsweise in eine Baum-/Strauchgruppe.
Vieles spricht dafür, dass bereits die dem Urteil vom 29. September 2011 zugrundeliegenden Verstöße gröblich waren. Denn ein gröblicher Verstoß liegt vor, wenn er nach seinem objektiven Gewicht und dem Grad der Vorwerfbarkeit eine schwerwiegende Zuwiderhandlung darstellt, was bei einer vorsätzlichen Straftat regelmäßig der Fall ist (BayVGH, B.v. 21.11.2016 – 21 ZB 15.931 – juris, unter Verweis auf BVerwG, U.v. 26.3.1996 – 1 C 12.95 – juris Rn. 25). Jedenfalls hat der Antragsteller schon zuvor, durch sein Verhalten am 17. September 2010, den Tatbestand des § 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a StGB erfüllt (vgl. dazu BGH, B. v. 28.7.2015 – 4 StR 247/15 – juris), so dass auch ein wiederholter Verstoß vorliegt. Dass der Verstoß vom 17. September 2010 nicht – wie wohl vom Landratsamt angenommen – dem Urteil vom 24. März 2011 mit zugrunde lag, spielt insoweit keine Rolle (zum Ermessen s.u.), weil § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG auf den materiell-rechtlichen Verstoß und nicht die Verurteilung abstellt (vgl. dazu Adolph/Brunner/Bannach, Waffenrecht, Stand August 2017, § 5 WaffG Rn. 60). Ebenso wenig kommt es hier – wie der gesetzlichen Systematik des § 5 WaffG zu entnehmen ist – auf die Fünfjahresfrist des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c WaffG an (zum Ermessen s.u.). Gründe für eine Ausnahme von der Regelvermutung sind vorliegend nicht erkennbar und auch nicht substantiiert vorgetragen.
Ebenso braucht daher nicht näher zu erörtert werden, ob der Antragsteller Angehöriger oder Anhänger der sog. Reichsbürgerbewegung und damit waffenrechtlich unzuverlässig i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG ist.
Der Antragsgegner hat sein ihm bei der Entscheidung nach § 41 Abs. 1 WaffG zukommendes Ermessen erkannt und es im Sinne von Art. 40 BayVwVfG im Rahmen der gesetzlichen Grenzen ausgeübt (§ 114 Satz 1 VwGO), insbesondere zweckentsprechend zur Abwehr der auch von erlaubnisfreien Waffen und Munition ausgehenden Gefahren. Dabei ist unschädlich, dass das Landratsamt – so deuten es zumindest Teile der Bescheidsbegründung (vgl. Bescheid vom 30. Mai 2017 S. 4 unten) und der Antragserwiderung vom 3. Juli 2017 (vgl. S. 3 zweiter Absatz) an – wohl davon ausging, dass dem Urteil vom 24. März 2011 auch der Vorfall vom 17. September 2010 zugrunde lag. Denn die das Ermessen tragenden Erwägungsgründe – dass der Antragsteller auch wiederholt gegen waffenrechtliche Straftatbestände verstoßen hat – werden davon nicht berührt. Dass das Landratsamt zunächst sechs Jahre nichts veranlasst hat, ist ins Ermessen bezüglich des „Ob“ und „Wie“ eines Tätigwerden (auch) infolge des Vorfalls im Januar 2016 eingeflossen. Dies geht aus dem Bescheid in Form des Hinweises auf die Nichtanwendbarkeit der Fünfjahresfrist und aus der Erörterung der Reichsbürgerproblematik hervor (Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG) hervor; jedenfalls hat das Landratsamt in der Antragserwiderung seine Ermessenserwägungen insoweit präzisiert (s.u.). In der Sache ist die Ermessensausübung ebenfalls nicht zu beanstanden. Selbst wenn das Anbringen einer Reichsflagge auf einem amtlichen Kennzeichen nicht aus der Ideologie der sog. Reichsbürgerbewegung heraus geschehen sein sollte, ist es doch jedenfalls Ausdruck einer rechtsstaatlich, insbesondere aber bezüglich der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit jedenfalls bedenklichen Gesinnung – die zwar möglicherweise erst in einer „Bierlaune“ nach außen zum Ausdruck gebracht wurde, aber doch schon innerlich vorhanden sein musste. Dass dies in Zusammenspiel mit mehreren Verstößen gegen waffenrechtliche, strafbewehrte Vorschriften das Landratsamt zur streitgegenständlichen Untersagung veranlasst hat, ist im Rahmen der gerichtlichen Ermessensüberprüfung daher insgesamt nachvollziehbar und nicht zu beanstanden. Abschließend ergibt sich auch aus der bzgl. der Begründung zu Nr. 1 des Bescheids vom 30. Mai 2017 vorgenommenen Korrektur im Änderungsbescheid vom 2. November 2017 nichts anderes. Selbst wenn man dies nicht nur als Nachbessern der Begründung, sondern als Nachschieben von Gründen bzgl. der Ermessensentscheidung einordnet (§ 114 Satz 2 VwGO; vgl. dazu näher Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 114 Rn. 84 ff.), ändert dies nichts an der Tragfähigkeit der o.g., schon bei Bescheidserlass vorgenommenen Ermessenserwägungen. Ziel des Landratsamts war es, jeglichen Erwerb und Besitz von Waffen zu unterbinden. Dass sich ein solches Verbot bzgl. des Erwerbs erlaubnispflichtiger Waffen bereits aus dem Gesetz ergibt (und bzgl. des Besitzes vor diesem Hintergrund – da keine weiteren Waffen mehr erworben werden können – nun wohl nicht mehr als zwingend erforderlich gesehen wird), ist insofern für das Ermessen bzw. dessen Zielsetzung unschädlich.
Im Hinblick auf den Zweck des Waffengesetzes, den Umgang mit Schusswaffen und Munition zu begrenzen und den zuverlässigen und sachkundigen Umgang mit Waffen zu gewährleisten, um die naturgemäß aus dem Besitz und Gebrauch von Waffen resultierenden erheblichen Gefahren einzugrenzen und überwachen zu können (BayVGH, B.v. 19.3.2010 – 21 CS 10.59 – juris Rn. 14), ist das strafbewehrte Besitz- und Erwerbsverbot (vgl. § 52 Abs. 3 Nr. 8 WaffG) ein geeignetes Mittel der Gefahrenabwehr. Ein milderes Mittel, das gleichermaßen geeignet wäre, Gefahren zu begegnen, die auch von erlaubnisfreien Waffen und Munition im Besitz des nicht zuverlässigen Antragstellers ausgehen, ist nicht ersichtlich.
1.2.2 Vor diesem Hintergrund ist auch die in Nr. 4 des angefochtenen Bescheides vorgenommene Kostenverfügung rechtmäßig; insoweit wird gem. § 117 Abs. 5 VwGO analog auf dessen Gründe Bezug genommen.
1.3 Damit überwiegt das öffentliche Interesse am Vollzug des verfahrensgegenständlichen Bescheids vom 30. Mai 2017. Gründe, die ausnahmsweise trotz der mangelnden Erfolgsaussichten der Hauptsache für eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung sprechen würden, sind nicht ersichtlich. Insbesondere führt allein der von den Bevollmächtigten des Antragstellers angeführte Bedarf an einem einhändigen Klettermesser zu keiner anderen Einschätzung. Zum einen handelt es sich um einen Belang, der nicht aus der beruflichen Sphäre des Antragstellers, sondern aus dessen Freizeitgestaltung herrührt und daher im Rahmen der Abwägung gegenüber dem hohen öffentlichen Interesse an Gefahrabwehr als gering einzustufen ist. Zum anderen hat der Antragsgegner glaubhaft gemacht, dass ein Klettermesser nicht zwangsläufig ein dem Waffenrecht unterfallendes Einhandmesser sein muss.
2. Soweit die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 161 Abs. 2 VwGO. Die übereinstimmende Teilerledigterklärung ist dabei vor dem Hintergrund der letzten Schriftsätze beider Parteien gemäß §§ 86 Abs. 3, 88 VwGO i.V.m. §§ 133, 157 BGB analog so auszulegen, dass sie sich zuletzt auf die Nr. 2 des Bescheids insgesamt (und nicht nur wie zunächst auf das Erwerbsverbot) bezieht. In der Sache ist nach billigem Ermessen zu berücksichtigen, dass dem Eilantrag in Bezug auf das darin tenorierte Verbot des Erwerbs erlaubnisfreier Waffen das Rechtsschutzbedürfnis gefehlt hat. Denn dieses Verbot ergibt sich bereits aus dem Gesetz, so dass die Anordnung gegenüber dem Antragsteller keine weitere Beschwer dargestellt hat. Bzgl. des zugleich aufgehobenen Verbots des Besitzes erlaubnispflichtiger Waffen hätte der Antrag ebenfalls keine Aussicht auf Erfolg gehabt, weil § 41 Abs. 2 WaffG auch diese Anordnung getragen hätte (vgl. dazu näher Steindorf/Heinrich/Papsthart, Waffenrecht, 9. Auflage 2010, § 41 Rn. 8 f.). Auch bzgl. der Bescheidskosten hat sich die Nr. 2 nicht erhöhend ausgewirkt, so dass auch insoweit (mittelbar) keine Beschwer für den Antragsteller gegeben war.
4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz – GKG.