Verwaltungsrecht

Betäubungsverfahren bei der Schweinetötung

Aktenzeichen  RN 4 K 16.769

Datum:
8.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TierSchG TierSchG § 4 Abs. 1, § 16a Abs. 1 S. 1
EU-TierschutzschlachtVO Art. 7
TierSchlV TierSchlV § 4
TierSchVwV Nr. 3.2.2

 

Leitsatz

Die Betäubung eines Schweines mit einem Beil vor dessen Tötung stellt einen Verstoß gegen § 4 Abs. 1 S. 1 und Satz 3 TierSchG dar; eine auf § 16a Abs. 1 S. 1 TierSchG gestützte Untersagung der Tötung von Schweinen durch die genannte Vorgehensweise ist daher rechtmäßig. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Gerichtsbescheid ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Anordnung in Nr. 1.2 des Bescheids vom 7.4.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten [§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)].
1. Rechtsgrundlage für die Untersagung der Tötung von Schweinen durch den Kläger, bis dieser seine Sachkunde zum Betäuben und Töten von Schweinen erneuert hat, ist, wie der Beklagte im Rahmen der Klageerwiderung zutreffend richtig gestellt hat, § 16 a Abs. 1 Satz 1 TierSchG. Hiernach trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Vorliegend geht es um die Verhütung künftiger Verstöße. Erforderlich für ein Einschreiten war daher das Vorliegen einer konkreten Gefahr eines tierschutzwidrigen Verhaltens. Eine solche liegt vor, wenn eine Sachlage oder ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem tierschutzrechtlichen Verstoß führen wird (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, § 16 a Rn. 2). Eine konkrete Gefahr war gegeben, da der Kläger im Beisein der Amtstierärztin ein Endmastschwein mit einem Beil betäuben wollte und zudem auf Nachfrage eine routinemäßige Betäubung seiner Schweine vor der Tötung mittels eines Beils bestätigt hat. Mithin bestand sowohl im Rahmen der Kontrolle am 14.3.2016, als auch zukunftsgerichtet ein Verstoß sowohl gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 TierSchG (Tötung eines Wirbeltiers ohne wirksame Schmerzausschaltung) als auch gegen § 4 Abs. 1 Satz 3 TierSchG (Tötung eines Wirbeltiers ohne die dazu notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten) zu erwarten.
2. Das Betäuben eines Schweines mittels eines stumpfen Schlages auf den Kopf stellt nur hinsichtlich von Ferkeln bis 5 kg Lebendgewicht ein zulässiges Betäubungsverfahren dar. In Bezug auf alle anderen Schweine ist es unzulässig. Dies ergibt sich aus Anhang I, Kapitel I, Tabelle 1, Nr. 6 EU-TierschutzschlachtVO sowie aus Anlage 1, Nr. 5.1.1 TierSchlV. Die genannten Vorschriften betreffen zwar unmittelbar nur solche Tiere, die geschlachtet und als Lebensmittel verwendet werden sollen. In ihnen sind jedoch diejenigen Betäubungs- und Tötungsverfahren aufgelistet, von denen der Unionsgesetzgeber annimmt, dass sie tierschutzgerechten Anforderungen im Regelfall entsprechen. Damit kann aber auch für einen Landwirt, der kranke Nutztiere im Rahmen von Nottötungen tötet, grundsätzlich nichts anderes gelten, so dass er auf diese Verfahren beschränkt ist (vgl. Hirt, a.a.O., § 4 Rn. 5). Dies gilt umso mehr, als die TierSchlV gemäß deren § 1 Abs. 2 Nr. 4 nicht nur für das Schlachten, sondern auch für das Töten von Tieren (auch im Rahmen von Nottötungen) außerhalb eines Schlachthofs Anwendung findet (vgl. auch Hirt, a.a.O., § 1 TierSchlV Rn. 1).
3. Ob für den Kläger als Schweinehalter ein Sachkundenachweis nach Art. 7 EU-TierschutzschlachtVO bzw. § 4 TierSchlV bzw. § 4 Abs. 1 a TierSchG gesetzlich vorgeschrieben ist oder ob seine Ausbildung als Landwirt einen solchen nach Nr. 3.2.2 TierSchVwV entbehrlich macht, ist für das vorliegende Verfahren unerheblich und muss daher nicht entschieden werden. Wie bereits ausgeführt, darf ein Wirbeltier generell nur derjenige töten, der die dazu notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt (§ 4 Abs. 1 Satz 3 TierSchG). Das vom Kläger im Rahmen der Kontrolle vom 14.3.2016 gezeigte Verhalten und seine getätigten Äußerungen belegen hinreichend, dass er diese Kenntnisse nicht (mehr) besitzt.
4. Nach alledem konnte der Beklagte daher nach § 16 a Abs. 1 Satz 1 TierSchG die Anordnung in Nr. 1.2 des Bescheides treffen. Ein Entschließungsermessen stand ihm hierbei aufgrund der absehbaren künftigen Verstöße nicht zu (vgl. BayVGH, B. v. 8.11.2016, Az: 20 CS 16.1193). Auch hinsichtlich des Auswahlermessens sind keine Anhaltspunkte für dessen rechtswidrige Ausübung ersichtlich. Solche sind auch klägerseits nicht geltend gemacht worden. Insbesondere ist auch kein milderes Mittel, als die Untersagung der Tötung von Schweinen durch den Kläger selbst, bis eine tierschutzgerechte Betäubung und Tötung durch diesen sichergestellt ist, ersichtlich.
Die Anordnung ist auch nicht mangels tatsächlicher Erfüllbarkeit rechtswidrig. Der Vortrag der Klägerseite, dass es keinen Lehrgang gäbe, in welchem man die Sachkunde zur Betäubung und Tötung von Schweinen erlangen könnte, ist nicht zutreffend. Insoweit hat der Beklagte im Rahmen der Klageerwiderung Lehrgangsangebote des BSI Schwarzenbek vorgelegt, im Rahmen derer die Sachkunde nach der TierSchlV bzw. der EU-TierschutzschlachtVO erlangt werden kann. Dieses Lehrgangsangebot richtet sich explizit auch an Landwirte. Zudem sind, wie ausgeführt, die Betäubungs- und Tötungsverfahren bei Schlachtungen und bei Tötungen durch Landwirte grundsätzlich dieselben. Des Weiteren ist seitens des Klägers selbst auf ein Angebot für Landwirtschaftsschüler hingewiesen worden, in dessen Rahmen die Nottötung von Schweinen behandelt wird.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erging gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Gerichtsbescheid steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg zu stellen (Hausanschrift: Haidplatz 1, 93047 Regensburg; Postfachanschrift: Postfach 110165, 93014 Regensburg).
Der Antrag muss den angefochtenen Gerichtsbescheid bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Gerichtsbescheids sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einzureichen (Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 340148, 80098 München).
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Gerichtsbescheids bestehen, 2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 4. der Gerichtsbescheid von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Allen Schriftsätzen sollen jeweils 4 Abschriften beigefügt werden.
Anstelle der Zulassung der Berufung können die Beteiligten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg – Anschriften wie oben – mündliche Verhandlung beantragen.
Wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt.
Hinweis auf Vertretungszwang: Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich alle Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt bereits für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird, die aber noch beim Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder die anderen in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich auch durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; Einzelheiten ergeben sich aus § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.000,- € festgesetzt [§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nr. 35.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit].
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,- EUR übersteigt, oder wenn die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg einzulegen (Hausanschrift: Haidplatz 1, 93047 Regensburg; Postfachanschrift: Postfach 110165, 93014 Regensburg). Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zu-stellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


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