Aktenzeichen 3 CE 17.184
GG GG Art. 33 Abs. 2
LlbG Art. 16, Art. 56
Leitsatz
1. Bei einem Gleichstand im Gesamturteil dienstlicher Beurteilungen erfolgt die Auswahl für die Besetzung eines Dienstpostens anhand der inhaltliche Auswertung und Differenzierung in den Einzelmerkmalen der Beurteilung. Für den Bereich der Polizei und des Verfassungsschutzes hat die oberste Dienstbehörde nach Art. 16 Abs. 2 S. 4 BayLlbG die maßgeblichen Einzelkriterien festgelegt. Hat ein Beamter hiernach einen Leistungsvorsprung, wird durch seine Auswahl der Bewerbungsverfahrensanspruch des Konkurrenten nicht verletzt. (redaktioneller Leitsatz)
2. Auf einen dienstpostenspezifischen Bewährungsvorsprung kommt es nicht an, wenn aus der Ausschreibung nicht folgt, dass eine besondere Sachkunde in einem bestimmten Bereich (hier: Fahndungsunterstützung) Voraussetzung für die Übertragung des Dienstpostens ist. (redaktioneller Leitsatz)
3. Periodische dienstliche Beurteilungen als Grundlage einer Auswahlentscheidung sind grundsätzlich bis zum festgelegten einheitlichen Verwendungsbeginn der nächstfolgenden Beurteilungen heranzuziehen (Art. 56 Abs. 4 S. 1 LlbG). Verfährt der Dienstherr so, bringt er zum Ausdruck, dass aus seiner Sicht zwischenzeitlich keine relevanten Veränderungen der Leistungen erfolgt sind, die die Erstellung einer Anlassbeurteilung erforderlich machen könnten. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
5 E 16.4763 2016-12-22 Bes VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag nach § 123 VwGO, dem Antragsgegner vorläufig zu untersagen, den Dienstposten „Sachbearbeiter 3. QE zgl. Arbeitsbereichsleiter im Sachgebiet 533 – Fahndungsunterstützung beim … Landeskriminalamt (BesGr A 12/13)“ zu besetzen, bevor über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden worden ist, zu Recht abgelehnt. Der Antragsteller, der als Sachbearbeiter der 3. QE im Amt eines Kriminalhauptkommissars (BesGr A 12) seit September 2006 im Sachgebiet 533 im LKA beschäftigt ist und der in der aktuellen Beurteilung 2015 in A 12 mit 15 Punkten im Gesamturteil bewertet wurde, hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Daher kann offen bleiben, ob ein Anordnungsgrund besteht.
1. Die vom Antragsgegner getroffene Auswahlentscheidung, den Beigeladenen, der als Sachbearbeiter der 3. QE zgl. Leiter der Ermittlungsgruppe im Amt eines Polizei-hauptkommissars (BesGr A 12) beim Polizeipräsidium N. beschäftigt ist und der in der aktuellen Beurteilung 2015 in A 12 ebenfalls 15 Punkte im Gesamturteil erhielt, aufgrund seines Leistungsvorsprungs in den vom Antragsgegner mit IMS vom 10. März 2016 (Gz. IC3-0371.0-71) festgelegten Einzelmerkmalen für Sachbearbeiter (2.1.1.2 – Arbeitsgüte, 2.1.2.1 – Eigeninitiative, Selbständigkeit, 2.1.2.5 -Teamverhalten, 2.2.1.2 – geistige Beweglichkeit und 2.2.2.1 – Fachkenntnisse) in der aktuellen Beurteilung als leistungsstärker als den Antragsteller anzusehen und ihm deshalb den ausgeschriebenen Dienstposten zu übertragen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Durch sie wird der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers nach Art. 33 Abs. 2 GG nicht verletzt.
Der für die Bewerberauswahl maßgebende Leistungsvergleich ist anhand aktueller dienstlicher Beurteilungen vorzunehmen. Maßgebend für den Leistungsvergleich ist dabei in erster Linie das abschließende Gesamturteil, das durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Aspekte zu bilden ist (BVerwG, B.v. 19.12.2014 – 2 VR 1.14 – juris Rn. 22). Sind die Bewerber mit dem gleichen Gesamturteil bewertet worden, muss der Dienstherr die Beurteilungen unter Anlegung gleicher Maßstäbe umfassend inhaltlich auswerten und Differenzierungen in der Bewertung einzelner Leistungskriterien oder in der verbalen Gesamtwürdigung zur Kenntnis nehmen (BVerwG a.a.O. Rn. 35). Demgemäß bestimmt Art. 16 Abs. 2 Satz 1 LlbG, dass, sofern sich beim Vergleich der Gesamturteile der Beurteilungen kein Vorsprung ergibt, die darin enthaltenen Einzelkriterien gegenüber zu stellen sind (Binnendifferenzierung). In den Vergleich der Einzelkriterien sind allerdings nur die wesentlichen Beurteilungskriterien (sog. „Superkriterien“) einzubeziehen (Art. 16 Abs. 2 Satz 2 LlbG), die sich nach Art. 16 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Art. 58 Abs. 3 LlbG bestimmen. Die obersten Dienstbehörden können abweichend hiervon für bestimmte Verwaltungsbereiche oder Aufgabenfelder aus den gemäß Art. 58 Abs. 3 und 6 Satz 2 und 3 LlbG vorgesehenen Beurteilungskriterien weitere oder andere Kriterien sowie anderweitige Differenzierungen bei den zugrunde liegenden Gruppen festlegen (Art. 16 Abs. 2 Satz 4 LlbG).
Von dieser Ermächtigung hat der Antragsgegner mit IMS vom 10. März 2016 (Gz. IC3-0371.0-71) für den Bereich der Polizei und des Landesamts für Verfassungsschutz Gebrauch gemacht und festgelegt, dass bei Übertragung höherwertiger Dienstposten als Sachbearbeiter die in Nr. 3.2 der IMBek (Gz. IC3-0371.0-41) vom 8. April 2011 (AllMBl 2011 S. 129), geändert durch Bekanntmachung vom 10. April 2012 (AllMBl 2012 S. 256), aufgeführten, für die Bildung des Gesamturteils wesentlichen Einzelmerkmale gemäß Anlage 1 (2.1.1.2 – Arbeitsgüte, 2.1.2.1 – Eigeninitiative, Selbständigkeit, 2.1.2.5 -Teamverhalten, 2.2.1.2 – geistige Beweglichkeit und 2.2.2.1 – Fachkenntnisse) für die Auswahlentscheidung heranzuziehen sind. Zwar sind diese Merkmale wegen dieser Gewichtung bereits überproportional in die Ermittlung des Gesamtergebnisses der dienstlichen Beurteilung eingegangen. Doch macht dies eine spezielle Berücksichtigung bei einem weiteren Auswahlschritt nicht sachwidrig, zumal es sich ausschließlich um Merkmale handelt, die für die Tätigkeit, wie sie Sachbearbeitern typischerweise obliegen, besonders bedeutsam sind (vgl. BayVGH, B.v. 9.5.2014 – 3 CE 14.286 – juris Rn. 23).
Dem Beigeladenen kommt bei vergleichender Betrachtung der o.g. Einzelmerkmale ein Leistungsvorsprung gegenüber dem Antragsteller zu. Laut Auswahlvermerk vom 6. September 2016 hat er bei vier Einzelmerkmalen (Arbeitsgüte, Eigeninitiative, Teamverhalten und Fachkenntnisse) jeweils 15 Punkte und beim Einzelmerkmal „geistige Beweglichkeit“ 14 Punkte erhalten, während der Antragsteller nur bei drei Einzelmerkmalen (Arbeitsgüte, geistige Beweglichkeit und Fachkenntnisse) jeweils 15 Punkte und bei zwei Einzelmerkmalen (Eigeninitiative und Teamverhalten) jeweils 14 Punkte erzielt hat. Es ist demgemäß rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Antragsgegner den Beigeladenen als leistungsstärker als den im gleichen Statusamt (BesGr A 12) befindlichen Antragsteller bewertet hat.
2. Die hiergegen vom Antragsteller innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgetragenen Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, führen zu keiner anderen Beurteilung.
Soweit der Antragsteller auf Nr. 7.4. des IMS vom 25. März 2015 (Gz. IC3-0371.2-56) verweist, wonach die Einzelmerkmale Arbeitsgüte, geistige Beweglichkeit und Fachkenntnisse bei der Bewerbung von Führungskräften auf Sachbearbeiterdienstposten neben den doppelt gewichteten Einzelmerkmalen gemäß Nr. 3.2 IMBek (Gz. IC3-0371.0-41) besondere Bedeutung haben, steht dies nicht im Widerspruch dazu, dass die o.g. fünf Einzelmerkmale gemäß IMS vom 10. März 2016 (Gz. IC3-0371.0-71) bei der Auswahlentscheidung für die Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens als Sachbearbeiter heranzuziehen sind. Denn das IMS vom 25. März 2015 ordnet die periodische Beurteilung von Beamten und Beamtinnen der Bayerischen Polizei und des Landesamts für Verfassungsschutz zum Stichtag 31. Mai 2015 an und richtet sich an die zuständigen Beurteiler, die nur auf die Bedeutung der dort genannten Einzelmerkmale neben den doppelt zu gewichtenden Einzelmerkmalen hingewiesen werden. Eine bestimmte Reihenfolge bzw. eine vorgegebene Gewichtung der für die Binnendifferenzierung im Rahmen der Übertragung von höherwertigen Dienstposten heranzuziehenden Einzelmerkmale kann dem IMS vom 25. März 2015 hingegen nicht entnommen werden. Diese werden vielmehr durch das IMS vom 10. März 2016 festgelegt. Der unterschiedliche Bewertungsmaßstab ist dabei durch den jeweiligen Anknüpfungspunkt der Regelungen (derzeitiger bzw. höherwertiger Dienstposten) bedingt. Der Antragsteller kann sich deshalb auch nicht darauf berufen, dass der Antragsgegner andere doppelt gewichtete Einzelmerkmale nicht miteinbezogen hat.
Da das IMS vom 25. März 2015 und das IMS vom 10. März 2016 unterschiedliche Regelungsbereiche (Beurteilungsrunde 2015 bzw. Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens) betreffen, ist auch nicht von Belang, dass das IMS vom 10. März 2016 erst nach dem Beurteilungsstichtag 31. Mai 2015 ergangen ist.
Neben der Sache liegt die Behauptung, dass das Auswahlverfahren lediglich auf den Empfehlungen der Arbeitsgruppe zum Stellenbesetzungsverfahren 2007 bzw. 2009 beruhe, da bislang weder förmliche Bestellungsrichtlinien noch eine entsprechende Verordnung erlassen worden seien, so dass der Auswahl jede gesetzliche Grundlage fehle. Nach dem unter 1. Ausgeführten wurde das IMS vom 10. März 2016 (Gz. IC3-0371.0-71) vom Antragsgegner aufgrund der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des Art. 16 Abs. 2 Satz 4 LlbG erlassen und hält sich in deren Rahmen, da an die in Nr. 3.2 der IMBek (Gz. IC3-0371.0-41) vom 8. April 2011 aufgeführten Einzelmerkmale angeknüpft wird, die wiederum im Einklang mit der Vorschrift des Art. 58 Abs. 3 LlbG stehen. Insoweit ist auch nicht zu beanstanden, dass es sich bei der Regelung durch IMS um eine Verwaltungsvorschrift handelt (LT-Drs. 16/15832 S. 10).
Soweit der Antragsteller rügt, dass bei der Auswahlentscheidung nicht berücksichtigt worden sei, dass er im Gegensatz zum Beigeladenen aufgrund seiner Vorkenntnisse im Sachgebiet 533 über eine einschlägige Erfahrung in diesem Bereich und deshalb über einen dienstpostenspezifischen Bewährungs-/Eignungsvorsprung gegenüber dem Beigeladenen verfüge, kommt es hierauf nicht an. Zwar kann einem Bewerber, der nicht die beste Beurteilung aufweist, der Vorrang eingeräumt werden, wenn er spezifische Anforderungen des Dienstpostens voraussichtlich am besten erfüllt (BVerwG, B.v. 27.9.2011 – 2 VR 3.11 – juris Rn. 25). Aus der Ausschreibung folgt aber nicht, dass eine besondere Sachkunde im Bereich Fahndungsunterstützung Voraussetzung für die Übertragung des Dienstpostens wäre. Demgemäß betont der Antragsgegner im Auswahlvermerk vom 6. September 2016, dass für die Besetzung des Dienstpostens keine besondere fachliche Ausbildung und praktische Erfahrung vorausgesetzt wird. Daher war der Antragsgegner auch nicht gehalten, die Tätigkeit des Antragstellers im Sachgebiet 533 bei der Auswahlentscheidung zugunsten des Antragstellers zu würdigen (BayVGH, B.v. 28.4.2016 – 3 CE 16.583 – juris Rn. 28 ff.). Daran ändert auch nichts, dass der Antragsteller seit 2006 als stellvertretender Sachgebietsleiter bzw. Arbeitsbereichsleiter tätig war und dort internationale Projekte begleitet hat, da er dies auch in seiner jetzigen Funktion fortführen kann.
Wenn der Antragsteller meint, dass eine Anlassbeurteilung zu erstellen gewesen wäre, weil die zum Stichtag 31. Mai 2015 erstellte periodische Beurteilung im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung bereits mehr als ein Jahr zurückgelegen habe, hat er nicht dargelegt, dass sich die Situation der Bewerber seitdem erheblich verändert hätte und sie wesentlich andere Aufgaben wahrgenommen hätten. Es ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Dienstherr zum Ausdruck bringt, dass aus seiner Sicht zwischenzeitlich keine relevanten Veränderungen erfolgt sind, wenn er vorliegende dienstliche Beurteilungen bei seiner Auswahlentscheidung berücksichtigt hat. Dementsprechend hat der Gesetzgeber in Art. 56 Abs. 4 Satz 1 LlbG festgelegt, dass periodische Beurteilungen, die als Grundlage für die Übertragung höherwertiger Dienstposten nach Art. 16 Abs. 1 LlbG herangezogen werden, grundsätzlich bis zum in Verwaltungsvorschriften festzulegenden einheitlichen Verwendungsbeginn der nächstfolgenden regulären periodischen Beurteilung zu verwenden sind. Andernfalls liefe das Regelbeurteilungssystem leer, das die Aufgabe hat, den Leistungsstand von Beamten im Interesse von deren größtmöglicher Vergleichbarkeit zu bestimmten Stichtagen abzubilden, nicht aber, Veränderungen im Leistungsbild quasi taggenau abzubilden (BayVGH, B.v. 27.10.2016 – 3 CE 16.1457 – juris Rn. 45 ff.).
3. Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO zurückzuweisen. Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, entspricht es der Billigkeit, wenn er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2, 47 GKG, wobei der Senat im Eilverfahren um eine Dienstpostenbesetzung den Auffangstreitwert in voller Höhe festsetzt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).