Verwaltungsrecht

Disziplinarrecht, Regierungsoberinspektor (BesGr. A 10), Weisungsverstoß, Verstoß gegen die Gehorsamspflicht (außerdienstliche) Körperverletzung, Geldbuße (3.000 €)

Aktenzeichen  16a D 20.1604

Datum:
27.4.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 13365
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 8
BayDG Art. 14
BeamtStG § 47 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RN 10A DB 18.1284 2020-01-20 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I.Die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung des Beklagten werden zurückgewiesen.
II.Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.   

Gründe

Die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung des Beklagten sind zulässig, aber unbegründet.
1. Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Der Kläger hat ein einheitliches sowohl innerdienstliches als auch außerdienstliches Dienstvergehen begangen. Die vom Verwaltungsgericht verhängte Geldbuße in Höhe von 3.000 € ist im Hinblick auf ihre Höhe angemessen und erforderlich (3.).
In tatsächlicher Hinsicht steht für den Senat fest, dass der Kläger die ihm in der Disziplinarverfügung vom 16. Juli 2018 unter III. 1. bis 4 vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen begangen hat. Die fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs vom 17. Juli 2001 (Vorwurf III. 5.) hingegen kann dem Kläger disziplinarrechtlich nicht mehr zum Vorwurf gemacht werden. Davon ist auch das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen. Die sich hiergegen wendende Anschlussberufung des Beklagten war daher zurückzuweisen (2.).
1.1 Der Kläger ist der Weisung seines Vorgesetzten vom 9. März 2016 nicht zeitgerecht nachgekommen. Ihm war aufgegeben worden, die Fahrtenbücher für Januar und Februar 2016 bis zum 18. März 2017 zu bearbeiten. Die Abrechnung der Wegstreckenentschädigungen für den Monat Januar 2016 erfolgte jedoch erst am 23. März 2016; die entsprechende Berechnung für den Monat Februar am 24. März 2016. Zwischen der E-Mail und dem gesetzten Erledigungstermin lagen sechs Arbeitstage, an denen der Kläger anwesend war und die Arbeiten hätte erledigen können. Es handelte sich um einfache, nicht zeitintensive Rechenaufgaben. Der Kläger hatte lediglich die rechnerische Richtigkeit der Kilometerentschädigung von neun Mitarbeitern festzustellen. Für den Senat steht damit fest, dass er die Abrechnung bis 18. März 2016 hätte machen können, zumal er nach der dienstlichen Äußerung vom 23. Januar 2018 ohnehin nur zu 30 Prozent seiner Arbeitszeit beschäftigt ist.
Der Kläger konnte den Weisungsverstoß nicht entschuldigen. Die angefochtene Disziplinarverfügung geht davon aus, dass die Abrechnung der Wegstreckenentschädigung für die Monate Januar und Februar erst am 23. bzw. 24. März 2016 erfolgt ist. Damit ist der Umstand, dass der Mitarbeiter K. seine Fahrtenbücher wegen seiner Versetzung an das Staatsministerium erst verzögert, nämlich am 31. März 2016, abgegeben hat, dem Kläger nicht vorgeworfen worden. Die Disziplinarbehörde hat den Umstand der Versetzung (stillschweigend) berücksichtigt. Die verspätete Vorlage des Fahrtenbuchs durch den Vorgesetzten betrifft den hier nicht relevanten Zeitraum Dezember 2015. Der Einwand des Klägers, er habe die Anträge von einzelnen Mitarbeitern nicht rechtzeitig erhalten, ist durch nichts belegt, zumal er auf Eingangsstempel verzichtete und – bis auf den Mitarbeiter K. – daher nicht mehr ansatzweise nachvollziehbar ist, wann der Kläger die Fahrtenbücher tatsächlich erhalten hat. Seine Einwendungen beschränken sich im Wesentlichen auf das pauschale Bestreiten und Bagatellisieren. Einen qualifizierten Gegenbeweis hat er weder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch in der Berufungsinstanz angetreten. Der Senat wertet den Vortrag, er habe die Fahrtenbücher in einigen Fällen nicht rechtzeitig erhalten, daher als Schutzbehauptung, zumal der Kläger keinerlei Erklärung dafür hatte, warum er nicht wenigstens die Fahrtenbücher, die er rechtzeitig erhielt, innerhalb der vorgegebenen Frist bearbeitet hat.
1.2 Der Kläger wurde mit E-Mail seines Vorgesetzten vom 25. Januar 2016 angewiesen, neben der Feststellung der rechnerischen Richtigkeit der Kilometerentschädigung auch die steuerliche Abrechnung zu übernehmen. Die betreffenden Daten seien in die sog. „Pendelliste“ einzupflegen und halbjährlich an das Landesamt für Finanzen zu versenden. Der Kläger erhielt die genannte „Pendelliste“ sowie eine Excel-Tabelle, in welcher nach Eintragung der jeweiligen Aufwandsentschädigung und der jeweiligen Tage der steuerliche Betrag automatisch ausgewiesen wird.
Der Kläger kam auch dieser Weisung nicht nach und begründete das wiederholt damit, dass er dafür nicht ausgebildet sei, kein Steuerberater sei und sich nicht einsperren lasse, wenn etwas schieflaufe. Zahlreiche Gespräche mit dem Kläger blieben ohne Erfolg. Übergabegespräche mit den Mitarbeiterinnen, die zuvor mit der Abrechnung betraut waren, lehnte er ab. Mit Schreiben vom 12. Juli 2016 wurde der Kläger nochmals angewiesen, die steuerliche Abrechnung nach bestem Wissen und Gewissen sowie ordnungsgemäß zu übernehmen und zu erledigen und seinem Vorgesetzten bis spätestens zum 16. September 2016 über den Stand der Aufgabenerledigung zu berichten. Der Kläger legte daraufhin mit Schreiben vom 22. September 2016, in dem er eine Gewähr für die Richtigkeit der ermittelten steuerlichen Daten ausdrücklich ausschloss, die ausgefüllten Formblätter zur Berechnung der zu versteuernden Beträge vor. Diese waren allerdings weder unterschrieben, noch leitete er sie an das Landesamt für Finanzen weiter.
Der Kläger wendet ein, die im Amt vorhandene Vorschriftensammlung „Reisekosten, Umzugskosten und Trennungsgeld in der Forstverwaltung – ForstRUT“ sei in der Papierfassung unvollständig gewesen. Er habe gewusst, dass die Sammlung auch im Intranet verfügbar sei, habe aber trotz „großer Bemühungen“ das „fehlende Blatt“ dort nicht gefunden. Gleichwohl hat er weder bei Kollegen im Amt um Hilfe nachgesucht, noch bei einem der 31 weiteren Ämter für Landwirtschaft und Forsten oder dem Staatsministerium nachgefragt. Letztlich laufen die Erklärungen des Klägers darauf hinaus, dass er nur „Sachbearbeiter zur Unterstützung“ sei und daher kein besonderes eigenes Engagement entwickeln müsse. So kam es zu einem „Spielchen“ mit seinem Vorgesetzten, den er durch eine über Monate währende Verweigerungshaltung wegen eines „fehlenden Blattes“ letztlich dazu zwang, ihm im Januar 2017 eine ausgedruckte, vollständige Vorschriftensammlung zu übergeben. Erst danach ist er seinem Arbeitsauftrag nachgekommen. Darin liegt erneut ein schuldhafter Weisungsverstoß. Denn der Kläger war als Beamter der dritten Qualifikationsebene durchaus in der Lage, sich das „fehlende Blatt“ selbst zu besorgen, selbst wenn dies unter Umständen mit einigem Aufwand verbunden gewesen wäre. Es ist nicht zu entschuldigen, dass ein Beamter mit dieser Qualifikation sich in einem Zeitraum, der letztlich von Januar bis September 2016 reichte, weigert, eigenständig über die rechtlichen Vorschriften zu informieren. Dem Kläger ging es ersichtlich darum, seinen eigenen Kopf durchsetzen.
1.3 Der Kläger hat am 16. September 2016 entgegen § 10 Abs. 4 Satz 3 AGO das dienstlich zur Verfügung gestellte Faxgerät für private Zwecke genutzt und insgesamt 15 Seiten an seine Bevollmächtigte in München gefaxt. Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Faxprotokoll und wird nicht bestritten.
Mit den unter 1.1 bis 1.3 genannten Vorwürfen hat der Kläger innerdienstlich gegen seine Gehorsamspflicht aus § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG verstoßen. Dem Kläger ist vorzuhalten, dass gerade die Pflicht zur Befolgung dienstlicher Weisungen die Grundlage für eine effektive Erfüllung der Aufgaben der öffentlichen Verwaltung darstellt und die Befolgung dienstlicher Anordnungen gerade nicht in das Belieben des einzelnen Beamten gestellt ist. Ein Beamter, der ungerechtfertigt die ihm obliegenden Tätigkeiten nicht ausführt, begeht daher eine Pflichtwidrigkeit von erheblichem Gewicht. Dies ist in der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung anerkannt, versteht sich von selbst und bedarf keiner Vertiefung (siehe dazu BayVGH, B.v. 7.3.2016 – 16a DZ 13.84 – juris Rn. 20; BVerwG, U.v. 13.12.2000 – 1 D 34.98 – juris Rn. 48).
1.4 Der Kläger hat sich am 7. Oktober 2016 der außerdienstlichen vorsätzlichen Körperverletzung schuldig gemacht. Nach der Beweiserhebung in der mündlichen Verhandlung und der Auswertung der Strafakten hat sich der Vorfall im Wesentlichen so abgespielt, wie in der Disziplinarverfügung geschildert. Zur Überzeugungsgewissheit des Senats steht folgendes fest:
Wie die Zeugen F. und M. schilderten, stellte ein Autofahrer am 7. Oktober 2016 seinen Pkw auf der Höhe der Zweibrücken straße 718 vor dem Penny Markt in Landshut am Straßenrand verbotswidrig ab und telefonierte. Der Pkw stand hierbei in Fahrtrichtung, die rechten Räder auf dem Gehweg. Der Kläger ging auf den Fahrer zu; in der Folge kam es zu einer verbalen Auseinandersetzung wegen des verbotswidrigen Parkens. Es fiel der Satz: „Sie überfahren uns alle noch.“ Der Autofahrer, hinter dem sich wegen der geringen Straßenbreite bereits der Verkehr staute, wollte wegfahren, was der Kläger jedoch mehrfach zu unterbinden versuchte, indem er mit den Händen auf die Motorhaube des Pkws schlug und seinen Fuß unter den vorderen rechten Reifen stellte. Der Pkw konnte höchstens zwei bis drei Zentimeter fahren und stoppte schließlich wieder. Zwei Passanten (die 14-jährigen C. und G.) versuchten den Kläger vom Pkw zu entfernen. Dabei hielten sie ihn an den Schultern fest und wollten ihn wegziehen. Der Kläger wehrte sich dagegen und schlug mit den Händen mehrfach in Richtung der Personen. Der Kläger wurde zunehmend aggressiver und wehrte sich heftiger. Als der Zeuge F., der das Geschehen von der gegenüberliegenden Straßenseite zunächst beobachtet hatte, hinzukam, wurde er ebenfalls vom Kläger angegriffen. Der Kläger wurde schließlich von dem Zeugen F. und C. zu Boden gebracht und dort auf dem Bauch liegend fixiert. Bis zum Eintreffen der Polizei konnte der Kläger nur so unter Kontrolle gehalten werden. Der Zeuge F. erlitt ausweislich des dem Senat vorliegenden Attests eine Schädelprellung mit Hämatom am linken Ohr und an der Schläfe, sowie massive Kopfschmerzen. Außerdem wurde seine rechte Hand geprellt.
Die Version des Klägers weicht hiervon ab. Das Fahrzeug habe entgegen der Fahrtrichtung parken wollen, sei nicht rechtzeitig zum Stehen gekommen und habe ihn bei einer Geschwindigkeit von ca. 20 km/h mit der Stoßstange an den Schienbeinen berührt, sodass er auf die Motorhaube gefallen sei. Er habe „wortstarke Worte“ gesagt und vom Unfallgegner die Daten haben wollen. Er habe den Fahrer am Wegfahren hindern wollen, weil dieser ihm die Daten nicht habe geben wollen. Dann hätten ihn C. und G. angegriffen und provoziert. Schließlich habe ihn der Zeuge F., der gegenüber ein Ladengeschäft betrieben habe, in den Schwitzkasten nehmen wollen und ihn zusammen mit C. zu Boden gedrückt.
Das nimmt der Senat dem Kläger nicht ab. Wenn das Auto von rechts gekommen und gegen die Fahrtrichtung stehen geblieben wäre, hätte sich die Fahrzeugberührung auf der Seite gegenüber vom Penny Markt ereignen müssen. Das widerspricht sämtlichen Zeugenaussagen und auch der Aussage des Klägers selbst, der berichtet, der Zeuge F. sei von der dem Penny Markt gegenüberliegenden Seite hinzugekommen. Das Aussageverhalten des Klägers ist insoweit auch nicht stringent, da er an späterer Stelle behauptet, das Fahrzeug habe am Bushalteplatz in verkehrter Richtung gestanden. Dann müsste es von links gekommen sein. Es entspricht auch nicht der Lebenserfahrung, dass beide Schienbeine von der Stoßstange berührt werden, wenn das Fahrzeug von rechts auf einen die Straße überquerenden Fußgänger trifft. Die Erklärung des Klägers, dies ergebe sich daraus, dass er sich zum Betreten der erhöhten Bordsteinkante um 45 Grad habe drehen müssen, überzeugt nicht, da auch das die behauptete Frontalkollision nicht erklärt. Der Senat geht davon aus, dass der Kläger, der sich sowohl im Straf- als auch im behördlichen und erstinstanzlichen Disziplinarverfahren darauf zurückgezogen hatte, zu behaupten, alles sei ganz anders gewesen, als die Zeugen behaupten, nunmehr in Kenntnis sämtlicher Aussagen im Strafverfahren eine plausible Erklärung für das Einschlagen auf die Motorhaube zu konstruieren versucht. Da einige der Zeugen ausgesagt haben, dass er auf die Fronthaube des Fahrzeugs eingeschlagen hat, versucht er dies mit dem Hinfallen aufgrund einer Kollision zu erklären. Die von C. wiedergegebene Aussage des Klägers („Sie überfahren uns alle noch.“) lässt sich zwanglos damit erklären, dass dem Kläger der verbotswidrig abgestellte Pkw nicht passte und er eine Gefahrensituation heraufbeschwören wollte, um sich unter diesem Deckmantel zum Sachwalter der an der Bushaltestelle wartenden Personen aufzuspielen und ggf. Unterstützung zu erhalten.
Die vom Kläger begangene vorsätzliche Körperverletzung erfüllt die qualifizierenden Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG. Zwar liegt eine Körperverletzung, die lediglich den Grundtatbestand des § 223 StGB, jedoch keinen qualifizierten Straftatbestand erfüllt, in der Regel unter der Ebene des Dienstvergehens (vgl. hierzu auch Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Stand: Aug. 2021, MatR/II Rn. 431; BayVGH, U.v. 16.2.2022 – 16b D 19.316 – juris Rn. 45). Hier liegt indes ein Ausnahmefall vor, weil der Zeuge F. Strafantrag gestellt und insbesondere die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung von Amts wegen bejaht hat.
Durch die Begehung der Körperverletzung hat der Kläger gegen seine Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Satz 3 BeamtStG a.F.) verstoßen.
2. Die fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs (Vorfall vom 17. Juli 2001) kann dem Kläger hingegen disziplinarisch nicht zum Vorwurf gemacht werden. Zwar kann außerdienstliches Fehlverhalten, das – wie hier – keinen Bezug zur Dienstausübung aufweist, regelmäßig ein disziplinarrechtliches Sanktionsbedürfnis auslösen, wenn es sich um eine Straftat handelt, deren gesetzlicher Strafrahmen bis zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren reicht, und der daran gemessene Unrechtsgehalt der konkreten Tat nicht gering wiegt (BVerwG, U.v. 28.7.2011 – 2 C 16.10 – juris Rn. 24). Private Straßenverkehrsdelikte begründen indes in der Regel kein disziplinarrechtliches Sanktionsbedürfnis (BVerwG, U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Rn. 14). Mit der hier vom Amtsgericht abgeurteilten Gefährdung des Straßenverkehrs durch durchgehend fahrlässiges Verhalten (§ 315c Abs. 3 Nr. 2 StGB; vgl. Hecker in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 30. Auflage 2019, § 315 c Rn. 40) ist ein Verhalten, das nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet wäre, das Vertrauen in einer für das Amt des Beklagten bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen, nicht ersichtlich.
Zudem kann der Vorfall entgegen der Meinung des Beklagten nicht nach dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens in die Disziplinarverfügung einbezogen werden. Dem materiell-rechtlichen Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens, der unmittelbar aus § 47 Abs. 1 S. 1 BeamtStG hergeleitet wird, liegt der Gedanke zugrunde, dass für die disziplinarrechtliche Beurteilung des Verhaltens eines Beamten und für die Entscheidung über das Erfordernis einer erzieherischen Disziplinarmaßnahme oder gar der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht die einzelnen Pflichtverletzungen als Teilaspekte ihres oder seines Verhaltens, sondern das gesamte innerdienstliche und außerdienstliche Verhalten als Spiegelbild der Persönlichkeit maßgebend ist. Erst bei Würdigung der Gesamtpersönlichkeit lässt sich mit der gebotenen Sicherheit beurteilen, ob der Beamte aus dienstlicher Sicht noch erziehbar erscheint, ob hierfür eine bestimmte Disziplinarmaßnahme als notwendig, aber auch als ausreichend erscheint, oder ob die Beamtin oder der Beamte für die Allgemeinheit und den Dienstherrn untragbar geworden ist und deshalb die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist (vgl. BVerwG, U.v. 25.8.2009 – 1 D 1.08 – juris Rn. 63 f. m.w.N.).
Eine Durchbrechung dieses materiell-rechtlichen Einheitsgrundsatzes wird mit Blick auf die in Art. 16 BayDG geregelten Disziplinarmaßnahmeverbote zum Schutz des Beamten nur dann angenommen, wenn die das Dienstvergehen ausmachenden einzelnen Verfehlungen in keinem inneren oder äußeren Zusammenhang miteinander stehen und damit eine gewisse Selbstständigkeit haben (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.1991 – 1 D 26.91 – juris Rn. 32). Der innere Zusammenhang zwischen mehreren Pflichtverletzungen ist immer dann gegeben, wenn eine bestimmte Neigung des Beamten, eine gewisse Charaktereigenschaft, die gemeinsame innere Wurzel für sein Fehlverhalten bildet (vgl. Werres in Schütz/Schiemann, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, Stand: Oktober 2021, Teil C Grundlagen des sachlichen Disziplinarrechts, 2.6 Einheit des Dienstvergehens, Rn. 16). Ein innerer Zusammenhang in diesem Sinne ist zu verneinen. Es lässt sich nicht sagen, dass ein gemeinsamer Charakterzug, eine gewisse charakterliche Labilität des Klägers die unterschiedlichen Verfehlungen verbände. Anlass und Motivation waren für das jeweilige Fehlverhalten zu verschieden, als dass eine in der Persönlichkeit des Beamten verwurzelte Fehlhaltung als gemeinsame Triebfeder für sein Handeln erkennbar wäre. Allein die Neigung des Klägers, sich nicht an Regeln zu halten und seine Interessen durchsetzen zu wollen, ist hierfür nicht ausreichend.
Der Anschlussberufung des Beklagten war daher zurückzuwiesen.
3. Bei der Gesamtwürdigung aller belastenden und entlastenden Gesichtspunkte sieht der Senat eine Geldbuße i.H.v. 3.000 € als erforderlich, aber auch ausreichend an.
Im Vordergrund der disziplinaren Bewertung stehen die Disziplinarverstöße unter Ziff. 1.2 und 1.4. Die zeitlichen Verzögerungen unter Ziff. 1.1 sind als eher geringfügiger Verstoß anzusehen. Das Versenden des Telefaxes (Ziff. 1.3) ist so geringfügig, dass es unter „normalen Umständen“ wohl disziplinarisch nicht gewürdigt worden wäre.
Der Kläger wollte seinem Vorgesetzten Paroli bieten und ließ es bei der steuerlichen Abrechnung der Außendienststunden auf einen Machtkampf ankommen. Dies steht dem Kläger mangels Unabhängigkeit jedoch nicht zu. Dem Kläger ist damit vorzuhalten, dass er seine eigenen Interessen beharrlich über das dienstliche Interesse der Aufgabenerledigung stellte. Allein die monatelange Arbeitsverweigerung wegen eines „fehlenden Blattes“ wiegt schwer, da der Kläger keine ernsthaften Anstalten machte, sich dieses zu besorgen. Am 7. Oktober 2016 hat der Kläger angesichts des Fehlverhaltens eines Kraftfahrzeugführers derart die Contenance verloren, dass er auf dem Boden fixiert werden musste, um Schaden von anderen Personen abzuhalten.
Der Senat konnte sich in der mündlichen Verhandlung ein eigenes Bild vom Kläger machen. Einsicht zeigte er nicht. Hinsichtlich des Vorfalls vom 7. Oktober 2016 diskreditierte er die anwesenden Zeugen. Der Zeuge F. musste den Umstand, dass der Kläger, während er am Boden fixiert war, um Hilfe gerufen hat, auf seine Bitte wiederholen, was dieser sichtlich mit Genugtuung zur Kenntnis nahm. Der Zeugin M. warf er letztlich unterlassene Hilfeleistung vor. Befremdlich wirkten die Aussagen gegenüber dem Zeugen F., dem er Identitätstäuschung unterstellte. Hinsichtlich dieses Zeugen hatte er sich offenbar durch Internetrecherchen vorbereitet, verlangte Informationen über dessen Geschäftstätigkeiten und deutete an, er könne dessen enge Beziehungen zu Polizei und Staatsanwaltschaft beweisen. Der Kläger sieht sich als Opfer und hält seine Arbeitsverweigerung hinsichtlich der geforderten steuerlichen Abrechnung für gerechtfertigt, da ihm die erforderlichen Rechtsvorschriften nicht vollständig in Papierform ausgehändigt worden seien. Der Kläger hat eine eigene Interpretation der Dinge, was sich beispielsweise daran zeigt, dass er den im Formblatt der Kilometerabrechnung vorgegebenen Text „Rechnerisch richtig“ stets durchstrich und mit „Plausibilitätsprüfung durchgeführt“ ersetzte. Mit dem „rechnerisch richtig“ hätte er wohl aus seiner Sicht die strafrechtliche Verantwortung für evtl. unrichtige Angaben übernehmen müssen. Ausweislich des Persönlichkeitsbilds vom 23. Januar 2018 hat der Kläger ein schlechtes Verhältnis zu den Kollegen. Dies gilt besonders in Bezug auf weibliche Beschäftigte, die nach seiner Ansicht in der Hierarchie „unter“ ihm anzusiedeln sind. Sein Verhalten ist konfliktträchtig, zumal er die Beschäftigten von oben herab gängelt. Aufgrund des notwendigen Zeitaufwands für die Führungsarbeit und den Zeitbedarf derer, die mit ihm kooperieren müssen, fällt die Gesamtbilanz seiner Arbeitsleistung in der Summe negativ aus.
Angesichts des dargestellten Gewichts des Dienstvergehens und des negativen Persönlichkeitsbildes ist die Höhe der vom Verwaltungsgericht verhängten Geldbuße nicht zu beanstanden, zumal Entlastungs- oder Milderungsgründe nicht ansatzweise ersichtlich sind. Die Geldbuße ist angemessen und erforderlich, um den Beamten künftig zur korrekten Erfüllung seiner Dienstpflichten anzuhalten. Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.
Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG, Art. 3 BayDG i.V.m. § 116 Abs. 1 VwGO).


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